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Читать книгу: «John Davys Abenteuer eines Midshipman», страница 8

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XI

Gibraltar ist keine Stadt, sondern eine Festung, deren strenge Disciplin sich bis auf die Bürger erstreckt. Dieser Platz ist daher auch nur als Militärposten von Wichtigkeit; in dieser Beziehung kann seine Bedeutung nicht zu hoch angeschlagen werden.

Nachdem der neue Gouverneur ans Land gestiegen war, sollten wir auf der Rhede die weiteren Befehle der Regierung erwarten. Der Capitän Stanbow gab täglich der einen Hälfte der Mannschaft die Erlaubniß ans Land zu gehen. Wir machten bald mit einigen Offizieren der Besatzung Bekanntschaft und wurden von ihnen in die Häuser eingeführt, wo sie Zutritt hatten.

Unsere Unterhaltungen blieben auf diese Gesellschaften, auf die Benutzung einer sehr schönen öffentlichen Bibliothek und auf Spazierritte in der Umgegend beschränkt. James war mein bester Freund geworden; wir genossen zusammen die wenigen Freuden, welche Gibraltar bietet, und da er auf seinen Sold angewiesen war, so übernahm ich den größten Theil der Ausgaben, ohne jedoch sein Zartgefühl zu verletzen. So hatte ich zwei schöne arabische Pferde für die ganze Dauer unseres Aufenthaltes gemiethet, und James ritt natürlich das eine Pferd.

Eines Tages sahen wir auf einem Spazierritt einen Adler, der auf einem todten Pferde saß und so gierig fraß, daß ich ihm bis auf hundert Schritte nahe kam.

»Ich hatte oft gesehen, wie unsere Bauern ein ganz einfaches Mittel anwenden, um einen im Lager sitzenden Hasen zu fangen: sie beschreiten einen immer engern Kreis um das Thier, bis sie ihm so nahe kommen, daß sie ihn mit einem Stock todtschlagen können.

So kam ich auch dein Adler bis auf fünfundzwanzig Schritte nahe; vielleicht war er in Folge seiner Gefräßigkeit schwerfällig und träge geworden. Ich hielt mein Pferd an, zog ein Pistol aus den Sattelholftern und zielte. Der Adler versuchte nun aufzufliegen; aber ehe er sich vom Erdboden erhoben hatte, zerschoß ich ihm einen Flügel.

James und ich sprangen vom Pferde, um den Adler zu ergreifen. Aber die schwerste Arbeit war noch zu thun; der angeschossene Vogel schien gar nicht geneigt sich ohne Gegenwehr zu ergeben. Ich hätte ihn tödten können, aber wir wollten ihn lebend fangen und mit auf’s Schiff nehmen; wir machten daher einen regelrechten Angriff.

Der Adler war prächtig mit seinen feurigen Augen, welche alle unsere Bewegungen verfolgten. Anfangs wollten wir ihn an der Mitte des Leibes ergreifen, ihm den Kopf unter den Flügel stecken und ihn wie eine Henne forttragen; aber er wehrte sich mit seinem gewaltigen Schnabel so gewandt, daß wir zu anderen Mitteln greifen mußten. Wir zogen unsere Schnupftücher hervor; ich warf dem Adler das meinige über den Kopf und mit dem andern band ihm James die Füße. Der blutende Flügel wurde in der Eile mit meinem Halstuch verbunden, und so wurde der stolze Aar, wie eine Ibismumie eingewickelt, an meinem Sattelknopf hängend nach Gibraltar gebracht. Unser Boot lag im Hafen und führte uns im Triumph nach dem Schiffe.

Da wir durch Signale zu verstehen gaben, daß wir etwas Außerordentliches mitbrachten, so wurden wir von der gesammten am Bord befindlichen Mannschaft an der Leiter erwartet. Wir nahmen sogleich die Hilfe des Wundarztes in Anspruch, um den zerschossenen Flügel amputiren zu lassen. Wir nahmen den Verband ab; aber der tief vermummte Adler nicht ganz leicht von einem Truthahn zu unterscheiden war, so erklärte der angehende Chirurg, das Geschäft gehe den Koch an und nicht ihn. Wir ließen daher den Master Cook kommen, und dieser hielt es nicht unter seiner Würde die Operation vorzunehmen. Als der zerschossene Flügel amputirt und ein neuer Verband angelegt war, banden wir die Fänge des Adlers los und nahmen ihm die Kopfbinde ab. Die ganze Schiffsmannschaft jubelte über den prächtigen Fang, den wir gemacht hatten. Der Gefangene blieb mit Bewilligung des Capitäns am Bord, und acht Tage nachher war Nick so zahm wie ein Papagei.

