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Читать книгу: «El Salteador», страница 4

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»Den Wüthigen kalt machen.«

»Du wirst das nicht thun.«

»Beim heiligen Jacob, das werden wir sehen!«

»Du wirst es nicht thun, sage ich Dir; Du machst nur ein Loch in einen Sack mit Gold und durch dies Loch fällt unser Lösegeld, so daß wir nichts haben. Vicente, Du hast einen abscheulichen Charakter, wie ich Dir immer gesagt. Laß mich mit dem würdigen Herrn reden und Du wirst sehen, daß er Vernunft annimmt.«

Der Bandit, den sein Camerad Vicente genannt hatte, erkannte ohne Zweifel die Richtigkeit der Bemerkungen und trat grollend zurück, das heißt er wich nicht aus dem Gemache hinaus, sondern wich nur ein paar Schritte, wie der verwundete Jaguar, immer bereit, von neuem über seine Beute herzufallen.

Der Bandit, welcher sich als Unterhändler aufgeworfen hatte, nahm die Stelle Vicente’s ein.

»Nun, Señor Caballero, nehmt Vernunft an; man wird Euch nicht an den eisernen Ring fesseln, sondern Euch nur in den Weinkeller einschließen, dessen Thür so fest ist wie die an den Kerkern von Granada, und eine Wache davor stellen.«

»Wie, Elende, so denkt Ihr einen Mann von meinem Range zu behandeln?«

»Vater, ich werde bei Euch seyn; ich verlasse Euch nicht.«

»Mein schönes Kind,« sagte einer der Banditen, »das können wir Euch nicht versprechen.«

»Was könnt Ihr mir nicht versprechen?«

»Daß Ihr immer bei eurem Vater bleibet.«

»Mein Gott, und was gedenkt Ihr mit mir zu thun?« fragte Dona Flor.«

»Was wir mit Euch thun werden?« entgegnete der Unterhändler. »Wir sind keine vornehmen Herren, um Euch dies sagen zu können. Die Mädchen von eurem Alter, von eurer Schönheit und eurem Stande sind die besondere Beute des Hauptmannes.«

»Mein Gott!« flüsterte Dona Flor, während der Vater einen Zornlaut aussprach.

»Ach, erschreckt nicht,« sagte der Bandit lachend, »unser Hauptmann ist jung, schön und soll auch aus guter Familie seyn. Was also auch geschehen mag, guter Mann, einen Trost werdet Ihr haben: wäret Ihr auch so adelig wie der König, eine Mißheirath wird’s nicht.«

Erst bei diesen Worten erkannte Dona Flor ganz das Gräßliche des Schicksals, das ihr vorbehalten seyn konnte; mit einer gedankenschnellen Bewegung nahm sie aus ihrem Strumpfbande einen kleinen nadelspitzen Dolch, dessen Klinge sofort auf ihrer Brust blitzte.

Die Banditen sahen die Bewegung, wichen einen Schritt zurück und Dona Flor stand von neuem frei, an der Wand, ruhig, aber entschlossen wie eine Statue der Festigkeit.

»Was bestehlt mein Vater?« fragte sie.

Das Auge des züchtigen Kindes bewies wie die Stimme, daß die spitze Klinge auf das erste Wort des Vaters bis an das Heft in das Herz eindringen soll.

Don Inigo antwortete nicht, da ihm aber die gefahrvolle Lage für den Augenblick die Kraft des Jünglings wiedergab, so warf er mit einer eben so heftigen als unerwarteten Bewegung die beiden ihn haltenden Räuber von sich, war mit einem Sprunge auf und rief, indem er die Arme ausbreitete:

»Hierher, mein Kind!«

Dona Flor flog an die Brust ihres Vaters, gab ihm den Dolch und sagte halblaut:

»Vater, Vater, gedenke des Römers, dessen Geschichte Du mir erzählt hast und der Virginius hieß!«

Kaum hatte sie diese Worte gesprochen, als ein Bandit, der die Hand nach ihr ausgestreckt, zu Don Inigo’s Füßen nieder sank, denn er war ins Herz von dem dünnen Dolche getroffen, der mehr wie ein Spielzeug als wie eine Waffe aussah.

In demselben Augenblick erhob sich ein unermeßlicher Zornesausruf in der Venta. Zehn Messer öffneten sich, zehn Dolche fuhren aus ihren Scheiden, zehn Schwerter blitzten und bedrohten gleichzeitig die beiden Gefangenen, welche nun sterben zu müssen meinten, einen letzten Kuß tauschten, ein letztes Gebet murmelten, die Arme gen Himmel erhoben und gleichzeitig ausriefen:

»Stoßet zu!«

»Nieder mit ihnen! Nieder!« schrien die Banditen, die mit geschwungenen Waffen auf den Alten und das Mädchen stürzten.

