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Читать книгу: «Drei starke Geister», страница 2

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II

Jean und sein Oheim, der während dieses Gesprächs seine Mahlzeit beendigt hatte, tranken jeder ein Glas von dem feinen Weine und der junge Mann aß einige Bissen dazu.

Toinette hatte während dieser Zeit das Zimmer in Ordnung gebracht, das der Pfarrer für seinen Neffen bestimmt hatte. Sie kam jetzt zurück und sagte:

»Aber, Herr Pfarrer, das Zimmer bedürfte wirklich einer Reparatur.«

»Warum denn?«

»Warum? Haben Sie denn die Decke nicht einmal angesehen?«

»Nein.«

»Sie ist in einem schönen Zustande.«

»Wie so denn?«

»Sie ist zwischen den Balken überall zersprungen und ist so dünn wie Papier; und wenn Sie sich nicht in Acht nehmen, bricht sie nächstens zusammen und Sie kommen mit samt Ihrem Bette herunter, da Sie unmittelbar darüber schlafen.«

»Es ist gut, Toinette, ich werde es besorgen, und wenn Jean uns wieder besucht, soll er ein prächtiges Zimmer finden, das in jeder Beziehung seiner würdig ist.«

Jean ging hierauf mit seinem Oheim in das kleine Gesellschaftszimmer des Pfarrhauses, denn um diese Zeit erhielt Raynal jeden Abend den Besuch von zwei oder drei Freunden. Diese fanden sich bald ein und er erzählte ihnen, wie glücklich er gewesen sei, seinen Neffen kennen zu lernen, sowie die Schlichtung der Feindseligkeit mit seinem Bruder, lauter Dinge, welche zum Lobe des jungen Mannes und seines Vaters gereichten.

Gegen zehn Uhr trennte man sich, um zur Ruhe zu gehen und der Pfarrer führte selbst seinen Neffen in sein Zimmer, um sich zu überzeugen, daß es ihm an nichts fehlte und um nach einige Minuten länger mit dem jungen Manne beisammen zu bleiben, zu welchem er die aufrichtigste Zuneigung empfand.

»Ich bin sehr müde,,« sagte Jean; »wie werde ich es anfangen, damit ich morgen früh um vier Uhr erwache?«

»Zuerst hast Du eine Uhr in Deinem Zimmer mit einem Wecker, welcher zu der Stunde, auf die Du ihn stellst, Lärm machen wird. Dann ist aber auch morgen Markttag und Du wirst schon von drei Uhr an so viel Lärm hören, daß Du nicht länger wirst schlafen können.«

»Nun, dann wünsche ich Ihnen eine gute Nacht, mein theurer Oheim. Vergessen Sie nicht an meinen Vater zu schreiben, er erwartet mit Ungeduld Ihren Brief.«

»Das thue ich noch heute, ehe ich zu Bette gehe und der Brief geht morgen ab. Gute Nacht, mein Sohn, gute Nacht!«

Sie umarmten einander noch einmal und der Pfarrer verließ seinen Neffen, nachdem er jedoch vorher noch zu ihm gesagt hatte:.

»Vergiß es nicht, es ist in der Straße des Arénes, beim Bäcker Simon, wo Du das Pferd abgeben und den Du bitten sollst, es mir mit der ersten Gelegenheit wieder zuzuschicken.«

»Gut, gut, lieber Oheim.«

Jean blieb allein und da er wirklich todtmüde war, ging er unverzüglich zu Bett und sank bald in tiefen Schlaf.

Sein Oheim hatte ihm keine Unwahrheit gesagt. Gegen drei Uhr Morgens wurde er durch das Geschrei der Verkäufer und besonders der Verkäuferinnen geweckt, die zum Markte kamen, und hätte er auch wieder einschlafen wollen, so würde es ihm nicht möglich gewesen sein. Er stand daher mit halb offenen Augen und noch etwas schwerem Kopfe auf, sattelte und zäumte Coquet, zog ihn mit so wenig Geräusch, als möglich, aus dem Hause, schwang sich darauf und schlug den Weg nach Nimes ein.

Coquet hatte den ächten Gang des Kleppers eines Dorfpfarrers, so daß Jean, nachdem er seine Füße gehörig fest in die Bügel gesetzt hatte,die Zügel nur aus Gewohnheit in den Händen behielt und die Augen schloß. Nach einigen Augenblicken war er völlig eingeschlafen; aber das kluge Thier, auf dem er saß, vermied, als wüßte es, daß sein Reiter nicht mehr im Stande war es zu leiten, jedes Hinderniß und jedes Begegnen, das ihn hätte wecken können und ging in einem ruhigen Schritte fort, der den Reiter recht angenehm wiegte.