In Plymouth hatte ich durch die Leitung des Zuges nach Walsmouth einen Beweis von Gewandtheit gegeben; meinen Muth hatte ich im Sturme durch das Lappen des Oberbramsegels gezeigt; ich hatte endlich bewiesen, daß ich ein guter Schütze war, und so wurde ich denn am Bord des »Trident« nicht mehr als Knabe und Neuling, sondern als tüchtiger Seemann betrachtet.

Der Capitän Stanbow war so gütig gegen mich wie er konnte, ohne meine Cameraden zu verletzen; der Lieutenant Burke hingegen schien immer feindseliger gegen mich zu werden. Dies war übrigens ein Unglück, welches ich mit allen meinen der Aristokratie angehörenden jungen Cameraden theilte. Ich mußte mich mit ihnen trösten. Ich war rastlos thätig und eifrig in der Erfüllung meiner Pflichten, und da ich während unseres Aufenthaltes vor Gibraltar keinen Anlaß zur Unzufriedenheit gab, so mußte er eine andere Gelegenheit abwarten, sein Müthchen an mir zu kühlen.

So lagen wir beinahe einen Monat im Hafen von Gibraltar und warteten auf Befehle von England. Endlich, am neunundzwanzigsten Tage wurde ein englisches Schiff signalisirt.

Es war die »Salsette«, eine Fregatte von sechsundvierzig Kanonen, und wir zweifelten nicht, daß sie uns die erwarteten Instructionen bringen werde.

Am Bord herrschte große Freude ; Matrosen und Offiziere waren des unthätigen Lebens müde. Wir hatten uns in unseren Erwartungen nicht getäuscht; noch denselben Abend kam der Capitän der »Salsette an Bord des »Trident« und brachte die ersehnte Depeschen. Außer den Befehlen der Admiralität kamen mehre Privatbriefe; einer dieser Briefe war an David. Der Capitän Stanbow übergab den Brief mit dem Ersuchen ihn abzugehen.

David hatte die Erlaubniß, an’s Land zu gehen, nicht ein einziges Mal benutzt; trotz den dringenden Einladungen Bob’s und seiner Cameraden war er am Bord geblieben und hatte seinen Dienst mit einer Geschicklichkeit und Pünktlichkeit versehen, welche einem geübten Matrosen alle Ehre gemacht hätte. Ich fand ihn in der Segelkammer mit dem Ausbessern des Focksegels beschäftigt und übergab ihm den Brief. Kaum hatte er die Handschrift erkannt, so erbrach er das Siegel mit einer Hast, welche bewies, daß er dem Briefe großen Werth beilegte. Er erblaßte, als er die ersten Zeilen gelesen hatte, seine Lippen bebten und der Schweiß tropfte ihm vom Gesichte. Als er den Brief zu Ende gelesen hatte, legte er ihn zusammen und steckte ihn in seine Brusttasche.

»Was enthält dieser Brief, David?« fragte ich ihn.

»Nichts Unerwartetes,« antwortete er.

»Aber er hat Euch doch sehr angegriffen.«

»Ein Schlag thut immer weh, wenn man auch darauf vorbereitet ist.«

»David,« sagte ich, habt Vertrauen zu einem Freunde.«

»Kein Freund kann jetzt etwas für mich thun; aber ich danke Ihnen, Mister John, und ich werde nie vergessen, was Sie und der Capitän für mich gethan haben.«

»Ihr müßt den Muth nicht verlieren, David.«

»Sie sehen ja, daß ich Muth habe,« antwortete er und nähte wieder an dem Segel.

Er hatte wirklich Muth, aber es war der Muth der Verzweiflung und nicht der Ergebung. Ich verließ den Unglücklichen in einer traurigen Stimmung, deren ich mich nicht erwehren konnte, so oft ich mit ihm in Berührung kam. Ich begab mich wieder zu dem Capitän, um ihm meine Besorgnisse hinsichtlich des armen David mitzutheilen; aber Mister Stanbow ließ mich nicht zu Worte kommen.

