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Читать книгу: «Der Bastard von Mauléon», страница 3

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»Meine Ansicht ist, daß wir nach dem Citronenwalde reiten, durch den die Straße zieht, und der uns zugleich Schatten und Sicherheit gibt; dort warten wir sodann, zum Angriff oder zur Vertheidigung bereit.«

»Oh! das ist eine Ansicht voll Vernunft,« rief der Knappe mit seinem halb spöttischen, halb überzeugtem Tone, »es ist eine Ansicht, der ich ohne Widerspruch beitrete; Schatten und Sicherheit, das ist Alles, was ich in diesem Augenblick wünschte. Schatten ist die Hälfte des Wassers; Sicherheit ist drei Viertheile des Muthes. Reiten wir also nach dem Citronenwalde, und zwar so schnell als möglich.«

Doch die zwei Reisenden hatten ohne ihre Pferde gerechnet. Die armen Thiere waren so müde, daß sie, obgleich vielfach gespornt, nur im Schritt gehen konnten. Zum Glück hatte die Langsamkeit keine anderen unangenehmen Folgen, als daß sie die Reisenden länger der Sonne ausgesetzt ließ. Die kleine Truppe, gegen welche sie diese Vorsichtsmaßregeln nahmen, war noch zu weit entfernt und hatte sie folglich nicht sehen können. Einmal in dem Gehölze angelangt, brachten,sie die verlorene Zeit wieder ein. In einem Augenblick war Musaron von seinem Pferde herab, das sich in seiner Müdigkeit beinahe so schnell als er niederlegte; der Ritter stieg ebenfalls ab, warf den Zaum seines Pferdes in die Hände seines Knappen und setzte sich an den Fuß eines Palmbaumes, der sich wie der König dieses duftenden Waldes erhob.

Musaron band das Pferd an einen Baum und suchte seine Nahrung im Gehölze umher. Nach einem Augenblick kehrte er mit einem Dutzend süßer Eicheln und ein paar Citronen zurück, deren Erstlinge er dem Ritter anbot, welcher ihm, den Kopf schüttelnd, dankte.

»Ah! Ja,« sprach Musaron, »ich weiß wohl, daß dies Alles nicht sehr erquickend für Leute ist, welche vierhundert Meilen in sechzehn Tagen gemacht haben; aber was wollt Ihr, gnädigster Herr! man muß sich gedulden. Wir begeben uns zu dem erhabenen Don Federigo, dem Großmeister von San Jago und Bruder, oder ungefähr Bruder des mächtigen Don Pedro, des Königs von Castilien, und wenn er nur die Hälfte von dem hält, was uns sein Brief verspricht, so haben, wir für unsere nächste Reise frische Pferde, Maulthiere, mit Schellen, welche die Vorübergehenden anziehen, Pagen mit Kleidern, die den Augen schmeicheln, und wir sehen dann die Mädchen aus den Posadas, die Maulthiertreiber und die Bettler herbeilaufen; die Einen geben uns Wein, die Anderen Früchte, und diejenigen, welche am mindesten karg sind, bieten uns ihre Häuser an, nur um die Ehre zu haben, uns zu beherbergen, und dann wird es uns an nichts fehlen, gerade weil wir nichts mehr nöthig haben; mittlerweile aber müssen wir Eicheln knacken und Citronen aussaugen.«

»Es ist gut, es ist gut, Sire Musaron,« sprach der Ritter lächelnd, »in zwei Tagen werdet Ihr Alles haben, was Ihr sagt, und dieses Mahl ist Euer letztes Fasten.«

»Gott höre Euch, gnädiger Herr!« sprach Musaron, indem er seinen Blick voll Zweifel zum Himmel ausschlug, und zugleich von seinem Kopf seine Sturmhaube nahm, woraus eine Feder von einem Pyrenaenadler befestigt war: »ich werde bemüht sein, mich aus die Höhe meines Glückes zu stellen, und dazu brauche ich nur aus Meer vergangenes Elend zu steigen.«

»Bah!« sagte der Ritter, »das vergangene Elend bildet das zukünftige Glück.«

»Amen,« sprach Musaron.

Ohne Zweifel wollte Musaron trotz dieses ganz religiösen Schlusses ein Gespräch über einen andern Gegenstand anfangen, als plötzlich das Klingeln von Schellen von einem Dutzend Pferde oder Maulthiere, und ein gewisses Klirren von Eisen in der Ferne zu ertönen anfing.

