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Читать книгу: «Der Arzt auf Java», страница 7

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VIII.
Die Berathung

Gleich allen nervösen Krankheiten war auch die des Eusebius langwierig und schwer. Auf die Gehirnerschütterung, welche sich durch das rasende Delirium äußerte, welches Esther so sehr in Schrecken setzte, folgte ein hitziges Fieber, und auf dieses dann ein Zustand der Ermattung, nicht minder beunruhigend, als die vorhergehenden Phasen der Krankheit. Die geistige Kraft des jungen Mannes schien, wo nicht erloschen, doch wenigstens betäubt zu sein, die fürchterlichen Krisen, denen er unterworfen gewesen war, hatten ihm zugleich die Erinnerung und die Fassungskraft geraubt. Er sprach wenig und schien die meiste Zeit nicht einmal zu bemerken, was rings um ihn her vorging-. Von allen erloschenen Gefühlen erwachte zuweilen nur eines, und dieses wurde durch die Anwesenheit Esther’s an seinem Krankenbett hervorgerufen. Die Liebe zu seiner Frau war durch alles das vermehrt, was die anderen Gefühle verloren hatten. Esther schien der Schutzengel geworden zu sein, der in diesem, durch Leiden erschöpften Körper, die Seele zurückhielt, welche demselben zu entfliehen auf dem Puncte stand. Stundenlang blickte er, seine beiden Hände in den ihrigen liegend, seine Frau an, und wenn diese durch ein Zeichen, ein Wort, eine Bewegung, ihre Zärtlichkeit aussprach, belebte sich der für gewöhnlich matte, todte Blick ihres Gatten mit ungewöhnlichem Glanze, ohne daß der Mund des Kranken ein Wort aussprach, und erinnerte so durch seinen Ausdruck die junge Frau an die süßen und glühenden Schwüre der ersten Tage ihrer Leidenschaft. Wenn dagegen Esther gezwungen war, sich von dem Bette ihres Mannes zu entfernen, wurde Eusebius traurig, unruhig, unglücklich; verlängerte sich diese Abwesenheit, so fand er durch unerhörte Anstrengungen die Sprache wieder, und die Augen von Thränen erfüllt, rief er sie angstvoll. Kam sie zu ihm zurück, so betrachtete er sie mit fieberhafter Unruhe, und als wollte er dem Zeugniß seiner Augen nicht glauben, strich er ihr dann mit den Händen über das Gesicht, befühlte ihre Arme, ihre Knie, und gewann erst einige Ruhe wieder, wenn wenige Worte der Zärtlichkeit, eine Liebkosung, ein Kuß, dem unglücklichen jungen Manne hinlänglich bewiesen hatten, daß es wirklich seine Frau sei, die an seiner Seite stand.

Von der Vergangenheit, von der furchtbaren Nacht, in welcher er den Beistand des Doctor Basilius aufsuchte, von dessen Tod, von der großen Erbschaft, die dem armen Ehepaare zufiel war nie die Rede; Eusebius hatte Alles vergessen, oder es schien wenigstens so. Er bemerkte nicht einmal die Veränderungen, welche die Erbschaft in seinem Hauswesen hervorgebracht hatte; er nahm die Sorgfalt zahlreicher Diener, die ihn seit seiner Krankheit umringten, in Anspruch, als wäre er von jeher an eine solche Dienerschaft gewöhnt. Er wunderte sich nicht, statt der schmutzigen, finstern Wände der Hütte in der Krokot-Straße, die vergoldeten Tapeten, die reichen Vorhänge des Hotels auf dem Königsplatze zu sehen, in welchem Madame van der Beek seit ihrer Zusammenkunft mit dem Notar Maes ihre Wohnung aufgeschlagen hatte.

Es ist unnöthig, zu erwähnen, daß die Sorgfalt, welche Eusebius seiner Frau während der Krankheit derselben erwiesen hatte, jetzt von dieser reichlich vergelten wurde. Die besten Aerzte Batavia’s waren herbeigerufen worden, um dem Kranken ihre Pflege zu widmen. Als in dem Zustande ihres Mannes keine Besserung eintrat, vereinigte sie alle zu einer Consultation, und forderte sie auf, ihr Urtheil über das Hinschmachten auszusprechen, welches zu vollenden drohte, was von dem Fieber begonnen worden war.

