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Читать книгу: «Kleine Romane und Novellen», страница 29

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»So, Mademoiselle, « entgegnete ich mit einiger Bitterkeit, «es scheint demnach, daß dieses Band, das Sie mit Ihren eigenen, schönen Händen gestickt haben, neben der Zinnschüssel figuriren wird, welche, wie Ihr Vater gestern erwähnte, bei den letzten Ringspielen irgend ein ländlicher Tölpel gewonnen hat. Ich denke, daß damit diesem Hausgeräthe zu viel Ehre erwiesen wird.«

Ein Zornesstrahl blitzte in Isabelles Augen und eine dunkle Röthe überzog ihr Gesicht, während ihre Finger so heftig zitterten, daß sie nicht im Stande waren, die Nadel zu führen.

»Ah, Sie verachten die Vergnügungen des Volkes, « bemerkte sie mit schneidendem Hohn. »Ihr Stolz verachtet diese einfachen Männer, deren harte Arbeit dazu beiträgt, Ihnen ein bequemes, angenehmes Leben zu sichern. Aber Geduld – Geduld!«

»Nein, Mademoiselle, « beeilte ich mich zu erwiedern, »Sie dürfen versichert sein, daß ich Niemand verachte – auch den geringsten nicht. Aber ich muß bekennen, daß ich gewisse Sympathien und Antipathien habe, die wahrscheinlich meiner Erziehung zuzuschreiben sind.«

»Ihrer Erziehung!« wiederholte sie. »Sagen Sie lieber Ihren Voruhrtheilen.«

Ich zögerte etwas, ehe ich antwortete, da ich nicht wünschte, mich mit ihr in einen Wortwechsel einzulassen.

»Es ist wahr, « sagte ich endlich, »ich liebe ausschließlich die Gesellschaftskreise, in denen ich lebe, und ich hin überzeugt, daß Sie in dieser Beziehung gerade so wie ich denken und fühlen werden, d. h. wenn Sie Ihren Platz unter Ihres Gleichen, unter den Liebenswürdigsten, unter den Bewundertsten und Gelehrtesten eingenommen haben.«

Sie schüttelte heftig das Haupt.

»Niemals!« rief sie mit Nachdruck.

»Wie so, Mademoiselle? Wollen Sie nicht in den auserlesenen Gesellschaftskreis eintreten, dem Sie durch Erziehung und Stellung mit vollem Rechte angehören?«

»Nein«, antwortete sie mit Entschiedenheit. »Ich fürchte im Gegentheil von hier entfernt zu werden. Nur mit unaussprechlichen Bedauern würde ich diesen Platz verlassen.«

Diese Erklärung entmuthigte mich nicht im Geringsten.

»Ah, « dachte ich, »es ist offenbar, daß Mademoiselle in diesem alten Schloss, wo sie geboren ist, ihr Leben zubringen wünscht. Von ganzem Herzen! Ihre Wahl muß dann nothwendiger Weise auf mich fallen, da sonst niemand da ist.«

Der Gedanke, mich mit ihr in diesem entlegenen Winkel einzuschließen, hatte durchaus nichts Abschreckendes für mich.

»Sie haben recht, « sagte ich nach einer kleinen Pause. »Die Ruhe dieses Ortes ist köstlich. Ich könnte mich leicht dazu entschließen, die Welt zu verlassen und als einfacher Landedelmann zu leben, und —«

»Sie Marquis, « unterbrach sie mich plötzlich, »Sie könnten dies thun?«

»Warum nicht, Mademoiselle?«

»Wie könnten Sie alle ihre Bälle, ihre Opern und alle die Vergnügungen und Zerstreuungen verlassen, an die Sie stets gewöhnt waren?«

»Ich würde nichts bedauern. Mademoiselle, wenn Sie nur gütig gegen mich wären, « antwortete ich mit einem plötzlichen Ausbruch von Zärtlichkeit.

Darauf rückte Isabelle an das andere Ende der Bank zurück, als ob sie eine Wespe gestochen hätte, und zuckte die Achseln mit einer hochmüthigen Gebärde, die jede andere Frau verunstaltet hätte, die sie aber in meiner bethörenden Einbildung nur noch reizender erscheinen ließ. Dann lehnte sie, ohne weiter auf mich zu achten und gerade, als ob sie mir zeigen wollte, daß ihr meine Unterhaltung lästig sei, das Gesicht gegen das Gitterwerk der Laube und betrachtete die untenliegende Landschaft.

Wir verhielten uns Beide schweigend. Ich betrachtete sie mit einer vagen Unruhe, ich zögerte, sie anzureden und wartete darauf, bis sie sich umdrehen würde. Aber sie schien in eine tiefe und traurige Träumerei versunken.