»Aufgepaßt!«sprach der Ritter, »das ist die fragliche Truppe, Teufel! sie hat,sich beeilt, und es scheint, die Pferde derjenigen, welche sie bilden, sind minder müde als die unsrigen.«

Musaron steckte in ein Büschel Gras den Rest seiner Eicheln und seine letzte Zitrone, und sprang nach dem Steigbügel seines Herrn, der in einem Augenblick im Sattel saß und die Lanze in der Faust hatte.

Da sahen sie mitten aus den Bäumen, wo sie diesen kurzen Halt gemacht hatten, auf dem Gipfel des Hügels eine Truppe Reisender erscheinen, welche gute Maulthiere ritten und reich, die einen nach spanischer, die andern nach maurischer Sitte, gekleidet waren. Nach dieser ersten Truppe kam ein Mann, der das Haupt derselben zu sein schien und, in einen langen Caban von seiner weißer Wolle mit seidenen Quasten gehüllt, dem Eindruck der Luft nur zwei hinter diesem Wall funkelnde Augen preisgab.

Es waren im Ganzen, diesen Häuptling mit einbegriffen, zwölf sehr starke und wohl bewaffnete Männer nebst sechs Maulthieren, geführt von vier Knechten; diese zwölf Männer bildeten, wie gesagt, die Spitze, dann kam, auch wie gesagt, der Anführer, und hinter diesem, die Nachhut bildend, die sechs Maulthiere und die vier Knechte, in deren Mitte. man eine angemalte und vergoldete Sänfte von Holz erblickte, welche, hermetisch durch seidene Vorhänge verschlossen, den Luftstrom durch Löcher empfing, die in den Verzierungen eines kleinen geschnitzten, um die Sänfte lausenden Frieses angebracht waren. Zwei in der von uns gegebenen Erzählung nicht einbegriffene Maulthiere trugen diese Sänfte und marschirten im Schritt.

Es war dies die ganze Truppe, welche, sich nähernd, so großen Lärmen mit Glöckchen und Schellen gemacht hatte,

»Ah!« sagte Musaron etwas erstaunt, »diesmal sind es wahre Mauren, und ich glaube, ich habe zu bald gesprochen, Messire. Schaut doch, wie schwarz sie aussehen. Jesus! man sollte meinen, es wäre die Leibwache des Teufels. Und wie reich gekleidet sind diese Ungläubigen I Sagt doch, welch ein Unglück, Sire Agenor, daß ihre Zahl so groß ist, oder daß wir nicht größere Gesellschaft haben. Ich denke, es dürfte dem Himmel sehr angenehm gewesen sein, wenn alle diese Reichthümer in die Hände von guten Christen wie wir übergegangen wären. Ich sage Reichthümer, und das ist das richtige Wort, denn die Schätze dieses Ungläubigen sind sicherlich in jenem angemalten und vergoldeten Kasten, der ihm folgt und gegen den er jeden Augenblick den Kopf umwendet.«

»Stille!« sagte der Ritter; »siehst Du nicht, daß sie sich berathen, daß zwei bewaffnete Pagen voraus geritten sind, und daß sie angreifen zu wollen scheinen? Auf! auf! halte Dich bereit, mir, wenn es nothwendig ist, beizustehen, und reiche mir meinen Schild, damit man, falls sich eine Gelegenheit bietet, erfahre, was ein französischer Rittersmann ist.«

»Messire,« erwiderte Musaron, der sich weniger als sein Herr für eine feindliche Stellung zu entscheiden schien, »ich glaube, Ihr seid in einem Irrthum begriffen; diese edlen maurischen Herren können nicht daran denken, zwei harmlose Menschen anzugreifen; seht, einer von den zwei Pagen hat seinen Gebieter um Rath gefragt, und die vermummte Gestalt hat keinen Befehl gegeben, sondern ihnen nur durch ein Zeichen bedeutet, sie sollen vorwärts gehen. Ei! seht, Messire, sie ziehen ihres Weges, ohne ihre Pfeile zugerichtet, ohne, ihre Armbrüste gespannt zu haben; sie legen nur die Hand an ihr Schwert, und es sind im Gegentheil Freunde, die uns der Himmel schickt.«

»Freunde bei den Mauren! und die heilige Religion . . . was machst Du denn, verfluchter Heide?«

Musaron fühlte, daß er sich dieses Anfahren mit Recht zugezogen hatte; er beugte ehrfurchtsvoll das Haupt und sprach:

»Verzeiht, Messire, ich täuschte mich, als ich sagte: Freunde. Ein Christ, ich weiß es wohl, kann nicht der Freund eines Mauren sein; es sind Rathgeber, wollte ich sagen; es ist erlaubt, Rathschläge von Jedermann anzunehmen, wenn die Rathschläge gut sind. Ich will diese ehrlichen Herren fragen, und sie werden uns unsern Weg bezeichnen.«