Eine halbe Stunde vor Nimes machte sich jedoch ein Fuhrmann, der ihm mit seinem Geschirre entgegen kam und der es komisch fand, daß der Reiter so ruhig auf dem Pferde schlief, den Spaß, dem letzteren einen Peitschenhieb zu versetzen, so daß es einen Seitensprung that. Jean verlor das Gleichgewicht und erwachte in dem Augenblicke, wo er herabfallen wollte und wo Coquet schon dicht am Straßengraben stand. Er hatte jedoch noch so viel Zeit, die Mähne des Pferdes zu ergreifen und sich wieder in den Sattel zu schwingen, während der über seinen Scherz erfreute Fuhrmann laut lachend seinen Weg fortsetzte.

Jean freute sich eben so sehr, daß er geschlafen hatte als daß er geweckt worden war und indem er sich die Augen rieb, athmete er mit Entzücken die frische, reine Morgenluft ein. Er sah nach der Uhr und da er bemerkte, daß Coquet seinen Schlummer benutzt und ebenfalls ein wenig geschlafen hatte, wodurch einige Zeit verloren gegangen war, wollte er diese wieder einbringen und setzte seinen Gaul in einen kleinen Trab.

Coquet wunderte sich zwar nicht wenig, daß er eine Gangart annehmen sollte, die gar nicht in seiner Gewohnheit lag; allein er machte gute Miene zum bösen Spiel und erreichte trabend die historische Stadt.

Jean hatte gar nicht nöthig, ihn nach der Straße des Arénes zu lenken; Coquet wußte den Weg allein und brachte seinen Reiter auf dem gradesten Wege zu Meister Simon.

Der Bäcker stand an seiner Hausthür und erkannte den Gaul, der Reiter aber war ihm unbekannt.

»Ich bin der Neffe des Pfarrers Raynal,« sagte Jean zu ihm, nachdem er ihn begrüßt hattet; »er hat mir das Pferd geliehen, um nach Nimes zu retten, und mir aufgetragen, es Ihnen zu übergeben und Sie zu bitten, es ihm wieder zuzuschicken.«

»Sie sind der Neffe des Herrn Pfarrers Raynal?« erwiderte der Bäcker freundlich.

»Ja wohl.«

»Dann haben Sie einen würdigen Mann zum Oheim.«

»Ich weiß es, Herr Simon, und ich freue mich, daß mein Oheim die allgemeine Liebe und Achtung in eben so hohem Grade genießt, als ich ihn liebe und hochschätze.«

»Ja, Sie können mir Coquet anvertrauen,« erwiderte Simon; »ich werde ihn morgen durch einen meiner Leute, der ohnehin etwas in Lafou zu thun hat, zu seinem Herrn zurückschicken.«

Jean stieg vom Pferde und Simon rief in das Haus hinein:

»Franz!«

»Hier bin ich, – Meister!« antwortete ein junger Mensch in der gewöhnlichen Kleidung der Bäckergehilfen.

»Führe das Pferd in den Stall.«

»Gut, Meister.«

Franz ergriff den Zügel des Pferdes, dem Jean liebkosend auf den Hals klopfte, als wollte er ihm für den geleisteten Dienst danken, und verschwand damit in der Hausflur.

»Und Herr Raynal befindet sich wohl.« fragte Simon.

»Ja, er befindet sich sehr wohl.«

»Wollen Sie nicht eintreten, um etwas zu genießen und mit uns zu frühstücken?« fragte der Bäcker mit provencialischer Herzlichkeit; »der Neffe des Herrn Raynal ist für uns so viel als Herr Raynal selbst.«

»Sie sind sehr gütig, Herr Simon; aber ich muß um zehn Uhr mit der Diligence von Beaucaire abreisen und vorher muß ich noch einen Gang besorgen und mein Gepäck aus dem Gasthofe holen. Ich habe aber nur eine halbe Stunde Zeit zu dem Allen. Indessen danke ich Ihnen nicht minder für Ihr freundliches anerbieten,« sagte er, indem er dem Bäcker die Hand schüttelte, »und wenn ich wieder nach Nimes komme, werde ich Sie um die Erlaubniß bitten, meinen Dank wiederholen zu dürfen.«

»Dann aber werden Sie meine Einladung annehmen?«

»Ich verspreche es Ihnen.«

Jean nahm Abschied und verließ den Bäcker.

Dieser blieb noch an seiner Thür stehen, um die Leute vorüber gehen zu sehen und seinen Bekannten einen guten Morgen zu wünschen. Kaum war eine Viertelstunde vergangen, seitdem Jean ihn verlassen, so sah er zwei Gensd’armen zu Pferde die Straße herausgesprengt kommen, welche vor seinem Hause anhielten.