Plötzlich machte sie eine Bewegung und erröthete. Man hätte durch die Falten ihres Kleides ihren beschleunigten Herzschlag zählen können, wie sie so gegen das Gitterwerk der Laube lehnte, vor Aufregung, wie es schien, einer Ohnmacht nahe.

Mit einer unerklärlichen Unruhe sprang ich auf und blickte über ihres Schulter, um womöglich die Ursache ihrer auffallenden Verwirrung zu entdecken. Aber es war nutzlos, ich konnte Niemand in der Nähe sehen. Ich blickte weiter hinaus, aber ich konnte nur einige Landleute wahrnehmen.

Alles dies nahm nur einen Augenblick in Anspruch. Isabelle athmete tief auf, fuhr mit ihrem Taschentuch über das Gesicht, von dem die Röthe verschwunden war, drehte sich mit einer ruhigen. stolzen Miene um, welche bewies, daß sie glaubte, ich hätte nichts bemerkt.

Hielt ichs doch selbst, um die Wahrheit zu sprechen, nicht für unwahrscheinlich, daß ich mich getäuscht habe.

In diesem Augenblick läutete eine Glocke zum Dinner und Mademoiselle erhob sich.

ich war im Begriff, ihr meinen Arm anzubieten, aber sie vermied es, indem sie über den Weg schritt und einige Blumen pflückte. Ich ging weiter bis zum Eingang des Schlosses, wo ich stellen blieb und sie erwartete. Als sie kam, machte sie mir eine steife Verbeugung legte ihre Fingerspitzen auf meinen Arm und wir gingen so zusammen in das Speisezimmer.

Während des Mahls wandte sich die Unterhaltung selbstverständlich den Ereignissen des Tages zu.

»Die Unruhen, welche in Paris und dessen Umgebung stattfindet, machen sich selbst hier fühlbar, « sagte der Graf. »Die Sinne unserer Bauern sind ganz verwirrt und die jungen Leute fangen an, sich selbst zu vergessen.«

»Was wollen Sie damit sagen, daß das Volk in dieser entlegenen Gegend sich durch die politischen Verhältnisse in Aufregung versetzen läßt?« fragte ich.

»Allerdings ist es bereits so weit gekommen und das Feldgeschrei unter ihnen ist »Plünderung und Tod allen Aristokraten!«

»Sie setzen mich in Erstaunen, « erwiederte ich.

Mein Wirth zuckte mit einem Ausdruck der höchsten Verachtung die Achseln.

Als das Mahl vorüber war, entfernte sich der Graf ohne weitere Umstände, um seinem Jagdvergnügen nachzugehen.

Isabelle hatte ihre Lieblingsstellung am Fenster eingenommen. als ihre Mutter mir ins Ohr flüsterte:

»Nun, welchen Erfolg haben Sie bei meiner Tochter gehabt?«

»Keinen, Madame, « entgegnete ich. »Ich bin ganz entmuthigt.«

»Unsinn!« sagte die Dante. »Ich weiß, daß Isabelle keine zärtliche Natur ist; aber ich zweifle nicht, daß es Ihnen gelingen wird, sie nach und nach zu gewinnen. Unterdeß bleibt nichts übrig, als Ihre Heirath zu beschleunigen.«

Ich dachte an das seltsame Benehmen Isabellens und ein unerklärliches Gefühl von Furcht beschlich mich.

»Angenommen, Madame, « sagte ich, »es hätte bereits Jemand von Mademoiselles Neigung Besitz ergriffen?«

Über diese Annahme schlug die Gräfin ein herzliches Gelächter auf.

»Absurd!« rief sie aus. »Auf zwanzig Meilen in der Runde befindet sich kein Mann, auf den ein Mädchen von Geburt ihr Auge richten würde. Sie haben auch nicht einen

Schatten von einem Nebenbuhler. Natürlich bringe ich ein halbes Dutzend von alten Herren, die uns zuweilen die Ehre anthun, mit uns zu speisen, nachdem sie mit dem Grafen gejagt haben, nicht in Anschlag.«

Während die Dame noch sprach, wurde meine Aufmerksamkeit auf einen prächtig geschnitzten, ovalen Rahmen gelenkt, der einen schlechten, englischen Kupferstich enthielt.

