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Читать книгу: «Der Arzt auf Java», страница 24

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Argalenka folgte gehorsam seiner Tochter; er nahm Eusebius auf seine Arme, und trug ihn an den Rand des Baches, der durch ein Gebüsche riesiger Bananenbäume beschattet wurde. Arroa setzte sich wieder neben den jungen Mann, aber weder der Schatten, noch die Frische, noch das Wasser, mit welchem die Indianerin das Gesicht des Holländers badete, genügten, diesen zum Leben zurückzurufen. Die Aufregung Arroa’s wuchs, je länger ihre Bemühungen fruchtlos blieben.

»Der Fluch der bösen Geister treffe mich,« rief sie mit einer unaussprechlichen Heftigkeit, »wenn der Hauch Deines Lebens unter meinen Händen erlischt! – Willst Du warten, Greis, bis die Bidudaks oder die Tiger der Junglen, mir ihre Hilfe bringen? Eile nach der Hütte, nimm das Pferd, und Du wirst in dem Dorfe vielleicht eine mitleidige Seele finden, die Dir einige Tropfen von dem stärkenden Safte des Palmenbaumes gibt, der mächtiger sein wird, wie dieses Wasser. Geh, Vater,« fuhr sie fort, indem sie plötzlich den Ton wechselte, und einen liebkosenden Ausdruck, annahm der mit der Leblosigkeit ihrer Züge contrastirte; »geh, Vater und kehre schnell zurück. Buddha würde es uns nicht verzeihen, wenn wir den Tod unsere Schuld gegen diesen jungen Mann tilgen ließen.«

Argalenka war so ergriffen, indem er seine Tochter sich so verständig und zusammenhängend aussprechen hörte, daß er vor ihr auf die Knie sank, seine Arme um den Hals der jungen Indianerin schlang, und sie mit einer Freude, welche hinlänglich zeigte, was in seiner Seele vorging, an sein Herz schloß.

Arroa machte sich ungeduldig aus seiner Umarmung los, und rief hart: »So geh doch, Greis!«

, »Ich gehe,« erwiederte Argalenka, »und ich werde das Pferd bringen; wir setzen den weißen Mann hinauf, und führen ihn nach unserer Hütte, die seine Wohnung sein soll.«

»Ja, ja, Vater, Du sprichst gut,« sagte Arroa, »aber geh, ich beschwöre Dich!«

Der Beduis stand auf, und entfernte sich, indem er seinem Gott zweimal dankte, den Europäer, an seinen Weg geführt zu haben, weil das Gefühl der Wohlthat genügt hatte, um seinem Kinde den Verstand zurückzugeben.

Sobald das Gebüsch sich hinter Argalenka geschlossen hatte, blickte Arroa mit einer gewissen Besorgniß umher, und als sie sich überzeugt-hatte, daß Niemand sie sehen oder hören konnte, neigte sie sich über das Gesicht Eusebius, nahm dessen Hände in die ihrigen und drückte sie. Dann riß sie eine Purpurblüthe aus dem Kranze chinesischer Rosen, welcher ihre Stirn schmückte, zermalmte sie Zwischen den Zähnen, öffnete die Kleider des jungen Mannes, und legte die zerbissenen Blätter auf den Ort, wo sie sein Herz, leise klopfen fühlte. Darauf begann sie jenen monotonen Gesang anzustimmen, den ihr Vater hörte, als er sie in dem Tempel des Berges Sadjiva wiederfand.

»Du, den ich seit so langer Zeit in meinen Träumen verfolge,« sagte sie, »Du, dessen Bilder einzige Strahl war, welcher für meine Seele in den Nebeln der Nacht glänzte, Du, nach dem ich mich sehnte, sollte ich Dich denn nur wiedergefunden haben, um Dich zu verlieren? Sollte die Quelle vertrocknet sein, in dem Augenblick, in welchem mein Mund sich aus derselben erquicken will und ehe ich den Durst nach Deinen Küssen, der mich verzehrt, befriedigen konnte?