Die Jünger des Aeskulap hatten dadurch, daß sie von Europa nach Indien gegangen waren, nichts von den Traditionen ihres Standes verloren, und die Aerzte Batavia’s waren in ihren Urtheilen ebenso von einander abweichend, wie bei ähnlichen Gelegenheiten die von Paris, London oder Amsterdam es nur irgend sein können. Sie theilten sich in zwei Parteien, indem Zwei von ihnen erklärten, Eusebius sei rettungslos verloren, während zwei Andere Esther die schönsten Hoffnungen verliehen. Ein Fünfter schwieg. Sein Ausspruch hätte die Wagschale nach der einen oder andern Seite niederdrücken können; aber wie sehr man auch in ihn drang, begnügte er sich doch damit, zu sagen, der Kranke könnte genesen, wenn sein Zustand sich nicht verschlimmerte; wäre dies aber der Fall, so stände er für nichts.

In Beziehung auf die anzuwendenden Mittelwaren die Meinungen indeß ungleich verschiedener, und als die Consultation beendigt war, befand sich die arme Esther in einem Zustande der Betäubung, welcher dem ihres Mannes wenig nachgab. Sie war allein und kam sich sehr verlassen vor. Bei der Gemüthsstimmung, in welche die Krankheit ihres Mannes sie versetzte, hatte sie keine Bekanntschaften gesucht. Ueberdies wirkte der schlechte Ruf des Doctor Basilius, und das Aergerniß, welches dessen sonderbares Testament erweckte, auch auf seine Erben zurück. Und die neuen Nachbarn in Weltevrede blickten auf Eusebius und Esther kaum mit besserem Auge, wie früher die des armen chinesischen Viertels, welches sie in ihrem Elend bewohnt hatten.

Der Notar Maes war die einzige Person von Wichtigkeit, mit welcher Madame van der Beek in Verbindung blieb. Er hatte sich so viel es in seiner Natur lag, gut und theilnahmvoll gegen sie bewiesen, und ehe das Gericht sie in Besitz der Reichthümer des Doctors setzte, schoß er den jungen Gatten bereitwillig die Summen vor, deren sie in ihrer Lage bedurften. Es war daher natürlich, daß Esther sich entschloß, bei dem Notar Maes Rath zu suchen. Um 1 Uhr Nachmittags trat sie in sein Arbeitscabinet. Sie fand ihn daher ernst und steif, wie er sich während der ersten Viertelstunde ihres Zusammentreffens gezeigt hatte.

Sie erklärte ihm die Ursache ihres Besuches. Der Notar hörte sie an, ohne mit den Wimpern zu zucken, und antwortete ihr dann mit dem Tone der Ueberzeugung: »Ich sehe keinen Grund, sich zu beunruhigen, Madame. Der Zustand des Herrn van der Beek ist ernst, aber zum Glück hat die göttliche Vorsehung das Heilmittel dem Uebel an die Seite gesetzt.«

»Das Heilmittel? Ach wenn Sie eines kennen, so sprechen Sie, Herr Maes; ich beschwöre Sie, und müßte ich auch das ganze Vermögen meines Onkels opfern, so würde ich dieses Mittel anwenden.«

»Sie haben gar nichts zu opfern, Madame, und weit entfernt, Sie irgend etwas zu kosten, wird dieses Mittel sogar Ihr Vermögen vermehren; es wird für Sie eine Quelle neuen Reichthums sein und Sie zu den reichsten Colonisten Batavia’s machen.«

»Aber was ist das für ein Hilfsmittel?«

»Die Arbeit!« sagte ernst Herr Maes.

»Die Arbeit?« wiederholte Esther verwundert.

»Ja, Madame. Van der Beek leidet, weil er unbeschäftigt ist, wie sein Magen leidet, weil man ihm nicht die passende Nahrung gibt. Ihn zu einer unbedingten geistigen Diät verurtheilen, heißt seinen Tod ebenso sicher herbeiführen, als wenn Sie ihn einer unbedingten physischen Diät unterwerfen wollten. Geben Sie ihm die Sorge, die Unruhe, die kleinen Leiden zurück, welche die wahren Triebfedern des Lebens sind, und Sie werden sehen, daß er seine Kraft und seine Jugend wieder gewinnt. Er rühre sich und er wird leben.«

»Aber Sie bedenken nicht, mein Herr,« sagte Esther, »daß mein Mann kaum zwei zusammenhängende Gedanken fassen kann, und nicht vier Worte hinter einander zu sprechen vermag.«