»Mister Davys, sagte er, »ich habe Ihnen eine Nachricht mitzutheilen, die Ihnen sehr angenehm sein wird; morgen segeln wir nach Constantinopel ab, wo wir die Vorstellungen, welche unser Botschafter, Mister Adair, im Namen unserer Regierung dem Divan zu machen hat, durch unsere Anwesenheit unterstützen sollen. Sie werden den Orient, das Land der »Tausend und eine Nacht« nun bald sehen; Sie werden es vielleicht durch den Pulverrauch der Kanonen sehen, und dies wird der Poesie des Bildes keinen Abbruch thun. Zeigen Sie der Mannschaft diesen Entschluß an; bei Tagesanbruch muß Alles segelfertig sein.«

Der Capitän hatte richtig gerathen; nichts hatte mir angenehmer sein können, als die Nachricht, die er mir mittheilte. Meine Freude über die bevorstehende Seereise verscheuchte alle übrigen Gedanken und ich beeilte mich dem Lieutenant Burke die auf die Abfahrt bezüglichen Befehle mitzutheilen. Burke hatte wohl bemerkt, daß der Capitän absichtlich mied mit ihm in Berührung zu kommen. Seit der Bestrafung David’s pflegte der Capitän nicht direct, sondern durch meine Vermittlung mit ihm zu verkehren, und der Lieutenant war keineswegs freundlicher gegen mich geworden. Ich war indeß immer so ehrerbietig gegen ihn, wie es die strengste Disciplin erheischte, und er antwortete kalt und höflich.

Noch denselben Abend machten wir uns segelfertig, und da der Wind gut war, liefen wir in der Nacht aus. Am folgenden Nachmittage um vier Uhr war kein Land mehr in Sicht. Als die erste Abendwache , zu der auch ich gehörte, abgelöst worden war und ich eben anfing mich auszukleiden, entstand plötzlich aus dem Hinterdeck ein lautes Getöse und ich hörte deutlich den Schreckensruf: »Mörder! Mörder!«

Ich eilte auf’s Verdeck und dort bot sich mir ein eben so unerwarteter als schrecklicher Anblick. David, ein blutiges Messer in der Hand haltend, wurde von vier kräftigen Matrosen gehalten, während der Lieutenant Burke seine Kleider abwarf und eine große Wunde am linken Oberarm zeigte.

Wie groß auch mein Erstaunen war, so konnte ich doch keinen Augenblick an dem Sachverhalte zweifeln. David hatte den Lieutenant erstechen wollen; zum Glück hatte dieser, durch den Ruf eines Matrosen gewarnt, den Stoß mit dem Arm parirt, und die auf seine Brust gerichtete Klinge war durch den Oberarm gedrungen. David hatte noch einmal zum Stoß ausgeholt, aber Barke hatte ihn beim Handgelenk gefaßt und mit Hilfe einiger Matrosen festgenommen.

Fast zugleich mit mir kam der Capitän Stanbow aufs Verdeck und war Zeuge desselben Schauspiels. Unbeschreiblich war der Ausdruck des Schmerzes in dem Gesicht des würdigen alten Herrn. Er hatte im Herzen immer Partei für David genommen, aber dieses mal gab es keine Gründe zur Entschuldigung einer solchen Gewaltthat; es war ein meuchlerischer Angriff und die Absicht dem Lieutenant das Leben zu nehmen lag klar am Tage. Der Capitän befahl daher David in Ketten zu legen und in den Kielraum zu bringen. Das Kriegsgericht wurde auf den zweiten Tag zusammenberufen.

In der Nacht vor dem zur kriegsrechtlichen Verhandlung bestimmten Tage ließ mich der Capitän rufen. Er fragte mich, ob ich nichts Näheres über diese unglückliche Angelegenheit wisse und ob mir etwas bekannt sei, daß der Lieutenant Burke den Arrestanten wieder schlecht behandelt und dadurch zum Zorn gereizt habe. Ich wußte nicht mehr als der Capitän selbst und konnte daher keine Auskunft geben. Ich versuchte ihn an alle Ungerechtigkeiten zu erinnern, welche der Arrestant erduldet hatte; aber Mr. Stanbow schüttelte traurig den Kopf. Ich erbot mich in den Kielraum zu gehen, um vielleicht von David selbst Einiges zu erfahren; aber mein Anerbieten war den Disciplinargesetzen zuwider: David mußte bis zu seinem Erscheinen vor dem Kriegsgericht allein bleiben. Der Capitän war daher gezwungen bis dahin zu warten.

Am andern Morgen um zehn Uhr versammelte sich das Kriegsgericht in der großen Cajüte. In der Mitte stand ein mit grüner Decke belegter Tisch. Die Richter nahmen an dem Tische Platz: es waren der Capitän Stanbow, die beiden Secondlieutenants, der Bootsmann und James, der als ältester Midshipman zu den Berathungen gezogen wurde. Aus dem Tische lag eine große Bibel. Auf beiden Seiten standen der Profoß und der mit der Anklage beauftragte Offizier, Beide mit entblößtem Haupt, und der Erstere mit gezogenem Degen.

Als die Richter Platz genommen hatten, traten die Matrosen ein und stellten sich im Halbkreise auf. – Der Lieutenant Burke war in seiner Cajüte geblieben.