»Ah, ich weiß, was Sie denken, « lachte die Gräfin, »Sie glauben, daß wir diesem unbedeutenden Bild zu viel Ehre anthun, indem mir es in eilten so hübschen Rahmen gefasst haben.«

»So ist es, Madame. Wenn ich nur ein Kästchen mit Pastellfarben hier hätte und wenn Sie es mir erlauben würden, so würde ich versuchen, Ihr Portrait zu malen, um es an die Stelle dieses Kupferstichs zu setzen.«

»Wie köstlich!« rief die Gräfin, lebhaft in die Hände klatschend. »Wir haben nicht allein Pastellfarben hier, sondern auch Pergament und alle übrigen Requisiten, die ein Künstler bedarf. Aber nicht mein Portrait wünsche ich von Ihnen gemalt zu sehen. Isabelle würde sich besser in diesem Rahmen ausnehmen als ich.«

»O, wenn mir Mademoiselle nur das Vergnügen schenken wollte!« rief ich, nach der Zauberin blickend, die noch immer am Fenster stand.

»Isabelle!« rief die Gräfin.

»Madame – meine Mutter!« antwortete die junge Dame, sich plötzlich aus ihrer tiefen Träumerei empor raffend.

»Komm hierher, mein Kind!«

Isabelle war in einem Augenblicke an der Seite ihrer Mutter.

»Meine Liebe, « fuhr die Gräfin fort, »der Marquis hier will Dein Portrait malen.«

»Gut, Mutter; ich bin bereit, « war die gleichgültige Antwort, die ohne die geringste Gesichtsveränderung gegeben wurde.

»Bereit!« wiederholte die ältere Dame. »Der Himmel gebe mir Geduld mit dem Kind! Glaubt sie, daß man ihr Portrait in diesem Anzug und in diesem Kopfputz malen wird? Geh zu Deiner Kammerjungfer, laß Dir Puder ins Haar streuen und es mit Bändern ausputzen, ziehe Dein Spitzenkleid an und dann komm wieder hierher.«

»Ja, Mutter, « antwortete Isabelle, mit derselben nachlässigen Gleichgültigkeit, wie zuvor, und ohne ein weiteres Wort verließ sie das Zimmer.

»Wie sonderbar beträgt sie sich!« dachte ich. »Haßt sie mich? ich fürchte sehr, daß es der Fall ist.«

Unterdessen brachte die Gräfin ein Kästchen mit Pastellfarben, einige Blätter Pergament und andere und andere nothwendige Materialien. Der Tisch wurde in das rechte Licht gerückt und Alles für mich zurecht gemacht.

Ehe ich begann, wurde ein Teller mit gelben Pfirsichen mit Zucker und Malvasierwein von der Dienerin der Gräfin gebracht.

Als das Mädchen das Zimmer verließ, trat Isabelle herein.

»Die gute Marie!« sagte die Gräfin, auf die Dienerin anspielend; »sie ist ein wahrer Schatz. Sich hätte gewünscht, dass sie irgend einen wohlhabenden Landmann in der Umgegend geheirathet hätte, aber sie konnte sich nie entschließen, einem Bauerntölpel ihre Hand zu reichen.«

»Das würde auch zu viel Ehre für sie gewesen sein, « fuhr Mademoiselle heraus. »Diese Bauerntölpel sind freie Männer und sie ist nur eine Dienstmagd.«

»Die Heiligen seien uns gnädig!« rief die Gräfin, »Seit wann hast Du Dir diesen sentimentalen Unsinn in den Kopf gesetzt? Obschon Marie nur eine Dienerin ist, so würde sie sich doch herabgewürdigt haben, wenn sie sich mit einem dieser ungebildeten und rohen Bauern verbunden hätte, die Du als freie Männer bezeichnest.«

Isabelle wurde blutroth, verwirrt und zornig zugleich. Ich war erstaunt, sie über die einfachen Worte ihrer Mutter so erregt zu sehen.

Hätte ich in diesem Augenblick nur die geheimen Gefühle von Isabelle de Vere zu lesen vermocht, wie bestürzt würde ich gewesen sein! Ach, wie wenig konnte ich ahnen, wohin sie dieselben führen würden! Wenn ich ihr entsagt hätte und aus ihrer Nähe geflohen wäre, so wäre sie vielleicht voll einem großen Unglück gerettet worden. Aber ich blieb und Ihr Verhängniß erfüllte sich.

Hier hielt der Erzähler inne und blickte auf das vor ihm hängende Bild. Dieses liebliche Gesicht schien ihn anzulächeln. Nach einer kurzen Pause fuhr er fort:

Ich begann sofort mein Werkt und in drei oder vier Tagen vollendete ich das Portrait, das zwar kein Kunstwerk, aber dem Original sehr ähnlich war.

Ich vermag nicht zu beschreiben, was während dieser vier Tage, wo ich Isabellens Gesicht fortwährend vor Augen hatte, in meinem armen, verliebten Herzen vorging. Sie saß in einiger Entfernung von mir, mit ernster Miene, den Blick auf mich gerichtet.