»Du willst fort in das Land der Schatten, Unsinniger? Das Lager das Du dort findest, ist hart und kalt, es ist der Fels, es ist die feuchte Erde. Die Arme, welche Dich umschlingen werden, haben das süße Leben, die zärtliche Wärme des duftenden Fleisches verloren, welche das Leben der Liebe aus einem Körper in den andern überträgt. Statt des harmonischen Klanges der Küsse wirst Du dort nichts mehr hören, als Rasseln der Gebeine, welche in den Umarmungen zusammentreffen, die den Todten vorbehalten sind.«

»Bleibe bei den Töchtern der Erde. Denkt denn die Blume des Malatti daran, ihren Kelch zu schließen, vor alle Hauche der Luft, die über unsere Insel hingehen, sie wechselweise geliebkost haben? Entschließt der Vogel mit dem glänzenden Gefieder, der die Luft zum Schauplatz seiner Liebe macht, sich dazu, auf der Erde zu ruhen, so lange noch eine Gefährtin seinen Schnabel mit ihrem liebenden Schnabel berührt?

»Vielleicht verschmähst Du uns, ohne zu wissen, was Du verschmähst. Die Göttinnen, welche die Tempel der Anbeter Brahma’s schmücken, sind schön, aber diese Göttinnen sind nur Bildsäulen; die Weiber Deines Landes sind gleich ihnen von Marmor und Stein; sie können Dich nicht gelehrt haben, was die Liebe ist! Ha, wenn eine der geliebten Töchter der Sonne, in deren Adern ein Strahl des belebenden Gestirnes gefallen ist, Dich einst in ihre Mysterien einweiht, dann wirst Du die Entzückungen verachten, die alle Götter ihren Erwählten versprechen, und Du wirst sie ihnen schenken, wenn sie Deinen Lippen nur die Küsse lassen, deren Gewalt zu würdigen Du kennen lerntest.«

Indem Arroa diese Worte sprach, neigte sie sich mehr und mehr über das Gesicht Eusebius’; ihre Haare und ihre Wangen streiften die Stirn des jungen Mannes; plötzlich preßten die rothen Lippen der Indianerin, s als wiche sie einer unwiderstehlichen Macht, sich heftig auf die kalten, entfärbten Lippen des Holländers.

Die Wirkung dieses Kusses war unmittelbar und gewaltsam.

Eusebius öffnete die. Augen, als ob ein elektrischer Funke sie berührt hätte; sie wendeten sich sogleich auf die feuchten Augen, auf den bezaubernden Blick, auf den bebenden.Mund der Indianerin, und Beide schienen in eine wollüstige Extase zu versinken.

IV.
Eine Leidenschaft in der Wüste

Argalenka hatte ohne Mühe die Hütte gefunden, die Harruch ihm als ein Asyl andeutete. Der Gueber hatte diese Hütte ein Jahr zuvor erbaut, als er selbst hoffte, eine Liebe schützen zu können. Er wählte dazu eine Stelle, wild, wie seine Neigungen, wie seine Leidenschaften; vor allen Dingen war er bemüht gewesen, sich so fern als möglich von.der Nachbarschaft seiner Nebenmenschen zu halten, und deshalb legte er seine neue Wohnung in dem am wenigsten von Menschen besuchten Theile der Provinz von Preangers an.

Mit Ausnahme des Dorfes Baja, welches ungefähr eine Stunde von der Hütte Harruch’s am Ufer des Meeres lag, gab es keinen bewohnten Ort auf drei oder vier Stunden in der Runde.

Die Hütte war auf einer kleinen Erhöhung erbaut, ungefähr hundert Schritt von dem Flusse, in der Mitte eines Gebüsches von Palmen und Arekanußbäumem von denen einige zu einer riesigen Größe emporgewachsen waren.