Der Gefangene wurde hereingeführt. Er war blaß, aber vollkommen ruhig. Alle Anwesenden waren tief ergriffen bei dem Anblick dieses Unglücklichen, den man seiner Familie gewaltsam entrissen und durch grausame Behandlung zu einer verzweifelten That getrieben hatte.

Obgleich das Gesetz in diesem Falle auf der Seite der Gewalt war, so fühlten doch Die, welche es auszuüben hatten, daß Gesetz und Recht nicht immer übereinstimmen ; allein ungeachtet des Mitleids, welches Jedermann mit ihm fühlte, mußte dem Gesetz Genüge geleistet werden.

Nach einer kurzen Pause nahm der Capitän Stanbow das Wort.

»Wie heißet Ihr?« fragte er den Arrestanten.

»David Munson ,« antwortete dieser mit festerer Stimme, als der Capitän gefragt hatte.

»Wie alt seid Ihr?«

»Neununddreißig Jahre und drei Monate.«

»Wo seid Ihr geboren?«

»In dem Dorfe Saltasch.«

»David Munson, Ihr seid angeklagt, in der Nacht vom 4. zum 5. December einen meuchlerischen Angriff auf das Leben des Lieutenant Burke gemacht zu haben.«

»Es ist die Wahrheit, Sir.«

»Welche Beweggründe haben Euch zu diesem Verbrechen bewogen?«

»Einen Theil dieser Beweggründe kennen Sie, Mr. Stanbow,« antwortete David; »ich habe nicht nöthig Sie noch einmal daran zu erinnern; die andern sind aus diesem Briefe ersichtlich.«

Der Angeklagte zog den Brief aus der Tasche, den ich ihm drei Tage zuvor in Gibraltar übergeben hatte, und legte ihn auf den Tisch.

Der Capitän nahm den Brief und las ihn mit sichtlicher Rührung; dann reichte er ihn seinem Nachbar, der ihn ebenfalls flüchtig durchlas. So ging der Brief von Hand zu Hand.

»Was steht in dem Briefe?« fragte der Ankläger.

»Es steht darin, Sir,« sagte David, »daß meine Frau, die schon bei meinen Lebzeiten Witwe geworden, anfangs Alles verkauft hat, was wir besaßen, um ihre fünf Kinder zu ernähren. Dann mußte sie die Mildthätigkeit Anderer in Anspruch nehmen. Eines Tages, als sie kein Almosen erbetteln konnte, ließ sie sich durch den Jammer ihrer nach Brot schreienden Kinder verleiten, bei einem Bäcker ein Brot zu stehlen. Sie ist in Berücksichtigung der mildernden Umstände nur zu lebenslänglichem Gefängniß verurtheilt worden. Meine Kinder hat man in ein Versorgungsbaus gebracht. – O meine Kinder, meine armen Kinder!« rief David schluchzend. – »Ich würde ihm Alles verziehen haben, wie es Christenpflicht ist,« fuhr er nach einer kurzen Pause fort; »ich schwöre es auf die Bibel, die vor Ihnen liegt, meine Herren; ich würde ihm verziehen haben, daß mich meiner Heimat, meiner Familie entrissen hat; ich würde ihm verziehen haben, daß er mich schlagen ließ wie einen Hund – aber die Schmach meiner Familie – meine Frau im Gefängniß, meine Kinder im Versorgungshause! – O, als ich diesen Brief erhielt, war es, als ob alle Teufel der Hölle in mein Herz eingezogen wären und mich zur Rache aufstachelten. Und jetzt im Angesicht des Todes ärgert’s mich nur, daß ich ihn nicht besser getroffen habe.«

»Habt Ihr sonst noch etwas zu sagen?« fragte der Capitän.

»Nein, Sir; ich bitte nur mich nicht zu lange schmachten zu lassen. So lange als ich lebe, werde ich mein unglückliches Weib und meine armen Kinder vor Augen haben; es ist also besser, sobald wie möglich ein Ende zu machen.«

»Führet den Gefangenen hinaus,« sagte der Capitän, der vergebens seine Fassung zu bewahren suchte.

Zwei Marinesoldaten führten David ab. Wir mußten uns ebenfalls entfernen, denn das Kriegsgericht wollte sich sogleich berathen. Wir blieben vor der Thür, um das Urtheil zu erwarten. Nach drei Viertelstunden kam der Profoß heraus und hielt ein mit fünf Siegeln versehenes Papier in der Hand. Es war David Munson’s Todesurtheil.