»Wie lange stehen Sie schon hier?« fragte ihn einer derselben.«

»Ohngefähr seit einer halben Stunde,« antwortete Simon, ohne begreifen zu können, warum zwei Gensd’armen ihre Pferde in Galopp gesetzt hatten, um ihm diese Frage vorzulegen.

»Haben Sie einen jungen Mann auf einem kleinen Pferde hier vorbeireiten sehen?«

»Von welcher Farbe soll das Pferd sein?«

»Ein Schimmel.«

»Und wissen Sie den Namen des jungen Mannes.«

Der Gensd’arm blickte auf ein Papier.

»Jean Raynal,« sagte er dann.

»Jean Raynal,« erwiderte der Bäcker; »mit dem habe ich vor zehn Minuten gesprochen«

»Er war also bei ihnen?«

»Ja.«

»In welcher Absicht denn?«

»Um sein Pferd abzugeben, welches seinem Oheim, dem Pfarrer in Lafou gehört.«

»Und Sie haben ihn fortgehen lassen?«

»Warum hätte ich ihn zurückhalten sollen?«

»Es ist wahr, Sie wußten nichts.«

Während dieses Gesprächs hatten sich einige Vorübergehende um die Gensd’armen gesammelt und hörten neugierig und aufmerksam zu.

»Hat Ihnen Herr Raynal gesagt, wohin er ging?«

»Ja, er wollte in den Gasthof gehen, um sein Gepäck abzuholen und um zehn Uhr mit der Diligence nach Beaucaire fahren.«

»Wissen Sie das gewiß?«

»Ganz gewiß.«

»Um zehn Uhr, sagen Sie?«

»Ja wohl.«

»Es ist drei Viertel auf zehn Uhr, wir werden also noch Zeit genug kommen, wenn er nicht Etwas ahnet. Ich danke Ihnen.«

Mit diesen Worten gab der Gensd’arm seinem Pferde die Sporen.«

»Erlauben Sie,« sagte der Bäcker zu ihm, »eine Auskunft ist der andern werth. Was ist denn geschehen? ich interessire mich für den jungen Mann.«

»Wir haben nicht Zeit Ihnen dieses zu erzählen,« erwiderte der Gensd’arm,« indem er sich entfernte: »übrigens werden Sie es bald erfahren, Aber wenn Sie sich für den jungen Mann interessieren, so bedaure ich Sie, denn er hat eine schlimme Sache auf dem Halse.«

Die beiden Gensd’armen setzten ihre Pferde hierauf in Galopp und verschwanden auf der nach dem Bureau der Diligence führenden Straße, während die Weiber und Müssiggänger sich um Meister Simon drängten und Auskunft von ihm verlangten, da er die Ehre gehabt hatte, von den Gensd’armen ausgefragt zu werden.

Während dieser Zeit ging Jean, welcher keine Ahnung von dem hatte, was vorging, zu dem Correspondenten seines Hauses, empfing von demselben eine Tratte, die er sogleich nach Hause expedierte; dann lief er in den Gasthof, holte sein Gepäck und eilte hieraus nach dem Bureau der Diligence von Beaucaire.

Der Wagen war zum Abfahren bereit und die beiden Gensd’armen ließen sich die Pässe der Reisenden zeigen.

Jean nahm seinen Paß aus der Tasche und hielt ihn den Gensd’armen hin, um diese Formalität schnell zu beendigen.

»Sie sind also Herr Jean Raynal?«l fragte einer der Gensd’armen

»Ja wohl.«

»Der Neffe des Pfarrers Raynal in Lafou?«

»Das bin ich.

»Sie haben diese Nacht bei ihm gewohnt?«

»Ja.«

»Und wann sind Sie von Lafou fortgeritten?«

»Diesen Morgen um vier Uhr.«

»Ganz richtig. Folgen Sie uns, mein Herr.«

»Ich soll Ihnen folgen? Wohin denn?«

»Zum königlichen Procurator.«

»Aber meine Herren, ich muß abreisen. Ist mein Paß nicht in der Ordnung?«

»Von dem Passe ist nicht die Rede.«

»Von was denn?«

»Wir haben einen Vorführungsbefehl.«

»Einen Vorführungsbefehl?«

»Ja.«

»Gegen mich?«

»Gegen Sie.«

Jean sah die beiden Gensd’armen an; er glaubte, sie seien nicht bei Sinnen.

»Das ist nicht möglich,« sagte er.

»Sehen Sie.selbst.«

Zugleich hielt er ihm den Befehl vor die Augen.