Die Hütte Harruch’s war gleich allen denen, welche die Malayen gegen die Ueberschwemmungen, so wie gegen das Eindringen des Gewürms und der Schlangen, sichern wollen, auf zwei gleichlaufenden Reihen von Bambuspfählen erbaut, so daß sie sich acht Fuß über dem Boden erhob. Diese Wohnungen bieten so das ziemlich seltene Schauspiel von Häusern, denen das erste Geschoß mangelt, und die gleichwohl ein erstes Stockwerk haben. Man gelangte zu diesem ersten Stockwerke auf einer äußern Treppe, die aus Bambusstäben bestand, wie die Mauern und das ganze Zimmerwerk des ländlichen Gebäudes.Vor der Hütte zog sich eine Art von Balkon hin, und das Dach von Latanenblättern schützte gegen die brennenden Strahlen der Sonne, sowie gegen den Ungestüm der Witterung während der Regenzeit. So gering auch der Raum war, den Harruch zu seinem Bau verwendete, hatte er dennoch im Innern eine Wand gezogen, welche zwei Gemächer bildete, aus denen man durch zwei Thüren in das Wohngemach gelangte.

In dieser Hütte finden wir Eusebius van der Beek einige Tage nach den Ereignissen, die wir in dem vorhergehenden Capitel erzählten, wieder.

Es schien, als ob die Anwesenheit des Holländers in der bescheidenen Hütte von Baja einen wohlthätigen Einfluß auf die Bewohner derselben ausgeübt hätte.«

Eine plötzliche Metamorphose war mit Arroa vorgegangen. Freilich hatte sie nicht die unschuldige Heiterkeit der Jahre wiedergefunden, welche ihrer Entführung durch den Doctor Basilius vorangingen, Jahre deren Erinnerung die Wirklichkeit für den Beduis so peinlich machte. Dieser sah von Zeit zu Zeit auf dem Gesichte seines Kindes den finstern, sorgenvollen Ausdruck wieder erscheinen, der den Wahnsinn Arroa’s charakterisirte; aber dieser Wahnsinn selbst schien verschwunden zu sein, und die Indianerin zeigte sich wieder im Besitz ihres vollen Verstandes, besonders wenn sie mit Eusebius beisammen war.

Um die Freude Argalenka’s über die so plötzliche und so unerwartete Genesung seiner Tochter zu begreifen, muß man sich daran erinneren, was er gelitten hatte, als er statt des jungen, sanften, heitern, liebevollen Mädchens, das er in seine Arme zu schließen hoffte, einen Körper gefunden, dem die Seele entflohen zu sein schien, ein regungsloses, kaltes, beinahe stummes Geschöpf, welches für nichts empfänglich war, nicht einmal für die Küsse und Liebkosungen seines Vaters. Nachdem der Beduis Harruch verlassen hatte, und durch die Einsamkeit hinzog, das Pferd führend, welches das Phantom der schönen Arroa trug, empörte er sich gegen den Gedanken, daß der Hauch des Lebens diesem Fleische seines Fleisches, diesem Blute seines Blutes, entflohen sein sollte; er.konnte nicht glauben, daß die Verstandeszerrüttung unheilbar sei; er kämpfte gegen das Uebel mit der ausdauernden Zärtlichkeit, die ein Vater allein in seiner unendlichen Liebe finden kann; er hatte es versucht, bei Arroa ein Gefühl, eine Erinnerung zu erwecken; er bemühte sich, sie auf die Gegenden aufmerksam zu machen, welche eine Aehnlichkeit mit der Provinz Bantam hatten, in der ihre Kindheit verfloß. Bemerkte er eine Blume, eine Frucht, die sie liebte, so reichte er sie ihr mit Worten, welche das härteste Herz erweicht haben würden. Alle seine Bemühungen blieben fruchtlos. Wenn das junge Mädchen dem, was der Greis ihr sagte, einige Aufmerksamkeit schenkte, blieben ihre Augen starr und ausdruckslos, oder sie zeigte sich so zerstreut als ob er in einer unbekannten Sprache zu ihr redete; aber meistens schien der Klang der Stimme des Beduis für seine Tochter nichts zu sein, als ein Geräusch, auf welches sie durch ein anderes Geräusch zu antwortete hatte. Dann stimmte sie ein Lied an; dem ähnlich, welches.wir sie in dem Tempel des Berges Sadjiva singen hörten, stets durchweht mit neuen Betrachtungen über die Freuden der Liebe, über die Reize der Wollust, und oft verletzten die Worte derselben die religiösen Gefühle und das Herz des Greises schmerzhaft.