Zuweilen pflegte ihre Mutter mit komischer Ungeduld zu sagen: »Lache, Kind – so lache doch!« Aber das Lächeln stahl sich nur auf dieses stolze Gesicht, wenn seine Inhaberin in nachdenken verfiel. Dann hatten ihre Züge ihren natürlichen Ausdruck und ein sanftes Licht erschien in ihren schmelzenden Augen.

Zuweilen liest uns ihre Mutter mit einander allein. Bei solchen Gelegenheiten veränderte sich Isabellens Gesicht wie durch einen Zauber. Mit einer eisigen Miene wendete sie dann ihre Augen ab und ihre Blicke gaben mir deutlich genug zu verstehen, daß ich sie beleidigen würde, wenn ich es wagen sollte, mit ihr zu sprechen. Aber ich war so tief in Liebe versunken, so hoffnungsvoll, sie zu gewinnen, daß alle diese Beweise von Gleichgültigkeit und Verachtung mich nicht zu entmuthigen vermochten. Mit blinder Hartnäckigkeit hielt ich an dem Glauben fest, daß meine Zärtlichkeit und Aufmerksamkeit sie endlich doch erweichen würden, und mein Entschluß ging dahin, sie, wie ihre Mutter gerathen hatte, einstweilen zu heirathen.

Isabellens Vater wußte nichts von unserem Treiben. Das Portrait sollte ihm eine Ueberraschung bereiten. Es war keine schmierige Sache, es vor ihm zu verheimlichen, da er den größten Theil des Tages auf der Jagd zubrachte und sich niemals beifallen ließ, zu fragen, womit wir uns beschäftigt hatten.

Als das Bild vollendet war, legte ich es in den Rahmen und hing es in den Salon, dem Sopha gegenüber, auf, wo der Graf des Abends Platz zu nehmen pflegte.

An diesem Tage hatte die Gräfin nach Sonnenuntergang die Fensterläden schließen und eine Menge Wachskerzen anzünden lassen, während Marie mein Meisterwerk mit einem Blumenkranze geschmückt hatte.

Die Gräfin führte ihren Gatten in das Zimmer.

»Ah, « rief er sogleich das Bild gewahrend. »Isabellens Portrait! Excellent!«

»Aber Du fragst ja nicht noch dem Namen des Künstlers, « sagte seine Frau mich einer Pause.

»Ich bin ihm viel Dank schuldig, wer er auch sein mag;« antwortete er in seiner gewöhnlichen, gutmüthigen Weise.«

»Hier ist er, mein Lieber«» sagte die Gräfin, mich bei der Hand ergreifend. »Seine Bescheidenheit verhindert ihn, vorzutreten.«

Der gute Graf legte seine Hand aus meine Schulter und sagte in fröhlichem Tone:

»Wir wollen einen Tausch machen. Ich will Ihnen das Modell geben und Sie sollen mir das Portrait überlassen, « und mit diesen Worten wendete er sich zu Isabellen, um ihre Hand zu ergreifen und in die meinige zu legen; aber sie schlüpfte auf die Seite und verbarg sich hinter ihrer Mutter.

»Gut, gut; Gilbert, Sie haben mein Versprechen und das genügt, « sagte er in ernstem Tone.

»An demselben Abend, heim Souper, sagte der Graf plötzlich zu seiner Frau:

»Meine Liebe, hast Du das ländliche Fest morgen vergessen?«

»Beinahe«, antwortete sie nachlässig.

»Als ich an diesem Abend nach Hause zurückkehrte, bemerkte ich, dass das ganze Dorf von Fremden wimmelte – von Zigeunern, Hausirern, Seiltänzern und derlei Volk. In früherer Zeit«, fuhr er zu mir gewendet fort, »war es Sitte, daß die Frau oder die Tochter des Gutsherrn mit einem der jungen Landleute den Ball eröffnete. Diese Gewohnheit war alllmälig abgekommen, aber Isabelle hat sie im vorigen Jahre wieder erneuert. Sie tanzte, wie ihre Großmutter und ihre Urgroßmutter vor ihr, mit einem Bauern. In diesem Jahre wird die Sache anders sein. Morgen werden wir nur in das Dorf gehen, um die Kirche zu besuchen —«

»Wie, Vater, « unterbrach ihn Isabelle, »werden wir nicht den Spielen – dem Ringen beiwohnen?«

»Nein, Tochter, « erwiederte er mit Festigkeit. »Die Zeiten haben sich verändert, und Du kannst nicht da erscheinen, wo Du nicht die Gewißheit hast, die gebührende Achtung zu finden.«