»Das Alles wird sich mit der Sorge um seine Interessen finden, meine theure Dame. Es ist mit der Arbeit, wie mit dein Spiele. Sobald ein Würfel eine seiner Seiten gezeigt hat, ergreift das Fieber Den, der ihn warf;der Dämon der Gewinnsucht schüttelt ihn, wie der Spieler selbst den Becher schüttelt, der sein Glück oder seinen Untergang in sich trägt. Die Arbeit, Madame van der Beek, ist das Universal-Heilmittel, das einzig wahre, das einzig sichere. Die Arbeit wird Ihrem Manne die Gesundheit zurückgeben. Sehen Sie, nehmen Sie mich zum Beispiel an,« fuhr der Notar fort. »Hätte ich keine Arbeit, so würde ich mir eine Kugel durch den Kopf jagen. Die Arbeit allein läßt mich den Jammer des Lebens, die Schmerzen des Herzens, vergessen.«

»Die Schmerzen des Herzens?« sagte Esther, ihn unterbrechend. »Ich hätte geglaubt, an der Seite der Madame Maes müßte diese Art der Schmerzen Ihnen vollkommen unbekannt sein.«

Der Notar erröthete, indeß gerieth er nicht in Verwirrung. »Ja,« fuhr er fort, ohne auf diese Bemerkung zu achten, »ja, die Arbeit triumphirt über den bittersten Kummer, wie über die physischen Leiden, und ich z. B., der ich unter der Last der Arbeit erliege, die in diesem brennenden Klima doppelt peinlich ist, ich lebe nur noch durch sie, für sie. Ich fühle, daß, wenn die Arbeit mir mangelte, ich ersticken würde, aus Mangel der nothwendigen Elemente, die Lebensthätigkeit meines fieberhaften Geistes zu erhalten. Folgen Sie meinem Rath, und versuchen Sie dieses Heilmittel bei Herrn van der Beck. Stacheln Sie durch die Sorgfalt für seine Interessen, die Trägheit seines Geistes auf. Ist er sich selbst zurückgegeben, so treibe er Geschäfte, gleich viel welche. Er kaufe eine Pflanzung, er errichte ein Handelshaus in Batavia, er baue Caffee, ernte Reis, raffinire Zucker, destillire Arak, verkaufe Indigo, Thee, Gewürze, was er will, wenn er nur irgend etwas verkauft, wenn er gleich mir Tag und Nacht für seine Geschäfte zu sorgen hat, und in kurzer Zeit weiden Sie ihn gesund und wohlgenährt sehen, wie mich.«

Madame van der Beet betrachtete staunend den riesigen Notar, und fragte sich, ob die Heilung nicht etwa schlimmer sein mochte, wie das Uebel. Daran wagte sie die Bemerkung: »Ich glaubte, mein Herr, wenn der Abend gekommen ist, mischten Sie einige Zerstreuung in Ihre Arbeiten?«

»Irrthum, Madame, sehr ernster Irrthum!« sagte Herr Maes, »und ich sehe wohl, daß Sie mich ebenso beurtheilen, wie der gemeine Haufe. Weil Meister Maes in Folge der Stellung, die er einnimmt, und der angesehenen Personen, mit denen er in Berührung steht, und die er als Gäste bei sich sehen muß, eine reiche und gut servirte Tafel führt, sagte er: Meister Maes ist ein Leckermaul. Und das ist ein Irrthum,« fuhr der Notar mit melancholischem Tone fort, »denn dieser Haufe weiß nicht, wie sehr ich dabei meinem Geschmack Zwang anthun muß. Er sagt: Der Notar Maes fährt gleich einem Nabob in einem vierspännigen Wagen spazieren, sobald die Nacht eingebrochen ist. Nein, der Notar Maes fährt nicht spazieren, sondern er besucht ganz einfach irgend eine Pflanzung, deren Besitzer eine Hypothek aufnehmen will. – Dieser Haufe sagt ferner: Der Notar Maes besucht sehr häufig den Campong – das italienische Viertel – und man sieht ihn dort öfter in den Coulissen des Theaters, als in dem Tempel. – Ach, Madame, der gemeine Haufe weiß nicht, daß mein Unglückliches Amt mich dazu zwingt.«

»Ihr Amt, mein Herr?«

»Ohne Zweifel, Madame! Dort weiß ich die lockern Herren zu finden, mit denen ich Geschäfte habe, denn es wird Ihnen nicht unbekannt sein, daß Unsere Kaufleute mit den Bewohnern des himmlischen Reiches in sehr lebhaftem Verkehr stehen. Nun wohl, es ist also aus Eifer für die Geschäfte, aus Sorge für die Interessen meiner Clienten, daß ich ganze Nächte mit diesen Schelmen mit geschlitzten Augen zubringe, Tsion und Arat mit ihnen trinke, bis sie unter den Tisch fallen; aber dies geschieht nur, weil man den verschlagenen Schelmen nicht andere beikommen kann, als wenn sie etwas Branntwein in dem Bauche haben. – Das Alles aber, Madame, gehört zu den Frohndiensten meines Amtes, und diese erscheinen mir sehr bitter, bei dem köstlichen Leben, welches meine theure Arbeit mir bereitet.«

»Sie fangen an, mich zu überzeugen, mein Herr,« sagte Esther mit einem unmerklichen Lächeln.