Die Illusionen Argalenka’s dauerten noch, während der ersten Tage fort, die der Vater und die Tochter in der Hütte Harruch’s zubrachten; allmälig aber öffnete das Mißlingen die Augen des Beduis für die Wirklichkeit.

Je tiefer sie in die Einsamkeiten von Preangers eindrangen, einen um so bedeutungsvollern, entsetzlichem Charakter nahm die Geisteszerrüttung Arroa’s an. Ganze Tage lang blieb sie in einen Winkel ihres engen Gemaches gekauert sitzen, umhüllt von ihren Schleiern, jede Nahrung zurückweisend und das Tageslicht fliehend, das ihre Augen zu verletzen schien. Wenn die Sonne hinter den Bergen am fernen-Horizont zu sinken begann, erwachte sie allmälig aus ihrem Stumpfsinn, stand auf, kämmte und ordnete ihr langes Haar, schwarz wie der Fittich des Raben, schmückte es mit Blumen und wendete auf ihren Anzug die Sorgfalt der Coquetterie eines Weibes, welches den Geliebten erwartet. War dann die Nacht gekommen, hatte das Thal sich in Schatten gehüllt; und man erblickte zwischen den Stämmen der Palmenbäume nur noch das breite Silberband. des Flusses; der sich in das phosphorschimmernde Meer ergoß, dann trat Arroa auf den Balkon und schmetterte in die Stille der Nacht ihre leidenschaftliche Liebeshymne hinaus. In dem Grade, in welchem sie aufgeregter wurde, ertönte ihre Stimme kräftiger und tiefer, und beherrschte so ganz das verworrene Geräusch indem Thale, daß man hätte glauben können, die ganze Natur schwiege, um auf sie zu hören. Bald steigerte ihre Leidenschaft sich dann zum Delirium; sie heulte unsinnige Sätze hervor, und der arme Argalenka, der ihr zuhörte, fühlte, wie jedes Haar auf seinem Kopfe sich sträubte, und wie Todeskälte durch seine Adern rieselte.

Endlich stürzte sie fort, wie wenn sie durch das wüthende Gefühl, das sie anrief, fortgerissen würde, und vertiefte sich gleich einer Bachantin Thraciens in den Wäldern. Der Greis sah die weißen Kleider der Wahnsinnigen zwischen den Baumstämmen verschwinden, und nur ihre Stimme, die man noch immer hörte, deutete an, daß sie sich entfernte. Allmälig wurde diese Stimme schwächer, der Lufthauch trug nur noch einzelne Töne ihres Gesanges herüber, ein unbestimmtes Flüstern erfüllte die Luft, und Alles versank wieder in Schweigen- Erst am folgenden Tage fand der arme Vater seine Tochter wieder in irgend einem Theile der Hütte schlafend, oder hinter einem Gebüsche versteckt.

Diese beinahe täglichen Krisen hatten den Beduis mit Entsetzen erfüllt, und seine Seele war von Schmerz ergriffen. Mehrmals versuchte er es, Arroa zu folgen, indem er fürchtete, sie möchte die Beute eines Tigers werden. Aber der Lauf der Indianerin war so schnell, daß es schien, als berührten ihre Füße den Boden kaum, und als beugte das Gras sich nicht unter ihren Tritten. Sie glitt wie ein Schatten zwischen den Netzen der Schlinggewächse hindurch, welche die Bäume und die Gesträuche des javanesischen Bodens miteinander verbinden, und die der Greis zu durchdringen sich vergebens anstrengte, so daß er sein Kind nie zu erreichen vermochte.

Da erstarb endlich jede Hoffnung in dem Herzen Argalenka’s.