»Es sei, ich will es auch,« sprach der Ritter; »ich will es um so mehr, als sie, wie mir scheint, ein wenig zu stolz an mir vorüberziehen, und der Gebieter den höflichen Gruß, den ich ihm mit der Spitze meiner Lanze entbot, nicht erwidert hat; gehe und frage sie artig, welche von den zwei Städten Coimbra sei; füge bei. Du kommst im Auftrage von Messire Agenor von Mauléon, und im Austausch für meinen Namen frage diesen maurischen Ritter nach dem seinigen: vorwärts.«

Musaron, der vor dem Anführer der Truppe mit allen seinen Vorzügen erscheinen wollte, versuchte es, sein Pferd zum Aufstehen zu bringen; doch das Thier hatte so lange keinen Schatten und kein Gras mehr gefunden, und es schien ihm so bequem und besonders so angenehm, liegend zu weiden, daß es der Knappe nicht für einen Augenblick auf seine Beine bringen konnte; er entschloß sich also rasch und lief zu Fuß der Truppe nach, welche, da sie während der Berathung ihren Marsch fortgesetzt hatte, auf dem gekrümmten Abhang, bei der Biegung einiger Olivenbäume zu verschwinden im Begriffe war.

Während Musaron fortlief, um sich seiner Botschaft zu entledigen, verlor Agenor von Mauléon, aufrecht auf seinem Sattel, fest in den Steigbügeln, unbeweglich wie eine Reiterstatue, den Mauren und seine Gefährten nicht aus dem Blick; bald sah er ihn bei dem Rufe seines Knappen anhalten; seine Escorte machte Halt, wie er; alle diejenigen, welche dieselbe bildeten, schienen das Leben ihres Anführers zu leben, als wären sie von seinen Wünschen durch eine innere Stimme unterrichtet worden, und als bedürften sie nicht einmal eines Zeichens, um seinem Willen zu gehorchen.

Es war ein so reines Wetter, es herrschte ein so tiefes Stillschweigen in dieser ganzen Natur, welche unter der Hitze des Himmels entschlummert ruhte, der Seewind war so sanft, daß er ohne Hinderniß zu den Ohren des Ritters die Worte von Musaron brachte, und Musaron entledigte sich seines Auftrags nicht nur als ein treuer, sondern auch als ein geschickter Botschafter.

»Eure Herrlichkeit sei gegrüßt,« sprach er, »gegrüßt zuerst von Seiten meines Gebieters, des ehrenhaften und tapferen Sire Agenor von Mauléon, der dort auf seinen Steigbügeln die Antwort Eurer Herrlichkeit erwartet; gegrüßt sodann von seinem unwürdigen Knappen, der sich aufrichtig zu dem Zufall Glück wünscht, welcher ihm das Wort bis zu Euch zu erheben gestattet.«

Der Maure grüßte ernst und vorsichtig nur mit dem Kopfe, und wartete stillschweigend auf das Ende der Rede.

»Möge es,« fuhr Musaron fort, »möge es Eurer Herrlichkeit gefallen, uns anzugeben, welcher von den zwei Thürmen, die man dort sieht, der von Coimbra ist? Wolle mir auch Eure Herrlichkeit, wenn sie es weiß, sagen, welcher von allen den schönen Palästen der einen oder der andern Stadt, die von ihrem Grundgebiete das Meer beherrschen, der des erhabenen Großmeisters von San Jago, des Freundes und ungeduldigen Wirthes des tapferen Ritters ist, der Euch durch mich um diese doppelte Auskunft bitten läßt!«

Um seinem Herrn und sich selbst mehr Glanz zu geben, hatte Musaron lauter als die andern die auf Don Federigo bezüglichen Worte klingen lassen. In der That, gleichsam um seine Gewandtheit zu rechtfertigen, hörte der Maure aufmerksamer bei dem zweiten Theile seiner Rede, und bei diesem zweiten Theile funkelten seine Augen von jenem verständigen Feuer, das den Kindern seiner Nation eigenthümlich ist und einem Sonnenstrahl gestohlen zu sein scheint.

Doch er antwortete eben so wenig auf diesen zweiten Theil, als auf den ersten; erdachte nur einen Augenblick nach, grüßte dann mit dem Kopf, wie er es schon gethan hatte, und sagte seinen Leuten ein einziges arabisches Wort, das mit einer gebieterischen, gutturalen Stimme ausgesprochen wurde, wonach sich die Vorhut in Marsch setzte; der maurische Reiter trieb sein Pferd an, und die Nachhut, in deren Mitte die geschlossene Sänfte getragen wurde, setzte sich ebenfalls in Marsch.