Mit einem Male aber hörte man, daß ein kräftiger Faustschlag eine Fensterscheibe zertrümmerte. Ein junger Mann ohne eine andere Waffe als einen baskischen Dolch im Gürtel sprang gewandt in das Zimmer herein und fragte mit einer offenbar an Befehlen gewöhnten Stimme:

»Was geht da vor?«

Bei dieser Frage, die nicht überlaut gesprochen wurde, schwieg das Geschrei, die Messer klappten zu, die Dolche und Schwerter verschwanden in den Scheiden und Alle traten bei Seite, so daß Vater und Tochter, die sich umschlungen hielten, in einem weiten Kreise dem Angekommenen gegenüberstanden.

Siebentes Capitel.
El Salteador

Derjenige, dessen plötzliche, offenbar von den Bedrohenden so wenig als von den Bedrohten erwartete Ankunft eine so auffallende Wirkung hervorgebracht hatte, verdient es, sowohl nach der Art seines Auftretens als nach der Rolle, die er in dieser Geschichte zu spielen hat, daß wir einen Augenblick die Erzählung unterbrechen, um ihn den Lesern zu beschreiben.

Er war ein Mann von sieben- oder achtundzwanzig Jahren, in der Tracht eines andalusischen Gebirgsbewohners, der sich indeß durch große Eleganz auszeichnete.

Sie bestand in einem breitkrämpigen grauen Hute mit zwei Adlerfedern, einem gestickten Lederwams, wie es heute noch die Jäger von Cordova tragen, wenn sie in die Sierra Morena gehen; in einem algierschen Gürtel aus Seide und Gold, in kurzen Beinkleidern von fleischfarbenem Sammt mit ciselirten Knöpfen, in Stiefeln von demselben Leder wie das Wams, an der Seite geschnürt, aber nur am Knöchel, so daß sie den Strumpf sehen ließen und an der Wade offen standen.

Ein einfacher Dolch, wie ihn die pyrenäischen Bärenjäger tragen, das heißt, mit einem ciselirten und mit silbernen Nägeln beschlagenen Horngriffe und einer zwei Finger breiten, acht Zoll langen, zweischneidigen, unten spitzigen Klinge in einer Lederscheide mit Silberverzierungen, war, wie schon gesagt, die einzige Waffe des jungen Hauptmannes, denn offenbar war der ein Anführer, dessen Stimme so unmittelbaren Einfluß auf die Männer des Raubes und Blutes übte, die vor ihr bei Seite getreten traten.

Außerdem trug er einen quergestreiften Mantel wie ihn heute noch die andalusischen Majas tragen und den er so majestätisch um sich schlug wie ein Kaiser seinen Purpur.

Der Bandit, welcher früher zur Beruhigung Don Inigo‘s behauptet, der Hauptmann sey nicht nur jung und schön, sondern habe auch ein so vornehmes Aussehen, daß er allgemein für einen Edelmann gelte, hatte nicht zu viel gesagt und keine geschmeichelte Schilderung entworfen.

Dona Flor gab bei dem Erscheinen des jungen Mannes laut ihr Erstaunen zu erkennen und es glich dies einem Freudenrufe, als sey die Ankunft des Unbekannten keineswegs eine Verstärkung der Banditen, als vielmehr eine Hilfe die der Himmel ihr und ihrem Vater sende.

Don Inigo erkannte sofort, daß er von diesem Augenblick an mit der Bande nichts mehr zu schaffen habe, sein und seiner Tochter Schicksal vielmehr von dem jungen Manne abhänge.

Indeß begnügte er sich, als sey er zu stolz zuerst zu sprechen, die Spitze des noch blutbefleckten Dolches auf die Brust seiner Tochter zu setzen.

So wartete er und der Salteador nahm zuerst das Wort.

»Ich zweifle nicht an eurem Muthe, Senior.« sagte er, »aber ich halte es für eine große Anmaßung, wenn Ihr glaubt, Euch mit dieser Nadel gegen zwanzig mit Dolchen und Schwertern bewaffnete Männer vertheidigen zu können.«

»Es wäre allerdings Wahnwitz, wenn ich das Leben zu erhalten gedächte,« antwortete Don Inigo, »da ich aber nur meine Tochter und nach ihr mich selbst tödten will, so hielt und halte ich dies nicht nur für möglich, sondern für leicht.«

»Und warum wolltet Ihr die Señora und Euch selbst tödten?«

»Weil wir von Schimpf bedroht sind, den wir dem Tode vorziehen.«

»Ist die Señora eure Gattin?«

»Sie ist meine Tochter.«

»Wie hoch haltet Ihr euer Leben und ihre Ehre?«

»Mein Leben tausend Kronen; ihre Ehre steht über jedem Preis.«

»Das Leben schenke ich Euch, Señor, antwortete der Salteador, »und die Ehre der Señora ist hier so sicher wie in ihrem Gemache, unter der Obhut ihrer Mutter.