Die Mohamedaner allein betrachten den Wahnsinn als eine Wohlthat des Himmels, die Anhänger Buddha’s aber erblicken darin eine Wirkung der bösen Geister. Indem Argalenka die Lage seiner Tochter mit den übernatürlichen Ereignissen in Verbindung brachte, die er in dem Palaste Thsermai’s vollbringen sah, und sich einiger Worte erinnerte, die der Gueber an ihn gerichtet hatte, kam er zu der Ueberzeugung, daß der Dämon sich des Körpers Arroa’s bemächtigt hätte; er weinte über sie, und brachte ganze Stunden damit hin, sie mit finsterer Verzweiflung und abergläubischen Schrecken zu betrachten.«

Die Verwirrung des Beduis war so gewaltig, und es herrschte in seinen Begriffen eine solche Unordnung, daß er glaubte, von Buddha verfolgt zu sein, und es nicht mehr wagte, seinen Gott anzurufen.«

Um diese Zeit war es, als er den sterbe-den Holländer auf seinem Wege fand. Bei dem Anblicke des jungen Mannes hatte eine unmittelbare Umwandlung bei Arroa stattgefunden. Sie sprach, sie vollbrachte Handlungen des Verstandes, indem sie Eusebius ihre Sorgfalt widmete.

Der Beduis ging von dem Uebermaße des Schmerzes zu dem Paroxismus der Freude über; er sah die Wiedergeburt seines Kindes

Als Eusebius nach der Hütte gebracht worden war, zeigte die Heilung der Indianerin sich immer deutlicher und deutlicher-; sie hatte weder das Geschwätz, noch die Heiterkeit, noch die Zärtlichkeit ihrer Kindheit wiedergefunden; sie war noch immer schweigsam und wild, ihr Vater mußte mehrmals dieselbe Frage an sie. richten, um eine Antwort zu erlangen; aber sie war aufmerksam und sorgenvoll gegen den Gast, den der Himmel ihnen gesendet hatte, und die Anfälle, welche sonst beinahe jeden Abend den Greis erschreckten, waren gänzlich verschwunden.

Die Rückwirkung zeigte sich heftig bei Argalenka; sein Glück war zu groß, um nicht danach zu streben, sich nach Außen kund zu geben; er lachte, er weinte zugleich, wenn einige Worte dem Munde Arroa’s entschlüpften, der so lange für ihn stumm gewesen war; in seiner Trunkenheit preßte er Arroa an sein Herz dann verließ er sie um den Holländer zu umarmen, als wäre er ungewiß gewesen, wen er mehr lieben sollte, sein Kind, oder den Mann, durch den es ihm zurückgegeben worden zu sein schien.

Diese unglaubliche Genesung versuchte Argalenka weder zu erklären, noch zu begreifen; wer möchte die Wunder ergründen, durch die man beglückt wird! Er genoß seines Glücke, und dieses war so groß, daß er die Veränderung nicht bemerkte, die im Gegensatz zu der jungen Indianerin mit dem Holländer vorging.

Seiner großen Jugend ungeachtet, schienen in der That Eusebius Kräfte sich nicht von der Erschütterung erholen zu können, die er empfunden hatte, so zärtlich auch die Sorgfalt Arroa’s war, und so zuvorkommend die Freundschaft des Beduis sich zeigte.

Sein Gesicht war blässer geworden, wie es gewesen, als Argalenka ihn ohnmächtig an dem Wege liegend fand; seine Wangen waren eingefallen, seine-Lippen bleich; der Funke des Lebens, der ihn noch beseelte, schien sich in den Augen gesammelt zu haben, die in eigenthümlichem Feuer blitzten, doch dieses Feuer trug den Charakter dessen, welches durch das Fieber hervorgerufen wird.

Diese Symptome der, gänzlichen moralischen Niedergeschlagenheit beschränkten sich aber nicht auf das Aeußere; auch der Charakter des Holländers schien auffallend verändert zu sein. In seinen schlimmsten Tagen; während der grausamen Schlaflosigkeit, welche er durch die Verfolgungen des Doktor Basilius erduldete, war seine Laune immer nur melancholisch und trübe gewesen; seit seinem Eintritt in die Hütte des Beduis zeigte er sich aber wild und heftig, rauh, reizbar gegen seinen Wirth, der seine Sorgfalt oft durch harte Worte und kalte Geringschätzung vergolten sah.