Musaron blieb einen Augenblick ganz erstaunt und gedemüthigt an seinem Platz. Der Ritter aber wußte nicht genau, ob das arabische Wort, das er ebenso wenig als Musaron begriffen hatte, von dem Mauren zu seinem Knappen oder zu seinem Gefolge gesprochen worden war.

»Ah!« sagte plötzlich Musaron, der sich selbst gegenüber nicht zugestehen wollte, man habe ihm eine solche Beleidigung angethan, »er versteht das Französische nicht, das ist die Ursache seines Stillschweigens. Bei Gott! ich hätte Castilianisch mit ihm sprechen sollen.«

Doch da der Maure schon zu weit entfernt war, als daß Musaron ihm zu Fuß hätte nachlaufen können, und da der kluge Knappe überdies vielleicht einen tröstlichen Zweifel einer demüthigenden Gewißheit vorzog, so kehrte er zu seinem Herrn zurück.

Drittes Kapitel.
Wie der Ritter Agenor von Mauléon Coimbra und den Palast von Don Federigo, dem Großmeister von San Jago, ohne die Hilfe des Mauren fand

Wüthend über das, was er gehört, und über das, was ihm sein Knappe wiederholte, hatte Agenor einen Augenblick den Gedanken, durch Gewalt zu erlangen, was der Maure seiner Höflichkeit verweigerte. Als er aber sein Pferd den Sporn fühlen ließ, um dem unverschämten Sarazenen nachzujagen, zeigte das arme Thier so wenig Geneigtheit, seinen Herrn in seinen Wünschen zu unterstützen, daß der Ritter auf dem mit Kieselsteinen besäten Abhang anhalten mußte. Die Nachhut des Mauren beobachtete die Schritte der zwei Franken und wandte sich in Zwischenräumen um, wohl um nicht überfallen zu werden.

»Messire Agenor,« rief Musaron, unruhig über diese Kundgebung, der indessen die Müdigkeit des Pferdes jede Chance von Gefahr benahm, »Messire Agenor, habe ich Euch nicht gesagt, dieser Maure verstehe das Französische nicht, habe ich Euch nicht zugestanden, geärgert wie Ihr über dieses Stillschweigen, sei mir der Gedanke gekommen, ihn in spanischer Sprache zu befragen, doch erst, da er schon zu fern gewesen, als daß ich diesen Gedanken hätte in Ausführung bringen können? Ihm müßt Ihr also nicht grollen, sondern mir, der ich diesen glücklichen Gedanken nicht früher gehabt habe. Uebrigens« fügte er bei, als er sah, daß der Ritter einen Halt zu machen genöthigt war, »übrigens sind wir allein, und Ihr seht, daß Euer Pferd abgemattet ist.«

Mauléon schüttelte den Kopf und sprach:

»Das ist Alles schön und gut, doch dieser Maure hat nicht natürlich gehandelt. Man kann wohl das Französische nicht verstehen, aber in jedem Lande versteht man die allgemeine Sprache der Geberde. Während Du das Wort Coimbra aussprachst, deutetest Du abwechselnd auf die eine und auf die andere Stadt, und er mußte errathen, daß Du nach dem Weg fragtest. Ich kann den unverschämten Mauren zu dieser Stunde nicht mehr einholen, doch bei dem Blute unseres Herrn, das Rache gegen diese Ungläubigen schreit, er finde sich nie wieder auf meinem Wege!«

»Im Gegentheil, Messire,« sagte Musaron, bei dem die Klugheit weder den Muth, noch den Groll ausschloß. »Im Gegentheil, trefft ihn, doch nur unter andern Bedingungen. Trefft zum Beispiel ihn allein mit den Knechten, welche die Sänfte hüten, Ihr übernehmt den Herrn, und ich übernehme die Knechte; dann werden wir wohl sehen, was der Kasten von vergoldetem Holz enthält.«

»Irgend ein Götzenbild ohne Zweifel,« erwiderte der Ritter.