Die Banditen gaben ihre Unzufriedenheit murrend zu erkennen.

»Geht Alle hinaus!« rief der Salteador, indem er die Hand ausstreckte und sie so hielt, bis auch der letzte der Banditen das Zimmer verlassen hatte.

Nachdem dies geschehen, machte der Salteador die Thür zu und kehrte zu Don Inigo und Dona Flor zurück, die ihm verwundert und besorgt nachsahen.

»Ihr müsset ihnen verzeihen, Señor,« sagte er; »sie sind rohe Männer, nicht Edelleute wie wir.«

Don Inigo und Dona Flor sahen mit weniger Besorgniß, aber größerer Verwunderung, den Banditen an, der sich einen Edelmann nannte und durch sein Benehmen wie durch seine Haltung noch mehr als durch seine Worte bewies, er lüge nicht.

»Señor,« sagte das Mädchen, »mein Vater scheint keine Worte zu finden, Euch zu danken, erlaubt also, daß ich Euch in seinem und meinem Namen Dank darbringe.«

»Er hat in eurem Munde, Señora, einen Werth, den ihm selbst die Lippen eines Königs nicht zu geben vermöchten,« antwortete der Salteador, der sich sodann an den alten Herrn wendete und fortfuhr: »Ich weiß, daß Ihr euern Weg schnell fortzusetzen wünschet; wohin reiset Ihr?«

»Nach Granada, wohin der König mich beschieden hat.«

»Ach ja,– entgegnete der Salteador mit einem halb bittern, halb spöttischen Lächeln, ›das Gerücht von seiner Ankunft ist auch zu uns gedrungen; wir sahen gestern die Soldaten vorüberziehen, welche das Gebirge durchstreifen; er will, wie man sagt, daß ein zwölfjähriges Kind mit einem Beutel Gold in jeder Hand von Granada nach Malaga gehen könne, ohne daß es unterwegs Jemanden treffe, der etwas Anderes zu ihm sage, als den gewöhnlichen Reisegruß: Geht in Frieden mit Gott!‹

»Das ist allerdings sein Wille,« sagte Don Inigo; »und ich weiß, daß darauf bezügliche Befehle ergangen sind.«

»Und in welcher Zeit will der König Don Carlos diese Eroberung des Gebirges durchführen?«

»Er hat dem Oberrichter nur vierzehn Tage dazu gegeben.«

»Wie schade, Señora,« sagte der Salteador zu Dona Flor, »daß Ihr gerade heute hier erscheint und nicht nach drei Wochen; Ihr würdet dann statt der Banditenschaar, die Euch erschrecket hat, nur ehrliche Leute gefunden haben, die Euch wünschten: Geht in Frieden mit Gott! die Euch im Nothfalle zum Schutze begleitet hätten.«

»Wir haben ein noch größeres Glück gehabt, Señor,« entgegnete das Mädchen, »da wir einen Edelmann trafen, der uns die Freiheit gab.«

»Dafür habt Ihr nicht mir zu danken,« antwortete der Salteador; »ich folge einer Macht, die größer ist als mein Wille, stärker als mein Temperament.«

»Welcher Macht?«

Der Bandit zuckte die Achseln.

»Ich weiß es nicht,« sagte er; »ich bin leider ein Mensch, der stets seinem ersten Gefühle nachgibt. Ich weiß nicht, welche Verbindung zwischen meinem Herzen und meinem Kopfe, meinem Kopfe und meiner Hand, meiner Hand und meinem Degen besteht, welche mich bald zum Guten, bald zum Bösen treibt, aber öfter zum Bösen als zum Guten. Dieses Gefühl hat mir, sobald ich Euch erblickte, den Zorn aus dem Herzen genommen und ihn weit von mir geschleudert, so weit, daß ich, auf Edelmannswort, ihn gar nicht wieder finden konnte.«

Don Inigo hatte den jungen Mann angesehen, während derselbe sprach, und er empfand in seinem Herzen seltsamer Weise ein Gefühl gleich dem, welches der Salteador halb spottenden, halb innigen Worten zu schildern versuchte.