»Ich wünsche es,« entgegnete der Notar, »ich wünsche es dringend.«

, »Aber,« fuhr die junge Frau fort, »wie soll man etwas Aehnliches von einem armen Kranken erlangen?«

»Ach, Madame, dazu gibt es tausend Mittel.«

»Geben Sie mir eines an.« -

»Indem Sie ihm den Ertrag der Arbeit zeigen – Gold. – Der arme Herr van der Beek hat davon in seinem Leben noch nicht viel gesehen. Geben Sie ihm daher Gold zu sehen, zu berühren. Sagen Sie ihm: Eusebius, dies gehört uns, aber man will es uns nehmen, man bedroht uns in unserem Besitze. Gehört er zudem Menschengeschlechte, so werden Sie sehen, wie bei dem ersten Worte sein Blick sich belebt. Bei dem zweiten wird dieser Blick Licht in sein Gehirn werfen, und von dem Augenblick an wird er seinen Verstand und seine Kraft wiedergewinnen.«

»Aber wenn ich ihm sage, daß unser Vermögen bedroht ist, muß ich ihm die Testamentsklausel mittheilen.«

»Früher oder später muß er sie dennoch kennen lernen.«

»O nein, mein Herr, nie, nie!«

»Nun, dann ersinnen Sie irgend etwas Anderes, wodurch er erweckt wird, wenn Sie nicht wollen, daß diese Betäubung in den Tod übergehe.«

Die arme Esther war so betrübt, so unentschlossen, und besonders so ermüdet durch ihr Zögern, daß sie mit dem Entschluß nach Hause zurückkehrte, den Rath des Notar Maes zu versuchen.

Eines Tages, als Eusebius wieder mehrere Stunden mit dem Kopf gegen die Brust seiner Frau gelehnt zugebracht hatte, und diese, auf dem Bette sitzend, und die Hände des Kranken in den ihrigen haltend, eine größere Ruhe in der Physiognomie ihres Mannes und einen lebhafteren Ausdruck als gewöhnlich in seinem Blicke bemerkte, beschloß sie, zu sprechen.

»Freund,« sagte sie, »weißt Du, daß wir reich sind?« Eusebius schien gegen ihre Worte so gleichgültig zu sein, daß er mit den weichen Locken ihres schönen Haares spielte.

»Die Noth, durch die wir so viel zu leide hatten,« fuhr Esther fort« »brauchen wir jetzt nicht mehr zu fürchten. Sieh, fügte sie hinzu, indem sie auf die Decke des Bettes eine Handvoll Goldstücke warf, »wir besitzen tausendmal so viel Gold, als Du hier vor Augen siehst.«

Eusebius richtete einen Seitenblick auf das Gold, und als ob dessen Gewicht ihm lästig würde, stieß er es von seinem Schooße, so daß die Stücke auf den Teppich rollten. Als dann das liebliche Gesicht Esthers sich über ihn neigte, streiften seine Lippen leise die Stirn seiner Frau.

»Eusebius,« sagte sie, »fühlst Du Dich denn nicht glücklich, reich zu sein? Bist Du nicht stolz, Deine Frau in reichem Schmuck zusehen?

Eusebius sah sie mit einem Blicke der Liebe an.

»Weißt Du wohl,« sprach Esther weiter, »daß ich mich jetzt nicht mehr in den ärmlichen Kleidern zu zeigen wagte, die ich ehedem trug? – Es scheint mir, als würdest Du mich weniger lieben, wenn Du mich so sähest.«

Eusebius strengte sich an, und antwortete:

»Habe ich Dich nicht so zuerst gesehen? Habe ich Dich nicht so aufrichtig geliebt? Warst Du nicht schön, und liebte ich Dich nicht, ehe Du reich wurdest?«

Es war das erste Mal seit seiner Krankheit, daß er so auf den Gedanken seiner Frau einging, dennoch sagte diese, betrübt über den geringen Erfolg, den das durch den Notar gerathene Verfahren hatte: »Liebst Du mich denn noch immer?« – Dabei fand sie in dem Ausdrucke der Zärtlichkeit, der aus den Zügen ihres Mannes leuchtete, den Gedankens ein anderes Mittel zu versuchen.