Alle waren daraus gefaßt gewesen, aber es machte doch einen tiefen, peinlichen Eindruck. Bei mir war das Gefühl der Reue heftiger als je zuvor. Ich hatte zwar an der Verhaftung David’s keinen Antheil genommen, aber ich war doch der Führer des ganzen Streifzugs gewesen. Ich wandte mich ab, um meine Bewegung zu verbergen und sah hinter mir Bob, dem die hellen Thränen über die Wangen rollten.

»Mister John,« sagte er, »Sie sind immer der Schutzengel des armen David gewesen ; werden Sie ihn in einem solchen Augenblick verlassen?«

»Was kann ich denn für ihn thun, Bob? Sage, kennst Du ein Mittel ihn zu retten? Ich will es versuchen und wenn ich mein Leben daran wagen müßte.«

»Ja, ja,« sagte Bob schnaubend; »ja, ich weiß, daß Sie ein braver junger Gentleman sind. Könnten Sie nicht der ganzen Mannschaft vorschlagen, den Capitän insgesammt um Gnade zu bitten? Sie wissen ja, Mister John, wie gut und mitleidig er ist.«

»Eine traurige Hoffnung, Bob, wenn Du sonst keinen Ausweg weißt. – Doch, Du hast Recht, man muß Alles versuchen. Sprich mit der Mannschaft, Bob; wir Offiziere können einen solchen Vorschlag nicht machen.«

»Aber Sie können doch dem Commandanten die Bitte seiner alten Matrosen vortragen? Sie können ihm sagen, daß Alle, in deren Namen Sie sprechen, bereit sind auf einen Wink von ihm zu sterben.«

»In diesem Punkte kann ich thun was Ihr wollt. Verabrede es mit deinen Cameraden.«

Der Vorschlag Bob’s wurde mit großer Freude aufgenommen. Man ersuchte James und mich, dem Capitän die Bitte der gesammten Mannschaft vorzutragen.

»Ich glaube,« sagte ich zu den Matrosen, »daß wir Mr. Burke ersuchen sollten, uns zu dem Capitän zu begleiten.

Er ist an allem Unglück David’s schuld: wenn er einen Funken menschlichen Gefühls hat, so wird er beredter sein als wir.«

Dieser Vorschlag wurde mit düsterem Stillschweigen aufgenommen. Niemand wies ihn indeß zurück; der Zweifel gab sieh nur durch ein leises Gemurmel kund. Bob schüttelte den Kopf und gab seine innere Aufregung durch heftiges Schnauben zu erkennen. Ich beschloß nichts destoweniger, in Gemeinschaft mit James dem ersten Lieutenant die Bitte vorzutragen.

Wir fanden ihn in großer Aufregung. Er ging, den Arm in der Binde tragend, schnell in seinem Zimmer auf und ab. Aber sobald er uns bemerkte, nahm sein Gesicht den gewohnten strengen und finstern Ausdruck an. Wir salutirten schweigend und er betrachtete uns forschend. Endlich nahm er das Wort:

»Darf ich fragen, meine Herren, was mir die Ehre Ihres Besuchs verschafft?«

»Wir haben Ihnen eine hochherzige gute That vorzuschlagen, Mr. Burke.«

Trotz seinem bitteren Lächeln setzte ich hinzu:

»Sie wissen, daß David zum Tode verurtheilt ist?«

»Ja, Sir, er ist einstimmig verurtheilt worden.«

»Und das Urtheil ist gerecht, Mr. Burke; denn es befand sich am Bord nur ein Mann, der ein gutes Wort für den Angeklagten hätte einlegen können, und dieser Mann durfte nicht im Kriegsrathe sitzen. Jetzt, da die Gerechtigkeit ihren Lauf genommen hat, da das Urtheil gesprochen ist, dürfte wohl die Barmherzigkeit ihr Werk beginnen.«

»Ich höre, Sir; Sie sprechen wie unser Prediger. Lassen Sie hören, was Sie von mir wünschen.«

»Die Mannschaft hat daher beschlossen, eine Deputation an den Capitän zu schicken und für David um Gnade zu bitten. Man hat Mr. James und mich zu Fürsprechern gewählt. Aber wie glaubten, Mr. Burke, daß wir nicht das Recht haben einen Schritt zu thun, den Sie sich selbst vielleicht vorbehalten haben.«

Der Lieutenant schwieg einen Augenblick; um seine blassen dünnen Lippen spielte ein höhnisches Lächeln, das ihm eigenthümlich war.