Dona Flor wiederum hatte sich langsam ihrem Vater genähert, nicht aus Furcht, sondern weil sie im Gegentheil bei dem Tone der Stimme des jungen Mannes etwas ganz Ungewöhnliches fühlte, das wie ein Wonneschauer durch ihre Adern sich verbreitete und daß am Arme des Vaters sie die Schuldlose, einen Schutz gegen dieses ihr neue und unbekannte Gefühl suchte.

»Junger Mann,« sagte Don Inigo in Bezug auf die letzten Worte des Salteadors, »was Ihr für mich empfunden habt, fühle ich für Euch; mich hat also nicht das Unglück, sondern das Glück heute hierhergeführt, nicht erst nach drei Wochen, denn nach drei Wochen wäre es vielleicht zu spät gewesen, Euch einen entsprechenden Gegendienst zu erweisen.«

»Mir einen Dienst?« sagte der Bandit lächelnd und seine Züge, die sich leicht verzogen, schienen sagen zu wollen: »Der müßte allmächtig seyn, der mir den einzigen Dienst erwiese, der mir erwiesen werden kann.«

Don Inigo fuhr fort, als verstehe er, was in dem Herzen des jungen Mannes vorging:

»Der barmherzige Gott hat in dieser Welt einem Jeden seinen Platz angewiesen; den Ländern gab er die Könige; den Königen die Edelleute, welche ihre natürliche Begleitung sind; den Städten die Bewohner: Bürger, Handelsleute und Volk; den Meeren die wagenden Schiffer, welche jenseits der Oceane vergessene Welten wieder finden, oder neue entdecken wollen; er gab dem Gebirge die raubsüchtigen Männer und gleichzeitig die blutgierigen Raubthiere, um anzuzeigen, daß er beide gleich stelle und diese Männer auf die unterste Stufe der Menschheit.«

Der Salteador machte eine Bewegung.

»Lasset mich reden,« fuhr Don Inigo fort.

Der junge Mann nickte zustimmend.

»Nun,« fuhr der alte Herr fort, »da man aber Menschen außer dem Kreise findet, in den Gott der Herr sie als Wesen derselben Art, aber verschiedenen Werthes, eingeschlossen hat, muß eine große gesellschaftliche Erschütterung oder irgend eine gewaltige Familiencatastrophe sie aus ihrem Kreise hieraus in einen fremden geworfen haben. So ist ein Jeder von uns beiden einen verschiedenen Weg gegangen, obwohl wir dazu geboren waren, als Edelleute im Gefolge der Könige zu seyn. Das Schicksal machte aus mir einen Seefahrer, aus Euch. . . «

Er hielt inne.

»Sprecht es immerhin aus,« entgegnete der junge Mann, »Ihr sagt mir nichts, was ich nicht schon wüßte, und von Euch kann ich Alles hören.«

»Das Schicksal hat aus Euch einen Banditen gemacht.«

»Ja, aber Ihr wißt auch, daß man bei uns mit diesem Worte sowohl einen Räuber, als einen Verbannten bezeichnet.«

»Ich weiß es und verwechsle auch die Bedeutungen nicht. – Seyd Ihr ein Verbannter?« setzte er hinzu.

»Wer seyd Ihr, Señor?«

»Ich bin Don Inigo Velasco de Haro.«

Bei diesen Worten nahm der junge Mann seinen Hut ab und warf ihn von sich. Dann sagte er:

»Verzeiht, ich war bedeckt geblieben und bin kein Grand von Spanien.«

»Ich bin auch nicht der König,« antwortete Don Inigo lächelnd.

»Aber Ihr seyd so adelig wie der König.«

»Ihr kennt mich?« fragte Don Inigo.

»Ich habe meinen Vater tausendmal von Euch sprechen hören.«

»Euer Vater kennt mich also?«

»Er hat mir wenigstens oft gesagt, daß er diese Ehre habe.«

»Wie heißt euer Vater?«

»Ach ja,« setzte Dona Flor hinzu, »sein Name, sein Name!«

»Señor,« antwortete der Bandit mit einem Ausdrucke tiefer Schwermuth; »es ist weder eine Freude, noch eine Ehre für meinen Vater, den Namen eines Spaniers, der keinen Tropfen Maurenblutes in seinen Adern hat, von den Lippen eines Mannes, wie ich bin, zu hören; verlangt also nicht, daß ich dem Kummer und der Schande, die er durch mich trägt, auch noch diese hinzufüge.«

»Er hat Recht, Vater,« fiel das Mädchen rasch ein.

Der Vater sah Dona Flor an, die erröthend die Augen niederschlug.