»Ja,« erwiederte Eusebius, »und mehr, als ich Dich jemals geliebt habe.«

»Auf diese Liebe rechne ich,« sagte die junge Frau, »und dennoch fürchte ich zuweilen, daß sie mir entgehen möcht.«

Eusebius zuckte die Achseln und sagte: »Unmöglich!«

»Ich hoffe es,« entgegnete sie, »und gleichwohl scheint man darauf gefaßt sein zu müssen, daß die innigsten und aufrichtigsten Gefühle gleich allen Dingen hienieden ihr Ende erreichen.«

»Wer sagt das? Wer sagt das?« rief Eusebius, indem er sehr blaß wurde.

»Ein Mann, der eine tiefe Wissenschaft und eine große Menschenkenntniß besaß, ebender, welchem wir unser gegenwärtiges Glück verdanken.«

»Du willst von dem Doctor Basilius sprechen?«.

Von ihm selbst.«

»Ach, der Doctor Basilius!« rief Eusebius indem er krampfhaft sich im Bette aufrecht setzte, und seine Stirn in beide Hände preßte, als wollte er das anstürmende Blut zurückdrängen.–»Der Doctor Basilius! O mein Gott, es ist also wahr! Es ist also kein Traum?«

»Es ist wahr, daß seine Gelehrsamkeit mich gerettet hat, es ist wahr, daß seine Güte uns bereicherte,« sagte Esther, welche bei der Aufregung ihres Mannes vor Furcht bebte, zu weit gegangen zu sein. – »Das ist wahr.«

Aber Eusebius hörte sie nicht mehr. Bei dem Namen des Doctors war er leichenblaß geworden; seine irren Augen sahen nichts mehr; seine Zunge stammelte; es schien, als ob das fürchterliche Delirium, welches den ersten Abschnitt seiner Krankheit bildete, zurückkehren wollte.

»Der Doctor Basilius,« sagte er, »ja, ich erinnere mich! – Der malayische Dolch, der Vertrag, die drei Leichen, die Friesin, die Negerin, das gelbe Weib mit den entsetzlichen Augen, mit den Augen, die in das Herz dringen, wie die Klinge eines Messers. – Ach, es war also wahr; ich habe das Alles nicht geträumt? Ich habe ihn gesehen, ich habe ihn gesehen! Zu mir Esther, zu mir; verlaß mich nicht, nicht eine Minute, hörst Du? Bleibe stets an meine Brust geschmiegt, an mein Herz gedrückt, sonst – sonst kommt der Mensch mit dem dämonischen Lachen und trennt uns!«

Und der Unglückliche ergriff seine Frau und zog sie so fest an seine Brust, wie in jener Nacht des Sturmes und der Todesqual, in welcher er sie zu verlieren gefürchtet hatte, und der Doctor sie ihm zurückgab.

Alle diese Bewegungen waren von unzusammenhängenden Worten begleitet. Esther fürchtete nicht nur das Delirium, sondern den Wahnsinn.

»Mein Freund, mein Freund,« sagte sie, indem sie ihm Gesicht und Hände mit Küssen bedeckte, »im Namen des Himmels, beruhige Dich!«

Statt sich aber zu beruhigen, zitterte er in ihren Armen, und die junge Frau sah voll Schrecken, wie seine Haare sich auf dem Kopfe sträubten, und kalter Schweiß ihm von der Stirn perlte.

»Nein,« sagte er, »nein, es gibt nur ein Mittel, um auszuweichen, und zwar, dies verfluchte Land zu verlassen, das ganz mit Geistern und Phantomen bevölkert ist, welche Dich mir rauben wollen, meine theure Innig geliebte! – Ach, laß uns fort, laß uns fort!«

Und mit einer gewaltigen Anstrengung sprang er aus dem Bette, riß Esther mit sich fort, und stürzte ohnmächtig mitten im Zimmer nieder.

Esther hielt ihn für todt, stieß lautes Geschrei aus und rief alle Aerzte herbei, welche Eusebius gepflegt hatten. Zum Glück kam keiner von ihnen, und nach Verlauf einer Viertelstunde öffnete Eusebius die Augen wieder.

Diese furchtbare Krisis war der Beginn seiner Genesung.