Gegen Arroa aber war die Haltung des Holländers zuvorkommend und unterwürfig bis, zur Demuth, bis zum Entsetzen. Ohne sie zu sehen, errieth er, daß sie sich dem Orte näherte, an dem er sich befand; sein Körper erbebte und beugte sich, eine leichte Röthe färbte seine Wangen, seine Lippen zitterten, seine Zähne schlugen aufeinander, wenn sie zu ihm trat, sein Blick folgte jeder ihrer Bewegungen mit einer Unruhe, welche der Todesqual glich.

Obgleich viele Tage verflossen waren, seit jenem verhängnißvollen Abend, an welchem er Gavoet in Begleitung der Negerin verließ, hatte nicht ein Wort verrathen, daß die Vergangenheit seinem Gedächtnisse noch gegenwärtig war, hatte nicht ein Wort gezeigt, daß er zuweilen an Esther und sein Kind dachte. Zuweilen jedoch versank er in tiefes Nachdenken, und die Seufzer, die dann seiner Brust sich entrungen, der Ausdruck seines entstellten Gesichts, bewiesen, daß er vielleicht nicht ohne heftige innere Kämpfe zu dieser Gleichgültigkeit gelangte.

Diese Sorglosigkeit, diese Veränderung des Körpers und der Seele bei Eusebius hatte Arroa bewirkt. Er empfand für die junge Indianerin.eine eigenthümliche unsinnige Leidenschaft deren Ursache er ebenso wenig zu erklären vermochte, wie er die Wirkungen zu begreifen verstand.

Seitdem der Kuß Arroa’s die Lippen des.Holländers verbrannte, hatte kein Lächeln sie erfrischt; mit dem heißen Athem des jungen Mädchens war ein verzehrendes Feuer eingezogen in Eusebius’ Brust, und dieses Feuer, welches in seinen Adern mit der Schnelligkeit des Giftes circulirte, hatte in seiner Seele alle Gluth der Liebe entzündet.

Ungeachtet seiner Besorgnisse der Vergangenheit, ungeachtet der Entschlüsse, die er kürzlich gefaßt hatte, gehörte Eusebius ganz Der an, deren Umarmung für ihn eine allmächtige Offenbarung gewesen war, und deren Blick auf ihn einen unwiderstehlichen Zauber ausübte, sei es nun, daß. er dabei einem übernatürlichen Einflusse nachgab, sei es, daß die wunderbare Schönheit der Tochter Argalenka’s genügte, um dieses Wunder zu bewirken; genug, ohne Uebergang, ohne Kampf, war Eusebius dem Einflusse erlegen.

Die rothen Lippen Arroa’s hatten ein scharfes, schmerzendes. Gefühl hinterlassen, wie die Berührung eines glühenden Eisens, etwas, das einer Aufregung der Sinne glich, die bis zu heftigen Schmerzen sich steigerte. Dieses Gefühl versenkte Eusebius in eine Art von Niedergeschlagenheit, doch zugleich bewahrte er das Bewußtsein. daß er einen Horizont erblickt hatte, der ihm bisher unbekannt gewesen war, und der feste Wille, ihn wiederzusehen, überlebte seine Niedergeschlagenheit.

Indem der Gatte Esther’s die wohlriechenden Ausflüsse einsog, welche die Athemzüge der Indianerin rings um sie her verbreitetem führten die ebenso heftigen als unbestimmten Begierden, die er empfand, ihn zu der unaussprechlichen Wollust zurück, die sein ganzes Wesen auf eine so köstliche Weise überreizt hatte, und er fragte sich, ob das Leben eines Menschen einen andern Zweck haben könnte, als durch solches Entzücken ergriffen zu werden.