»Ist eure Meinung nicht die der schönen Señora?« fragte der Salteador.

»Allerdings,« antwortete Don Inigo; »verschweigt euren Namen; wenn Ihr aber nicht einen ähnlichen Grund habt, mir die Veranlassung zu dem seltsamen Leben zu verbergen, das Ihr führt; wenn eure Verbannung in der Gesellschaft, wenn euer Aufenthalt in dem Gebirge die Folge eines Jugendstreiches war, wie ich annehme; wenn Ihr das Leben im Gebirge überdrüssig seyd, so verpfände ich hier vor Gott mein Wort, euer Beschützer und selbst für Euch Bürge zu seyn.»

»Ich danke, Señor, und nehme euer Wort an, obgleich ich bezweifle, daß ein Mensch, ausgenommen der welcher von Gott die höchste Gewalt erhalten hat, mir in der Weit den Platz wiedergeben kann, den ich innehatte, und doch habe ich mir keine schmachvolle That vorzuwerfen. Heißes Blut und das zu leicht sich entzündende Herz trieben mich zu Fehltritten und von diesen kam ich zu Verbrechen. Die Fehltritte sind gethan, die Verbrechen sind begangen und klaffen gleich Abgründen hinter mir, so daß ich auf dem durchlaufenen Pfade nicht zurückgehen kann und wenn ich umkehren sollte, eine übermenschliche Macht einen andern Weg schaffen müßte. Bisweilen denke ich an die Möglichkeit eines solchen Wunders und ich würde mich glücklich preisen, wenn es erfolgte, doppelt glücklich, wenn es durch Euch erfolgte und wenn ich hinter einem Engel, wie der junge Tobias, in das Vaterhaus zurückkehrte. Bis dahin hoffe ich, denn die Hoffnung ist ja die letzte Freundin der Unglücklichen, obgleich so falsch und trügerisch, bisweilen selbst mehr als die andern; ich hoffe, aber ich glaube nicht . . . Ich lebe und wandere jeden Tag weiter auf dem rauhen und steilen Pfade der Empörung gegen die Gesellschaft und das Gesetz . . . Ich steige höher und glaube deshalb, ich erhebe mich. Ich gebiete, und weil ich gebiete, glaube ich König zu seyn. Manchmal freilich, in der Nacht, in einsamen Stunden, in Augenblicken der Traurigkeit, denke ich nach und erkenne, daß man zwar in die Höhe steigt, um auf den Thron zu gelangen, aber auch auf das Blutgerüst.«

Dona Flor seufzte.

Don Inigo reichte dem Salteador die Hand, dieser aber nahm die Ehre nicht an, welche der alte Edelmann ihm erweisen wollte, verbeugte sich, legte eine Hand auf seine Brust und deutete mit der andern auf einen Stuhl.

»Ihr wollet mir Alles sagen?« fragte Don Inigo, indem er sich setzte.

»Alles mit Ausnahme des Namens meines Vaters.«

Don Inigo deutete ebenfalls auf einen Stuhl, aber statt sich zu setzen, antwortete der Salteador:

»Ihr werdet nicht eine Erzählung, sondern eine Beichte hören einem Priester würde ich sie knieend ablegen; einem Mann gegenüber stehe ich, wäre auch dieser Mann Don Inigo, ja selbst der König.«

Dona Flor stützte sich auf den Stuhl ihres Vaters und der Salteador begann nachstehenden Bericht mit trauriger, aber ruhiger Stimme.

Achtes Capitel.
Die Erzählung

»So viel,« begann der Salteador, »glaube ich versichern zu können, daß stets in der ersten Geschichte eines Menschen, der Schuld auf sich geladen hat – wie groß diese Schuld auch seyn mag – eine von seinem Willen unabhängige Macht thätig ist, die ihn zuerst von dem rechten Wege abdrängt. Zu diesem Abdrängen gehört eine starke Hand und bisweilen ist es nicht Geringeres als die eiserne Hand des Schicksals. Dagegen reicht oft ein leiser Hauch hin, das Kind von dem rechten Wege abzubringen, das Kind, dessen Blick noch schwach ist und dessen Fuß leicht strauchelt.

Dieser Hauch berührte meine Wiege.

Dieser Hauch war die Gleichgültigkeit, ich möchte fast sagen, der Haß meines Vaters gegen mich.«

»Señor,« flüsterte Dona Flor, »klagt nicht an, wenn Ihr wünschet, daß Gott Euch verzeihe.«

»Ich klage nicht an, Gott bewahre mich davor; meine Vergehen und Verbrechen gehören mir an und ich werde sie am Tage des Gerichtes Niemanden zuschieben; aber ich muß Alles sagen, wie es geschehen ist.