»Wie, Isabelle, Du wirst doch gewiß nicht den Verlust dieses widerwärtigen Tanzes und Deines noch widerwärtigeren Tänzers bedauern?« rief ihre Mutter im Tone gutmüthigen Tadels. »Erinnerst Du Dich noch des vorjährigen? Er trug eine grüne Weste, kurze Hosen von derselben Farbe, dicke, wollene Strümpfe und schwere genagelte Schuhe?«

»Und was liegt an der Kleidung?« entgegnete Isabelle mit kaum verhaltener Entrüstung. »Ich ziehe die Einfachheit ihrer Sitten unseren künstlichen Verhältnissen weit vor. Und was ihre Gesellschaft betrifft, so kann man sie genießen, wenn —«

»Man sich in freier Luft befindet, « lachte die Gräfin spöttisch.

In diesem Augenblicke erinnerte ich mich des blauen Bandes, das Isabelle gestickt hatte, und sagte zu dem Grafen:

»Der Sieger beim Ringen wird also den Preis von Mademoiselle nicht erhalten?«

»Nein; es sei denn, dass er ihn hier im Schlosse abholt, « war seine Antwort.

Ich blickte Isabelle an und wunderte mich über den Ausdruck ihres Gesichts in diesem Augenblicke.

»Wieder dieser unerklärliche Blick, « sagte ich zu mir. »Was will sie damit sagen?«

Zweites Capitel

Der Graf und die Gräfin hatten das Zimmer verlassen, und ich bot darauf Isabelle meine Hand, um sie zu führen; aber sie zog sich zurück und schien meine Handlung nicht zu bemerken.

»Margen, Mademoiselle"» flüsterte ich ihr ins Ohr, »wird die Frau Gräfin, Ihre Mutter, Ihnen mittheilen, wann unsere Vermählung stattfinden wird. Sagen Sie mir, Mademoiselle, ich beschwöre Sie darum – sagen Sie mir, ob Sie meine Neigung erwiedern können. Ich werde nicht glücklich sein, wenn es nicht der Fall ist. Sie müssen freiwillig ihre Zustimmung geben —«

»Morgen! So bald?« murmelte sie, mich mit gerunzelter Stirne anblickend.

»O, Mademoiselle, ich liebe sie so leidenschaftlich!«

»Aber gesetzt ich liebte Sie nicht, wollten Sie mich dennoch heirathen?«

Ich antwortete ihr nicht. Sich beugte blos mein Haupt.

»Ah, ich sehe. Nun warten Sie – warten Sie eine Weile!« antwortete sie in einem fast drohenden Tone.

Am folgenden Morgen fand ich die Gräfin herausgeputzt, als ob sie sich zu einem großen, öffentlichen Feste begeben wollte, statt zum Gottesdienst in die Dorfkirche. Sie trug ein veilchenblaues, seidenes Kleid mit drei langen Spitzengarnierungen und Straußenfedern im Haar. Isabellens Anzug bestand aus weißer Seide und ihr Hut war mit langen Bändern ausgeputzt, die ihr auf die Schultern niederfielen.

Ich näherte mich der letzteren und bot ihr guten Morgen, aber mein Gruß wurde nur mit einem unmerklichen Kopfneigen erwiedert. Ich fühlte mich durch ihr eisiges Benehmen schwer gekränkt. Ihre Mutter sah es und sagte zu mir:

»Ich habe ihr noch nicht gesagt, was heute in der Kirche stattfinden wird. Kümmern Sie sich nicht um ihr Gebahren.«

Gleich darauf brachen wir sämtlich nach dem Dorfe auf. Der Graf seine Tochter und ich gingen voraus, die Gräfin folgte in ihrer Sänfte, und den Zug beschloss die Dienerschaft, aus einem Dutzend Männer und Frauen bestehend.

Vor der Kirche war eine große Versammlung von Landvolk. Alle trugen ihre Feiertagskleider, und Männer und Frauen; führten eine laute, fast lärmende Unterhaltung.

Seitwärts, auf einem offenen Platze, wo der Jahrmarkt abgehalten wurde, war ebenfalls eine große Menschenmenge versammelt. Ich bemerkte, daß alle junge Leute entweder im Knopfloch oder auf ihrem Hut ein Stück farbiges Band trugen.

Als der Graf und seine Familie erschienen, waren Aller Augen auf sie gerichtet und alle Stimmen schwiegen. Man machte langsam Platz und ließ uns passieren. Einige wenige alte Männer zogen den Hut; aber die meisten der Anwesenden ließen es an jedem Zeichen der Achtung fehlen.

Trotz der Schläge, welche das Volk in der letzten Zeit gegen die Aristokratie gerichtet hatte, War der erhöhte Betstuhl des Schlossherren, über dem sich das gräfliche Wappen befand, in der alten Kirche ungestört geblieben.