Bald erlag er mehr und mehr dem berauschenden Einflusse des Wesens, welches während der ersten Tage seines Aufenthaltes in der Hütte Gefallen daran gesunden hatte, nicht von der Matte zu weichen, auf der er ausgestreckt lag, und eine eigenthümliche Revolution ging in seinem Gehirn vor. Es schien ihm, als hätte er bisher nur in der Kindheit gelebt, und trete zum ersten Male aus derselben heraus. Er glaubte sich in einer neuen Welt zu erblicken, in welcher Alles ihn mit Erstaunen, mit Entzücken, erfüllte. Zuweilen fragte er sich, ob Arroa nicht das erste Geschöpf ihres Geschlechts sei, welches seinen Blicken sich zeigte; er glaubte die Schönheit könne keine andere Gestalt annehmen, als die, welche er vor Augen hatte, die Wollust keinen andern Ausdruck.

Allmälig erloschen unter der Herrschaft dieser Hallucination seine Erinnerungen, wie indem Nebel die Landschaften verschwinden, von denen man sich entfernt. Endlich wichen sie gänzlich aus seinem Gedächtniß, und vergebens befragte er seine widerspenstigen Erinnerungen; sie weigerten sich, ihm Rechenschaft von dem zugeben, was die Vergangenheit ihnen anvertraut hatte. So heftig aber auch Eusebius Leidenschaft geworden war, hatte er es dennoch nie gewagt, ein Wort der Liebe an die junge Indianerin zu richten; seine Augen konnten wohl verrathen, was in seiner Seele vorging, aber sein Mund blieb stumm, sein Gedanke selbst erkannte Gränzen an, die ihn mit Entsetzen erfüllten, und die zu überschreiten er nicht gewagt haben würde. Die Falten des Sacongs des jungen Mädchens schienen ihm von Erz zu sein, und seine Einbildungskraft hätte es als eine Gotteslästerung betrachtet, den Versuch zu machen, sie zu lüften. So materiell auch seine Liebe für sie war, hatte Eusebius dennoch sein Idol so hoch gestellt, daß er glaubte, menschliche Kräfte wären nicht stark genug, es zu erreichen.

Arroa ihrerseits hatte die leidenschaftliche Aeußerung nicht wiederholt, durch die sie ihren Sclaven so fest an die Kette schmiedete; ihre Augen allein, stets erfüllt von zärtlichen Versprechungen oder heftiger Gluthe wenn sie dem Holländer gegenüberstand, drückten das aus, was in ihrer Seele vorgehen mochte. Gleich zwei Strömen glühender Lava, die eine eherne Mauer von einander trennt, schienen sie es nicht zu wagen, die Scheidewand niederzuwerfen, die sie verhinderte, ihr Feuer miteinander zu vereinigen.

Jede Nacht indeß ging für Eusebius etwas Eigenthümliches vor.

In dem Augenblick, in welchem sein Schlaf am festesten war, kam es ihm vor, als berühre ein glühender Hauch sein Gesicht, und seine Lippen zogen sich zusammen, indem sie wieder den Eindruck des flammensprühenden Kusses empfanden, der die Macht besessen hatte, ihn aus seiner Ohnmacht zu erwecken, als er zum ersten Male mit Arroa zusammentraf.

Die Wirkung, welche dieser Traum auf den Gatten Esthers hervorbrachte, war so gewaltig, daß er sich erwachend fragte, ob es wirklich nur ein Traum gewesen sei. Sie brachte eine so gewaltige Revolution bei Eusebius hervor, daß er jeden Morgen bleicher erwachte, ermatteter, als er sich am Abend zuvor niedergelegt hatte; aber zugleich war er so begierig danach geworden, daß er jeden Abend mit der Hoffnung einschlief, noch einmal dieses Gefühl zu empfinden, sollte es ihm auch das Leben kosten.

Seit vierzehn Tagen war Eusebius in der Hütte Argalenka’s, und der Holländer wurde so schnell schwächer, daß es schien, als hätte der Tod ihn schon zu seinem Opfer bezeichnet.

Arroa ihrerseits legte sich weniger Zwang auf, als wäre sie ihres Sieges gewiß; gewesen; mehrmals entfernte sie sich von Eusebius stundenlang, was bei dem Beginn ihres Umgangs mit demselben nie der Fall war.