»Sie haben Recht, Gentleman,« antwortete er mit einer leichten Kopfbewegung. »Wenn das Verbrechen an der Person des letzten Bootsmannes begangen und ich bei der Sache nicht betheiligt wäre, so würde ich meiner Pflicht gemäß unbeugsam sein. Aber da der Mordversuch an mir verübt worden ist, so kann ich für Ihren Schützling ein gutes Wort einlegen. Kommen Sie mit mir, ich will Sie zu dem Capitän begleiten.«

Wir hatten trotz dieser beruhigenden Worte nicht viel Hoffnung. Burke war kalt und trocken, wie immer, sein Gesicht war nicht der Spiegel des Herzens, sondern nur die Thür des Gefängnisses, in welchem es eingeschlossen ist.

Wir begaben uns zu dem Capitän. Er saß oder vielmehr lag auf der Laffete der Backbordkanone seiner Cajüte und schien sehr traurig gestimmt. Er stand auf und ging aus uns zu. Burke nahm das Wort und erklärte ihm den Zweck unsers Besuchs. Er sagte etwa dasselbe, was ein Advocat gesagt haben würde: er hielt eine Rede, sprach aber keine Bitte aus. Kein aus dem Herzen kommendes Wort erfrischte seine trockene Rede, und ich sah ein, daß für den Verurtheilten nichts zu hoffen war. Die Antwort entsprach unserer Erwartung ; der Capitän gab sie in kaltem, officiellem Tone, er wußte wohl, daß die Lords der Admiralität erfahren würden, was er gesprochen.

»Ich würde den einstimmigen Wunsch der Mannschaft gern erfüllen, wenn es mir irgend möglich wäre,« sagte er; »Sie wissen wohl, daß mir eine höhere Pflicht gebietet, Ihren Vorstellungen mein Ohr zu verschließen. Der Dienst erheischt die strenge Bestrafung eines so schweren Verbrechens, das Gemeinwohl darf den persönlichen Gefühlen nicht nachstehen. Sie wissen wohl, Mr. Burke, daß ich mich arg compromittiren würde, wenn ich in einer Sache, welche die militärische Disziplin so nahe angeht, die mindeste Nachsicht zeigen wollte.«

»Mr. Stanbow,« entgegnete ich, »bedenken Sie doch die ganz außergewöhnliche Stellung des unglücklichen David; bedenken Sie, daß er durch eine vielleicht gesetzmäßige, aber gewiß ungerechte Gewalt an Bord gekommen ist; bedenken Sie was er gelitten hat, und verzeihen Sie, wie Gott verzeihen würde.«

»Ich muß nach dem Gesetz handeln, Sir,« antwortete Mister Stanbow, »und das Gesetz soll vollzogen werden.»

James wollte das Wort nehmen, aber der Capitän winkte ihm Schweigen zu.

»Dann haben wir nur um Verzeihung zu bitten,» sagte James mit zitternder Stimme.

»Ich gewähre sie Ihnen,« antwortete der Capitän mit ganz verändertem Tone; »ich bin weit entfernt Ihnen zu zürnen, daß Sie Ihrem Gefühl gefolgt sind, und ungeachtet meiner Weigerung gestehe ich, daß ich Ihre Gefühle theile. – Entfernen Sie sich also, meine Herren, und lassen Sie mich mit Mister Burke allein. Sagen Sie der Mannschaft, daß ich sehr bedaure, ihren einstimmig ausgesprochenen Wunsch nicht erfüllen zu können, und melden Sie ihr, daß die Hinrichtung morgen um zwölf Uhr stattfinden wird.«

Wir salutirten und entfernten uns. Der Capitän blieb mit dem Lieutenant allein.

Die Matrosen sahen uns mit banger Erwartung an. Wir schüttelten traurig den Kopf, denn wir hatten nicht den Muth zu sprechen.

»Sie haben also nichts ausgerichtet, Mister John?« fragte Bob.

»Nein, Bob. David hat sich nur auf den Tod vorzubereiten.«

»Das wird er als Mann und Christ thun.«

»Ich hoffe es, Bob.«

»Wann soll er sterben?«

»Morgen um zwölf Uhr.«

»Darf man ihn besuchen?«

»Ich werde den Capitän für Dich um Erlaubniß bitten.«

»Ich danke Ihnen, Mister John,« sagte Bob und ergriff meine Hand, um sie zu küssen.

Ich entzog sie ihm.

»Jetzt, Kinder, an die Arbeit, und Muth gefaßt!«

Die Matrosen gehorchten mit ihrer gewohnten Pünktlichkeit; fünf Minuten nachher war Alles wieder in dem alten Geleise, nur daß tiefes Stillschweigen am Bord herrschte.