»Das ist eine Verwechselung, meine Herren, ganz gewiß,« sagte Jean, indem er um sich blickte, um nicht allein die Gensd’armen, sondern auch die übrigen umstehenden Personen zu überzeugen, daß er das Opfer eines Irrthums sei. Die Ruhe des jungen Mannes machte die Gensd’armen zweifelhaft und sogar ängstlich; sie hatten in ihrem Leben viele Verbrecher gesehen und dadurch einen geübten Blick erhalten, und konnten daher nicht glauben, daß dieser junge Mann das Verbrechen begangen hatte, das man ihm Schuld gab.

»Steigen Sie ein, mein Herr,« rief der Schaffner, um die Gaffer zu entfernen, die sich schon im Hofe gesammelt hatten.

»Folgen Sie uns, mein Herr,« wiederholten die beiden Gensd’armen« indem sie Jean in die Mitte nahmen. »Wir sind nicht die Richter, wir müssen den erhaltenen Befehl ausführen. Der königliche Procurator wohnt ganz in der Nähe und wenn ein Irrthum stattfindet, wird er Sie sogleich wieder in Freiheit setzen.«

Wir bemerken bei dieser Gelegenheit, daß die Gensd’armen fast immer mit der größten Würde, aber zugleich mit der größten Humanität ihre Pflicht thun. Ich glaube nicht« daß man jemals gesehen hat, daß ein Gensd’arm einen Angeklagten gemißhandelt hätte, wenn sich derselbe auch weigerte, ihm zu folgen, oder selbst wenn er sich Thätlichkeiten gegen ihn erlaubte.

»So kommen Sie,« erwiderte Jean voll Vertrauen, »denn auf meine Ehre, die Sache ist mir unerklärlich!«

»Wir glauben es,« versetzte der Gensd’arm, der ihn ausgefragt hatte, »denn wenn Sie etwas begangen hätten und Sie könnten eine solche Ruhe behalten, müßten Sie ein großer Bösewicht sein.«

Der andere Gensd’arm stimmte durch einen Blick der psychologischen Bemerkung seines Kameraden bei und alle Drei traten den Weg zu dem königlichen Procurator an.

Es versteht sich von selbst, daß die Straßenbuben ihnen nachliefen und daß die Bewohner der, wie alle Straßen von Nimes, sonst so ruhigen Straße an den Hausthüren standen und einander fragten, was der junge Mensch begangen haben müsse.

III

Nach einigen Minuten wurde der Gefangene bei dem königlichen Procurator eingeführt. Eine weiße Halsbinde,.ein Ehrenlegionskreuz, ein Blick, welcher verschlagen sein soll, und eine feierliche Sprache sind die Kennzeichen aller königlichen Procuratoren und der von Nimes machte keine Ausnahme von seinen Kollegen.

»Ihr Vor- und Zuname?« fragte er den jungen Mann.

»Jean Raynal,« antwortete dieser.

»Woher kommen Sie?«,

»Zuerst von Paris, dann von Lyon.«

»Was hatten Sie in Lafou zu thun?«

»Meinem Oheim einen Brief meines Vaters zu überbringen.«

»Die beiden Brüder haben seit mehreren Jahren in Feindschaft gelebt?«-

»Seit zweiundzwanzig Jahren.«

»Und Sie beabsichtigten?«

»Eure Aussöhnung zwischen ihnen herbeizuführen.«

»Ganz recht,« sagte der Beamte, indem er ein Papier überblickte, welches das Protokoll einer Aussage zu sein schien. »Nun, mein Herr, Sie sind angeklagt, Ihren Oheim und die Frau, die er in seinem Dienste hatte, ermordet zu haben.«

»Ich?« erwiderte Jean lachend.

»O lachen Sie nicht,I denn die Sache ist höchst ernsthaft! Sie sind ferner angeklagt, Ihrem Oheim die Summe von zwölfhundert Franken entwendet zu haben, den Ertrag einer Sammlung, die er für die Armen seiner Gemeinde veranstaltet hat.«

»Herr Procurator,« erwiderte Jean, »was Sie mir da sagen, ist unmöglich, physisch unmöglich, und ich konnte mich nicht enthalten, zu lachen, weil ich nicht allein meinen Oheim und Toinette nicht ermordet habe, sondern weil ich weiß, daß sie sich in diesem Augenblicke so wohl befinden, wie Sie und ich.«

»Sie leugnen also diese That?«

»Zuerst leugne ich, daß ich der Thäter bin, und dann, ich wiederhole es Ihnen, leugne ich auch, daß sie begangen worden ist. Erlauben Sie mir, Ihnen eine Frage vorzulegen.«