Meine Mutter war sonst eines der schönsten Mädchen in Cordova und jetzt, in ihrem vierzigsten Jahre, ist sie noch eine der schönsten Frauen in Granada.

Was ihre Verheirathung mit meinem Vater herbeiführte, ist mir nie bekanntgeworden; ich kann weiter nichts sagen, als was ich stets gesehen habe, daß sie nämlich mehr als Fremde, denn als Gatten mit einander lebten.

Ich wurde geboren und habe oft ihre gemeinschaftlichen Freunde sagen hören, sie hätten gehofft, meine Geburt würde sie einander näher bringen. Dies geschah aber nicht; mein Vater blieb kalt gegen meine Mutter und war kalt gegen das Kind, so daß ich alsbald erkannte, mir fehle eine der beiden Stützen, welche Gott dem Menschen zum Eintritte in das Leben gibt.

Wahr ist es, daß meine Mutter, um dies Versehen der Natur gegen mich auszugleichen, mich mit einer so starken und innigen Liebe umgab, welche für eine doppelte gelten und die mangelnde des Vaters ersetzen konnte.

Aber so sehr meine Mutter mich liebte, sie liebte mich als – Weib. In der etwas minder weichen und innigem aber um so kräftigeren Liebe eines Vaters liegt etwas, das zu den Launen des Kindes und zu den Leidenschaften des Jünglings spricht wie Gott zu dem Meere: bis hierher und nicht weiter. Die Launen, die ein Vater leitete, die Leidenschaften, die ein Vater zähmte, nehmen dann die Form an, welche die Gesellschaft verlangt, während in dem Kinde alles überströmt, das unter dem nachsichtigen Auge der Mutter aufwächst und von der unsichern Hand des Weibes geleitet wird. – Die mütterliche Nachsicht, die grenzenlos ist wie die mütterliche Liebe, machte aus mir das ungestüme feurige Roß, das leider mit einem Sprunge aus der Stadt ins Gebirge jagen konnte.

Allerdings gewann meine Kraft, was mein Charakter in dieser zügellosen Freiheit verlor. Da mir nie die strenge Hand eines Vaters die Hausthür schloß und ich die gelinden Vorwürfe nicht fürchtete, welche mich von der Mutter erwarteten, so schweifte ich fortwährend in den Bergen der Sierra Morena umher. Ich lernte die Eber mit dem Spieße, den Bär mit dem Dolche angreifen. In meinem fünfzehnten Jahre schon waren diese Thiere für mich keineswegs ein Schrecken wie für andere Knaben meines Alters, sondern Gegner, mit denen nur mehr oder weniger gekämpft werden müßte, die aber stets besiegt wurden, wenn auch unter mehr oder minder großer Gefahr. Sobald ich eine Fährte im Gebirge fand, wurde das Thier aufgespürt, verfolgt und angegriffen. Mehr als einmal kroch ich wie eine Schlange in eine Höhle hinein, in welcher mir keine andere Führung, kein anderes Licht blieb als die glühenden Augen des wilden Thieres, das ich bekämpfen wollte. Ach, da klopfte mein Herz von Stolz und Freude, obgleich nur Gott sehen konnte, was in dem Innern der Erde vorging. Wie die Helden Homer’s, die ihre Feinde mit Worten angriffen, bevor sie zu dem Wurfspieße oder zu dem Schwerte griffen, höhnte und reizte ich den Wolf, den Eber, den Bär, welchen ich ausgesucht hatte. Dann begann der Kampf zwischen dein Menschen und dem Thiere, der lautlose Kampf im Dunkel, der nur am Ende ein Schmerzensgebrüll und einen Siegesjubel veranlaßte. Dann zog ich wie Hercules, der Ungeheuertödter, mit dem ich mich verglich, den todten überwundenen Gegner hinter mir her an das Tageslicht heraus und rühmte meinen Sieg in einem Liede, das ich improvisirte und in dem ich die Bergströme meine Freunde, die über mir schwebenden Adler meine Brüder nannte.

Dann kam das Alter, in welchem diesen Freuden die Leidenschaften folgten, und die Leidenschaften nahmen ihren Verlauf mit gleicher Zügellosigkeit. Dem Spiele und der Liebe suchte meine Mutter, so vergebens wie früher, den schwachen Damm ihres Willens entgegenzusetzen. Da rief sie meinen Vater zu Hilfe.