Der Graf nahm seinen Platz zwischen seiner Frau und seiner Tochter, während ich mich neben die letztere stellte.

Unser erscheinen hatte einige Bewegung in der Versammlung hervorgerufen. Als die Gräfin mit lächelnder und stolzer Miene und wallenden Federn durch die Kirche schritt, wobei die hohen Absätze ihrer Schuhe auf den steinernen Platten ertönten, hatten sich Aller Augen mit drohenden Gebärden auf sie gerichtet, und sobald wir uns gesetzt hatten, ließen sich laute, zornige Stimmen vernehmen.

»Was giebt es?« fragte der Graf.

»Sie sagen, wir seien auch nicht bester als sie und wir sollen in denselben Reihen mit ihnen beten.« erläuterte Isabelle.

»So!« sagte ihre Mutter, noch stolzer mit ihren Federn nickend.

Das Gesicht des Grafen war blaß geworden. Er erhob sich und blickte stolz und verächtlich um sich.

In diesem Augenblicke erschien der Priester und Alle knieeten schweigend nieder. Später traten ein Dutzend junge Männer oder mehr vor den gräflichen Stuhl und stellten sich in einer bleibe daselbst auf.

Ich sah den Grafen fragend an, denn ich wußte nicht, wie ich diese Bewegung von Seite der jungen Leute deuten sollte und fühlte mich einigermaßen beunruhigt.

»O, es ist ihr Vorrecht an Festtagen, « belehrte mich der Graf, »und der Sieger im Ringkampf und seine Kameraden nahmen es stets in Anspruch.«

Diese jungen Männer trugen alle grüne Zweige auf ihren Hüten. Sie waren sämtlich stämmige Bursche von muskulösem Körperbau und unter ihnen zeichnete sich besonders ihr Anführer aus. Er war über sechs Fuß hoch und seine hübschen regelmäßigen Züge erinnerten mich an den Kopf einer antiquen Statue, die einen Gladiator darstellt. Der Anzug dieses Mannes wich einigermaßen von dem der Uebrigen ab. Gelbe lederne Gamaschen ersetzten die wollenen Strümpfe und eine Jacke von gestreiften Stoff das grobe grüne Tuch.

Ich bemerkte alles dieses vollkommen absichtslos. Ich war zerstreut und unruhig und ich wurde es noch mehr, je näher die Zeit heranrückte, wo das öffentliche Aufgebot unserer Heirath verkündigt werden sollte. Endlich trat der Priester an die Communionbank und las mit einem Papier in der Hand inmitten des tiefsten Schweigens Folgendes mit lauter Stimme:

»Ich thue hiermit kund und zu wissen. daß eine Verlobung zwischen dem sehr hohen und ausgezeichneten Monsieur Gilbert, Marquis de Bruyere und der sehr hohen und ausgezeichneten Mademoiselle Isabelle de Vere stattgefunden hat.«

Hier folgte ein lautes Murmeln im Schiff der Kirche. Es war die Erwähnung unseres Ranges, welche die Entrüstung des Volkes erregt hatte.

Ich blickte Isabelle an. Ihr Gesicht war farblos und ihre Hände zitterten heftig.

»Mein Kind, « sagte ihre Mutter, sie liebevoll anblickend, »warum zitterst Du so sehr? Sei ruhig! Du hast keine Ursache zur Besorgniß.«

»Ich bin ruhig, Mutter, « war die Antwort, welche mit veränderter Stimme und abgewandten Kopfe gegeben wurde.

Ich bemerkte Isabellens Benehmen, sah aber in demselben nicht das, was ich deutlich hätte wahrnehmen können. Hätte ich meine Augen gehörig geöffnet, so würde ich erfahren haben, daß ich einen Nebenbuhler habe.

Als der Gottesdienst beendigt war, bat mich der Graf, Isabelle bei der Hand zu nehmen und vorauszugehen.

»Ihre Verlobung ist öffentlich verkündigt worden und es ist nicht mehr als billig, daß Sie das Vorrecht der Gesellschaft Ihrer Verlobten öffentlich in Anspruch nehmen, « sagte er.

»Ich näherte mich Isabellen mit klopfendem Herzen und ohne ein Wort legte sie ihre Hand in die meinige und so schritten wir mit einander aus der Kirche, an deren Thüre uns der bäuerliche Preiskämpfer und seine Kameraden erwarteten.

Der Anführer trat vor und redete mit dem Hut in der Hand die Gräfin in seiner heimischen Mundart an. Als er seine Rede beendigt hatte, wendete sich die Gräfin an ihre Tochter und fragte, was er gesagt habe.