»Oder wohl seinen Schatz.« sagte Musaron, »eine große Kiste mit Diamanten, Rubinen, Perlen, um mit den Händen darin zu wühlen. Denn diese verfluchten Ungläubigen kennen die Beschwörungen, mit deren Hülse man die verborgenen Schätze findet. Oh! wenn wir nur zu sechs oder wenigstens zu vier gewesen wären, wir hätten Euch etwas gezeigt, Herr Maure. Oh! Frankreich! Frankreich! wo bist du? Ihr tapferen Kämpen, wo seid Ihr? Ihr ehrwürdigen Abenteurer, meine Compagnons, warum seid Ihr nicht da!«

»Ah!« sagte plötzlich der Ritter, der während dieses Ausfalls seines Knappen überlegt hatte, »wenn ich daran denke!«

»Woran?«

»An den Brief von Don Federigo,«

»Nun?«

»In diesem Brief gibt er uns vielleicht über den Weg nach Coimbra eine Erläuterung, die ich vergessen habe.«

»Ah! wahrhaftiger Gott! das heiße ich vernünftig denken und gescheit sprechen. Den Brief, Sire Agenor, den Brief, und wenn er nur dazu dienen würde, uns durch die schönen Versprechungen, die man uns darin macht, zu stärken.«

Der Ritter häkelte von seinem Sattelbogen eine kleine Rolle von parfumirtem Leder los, und zog aus dieser Rolle ein Pergament. Es war dies der Brief von Don Federigo, den er zugleich als einen Paß und als einen Talisman aufbewahrte.

Er enthielt Folgendes:

»Edler und hochherziger Don Agenor von Mauléon, erinnerst Du Dich des schönen Lanzenstoßes, den Du in Narbonne mit Don Federigo, dem Großmeister von San Jago, austauschtest, als die Castilianer in Frankreich Dona Bianca von Bourbon einholten?«

»Damit will er sagen, Madame Blanche von Bourbon,« unterbrach ihn der Knappe, indem er den Kopf von oben nach unten schüttelte, wie ein Mensch, der das Spanische zu verstehen sich anmaßt und eine Gelegenheit, bekannt zu machen, was er weiß, nicht vorübergehen lassen will.

Der Ritter sah Musaron von der Seite mit dem Ausdruck an, mit dem er die Prahlereien jeder Art, die sich sein Knappe erlaubte, auszunehmen pflegte. Dann schaute er wieder in das Pergament und fuhr fort:

»Ich habe Dir ein gutes Andenken versprochen, denn Du warst edelmüthig und artig gegen mich.«

»Es ist wahr,« unterbrach ihn zum zweiten Male Musaron, »Eure Herrlichkeit konnte ihm vortrefflich ihren Dolch in die Gurgel stoßen, wie sie es so zart dem Mongat von Lourdes bei dem Kampfe am Pas-de-Larre bei ihrem ersten Auftreten gethan hat. Denn bei dem berühmten Tournier, wo Ihr ihn ans dem Sattel hobet, und wo er wüthend, aus dem Sattel gehoben worden zu sein, mit scharfen Waffen, statt mit stumpfen, den Kampf fortzusetzen verlangte, hieltet Ihr ihn vollkommen unter Eurem Knie. Und statt Euren Sieg zu mißbrauchen, sagtet Ihr großmüthig (ich höre noch diese schönen Worte): »»Erhebt Euch, Großmeister von San Jago, um die Ehre der castilianischen Ritterschaft zu sein.««

Musaron begleitete dies» letzten Worte mit einer Geberde voll Majestät, durch die er, ohne es zu vermuthen, die Geberde parodirte, die sein Herr bei dieser feierlichen Gelegenheit hatte machen müssen.

»Wurde er aus dem Sattel gehoben,« sprach Mauléon, »so war dies der Fehler seines Pferdes, das den Stoß nicht anshalten konnte. Diese halb arabischen, halb castilianischen Pferde taugen mehr beim Rennen, aber weniger beim Kampfe als die unsrigen. Und wenn er unter mich fiel, so war dies der Fehler seines Spornes, der sich an einer Baumwurzel in dem Augenblick anhing, wo ich ihm einen Streich mit der Art aus den Kopf versetzte; denn er ist ein unerschrockener und gewandter Ritter. Gleichviel,« fügte Agenor mit einem Gefühle des Stolzes bei, das er bei all der Bescheidenheit, mit der er sich ausdrückte, nicht ganz zurückzudrängen vermochte, »der Tag, an welchem dieser merkwürdige Kampf in Narbonne statt fand, war ein schöner Tag für mich.«