Ich hatte eine Art Gewissenspflicht zu erfüllen; ich hatte an dem Zuge theilgenommen, der den unglücklichen David an Bord des »Trident« geführt hatte, und seit dem Augenblicke wo ich das traurige Ende vorausgesehen, konnte ich mich eines peinlichen Gefühls nicht erwehren. Ich ging also hinunter und ließ mich zu David führen. Er saß auf einem Schämel und lehnte die Stirn auf die Knie. Hände und Füße waren ihm gefesselt.

Als die Thür aufging, richtete er sich auf; aber da das Licht der Lampe nicht aus mein Gesicht fiel, so erkannte er mich anfangs nicht.

»Ich bin’s, David,« sagte ich. »Obschon ich eine der unschuldigen Ursachen eures Unglücks bin, wollte ich Euch doch noch einmal sehen, um Euch zu sagen wie herzlichen Antheil ich daran nehme.«

»Ja, ich weiß es, Mister John,« erwiederte David aufstehend; »ja, Sie sind immer gut mit mir gewesen; auf Ihre Fürbitte bin ich aus diesem Gefängniß geholt worden, so daß ich die englische Küste noch einmal sehen konnte; Sie haben ein gutes Wort für mich eingelegt, als mich Mister Burke – Gott verzeihe es ihm! – mit Ruthen peitschen ließ; Sie haben so eben im Namen der Schiffsmannschaft um Gnade für mich gebeten. Gott segne Sie, Mister Davys; Ihr Mitleid möge Ihnen Glück bringen auf Erden und im Himmel!«

»Ihr habt also das Urteil schon vernommen, David?«

»Ja, Mister John, man hat mir’s vorgelesen. Nicht wahr, morgen Mittag ? —«

»Setzt Euch doch, David,« sagte ich, um der Frage auszuweichen; »Ihr müßt der Ruhe bedürfen.«

»Ja wohl, ich bedarf der Ruhe – und Gott wird mir bald die ewige Ruhe schenken. – Sie haben viel gelernt, Mister John; glauben Sie, daß es ein anderes Leben gibt, wo man für die auf Erden erduldeten Leiden belohnt wird?«

»David,« sagte ich, »dies ist nicht Sache der Wissenschaft, sondern des Glaubens, des Herzens, dem die Hoffnung Bedürfniß ist. Ja, David, Ihr werdet einst mit eurer Frau und euren Kindern vereinigt werden, und keine menschliche Macht wird Euch von ihnen trennen.«

»Aber ich habe ein Verbrechen begangen —«

»Bereuet Ihr es?«

»Ich will mir alle Mühe geben, Mister John; jetzt bin ich noch nicht frei von Leidenschaften, mein Haß ist noch nicht erloschen. Meinen Tod habe ich ihm verziehen, Gott weiß es – ich will es auch über mich zu gewinnen suchen, ihm die Schmach meines Weibes, das Elend meiner Kinder zu verzeihen.«

In diesem Augenblicke wurde der Schlüssel gedreht, die Thür that sich auf und der Capitän erschien mit dem Matrosen, der das Amt des Schließers versah.

»Wer ist denn hier?« sagte er, mich ansehend.

»Ich, Mister Stanbow, antwortete ich mit Freude, denn dieser unerwartete Besuch machte mir wieder Hoffnung. »Sie sehen , ich bin gekommen, um dem armen David ein letztes Lebewohl zu sagen.«

Eine kurze Pause folgte. Der Capitän sah zuerst mich und dann den Gefangenen an, dann sagte er zu diesem:

»David, ich komme um als Mensch mein tiefes Bedauern auszudrücken über das Urtheil, welches ich als Richter sprechen mußte; die militärische Disciplin hat es mir zur traurigen Pflicht gemacht. Ich konnte nicht anders.«

»Ich wußte wohl, was ich zu erwarten hatte, Capitän,« erwiederte David; »ich wollte meinem Feinde den Tod geben und habe daher den Tod verdient.«

»Ich habe mit blutendem Herzen meine Pflicht erfüllt,« sagte der Capitän. »Ich habe Euch als Mann von Verstand und Charakter kennen gelernt. Antwortet mir daher, David, glaubt Ihr, daß ich anders hätte handeln können?«

»Ja wohl,« erwiederte David, »Sie hätten ohne Mitleid sein können, wie Master Burke. Aber statt dessen, ich erkenne es mit tiefem Dankgefühle an, haben Sie Alles für mich gethan, was in Ihren Kräften stand. Als Sie meine Verzweiflung sahen, ließen Sie mir durch Mister John versprechen mich freizulassen, sobald wir wieder in einen englischen Hafen einlaufen würden ; als Sie nicht umhin konnten mich zu bestrafen, milderten Sie die Strafe so viel als es in Ihrer Gewalt stand; und nachdem mein Leben verwirkt, kommen Sie zu mir, um mir Ihre Theilnahme zu bezeigen. Ja, Capitän, Sie haben so viel für mich gethan, daß ich noch eine Bitte wage,«

»Saget, was kann ich für Euch thun?« sagte der Capitän, die Hände nach dem Verurtheilten ausstreckend.