»Sprechen Sie.«

»Wann soll mein Oheim und seine Haushälterin ermordet worden sein?«

»Diese Nacht.«

»Sie.sehen« Herr Procurator, daß dies ein Irrthum ist, da ich bei meinem Oheim übernachtet habe.«

»Eben deshalb wird Ihnen das Verbrechen zur Last gelegt.«

»Aber mein Herr, ich schwöre Ihnen, daß ich unschuldig bin und daß mein Oheim lebt und gesund ist. Ich habe gerade unter ihm geschlafen; wäre er ermordet worden, so hätte ich Geschrei oder sonst ein Geräusch vernommen, denn man kann nicht zwei Personen ermorden, ohne daß wenigstens Lärm im Hause entsteht.«

»Was soll ich Ihnen darauf sagen? Sie sind als der wahrscheinliche Thäter des Verbrechens denuncirt. Antworten Sie mir jetzt: wollen Sie mir die Papiere zeigen, die Sie bei sich haben?«

Jean zog seine Brieftasche hervor und übergab sie dem königlichen Procurator. Dieser untersuchte den Inhalt.

»Hier sind zwei Billets zu fünfhundert Franken und zehn Louisd’ors in ein Papier gewickelt,« sagte er.

»Nun?«

»Habe ich Ihnen nicht gesagt, daß Sie beschuldigt sind, Ihrem Oheim zwölfhundert Franken entwendet zu haben?«.

»Aber diese zwölfhundert Franken hier habe ich in Lyon gewonnen.«

»Wo denn?«

»In einem Spielhause,« antwortete Jean erröthend.

»Also Sie sind ein Spieler. In der That spricht Ihr Oheim in einem Briefe an Ihren Vater, den er ehe er zu Bette ging, geschrieben hat und der sich in unseren Händen befindet, von diesem Fehler. Er sagt Folgendes,« fuhr der Procurator, indem er ein Papier aus den vor ihm liegenden Acten nahm: »Jean spielte rathe ihm davon ab und lies ihm die Moral. Das Spiel ist eine Leidenschaft, welche zu allen Verbrechen führen kann.« – Ihr Oheim hat sich leider nicht geirrt!«

»Sie glauben also, daß ich der Urheber dieses schändlichen Verbrechens bin?«

»Es ist mir nicht erlaubt, eine Meinung darüber zu haben, aber ich sage, daß leider die schwersten Verdachtsgründe gegen Sie vorhanden sind. Die zweiundzwanzigjährige Feindschaft zwischen den beiden Brüdern, Ihr unerwarteter Besuch, der Mord, der nur durch einen Menschen begangen sein kann, der im Hause gewesen ist, da nirgends ein Einbruch von außen zu bemerken ist, die entwendete Summe von zwölfhundert Franken und eine gleiche Summe, die Sie bei sich haben, Ihre beabsichtigte Abreise von Nimes mit der ersten abgehenden Diligence, welche die größte Aehnlichkeit mit einer Flucht hat; dies Alles ist höchst verdächtigt.«

»Aber es ist entsetzlich, Heer Procurator,« rief Jean, indem er vernichtet aus einen Stuhl sank, »daß so viele Verdachtsgründe sich gegen einen Unschuldigen vereinigen können, denn ich schwöre es Ihnen bei Allem, was heilig ist, daß ich dies bin!«

Indem der junge Mann dies sagte, bedeckte er sein Gesicht mit beiden Händen, denn er lachte nicht mehr und konnte seine Thränen nicht zurückhalten.

»Aber das ist noch sonderbarer,« sagte der Procurator, indem er sich vorbeugte und einen Arm des Angeklagten mit ganz besonderer Aufmerksamkeit betrachtete, »kommen Sie doch näher.«

Jean näherte sich ihm, ohne zu begreifen, was er von ihm wollte.

»Geben Sie mir Ihren rechten Arm.«

Jean that es.

»Es ist Blut aus Ihrem rechten Aermel,« sagte der Beamte.

»Blut?«

»Hier sehen Sie.«

In der That sah man große Blutstropfen auf dem Aermel von Jean’s Oberrocke, die, obgleich jetzt getrocknet doch offenbar neu waren.

»Können Sie dagegen etwas einwenden?« fuhr der Procurator fort, durch diesen letzten Beweis vollkommen ueberzeugt, daß er den wirklichen Mörder des Pfarrers vor sich habe, der sich durch den zuverlässigen Ton der vollkommensten Unschuld, mit dem er leugnete, als ein um so größerer Bösewicht zeigte.