IX.
Abfahrtsversuche

Eusebius erwachte ein wenig ruhiger. Aber der Gedanke an die Abreise beherrschte alle übrigen. Esther war weit entfernt, gegen den Willen ihres Mannes zu kämpfen, sondern sagte, sie sei bereit, ihm an das Ende der Welt zu folgen, sobald er die Kraft hätte, die Reise zu ertragen, und diese Aussicht bewirkte bei Eusebius die wunderbare Genesung, zu deren Herbeiführung die Arzneikunst ohnmächtig gewesen war. Unter der Herrschaft des Gedankens, daß von der Herstellung seiner Gesundheit die schnellere oder minder schnelle Abreise abhängig sei, genas der Kranke in viel kürzerer Zeit, als man gehofft.hatte. Nach Verlauf von wenigen Tagen konnte Eusebius, der seit sechs Wochen zu Bett lag, gestützt auf den Arm seiner Frau, schon einen Gang außerhalb des Zimmers machen. Die Nahrungsmittel die er zu sich nahm, vermehrten dann allmälig seine Kräfte, und nach abermals einigen Tagen konnte er kurze Spazierfahrten wagen. Seitdem Tage der großen Krisis hatte er des Doctor Basilius nicht ein einziges Mal erwähnt, aber ebenso wenig auch einen Augenblick aufgehört, an ihn zu denken.

Eines Tages überraschte ihn Esther, wie er voll Entsetzen den malayischen Crid ansah, mit dem er sich hatte erstechen wollen. Wie kam die Waffe in diese neue Wohnung? Wer hatte sie hierher gebracht? Wer aus den Tisch gelegt, auf welchem der Genesende sie zum ersten Male erblickte? – Niemand vermochte das zu sagen. Eines besonders schien Esther auffallend, daß nämlich Eusebius bei dem Luxus, der ihn umgab, so einfach lebte, wie es nur irgend möglich war; daß er, der zehn Diener ungeachtet, sich, wo es irgend ging, selbst bediente; daß er, trotz des ausgesuchtesten Tisches, fortfuhr, auf seine frühere Weise zu leben, das heißt, nur die gewöhnlichsten Dinge zu essen und nichts als Wasser zu trinken. Dabei fuhr Eusebius fort, von seine Abreise, wie von einer nahe bevorstehenden Sache zusprechen. Da er aber ungeachtet dieser ersichtlichen Störung seines Gehirnes zärtlich und innige Esther blieb, und ihr nur eine solche Zuneigung gezeigt hatte, da Nichts ihn bestimmen konnte, nur wenige Augenblicke von ihr entfernt zu bleiben, gewöhnte die junge Frau sich an das, was sie als eine Monomanie betrachtete, und vergaß ihre Sorgen über dem, was sie als ihr Glück erkennen mußte.

Eines Tages jedoch verließ Eusebius seine Frau, indem er allein ausging, und zwei Stunden abwesend blieb. Als er zurückkehrte, erklärte er Esther, daß ihre Ueberfahrt an Bord des Dreimasters, der Ruyter, bedungen sei, der in 14 Tagen nach Rotterdam absegle.

Esther empfing diese Nachricht ohne Freude, wie ohne Trauer; es gefiel ihr überall gut, wenn sie an Eusebius Seite war. Nur sagte sie sich, daß ihr Mann vor ihrer Abreise nach Europa nothwendig die ziemlich verworrenen Angelegenheiten, welche die Erbschaft ihnen ließ, in Ordnung bringen müßte. Aber der Name des Doctor Basilius, der natürlich bei diesen Erklärungen nicht zu umgehen war, machte eine solche Wirkung auf ihren Mann, daß es der armen Frau schwer wurde, ihn neuerdings auszusprechen. Da indeß die Zeit zur Abfahrt heranrückte, war Esther, ermuthigt durch Herrn Maes, der ihre Meinung vollkommen theilte, fest entschlossen, die Frage nächster Tage zu berühren. Die Mühe wurde ihr erspart. Während der Nacht brach einer der fürchterlichsten Orkane, welche die Insel seit zehn Jahren heimgesucht hatten aus, warf sich über die Rhede Batavias, zertrümmerte die Masken und die Raaen der Fahrzeuge, die auf ihrem Ankerplatze aushielten, und schleuderte die übrigen an die Küste. Der Ruyter gehörte zu diesen letzteren. Er trieb vor seinem Anker her, wurde der Mündung des Antyol gegenüber von den Wogen gefaßt und von dem wüthenden Meere zertrümmert, so daß es unmöglich war, einen einzigen Mann von der Equipage zu retten.