»Meine Kinder!« sagte David, dem würdigen Greise zu Füßen fallend, »meine Kinder sind hilflos, wenn sie aus dem Versorgungshause entlassen werden —«

»Fürchtet nichts für sie, David,« unterbrach der Capitän, »ich werde für eure Kinder sorgen. Mögen Sie mir verzeihen, daß ich Ihnen den Vater genommen, wie Ihr mir verzeihet, daß ich Euch euren Kindern entrissen! Und sobald ich wieder nach England komme, werde ich den König für eure Frau um Gnade bitten; meine vierzig Dienstjahre werden schon etwas vermögen.«

»Dank! tausend Dank!« rief David schluchzend. »O, jetzt fürchte ich den Tod nicht mehr, ich begrüße ihn sogar als den Retter der Meinigen. – Jetzt bin ich wieder ein Christ geworden, mein Haß ist verschwunden und ich möchte Mister Burke jetzt zwischen Ihnen und Mister John sehen —«

»Genug! genug! Ihr nehmet mir sonst allen Muth. Umarmet mich, unglücklicher Dulder, wir müssen scheiden.«

Der Verurtheilte umarmte den Capitän mit freudigem Selbstbewußtsein und mit einem über seine jetzige Stellung weit erhabenen Anstande.

»Kann ich jetzt noch etwas für Euch thun, David?«

»Die Ketten sind mir lästig, Mister Stanbow, und ich fürchte daß ich nicht schlafen kann. Ich bedarf der Stärkung, denn ich möchte als Mann sterben.«

»Die Ketten sollen Euch abgenommen werden, David. – Habt Ihr sonst noch einen Wunsch?«

»Senden Sie mir den Schiffsprediger.«

»Bob bittet um die Erlaubniß, ihn zu begleiten,« setzte ich hinzu, »und die Nacht bei David zu bleiben.«

»Bob mag kommen und gehen wann er will.«

»Sie sind sehr gütig, Mister Stanbow. Heute danke ich Ihnen auf Erden, morgen werde ich im Himmel für Sie beten.«

Der Capitän hielt die Hand auf die Augen und wandte sich ab. Ich klopfte an die Thür, der wachhabende Matrose öffnete und wir gingen hinaus. Mister Stanbow gab sogleich Befehl, alle Wünsche David’s pünktlich zu erfüllen. In der Batterie fand ich Bob, der uns erwartete, um zu erfahren, ob ihm seine Bitte gewährt sei.

Ich zeigte ihm an, daß er zu David gehen und doppelte Portionen Abendessen, Wein und Grog mitnehmen könne. Dieses Mal konnte ich Bob nicht hindern, mir die Hände zu küssen.

Um vier Uhr kam ich auf Wache; ich blieb daher bis zwei Uhr Nachts auf dem Verdecke. In dieser ganzen Zelt sah ich Bob nicht zum Vorschein kommen, er hatte also seinen Freund David nicht verlassen.

Um zwei Uhr wurde ich abgelöst; aber ehe ich mich in mein Zimmer begab, erkundigte ich mich, ob die Befehle des Capitäns vollzogen worden waren.

Alle Weisungen des Letzteren waren pünktlich befolgt worden; man hatte dem Gefangenen die Ketten abgenommen, der Geistliche war hinuntergegangen, um ihm die Tröstungen der Religion zu bieten; er war bis ein Uhr bei ihm geblieben. David und Bob waren allein. Ich lauschte an der Thür, um zu wissen, ob sie schliefen. Beide waren noch wach; Bob tröstete seinen Freund so gut als er konnte.

»Im Grunde, David,« sagte Bob, »ist’s doch nur ein Augenblick. Du hast Dich gewiß schon verschluckt; gerade so ist’s. Ich habe dreißig Mann an einem Tage am Bord hängen sehen; es waren brasilische Seeräuber, die wir gefangen genommen hatten, und in einer halben Stunde waren sie alle expedirt: es ist also durchschnittlich eine Minute für jeden. Und mit Dir, David, wird’s noch geschwinder gehen, denn die ganze Mannschaft ist ja beisammen, damals hingegen war sie zerstreut.«

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Дата выхода на Литрес:
06 декабря 2019
Объем:
460 стр. 1 иллюстрация
Правообладатель:
Public Domain

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