»Blut?« wiederholte Jean; »wissen Sie auch gewiß, daß es Blut ist, was Sie hier sehen? Ich sehe nichts mehr, Herr Procurator; die Sinne vergehen mir, es ist mir, als wollte es mir den Kopf zersprengen!. . . Blut!. . . mein Gott! wie ist das Blut hierher gekommen?. . . das ist ja entsetzlich!«

»Es ist gut,« erwiderte der Procurator, indem er sich wieder niedersetzte und in einem Tone, der nicht die geringste Theilnahme mehr verrieth; »ich will mein Protocoll machen, dann werden wir zur Confrontation schreiten.

»Zur Confrontation?« wiederholte Jean mechanisch.

»Ja, Sie müssen mit den beiden Leichnamen confrontirt werden.«

»Mein Oheim und Toinette sind also wirklich todt?«

»Nun, das wissen Sie doch?«

»Ich träume also nicht? fuhr der junge Mann fort, indem er um sich blickte; »ich bin wirklich angeklagt, zwei Menschen ermordet zu haben, ich, ich, Jean Raynal, der eben noch im Begriffe war, fröhlich und heiter abzureisen, der vor zwei Stunden noch ruhig schlief! und ich habe Blut an meinem Rocke!. . . und dies Alles ist wirklich wahr!. . . Darüber könnte man wahnsinnig werden, Herr Procurator« oder auf der Stelle des Todes sein!«

»Schon gut, schon gut,« erwiderte der Beamte, der immer fester von der Schuld des jungen Mannes überzeugt wurde; »das ist jetzt Sache der Justiz.«

»Und wozu soll diese Confrontation mit den Leichnamen nützen?«

»Die Justiz hofft, daß der Anblick der Schlachtopfer einen solchen Eindruck auf den Verbrecher machen wird, daß er eingesteht.«

»Aber es wird mir wohl erlaubt sein, den Leichnam noch einmal zu umarmen?«

»Sie wollen ihn umarmen?«

»Nun ja, meinen guten Oheim, der mich schon so lieb hatte, der so gut gegen mich war, der mich bei sich behalten wollte, und den ein Bösewicht nebst der guten alten Frau schändlicher Weise ermordet hat, um ihm eine elende Summe von zwölfhundert Franken zu rauben?. . . Warum hat man mich nicht ermordet?. . . Was wird mein Vater, was wird meine Mutter sagen, wenn sie den Tod des Bruders erfahren, wenn sie erfahren, daß ihr Sohn verhaftet und dieses entsetzlichen Verbrechens angeklagt ist!«

Heiße Thränen entströmten den Auen des jungen Mannes; Er war so fest überzeugt, daß Jedermann von seiner Unschuld überzeugt sein und daß er bei Jedem Theilnahme finden müsse, daß er, das Bedürfniß fühlend, seinen Schmerz in den Busen irgend eines Menschen auszugießen, den Kopf auf die Schulter des königlichen Procurators legte, der von seinem Sitze aufgestanden war.

Dieser stieß ihn sanft zurück. So sehr er auch an Scenen dieser Art gewöhnt war, so konnte er sich doch einer gewissen Rührung nicht erwehren.

»Dieser Mensch ist kein Mörder,« sagte der eine der beiden Gensd’armen« welche mit dem Gefangenen in das Kabinet des königlichen Procurators gekommen und an der Thür stehen geblieben waren, leise zu seinem Kameraden. »Wenn ich der königliche Procurator wäre, so würde ich es ohne Weiteres auf meine Gefahr nehmen und ihn entlassen.«

»O, o! erwiderte der Andere, was bedeutete: »Das wäre doch viel gewagt.«

»Besorgen Sie einen Wagen, Gensd’armen,« sagte der Procurator, und entfernen Sie die Menschen, die sich unten versammelt haben werden.«

»Ich danke Ihnen dafür,« sagte Jean.

Bald darauf stieg der angebliche Mörder und der königliche Procurator, sowie der Instructionsrichter und der Polizeicommissair, die man eingeladen hatte, in den herbeigeholten Wagen, welcher die Straße nach Lafou einschlug.

Bei der Ankunft in dem Dorfe sprach Jedermann nur von dem in der Nacht begangenen entsetzlichen Verbrechen.

Man hatte den Weg fast schweigend zurückgelegt. Was geschah, war für Jean so unerhört, so überraschend, so betäubend, daß er endlich vergaß, wohin er sich begab, daß sich die Vergangenheit mit der Gegenwart, das was er bis zum heutigen Morgen gethan, mit dem, was er hatte thun wollen, in seinem Kopfe unter einander wirrte, so daß er auf der Straße nach Beaucaire zu fahren glaubte, daß er nicht mehr daran dachte, welches gräßlichen Verbrechens er beschuldigt wurde und daß er in Begleitung von zwei Gensd’armen und drei Gerichtspersonen reiste.