Es war zu spät. Ich war an das Gehorchen nicht gewöhnt und widerstand also auch der Stimme des Vaters. Uebrigens kannte ich diese Stimme fast nicht, die im Sturme zu mir sprach. Ich war in falscher Richtung ausgewachsen und stark geworden; das Bäumchen hätte sich vielleicht biegen lassen, der Baum widerstand starr und unter seiner rauhen knorrigen Eichenrinde kreisete unaufhaltsam der heiße Saft des Bösen.

Ich will Euch nicht aufzählen – es wäre zu weitläufig und die Achtung schließt mir vor eurer züchtigen Tochter den Mund – durch welche Reihe von Streitigkeiten, nächtlicher Orgien und toller Liebschaften ich dahin kam, daß ich für meine Mutter eine Quelle des Kummers, für meinen Vater eine Ursache der Verarmung wurde. Nein, ich übergehe die tausend Vorgänge, welche das Gewebe meines Lebens ausmachen, welches an Streitigkeiten, Galanterien unter den Balconen, an Zweikämpfen an den Straßenecken bunter noch ist als mein Mantel an Farben; ich übergehe Alles dies, um zu dem zu gelangen, was endlich über mein Leben entschied.

Ich liebte . . . ich glaubte zu lieben – die Schwester eines meiner Freunde. Ich hätte geschworen, ich hätte es gegen die ganze Welt behauptet – verzeiht, Señora, ich hatte damals Euch noch nicht gesehen – daß sie die Schönste des weiblichen Geschlechts sey, als ich einst in der Nacht oder vielmehr am Morgen, da ich nach Hause ging, an meiner Thür jenen Freund, den Bruder der Geliebten, traf, der zu Pferde saß und ein zweites gesatteltes Pferd am Zügel hielt.

Ich ahnte, daß er das Geheimniß meiner Liebe gefunden habe.

»Was thust Du da?« fragte ich.

»Ich warte aus Dich, wie Du siehst.«

»Nun, da bin ich.«

»Hast Du deinen Degen bei Dir?«

»Er verläßt mich nie.«

»So steige auf dies Pferd und folge mir.«

»Ich folge nie. Ich begleite oder man folgt mir.«

»Ich werde mit Dir Schritt hatten, denn es drängt mich das Ziel zu erreichen.«

Er setzte sein Pferd in Galopp.

Ich that dasselbe und wir jagten neben einander nach dem Gebirge zu.

Nach fünfhundert Schritten erreichten wir eine kleine Lichtung, wo der Boden wie künstlich geebnet und mit reichem kurzen Grase bewachsen war.

»Hier, sagte Don Alvar – so hieß mein Freund.

»Gut,« antwortete ich.

»Steige ab, Don Fernand,« sagte er, »und zieh dein Schwert, denn Du wirst wohl schon errathen haben, daß wir eines Kampfes wegen hierher geritten sind.«

»Ich ahnte dies gleich vom Anfange an,« antwortete ich, »aber ich weiß nicht was unsere Freundschaft in Haß kann verwandelt haben. Gestern Brüder und heute Todfeinde!«

»Eben Todfeinde, weil wir Brüder waren, sagte Don Alvar, indem er das Schwert zog. »Das Schwert zur Hand!«

»Du weißt es.« antwortete ich, »daß man eine solche Aufforderung nie zweimal an mich erläßt; bei Dir aber werde ich warten bis Du mir den Grund angibst. Don Alvar, welche Klage hast Du gegen mich?«

»So viele, daß ich sie verschweigen möchte, denn wenn ich mich an sie erinnere, erneuere ich den mir angethanen Schimpf und muß meinen Schwur wiederholen, diesen Schimpf in deinem Blute abzuwaschen . . . Das Schwert aus der Scheide, Fernand!«

Ich erkannte mich nicht wieder, so ruhig blieb ich vor diesem Zorne, so ungereizt bei dieser Ausforderung.

»Ich werde mich mit Dir nicht schlagen,« sagte ich, »bevor ich weiß warum ich mich schlage.«

Er nahm ein Bündel Briefe aus der Tasche.

»Kennst Du diese Briefe?« fragte er.

Ich erbebte.

»Wirf sie her,« sagte ich, »ich werde sie aufheben.«

»Lies sie.«

Er warf die Briefe hin; ich hob sie auf und las sie; sie waren von mir.

Zu läugnen vermochte ich nicht; ich stand einem beleidigten Bruder gegenüber.