»Abgesehen davon, daß Ihr den Preis von Madame Blanche von Nourbon erhieltet, welche sehr bleich wurde und sehr zitterte, die sanfte Prinzessin, als sie sah, daß das Tournier, dem sie beizuwohnen glaubte, sich in einen wirklichen Kampf verwandelte. Ja, edler Herr,« sprach Musaron, ganz zitternd bei dem Gedanken an die Herrlichkeiten, welche in Coimbra seines Gebieters und seiner harrten, »Ihr habt Recht, wenn Ihr sagt es sei ein schöner Tag gewesen, denn Euer Glück ward an demselben geboren.«

»Ich hoffe es,« erwiderte Agenor bescheiden; »doch fahren wir fort.«

Und er las weiter,

»Ich erinnere Dich heute an Dein Versprechen, Niemand als mir Waffenbrüderschaft zu bewilligen. Wir sind beide Christen; komm zu mir nach Portugal, nach Coimbra, das ich von den Ungläubigen erobert habe. Ich verschaffe Dir Gelegenheit, schöne Waffenthaten gegen die Feinde unserer heiligen Religion zu vollbringen. Du lebst in meinem Palaste wie ich selbst, und an meinem Hofe wie mein Bruder. Komm also, mein Bruder, denn ich bedarf eines Mannes, der mich liebt, ich, der ich von gewandten und gefährlichen Feinden umgeben lebe. Coimbra ist eine Stadt, die Du kennen mußt, und liegt, wie ich Dir gesagt habe, in Portugal, zwei Meilen vom Meer, am Flusse Mondigo. Du hast nur befreundete Länder zu durchziehen: zuerst Aragonien, welches das Hauptbesitzthum ist, das Don Sancho der Große Ramiro hinterlassen hat, der ein natürlicher Sohn war wie Du, und ein großer König wurde, wie Du ein braver Rittersmann bist; sodann Neucastilien, das König Alfons VI. von den Mauren wiederzuerobern begonnen hat, und das von seinem Nachfolger vollends erobert worden ist; ferner Leon, den Schauplatz großer Waffenthaten des berühmten Pelago, dieses tapferen Ritters, dessen Geschichte ich Dir erzählt habe. Endlich wirst Du durch Acqueda kommen und Dich in Portugal befinden, wo ich Dich erwarte. Nähere Dich nicht zu sehr den Bergen, die Du zu Deiner Linken sehen wirst, wenn Du nicht ein beträchtliches Gefolge hast, und traue weder den Juden, noch den Mauren, die Du auf Deinem Wege findest.

»Gott befohlen! erinnere Dich, daß ich mich einen ganzen Tag Dir zu Ehren Don Agenor genannt habe, wie Du Dich einen Tag, um mich zu ehren, Federigo nanntest.

»Ich habe an jenem Tag Deine Farben getragen, und Du hast die meinigen getragen. So ritten wir, Du mit meiner Schärpe, ich mit der Deinigen, neben einander bis nach Urgel und geleiteten unsere viel geliebte Königin Dona Bianca von Bourbon. Komm, Don Agenor: ich bedarf eines Bruders und eines Freundes; komm.«

»In diesem Briefe steht nichts, was uns leiten könnte,« sagte Musaron.

»Doch; im Gegentheil. Alles,« sprach Agenor. »Hast Du nicht gehört, und das ist wahr, daß ich einen Tag seine Schärpe getragen habe?«

»Nun?«

»Seine Farben waren gelb und roth. Suche wohl, Musaron, Du, dessen Gesicht so scharf ist, suche, ob Du nicht in einer von den beiden Städten ein Gebäude erblickst, aus dem ein Banner gelb wie Gold, roth wie Blut flattert, und dieses Gebäude wird der Palast meines Freundes Don Federigo sein, und rings um diesen Palast liegt die Stadt Coimbra.«

Musaron hielt seine Hand über seine Augen, um die Sonnenstrahlen zu brechen, welche alle Gegenstände in Lichtwogen vermengten, die ein Flammenmeer bildeten, und nachdem er seinen Blick nach rechts und nach links hatte schweifen lassen, heftete er seine Augen fest auf die Stadt, welche rechts vom Fluß in einer von den Krümmungen seines Laufes lag.

»Sire Agenor,« sprach Musaron, »in diesem Fall ist Coimbra dort rechts, am Fuße jenes Abhang« und hinter jener Wand von Platanen und Aloen, denn aus dem Hauptgebäude flattert das von Euch bezeichnete Banner; nur wird es von einem rothen Kreuze überragt.«

»Das Kreuz von San Jago!« rief der Ritter, »so ist es. Doch irrst Du Dich nicht, Musaron?«

»Eure Herrlichkeit wolle selbst schauen.«

»Die Sonne ist so glühend, daß ich schlecht unterscheide; leite ein wenig meinen Blick.«

»Dort, Messire, dort . . . folget dem Weg. . . dort zwischen jenen zwei Armen des Flusses. Er scheidet sich in zwei Zweige, nicht wahr?«

»Ja.«

»Folgt dem rechten Zweig, der am Flusse hinläuft; seht die Truppe des Mauren durch eines der Thore einziehen . . . Seht, seht . . .«

Gerade in diesem Augenblick kam die Sonne, welche bis jetzt ein Hinderniß für die zwei Reisenden gewesen war, Mauléon zu Hilfe, indem sie einen Feuerstahl aus den ganz mit Gold damascirten maurischen Rüstungen springen ließ.