»Er bittet uns den Spielen – dem Ringen beizuwohnen, « antwortete Isabelle.

Darauf nickte die Gräfin majestätisch mit ihren Federn.

»Aus der Ferne habe ich keine besondere Einwendung, « entgegnete sie mit Stolz. »Ich habe bereits angeordnet, daß Stühle im Schlossgarten aufgestellt werden, von wo aus wir Alles, was vorgeht, sehen können. Wir müssen diesem großen Burschen da, der im vorigen Jahre die zinnerne Schüssel gewonnen hat, sagen, er solle mit seinen Freunden ins Schloss kommen um ein Glas Wein zu trinken und das Band, das Du gestern gestickt hast, in Empfang zu nehmen.«

»Mein Vater hat ihnen soeben gesagt, dass sie kommen sollen, wenn Alles vorüber ist«. erwiderte Isabelle.

»Dann last uns sie so schnell als möglich verlassen, « antwortete die Gräfin, in ihre Sänfte steigend. »Ich bin dem Ersticken nahe. Schnell tragt mich fort!«

Es ist allerdings wahr, daß wir auf die unangenehmste Weise von der Menge gedrängt wurden. Viele betrugen sich frech und anmaßend, widersetzten sich unserem Weitergehen und liefen lärmend vor uns her.

Der Graf legte Zeichen zorniger Ungeduld an den Tag.

»Lassen Sie mich vorausgehen«, sagte er zu mir, »führen Sie Isabelle.«

Darauf schlang ich Mademoiselles Arm in den meinigen, aber sie zog ihn sogleich wieder zurück und sich an den riesigen Preiskämpfer wendend, sagte sie zu ihm:

»Paul Croix, geht vor uns her.«

Der junge Mann gehorchte augenblicklich. Er stürzte sich in die Menge, stieß und drängte Jedermann aus dem Weg und machte so eine freie Gasse für uns. Als wir aus dem Gedränge waren, wandte er sich um und kehrte, ohne ein Wort zu sagen, zu seinen Kameraden zurück.

Schweigend setzten wir dann unsern Weg nach dem Schlosse fort. Mademoiselle de Vere schritt voraus, während der Graf an meiner Seite ging. Er sah sehr ernst aus und war ziemlich aufgeregt.

»Die Schurken!« rief er aus. »Sie hatten große Lust, uns zu insultiren. Der Himmel weiß, wie alles dies enden wird. Der König muß etwas thun, oder seine Edlen werden täglich den Beleidigungen von Seite dieser Leute ausgesetzt werden. Mittlerweile will ich Maßregeln zu unserer Sicherheit treffen. Mir werden das Dorf nicht mehr besuchen.«

»Es freut mich, dies zu hören, « sagte seine Frau, ihren Kopf aus der Sänfte steckend. »Wir wollen zu Hause bleiben und die Trauung soll in der Schlosskapelle stattfinden. Weißt Du, daß Marie sie sagen hörte, dass man in allen andern Kirchen die Stühle der Adligen entfernt habe, und daß sie auch den unsrigen entfernen wollten?«

»Ich werde es niemals dulden!« rief ihr Gatte mit Nachdruck. »Ich bin nicht gewillt, meine Rechte aufzugeben, und ich werde nur der Übermacht weichen.«

Nach unserer Rückkehr in das Schloss suchte ich eine Unterredung mit Isabellen zu erlangen, aber sie vermied mich und ich fand erst am Nachmittag, als wir in den Garten gingen, um den Spielen zuzusehen, eine Gelegenheit, einige Worte mit ihr auszutauschen. Ich führte sie am Arme und sie konnte mir nicht ausweichen.

»Mademoiselle, « sagte ich ängstlich, »wollen Sie mich denn nicht einmal mit einem Blick beglücken? Was soll ich thun, um ein Lächeln von Ihnen zu erhalten? Ah, sagen Sie es mir – sagen Sie es mir.«

Sie antwortete mir nicht und ich fuhr fort:

»Erlauben Sie mir, Ihnen zu sagen, wie sehr ich Sie liebe. Sie können mich ohne Scheu anhören, da wir jetzt verlobt sind.«

Hierauf blickte sie mich mit einem sonderbaren Ausdruck in ihrem Gesichte an, – einem Ausdruck der Verachtung, wie ich es auslegte. Ich zitterte heftig, denn ich begann das Schlimmste zu fürchten.

»Ist es möglich, Mademoiselle, daß ich einen Nebenbuhler habe?« fragte ich.

»Diese Frage wird bald beantwortet werden«, erwiederte sie keck, und ohne ein weiteres Wort zu äußern, riß sie sich von mir los und eilte in den Garten.