»Wehe,« rief ich aus, »Wehe dem Manne, der so thöricht ist die Geheimnisse seines Herzens und die Ehre einer Dame dem Papier anzuvertrauen; er schießt damit einen Pfeil in die Luft; er weiß wohl, von wo derselbe ausgeht, aber er weiß nicht, wo er niederfallen wird oder wen er treffen kann.«

»Hast Du die Briefe erkannt, Don Fernand?«

»Sie sind von meiner Hand, Don Alvar.«

»So ziehe dein Schwert, damit Einer von uns todt hier bleibe neben der gemordeten Ehre meiner Schwester.«

»Es thut mir leid, Don Alvar, daß Du einen solchen Schritt gethan und durch deine Drohung den Antrag unmöglich gemacht hast, den ich Dir vielleicht hätte thun können.«

»Memme, Du!« sagte Alvar »Er steht das Schwert in der Hand des Bruders und will sich erbieten das Mädchen zu heirathen, das er entehrt hat!«

»Du weißt recht wohl, daß ich keine Memme bin, Don Alvars wüßtest Du es nicht, so würdest Du es im Nothfalle erfahren. »Höre mich also an.«

»Das Schwert zur Hand! Wo das Schwert zu sprechen hat, muß die Zunge schweigen.«

»Ich liebe deine Schwester, Alvar, deine Schwester liebt mich; warum sollte ich Dich nicht Bruder nennen.«

»Weil mein Vater mir gestern gesagt hat, er werde einen in Lastern und Schulden versunkenen Menschen nie Sohn nennen.«

Die Kaltblütigkeit begann vor so vielen Beleidigungen mich zu verlassen.

»Das hat dein Vater gesagt, Don Alvar?« fragte ich zähneknirschend.

»Ja, und ich sage es ihm nach und ich setze hinzu: das Schwert zur Hand, Don Fernand!«

»Du willst es?« antwortete ich und legte die Hand an den Schwertgriff.

»Das Schwert zur Hand! das Schwert zur Hand!« wiederholte dann Alvar, »oder es trifft Dich nicht die Spitze sondern der Rücken des meinigen!«

Ihr werdet gestehen, Don Inigo, daß ich mich lange gesträubt, Don, ich habe Euch die reine Wahrheit gesagt; ich hatte mich gesträubt, so lange ein Edelmann sich sträuben konnte.

Ich zog das Schwert.

Nach fünf Minuten war Don Alvar todt, gestorben ohne Beichte, mit dem Fluche gegen mich auf den Lippen . . . Das hat mir Unglück gebracht.«

Der Salteador hielt einen Augenblick inne und er ließ nachdenklich den Kopf sinken.

In diesem Augenblicke erschien die junge Zigeunerin an dem Fenster, durch welches der Bandit hereingekommen war, und sie rief dreimal den Namen Don Fernands in dem Tone einer Person, die eine wichtige Nachricht bringt.

Erst bei dem zweiten Rufe schien der Salteador zu hören, erst bei dem dritten sah er sich um, aber welche Eile die Zigeunerin mit ihrer Nachricht auch zu haben schien, der Salteador winkte ihr zu warten und sie wartete.

»Ich kehrte in die Stadt zurück,« fuhr Don Fernand fort, »und da ich zwei Geistlichen unterwegs begegnete, sagte ich ihnen, wo sie den Leichnam Don Aivars finden würden.

Ein Zweikampf zwischen zwei jungen Männern war etwas Gewöhnliches, wie daß Einer aus dem Platze blieb; aber unser Zweikampf hatte nicht unter den herkömmlichen Bedingungen statt gefunden. Der Vater Don Alvar‘s war außer sich über den Verlust seines einzigen Sohnes und klagte mich des Mordes an.

Leider stand mir kein guter Ruf zur Seite. So schändlich die Anklage war, sie fand Glauben bei den Richtern; der Alcade setzte mich in Anklagezustand und drei Alguazils erschienen, um mich in Haft zu nehmen.

Ich erbot mich, allein in das Gefängniß zu gehen. Sie lehnten dies ab. Ich gab ihnen mein Ehrenwort, hundert Schritte vor oder hinter ihnen zu gehen, wie sie wollten.

Sie bestanden darauf mich mit Gewalt fortzuführen.

Ich tödtete zwei und verwundete den dritten; dann sprang ich auf mein ungesatteltes Pferd und nahm nichts mit mir als – den Schlüssel zu dem Vaterhause.

Ich hatte meine Mutter nicht gesehen und wollte zurückkommen, um sie noch einmal zu umarmen.

Zwei Stunden später war ich in Sicherheit im Gebirge.

In dem Gebirge befanden sich viele Verbannte aller Art, die von der Gesellschaft nichts mehr zu erwarten hatten und vor Verlangen brannten, ihr so viel Böses zu thun, als sie von ihr erlitten hatten.

Es fehlte ihnen nur ein Anführer und sie mußten eine furchtbare Macht werden.

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06 декабря 2019
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