»Gut! gut! ich sehe,« sagte er.

Dann, nachdem er einen Augenblick nachgedacht: »Ah! der Maure ging nach Coimbra, und verstand das Wort Coimbra nicht; vortrefflich. Als erste Artigkeit muß mir Don Federigo Genugthuung von diesem Frechen verschaffen. Doch wie kommt es,« fuhr der Ritter, immer mit sich selbst sprechend, fort, »daß Don Federigo, dieser fromme Fürst, den sein Titel in die Reihe der ersten Vertheidiger der Religion stellt, Mauren in der neuerdings erst eroberten Stadt, in der Stadt, aus der er sie vertrieben, duldet?«

»Was wollt Ihr, Messire?» antwortete Musaron, ohne befragt zu werden. »Ist Don Federigo nicht der natürliche Bruder von Don Pedro, dem König von Castilien?«

»Nun?«

»Wißt Ihr nicht (und das würde mich wundern, denn das Gerücht ist auch nach Frankreich gekommen), wißt Ihr nicht, daß die Liebe zu den Mauren dieser Familie angeboren ist? Der König kann ihrer nicht mehr entbehren, wie man versichert. Er hat Mauren als Räthe, Mauren als Aerzte, Mauren als Leibwachen, und endlich Maurinnen als . . . Liebschaften.«

»Schweige, Meister Musaron, und mische Dich nicht in die Angelegenheiten des Königs Don Pedro, eines sehr großen Fürsten und Bruders meines erhabenen Freundes.«

»Bruder! Bruder!« murmelte Musaron, »ich habe sagen hören, es sei dies eine von den maurischen Brüderschaften, welche früher oder später mit dem Stricke oder mit dem Säbel endigen. Ich will lieber Guillonnet, der die Ziegen im Thale von Andorre hütet und dabei singt:

 
Auf dem Berge sitzt der Hirte,
Schauet traurig in die Fern',
 

zum Bruder haben, als Don Pedro von Castilien. Das ist meine Ansicht.«

»Es kann wohl Deine Ansicht sein, doch es ist die meinige, daß Du nicht ein Wort mehr diesem beifügst. Wenn man Gastfreundschaft von den Leuten verlangt, so ist es doch das Wenigste, daß man nicht schlimm von ihnen spricht.«

»Wir kommen nicht zu Don Pedro von Castilien, da wir zu Don Federigo, dem Herrn von Coimbra in Portugal, kommen,« erwiderte der wunderliche Musaron.«

»Zu dem Einen oder zu dem Andern,« sprach der Ritter, »schweige, ich will es haben.«

Musaron nahm sein weißes Beret mit rother Eichel ab und verbeugte sich mit einem höhnischen Lächeln, das seine langen, ebenholzschwarzen Haare verbargen, die aus seine magern, dunkelbraunen Wangen herabfielen.

»Wenn Eure Herrlichkeit ausbrechen will, so ist ihr unterthänigster Diener zu ihrem Befehl,« sagte er nach einem kurzen Stillschweigen, »Das mußt Du Dein Pferd fragen,« erwiderte Mauléon. »Jeden Falls, wenn es nicht weiter ziehen will, lassen wir es, wo es ist, und wenn der Abend kommt und es die Wölfe heulen hört, wird es schon allein nach der Stadt gehen.«

Und in der That, als ob das Thier, das den Namen, den ihm der Knappe gab, dem Thale verdankte, wo es geboren war, die Drohung gehört hätte, erhob es sich behender, als man hätte denken sollen, und bot seinem Herrn seinen noch ganz von Schweiß triefenden Widerrist.

»Aufgebrochen also,« sprach Agenor.

Und er setzte sich wieder in Marsch und hob zum zweiten Male das Helmvisir auf, das er beim Vorbeiziehen des Mauren herabgelassen hatte.