Dieses Ereigniß machte einen tiefen Eindruck auf Eusebius, und stimmte ihn noch trauriger, noch gedankenvoller, wie er schon zuvor gewesen war; es steigerte seine wüthende Ungeduld, Java zu verlassen. Er folgte voll Eifer allen Bewegungen in dem Hafen und erkundigte sich täglich nach der Abfahrt jedes Fahrzeuges, das auf der Rhede vor Anker lag. Bei einer dieser Erkundigungen erfuhr er, daß ein neues Schiff von 800 Tonnen, der Cydnus, vollkommen für die Passage eingerichtet und sehr solid gebaut, unmittelbar nach Holland zurückkehren würde. Er ging zu dem Capitän, um mit ihm wegen der Ueberfahrt zu unterhandeln, dieser aber forderte ihn auf, vor allen Dingen das Schiff zu besichtigen, und sich mit eigenen Augen zu überzeugen, daß er dort alle die ihm versprochenen Vortheile fände. Eusebius willigte ein. Man hatte nichts übertrieben; er miethete zwei Cajüten und einen kleinen Salon im Hinterdeck, eine Wohnung, die für seine und Esthers Bedürfnisse wie geschaffen schien. Er entfernte sich daher sehr zufrieden mit der erhaltenen Auskunft und wollte eben das Boot wieder besteigen, das ihn an Bord gebracht hatte, als er in dem Augenblicke, wo er den Fuß auf die erste Sprosse der Leiter setzte, eine kleine Rauchsäule zu bemerken glaubte, fein wie ein Federkeil, die aus dem Deck heraufstieg.

Er machte den Capitän darauf aufmerksam. Dieser eilte nach dem Vorderdeck und gab der Mannschaft den Befehl, die große Lucke aufzuheben. Allein die Leute hatten kaum die Hände an das Werk gelegt, als eine Feuerzunge aus einem Rauchwirbel emporstieg, der im Nu schwarz und dicht den Besanmast einhüllte. Es war Feuer an Bord des Schiffes. Eusebius verließ es in aller Hast, allein statt nach Weltevrede zurückzukehren, blieb er an dem äußersten Ende des Hafendammes, an eben dem Orte, wo der malayische Capitän ihm Lebewohl gesagt hatte. Unwillkürlich sagte er sich, daß das Unglück, welches den Cydnus traf, ebenso wie das, welches den Ruyter vernichtet hatte, nicht von einer zufälligen Sache herrühre, sondern mit dem auf ihm lastenden Verhängniß in Verbindung stände. Er wollte sehen, ob das Feuer dieses Schiff verzehren würde, wie das Meer jenes verschlungen hatte. Er sah, wie die Matrosen des Cydnus, nach den Befehlen, die der Capitän ernst und ruhig durch sein Sprachrohr ertheilte, unterstützt von denen eines Kriegsschiffes, das in geringer Entfernung ankerte, alle menschlichen Mittel aufboten, um gegen das fürchterliche Element zu kämpfen. Trotz ihrer Kaltblütigkeit, ihres Muthes und ihrer Thätigkeit, und ungeachtet der Ordnung, welche bei allen Rettungsarbeiten herrschte, sah er, wie das Element über alle ihre Anstrengungen triumphirte. Es schien, als verbreite eine unsichtbare Hand den Brand, als blase eine geheime, erbitterte Macht das Feuer von neuem an, so oft die Mannschaft nahe daran war, sich zum Herrn desselben zu machen. Es schien, als sei das unglückliche Schiff durch das Verhängniß zum Untergange verurtheilt.

Man hatte gehofft, das Feuer unter Deck zu ersticken, indem man ihm jeden Zugang der Luft abschnitt und alle Pumpen in Bewegung setzte; aber der Hauptmast, dessen unteres Ende zerstört war, stürzte nieder, erschlug in seinem Fall zwei Menschen und öffnete zugleich der Luft einen Eingang und den Flammen einen Ausgang, so daß sie Raaen und Takelage erfaßten. Auf dem brennenden Deck wollten der Capitän und seine Mannschaft trotz der Gefahr, jeden Augenblick in den feurigen Schlund hinabzustürzen, nicht weichen. Sie waren entschlossen, ihr Schiff bis auf die letzte Planke zu vertheidigen. Man war schon bereit, das Fahrzeug im Falle der Noth mit Wasser zu füllen oder es in Grund zu bohren, allein indem der Capitän danach seine Anstalten traf, erreichte das Feuer das Segelwerk und der Capitän mußte den Bitten, oder vielmehr den ausdrücklichen Befehlen, des Hafenaufsehers weichen und seinen Bord verlassen.

Was bei dem Allen Eusebius unheimlich vorkam, war, daß es ihm, der regungslos, stumm, erstarrt, auf dem Hafendamme stand, so schien, als spielte er selbst eine Rolle bei diesem entsetzlichen Auftritt. Er folgte allen Einzelheiten desselben mit schneidender Angst; war es nicht das Verhängniß, welches ihn und zugleich auch das unglückliche Fahrzeug verfolgte? Traf das Schicksal ihn nicht durch die unglücklichen Opfer des Unterganges, den es vor seinen Augen herbeiführte.