Als sie mich verließ, blieb ich stehen. Ich war eine Zeit lang ganz betäubt und meiner nicht mächtig. Ihre letzten Worte tönten mir ohne Unterlaß in den Ohren. Doch muß ich bekennen, daß ich noch keinen Gedanken hegte, sie zu verlieren – sie einem begünstigten Nebenbuhler zu überlassen. Ich war bis zum Wahnsinn in sie verliebt und entschlossen, sie zu heirathen, selbst wenn sie mich haßte. Die Alles beherrschende Leidenschaft in meiner Brust gestattete keinen Verzicht, keinen Aufschub.

»Ich will noch diesen Abend mit ihrem Vater sprechen, « sagte ich zu mir. »Unser Heirathsvertrag soll sogleich ausgefertigt werden und in drei Tagen muss Mademoiselle de Vere meine Frau sein.«

Mit diesem Vorsatz trat ich an die Seite der Gräfin, welche, über die Mauerbrüstung blickend, den Vorgängen auf dem Dorfrasen zuschaute.

Es war eine ziemlich bunte Scene. Die Menge hatte sich um einen Platz gesammelt, der durch ein Seil und durch in die Erde getriebene Pfosten abgesperrt war. Ich konnte eine hohe Stange sehen, auf deren Spitze eine Zinnschüssel in den Strahlen der Sonne glänzte und die gellenden Mißtöne einer Drehorgel und einer Trommel vernehmen.

Isabelle die neben ihrer Mutter saß, verwandte kein Auge von der Scene, während ich selbst alle ihre Blicke und Bewegungen beobachtete. Ich war voll von Liebe und Eifersucht. Sie gab sich offenbar Mühe, kalt und teilnahmslos zu erscheinen; aber in ihren Augen brannte ein unruhiges Feuer und ihre Wangen waren geröthet.

Das Ringen hatte jetzt begonnen und Mann kämpfte gegen Mann und Jeder suchte seine größte Kraft und Gewandtheit geltend zu machen.

Die Gräfin gähnte und behauptete, die ganze Geschichte sei äußerst langweilig, besonders, da man schon im Voraus wisse, wer der Sieger sein werde.

»Dieser Bursche, Paul Croix, « sagte sie, »wird sie Alle niederwerfen, wie er es im vorigen Jahre gethan hat. Er besitzt die Stärke eines Stiers. Diese rohen Spiele können mich nicht interessieren. Laßt uns eine Weile gehen.«

Und damit erhob sich die Dame, nahm den Arm ihres Mannes und schlenderte langsam den Gartenpfad hinunter.

Mademoiselle und ich folgten schweigend nach.

Der Garten war so alt als das Schloss selbst. Ich betrachtete zerstreut die steifen holländischen Anlagen, als sich die Gräfin umwandte und mich anredete:

»Sie sehen diesen Thurm, Marquis, «, sagte sie, mit ihrem Fächer auf einen solchen deutend, der den alten Wall flanierte und über einen Abgrund hing. »Früher war es ein Wachthurm, in neuerer Zeil aber ist er zur Wohnung eingerichtet worden und im ersten Stock wurde ein Balkon mit einem großen Fenster angebracht. Isabelle hat dort ihr Zimmer. Ich kann nicht aus ihren Fenstern sehen, ohne ganz schwindlich zu werden. Meine Tochter hat stärkere Nerven, denn oft schon habe ich sie des Abends angetroffen, wie sie mit dem Ellbogen am Rande dieses Schwalbennestes lehnte.

Ich beugte mich über die Brüstung und maß mit meinen Augen die ungeheure Höhe der Mauer.

»Ah, « dachte ich, »kein Liebhaber wird es versuchen, unter diesem Balkon zu singen.«

Kurze Zeit vor Sonnenuntergang wurde die auf dem Dorfplatz versammelte Menge sehr unruhig und lärmend. Die glänzende Metallschüssel war von der Spitze der Stange verschwunden.

»Die Spiele sind alle vorüber, « bemerkte die Gräfin nach der geschäftigen Scene blickend. »Der Sieger ist gekrönt. Dort schreitet er mit seiner Zinnschüssel in der Hand über den Platz. Er und seine Kameraden werden sogleich hier sein. Laßt uns hineingehen.«

Mittlerweile war es finster geworden. Die Dorfbewohner hatten Fackeln aus Kienholz angezündet, deren helle Flammen eine wandelnde Illumination von eigenthümlicher Wirkung bildeten. Man konnte von dem Wohnzimmer aus das ganze Treiben des Dorfes beobachten. Ich fühlte nicht das geringste Interesse an diesen Dingen, aber ich behielt meinen Stand am Fenster, wo ich das Schauspiel träumerisch beobachtete.

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04 декабря 2019
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