Er mußte sich auch wirklich einen Augenblick besinnen, ehe er sich die Bewegung erklären konnte, welche in dem Dorfe herrschte, das bei seiner Abreise an diesem Morgen so ruhig und friedlich gewesen war.

»Da kommt er! Der ist’s!« sagte eine Stimme aus dem vor der Thür des Pfarrhauses, welche von dem Feldhüter und zwei Gensd’armen besetzt war, versammelten Volke.

Jean blickte auf und erkannte den Bauer, den er gestern Abend nach der Wohnung seines Oheims gefragt hatte.

Dieser Mann suchte jetzt eine besondere Ehre darin, in der Untersuchung als Zeuge aufgerufen zu werden. Es giebt Menschen, welche ihrer Person eine Wichtigkeit zu geben glauben, wenn sie in einem Drama, wie das von dem wir sprechen, eine Rolle spielen können, sei sie auch noch so unbedeutend. Sie wollen öffentlich sprechen, sie wollen einen Augenblick die Aufmerksamkeit auf sich ziehen, sie wollen einige Tage ein Gegenstand der Neugierde für die alten Weiber ihres Stadtviertels und für die Portiers ihrer Straße sein. Was sie sagen werden, wissen sie in der Regel noch nicht, was sie gesagt haben, wissen sie nicht mehr, aber ihr Zweck ist erreicht und besonders denken sie nicht daran, wie schwer ihre Aussage« so unbedeutend sie auch sein möge, in der Wage der Gerechtigkeit wiegt und wie sehr ihre kleinliche Eitelkeit oft die Lage eines Verbrechers verschlimmern, oder, >was noch viel trauriger ist, zu der Verurtheilung eines Unschuldigen beitragen kann.

Der königliche Procurator, der Instructionsrichter, der Polizeicommissair und Jean Raynal traten in das Pfarrhaus.

Wie viele von den draußen Stehenden wünschten mit ihnen gehen zu können!

»Erkennen Sie die Oertlichkeit?« fragte der Instructionsrichter den Angeklagten.

»Ja,« antwortete Jean mit Ruhe« denn je mehr er nachdachte, desto unmöglich, schien es ihm, daß seine Unschuld nicht selbst den Verblendetsten und den Böswilligsten, diesen freiwillig Verblendeten, in die Augen springen mußte.

»Schreiben Sie Alles nieder, was Sie hören werden,« sagte der Instructionsrichter zu dem Polizeicommissair; dann wandte er sich wieder mit den Worten an Jean:

« »Er zählen Sie uns Alles, was gestern seit dem Augenblicke Ihrer Ankunft in diesem Hause, bis Sie es wieder verlassen haben, geschehen ist.«

Jean erzählte offen und wahrheitsgetreu Alles, was wir schon wissen und der Polizeicommissair brachte seine ganze Erzählung zu Protokoll, ohne etwas daran zu ändern.

»Jetzt wollen wir hinauf gehen,« sagte der Instructionsrichter, indem er das Gesicht des Angeklagten genau beobachtete, um zu sehen, welchen Eindruck es auf ihn machte, daß er seinen Schlachtopfern gegenüber gestellt werden sollte. Aber die Züge des jungen Mannes zeigten keinen Ausdruck von Furcht, wie der Beamte erwartet hatte, sondern einen Ausdruck von Mitleid und Rührung.«

»Mein armer Oheim!« sagte er, sich die Thränen trocknend, und folgte dann dem königlichen Procurator, der vorausgegangen war.

Die drei Gerichtspersonen und Jean traten nebst einem Arzte, den man herbeigerufen hatte, in das Schlafzimmer des Pfarrers, wo ein gräßliches Schauspiel sie erwartete.

Der Pfarrer lag im Hemd auf dem Fußboden, mitten in einer großen Blutlache; sein Kopf und seine Brust waren von Messerstichen ganz zerhackt. Ob er nach der Ermordung aus dem Bett gezogen worden, ob er während des Kampfes mit dem Mörder herausgefallen war, dies konnte Niemand sagen, als der Mörder, und der Mörder war gewiß nicht da.

»Der Tod scheint augenblicklich erfolgt zu sein,« bemerkte der Arzt, nachdem er den Leichnam betrachtet hatte; »diese Wunde,« sagte er, auf einen Stich in der Gegend des Herzens zeigend, »ist ihm ohne Zweifel zuerst beigebracht worden und hat ihn getödtet; die übrigen wären nicht nöthig gewesen und der Mörder hat sie nur noch zu größerer Sicherheit oder aus einem Uebermaße von Barbarei hinzugefügt.«

Jean vergaß heiße Thränen, während er diesen blutenden Körper betrachtete, der ihn gestern so liebevoll in seine Arme geschlossen hatte.