Ungeachtet dessen, was er bei dem Ruyter gesehen hatte, konnte er sich nicht denken, daß das Unglück des Cydnus sich verwirklichen würde. Als aber endlich das Schiff, nachdem es längere Zeit den Anblick eines brennenden Herdes mitten im Ocean geboten hatte, mit lautem Stöhnen in den Fluthen versank, und von dem schönen Schiffe nur noch einige leichte Rauchwolken übrig blieben, die der Wind vor sich hertrieb, stieß Eusebius einen leisen Seufzer aus, und trocknete seine in Schweiß gebadete Stirn. In diesem Augenblicke wendete er sich erhebend um. Es war ihm, als hätte er das schneidende Gelächter des Doctor Basilius gehört. Er blickte voll Entsetzen umher, doch es zeigten sich auf dem Damme nur ebenso erschrockene Gesichter, wie sein eigenes; ehrliche Kaufleute, welche dieses Unglück voll Schrecken und Staunen mit angesehen hatten. Keine von allen diesen Physiognomien glich der des Doctor Basilius. Aber was bewies die Anwesenheit des Dämons? Für Eusebius war es offenbar, daß sein Kampf gegen den höllischen Malayen begonnen hatte. Er fühlte auf seinem Haupte dessen Riesenfaust lasten, und verwirrter und niedergeschlagener, als er bisher gewesen war, kehrte er in seinen Palast nach Weltevrede zurück.

Eusebius war so außer sich, daß er Esther das Vorgefallene verbarg, wie er ihr den dreifachen Anblick der Leichen in dem Hause des Doctor Basilius und den Auftritt mit dem Malayen, welcher eben dieser Doctor zu sein behauptete, verborgen hatte.

Diesmal aber machte der Schrecken und der neue Eindruck, den der Brand des Cydnus hervorbrachte, auf seinen Geist einen sehr günstigen Eindruck und bewirkte eine heilsame Reaction. Er erröthete über seine Niedergeschlagenheit und seine Muthlosigkeit; er sagte sich, wenn er das Spielwerk seiner Einbildungskraft gewesen sei, so würde die Zukunft ihn bald enttäuschen. Er nahm daher den Kampf an, denn seine Natur war jung und muthig, und er besaß Ausdauer und festen Willen. Wir sahen, daß er seine Frau um jeden Preis retten wollte, und daß ihm dies gelungen war. Er beschloß daher, den Phantomen, wenn es deren gab, die Spitze zu bieten: den Dämonen, wenn es Dämonen waren, seiner Einbildungskraft endlich, von welcher das Uebel herrührte; und um nicht länger Fremde zu unschuldigen Opfern des Verhängnisses zu machen, das auf ihm lastete, kaufte er ein kleines Schiff, dem er den Namen »Hoffnung« gab, und welches genügte, ihn mit seiner Frau nach Bombay zu fahren, wo, wie er hoffte, die Hand des Doctor Basilius ihn nicht mehr zu erreichen vermochte.

Von Bombay dachte er dann nach Holland zurückzukehren.

Er ließ das kleine Fahrzeug ausrüsten und mit der Equipage versehen, ohne irgend Jemand etwas zu sagen, selbst Esther nicht; wählte eine Mannschaft, auf deren Kraft und Muth er rechnen zu können glaubte, und einen Capitän, dessen Erfahrenheit ihm gerühmt worden war. Jeden Morgen ging er von Batavia hinab, um die Arbeiten an Bord zu überwachen, und indem er von der Höhe des Motenvliet hinabstieg, und an das chinesische Campong gelangte, blickte er über das Meer, auf welchem er die Maste der auf der Rhede liegenden Schiffe gewahrte. Er erwartete beständig, das seinige durch den Sturm vernichtet oder durch Feuer Verzehrt zu, sehen, jeden Morgen aber erblickte er es mit freudiger Befriedigung sich anmuthig an seinen Ankertauen schaukelnd, die Segel im Winde trocknend und die Flagge an dem Maste spielend.

Eines Tages kehrte er ganz vergnügt nach Weltevrede zurück, und theilte Esther die Ursache und den Erfolg seiner täglichen Ausflüge nach Batavia mit, indem er sie aufforderte, ihre Anstalten danach zu treffen, am nächsten Tage mit der Abendfluth abreisen zu können.

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Дата выхода на Литрес:
04 декабря 2019
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