Wenn der Araber da gewesen wäre, so hätte nun sein durchdringender Blick durch die Oeffnung des Helmes ein Gesicht edel und schön, ganz erhitzt, ganz bestaubt, aber voll Charakter, einen sichern Blick, seine, schlaue Lippen, Zähne weiß wie Elfenbein, ein Kinn noch ohne Hart, aber von jener kräftigen Formung, welche den hartnäckigen Willen andeutet, sehen können.

Es war im Ganzen ein junger und schöner Ritter, dieser Messire Agenor von Mauléon, und dies konnte er sich wohl selbst sagen, wenn er sich' in der glatten Oberfläche seines Schildes spiegelte, den er wieder aus den Händen von Musaron genommen hatte.

Dieser Halt von einem Augenblick hatte den zwei Pferden wieder einige Kraft gegeben. Sie zogen daher mit ziemlich raschem Schritte aus ihrem Wege weiter, der ihnen fortan aus eine untrügerische Weise durch das aus dem Palaste flatternde Banner des Großmeisters von San Ingo angedeutet wurde.

Während sie so fortritten, sah man die Einwohner trotz der Hitze des Tages aus, den Thoren hervorkommen. Man hörte die Trompeten erschallen, und das Glockenspiel der Thürme breitete seine freudigen vibrirenden Töne in der Luft aus.

»Hätte ich Musaron vorangeschickt,« sprach Agenor zu sich selbst, »so könnte ich wahrhaftig glauben, dieser ganze Lärmen, diese ganze Feierlichkeit finden mir zu Ehren statt. Aber so schmeichelhaft ein solcher Empfang für meine Eitelkeit wäre, so muß ich doch all' dieses Geräusch einer andern Ursache zuschreiben.«

Musaron aber, der in diesem ganzen Lärmen offenbare Zeichen der Heiterkeit erblickte, erhob munter das Haupt, da er lieber von freudigen Leuten, als von traurigen empfangen werden wollte.

Die zwei Reisenden hatten sich nicht getäuscht, Es herrschte eine große Aufregung in der Stadt, und wenn das Gesicht der Einwohner nicht gerade die lächelnde Maske der Freude an sich trug, welche ihnen das Läuten der Glocken und die Fanfaren der Trompeten zu befehlen schienen, so w« ihre Physiognomie wenigstens die von Leuten, in deren Mitte eine wichtige und unerwartete Neuigkeit vorgefallen ist.

Agenor und sein Knappe hatten nicht nöthig, nach dem Weg zu fragen, denn sie brauchten nur der Menge zu folgen, die nach dem Hauptplatze der Stadt eilte.

In dem Augenblick, wo sie das Gedränge durchschnitten, um aus den Platz zu kommen, und während Musaron, um seinen edlen Herr, der ihm folgte, einen Weg zu bahnen, rechts und links Hiebe mit dem Peitschenstiel austheilte, sahen sie plötzlich vor sich, von hohen Palmbäumen und von buschigen, in der Richtung, die ihnen an Tagen des Sturms der Seewind gab, geneigten Sycomoren beschattet, den prächtigen maurischen Alcazar sich erheben, der für den König Muhamed erbaut worden war und nun dem jungen Eroberer, Don Federigo, als Wohnung diente.

So sehr sie sich aber auch beeilten, um an Ort und Stelle zu kommen, so blieben doch Agenor und sein Knappe in Bewunderung vor dem weiten, launenhaften Monument, das ganz mit der feinsten steinernen Spitze gestickt, ganz mit marmorenen Mosaiken incrustirt war, welche breite Platten von Topas, von Saphir und von Lapislazuli zu sein schienen, die irgend ein Baumeister von Bagdad für einen Palast von Feen oder von Huris gefaßt hätte. Der Occident, und selbst derjenige Theil des Occidents, den man, in Beziehung aus Spanien, den Süden von Frankreich nennt, kannte noch nichts Anderes, als seine romanischen Kathedralen, oder seine antiken Brücken und Bogen, hatte aber keinen Begriff von jenen Ohrgewölben und Kleezügen von Granit, welche der Orient hundert Jahre später an die Fronte der Kathedralen und an die Spitze der Thürme zeichnen sollte. Er bot also einen herrlichen Anblick, der Alcazar von Coimbra, selbst für unsere unwissenden und barbarischen Altvorderen, welche in jener Zeit die arabische und italienische Civilisation, die sie später bereichern sollte, verachteten.

Während sie so unbeweglich und in Betrachtung verharrten, sahen sie durch die zwei Seitenpforten des Palastes zwei Truppen von Leibwachen und Pagen, Maulthier und Pferde an der Hand führend, herauskommen.

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04 декабря 2019
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