»Und ich werde einer solchen empörenden That angeklagt!« sagte er, indem er neben den Leichnam kniete und ihm einen Kuß auf die Stirn drückte.

»Erkennen Sie den Pfarrer Raynal?« fragte ihn der Instructionsrichter.«

»Ja, ich erkenne ihn.«

»Gestehen Sie, ihn ermordet zu haben?«

»Schreiben Sie, nein Herr,« sagte Jean zu dem Polizeicommissair, »daß ich die Hand auf den Leichnam meines ermordeten Oheim’s gelegt und bei Gott geschworen habe, daß ich unschuldig bin!«

Als der Commissair dies niedergeschrieben hatte, sagte der Instructionsrichter:

»Jetzt wollen wir zu der Haushälterin gehen.«

Alle begaben sich in das Schlafzimmer der Alten, die noch in ihrem Bett lag und an der keine Spur einer Verwundung zu sehen war.

»Diese Person ist erwürgt worden,« sagte der Arzt, nachdem er den Körper aufmerksam betrachtet hatte, »und der Thäter muß eine bedeutende Kraft besessen haben, denn er hat es nur mit Einer Hand ausgeführt.«

»Glauben Sie, daß dieser junge Mann stark genug ist, um den Mord auf diese Weise begangen zu haben?« fragte der königliche Procurator den Arzt.

»Zeigen Sie mir Ihre Hand,« sagte dieser zu Jean, nachdem er ihn begleitet hatte.

Jean that es.

»Umspannen Sie den Hals dieser Frau mit Ihrer rechten Hand.«

Mit abgewandtem Gesicht umspannte Jean die Hälfte von Toinetten’s Halse mit seiner Hand.

»Es ist ohngefähr die nämliche Hand,« sagte der Arzt, »und da in einem solchen Augenblicke die Kräfte eines Menschen sich verdoppeln, so ist es möglich, daß der Angeklagte diese Frau erwürgt hat. Allein ich erlaube mir die Bemerkung, daß wenn ich dies auch als Arzt glauben kann, ich es als Physiognomiker und als Mensch doch bezweifle.«

»Ich danke Ihnen für diese Worte,»rief sagte Jean zu ihm. »Möchte ich in dieser ganzen traurigen Sache immer die nämliche Unparteilichkeit finden, die ich bisher gefunden habe!»

Diese letzten Worte richtete er besonders an die drei Gerichtspersonen.

»Fuhren Sie uns in das Zimmer, in dem Sie diese Nacht geschlafen haben,« sagte der Instructionsrichter zu ihm und trug dann den Gensd’armen auf, die Zeugen herbei zu rufen, welche Jean Raynal als den wahrscheinlichen Mörder bezeichnet hatten.

»Wer sind diese Zeugen?« fragte Jean.

»Die drei Freunde Ihres Oheims, welche den gestrigen Abend bei ihm zugebracht haben und denen er sowohl die Veranlassung zu der zwischen ihm und seinen Bruder bisher geherrschten Uneinigkeit, als auch den Zweck Ihres Besuche erzählt hat; dann auch ein junger Mann, welcher diesen Morgen Ihren Oheim hat besuchen wollen und da er die Thier verschlossen fand und im ganzen Hause Todtenstille herrschte, die erstere erbrochen und das was er im Innern gesehen, angezeigt hat.«

»Und was wird nach Abhörung dieser Zeugen mit mir geschehen?»fragte Jean.

»Sie werden wieder nach Nimes und vorläufig in’s Gefängniß gebracht.«

»Und wie lange werde ich im Gefängnisse bleiben, ehe ich vor Gericht gestellt werde?«

»Einen bis höchstens zwei Monate.«

»Zwei Monate im Gefängniß! ach, so lange lebe ich nicht!»rief Jean schluchzend. »Ist es mir nicht wenigstens erlaubt, an meine Eltern zu schreiben und ihnen diese entsetzliche Nachricht mitzuteilen? denn wenn sie sie durch die Zeitungen erführen, würde der Schlag zu hart für sie sein.»

»Sie können ihnen sogleich schreiben, während wir noch das Haus durchsuchen, ob wir noch irgend etwas finden, was uns Licht über den Thäter geben kann.»

Man gab dem jungen Manne Schreibzeug, und zwischen zwei Gensd’armen sitzend, welche Befehl erhalten hatten, ihn nicht aus den Augen zu lassen, schrieb er an seine geliebten Eltern, welches entsetzliche Unglück ihn betroffen hatte.

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Дата выхода на Литрес:
06 декабря 2019
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310 стр. 1 иллюстрация
Правообладатель:
Public Domain

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