Die Wirkung, welche diese Abwesenheiten aus Eusebius hervorbrachten, war merkwürdig. Sobald die Indianerin die Umgebung der Hütte verlassen hatte, schien der Rest der Lebenskraft des jungen Mannes von ihm zu weichen, und er versank in eine tiefe Niedergeschlagenheit. Zuweilen gab er sich einer Verzweiflung hin, deren Ursache ihm selbst unbekannt zu sein schien; er rief Arroa mit dem kläglichen Tone eines Hirsches, der in der Tiefe des Waldes das Bladen hört.

Gewöhnlich machte die junge Indianerin ihre Ausflüge in der Umgegend am Abend.

Eines Tages, als sie den Nachmittag zubrachten, nebeneinander in dem Schatten der.Bananenbäume sitzend, die Harruch rings um seine Hütte her gepflanzt hatte, machte kein leises Geräusch, daß Eusebius die Augen von dem Gegenstande abwendete, welcher den größten Reiz eines solchen Alleinseins für ihn bildete, und als er den Kopf wieder umwendete, erblickte er Arroa nicht mehr. Sie war verschwunden.

Wie gewöhnlich trübte sich sein Gesicht, ein finsterer Schleier legte sich über seine Züge, seine Stirn sank auf die Brust herab, und in der Hoffnung, Die zu finden, deren Gegenwart seinem Leben nothwendig geworden war, stand er auf und suchte nach ihr in der Gegend umher.

Da hörte er nicht weit von dem Orte, an welchem er sich eben befand, sich rufen, und in der Stimme, die seinen Namen nannte, erkannte er die Stimme Arroa’s.

Er eilte der Gegend zu, aber indem er vorwärts schritt, ertönten die Rufe stets aufs Neue; allein sie schienen vor dem Holländer zu fliehen.

Eusebius glaubte einige Augenblicke, die Tochter Argalenka’s treibe ihr Spiel mit ihm; aber lange schritt er vorwärts, ohne sie erreichen zu können, und er war so schwach, daß seine Kräfte sich bei diesem Laufe schnell erschöpften. Jetzt rief er selbst Arroa, und flehte sie an, zu ihm zu kommen. Ein spöttischer Ruf der Indianerin antwortete ihm, und weit entfernt, den Bitten des Holländers nachzugehen, entfernte sie sich nur noch weiter. Eusebius war athemlos; er konnte nicht mehr gehen, und ließ sich auf den Rasen niedersinken, und etwas Ruhe zu genießen. In dem Augenblick, als seine Hand den Boden berührte, fühlte er unter den Fingern einen kalten, glatten Gegenstand. Er hob ihn auf, und bei dem matten Schein des schwindenden Tages erkannte er einen Gegenstand des Schmuckes, der ihm gehört hatte.

Es war ein goldenes Medaillon mit den Haaren Esther’s und seines Kindes.

Das Medaillon war zerbrochen, als hätte man es unter dem Absatz oder zwischen zwei Steinen zerschmettert; indeß waren die Reliquien, die es enthielt, noch nicht gänzlich zerstreut, und Eusebius fand in der Metallhülle einige Ueberbleibsel von dem seidenweichen Haare, das er selbst von dem Kopf seiner Frau geschnitten hatte.

Er fragte sich, wie dieser Gegenstand, den er gewöhnlich um den Hals getragen hatte, an diesen Ort gekommen sei; aber indem er die Umgegend prüfte, erinnerte er sich, daß er sich an eben dem Orte befand, an welchem Argalenka ihm zu Hilfe gekommen war, als er vor Erschöpfung zu sterben glaubte. Er steckte das Medaillon in die Brust.

Der Anblick dieses Gegenstandes allein hatte Eusebius in eine heftige Aufregung versetzt; sein Herz klopfte gewaltig und sein Kopf war in Feuer. Sobald das Andenken in Berührung mit dem Körper des Holländers war, erblickte dieser das Bild Esther’s, welches sich in undeutlichen Umrissen vor ihm erhob. Das Gesicht der jungen Frau sprach, indem es den einzigen Mann anblickte, den sie geliebt hatte, zugleich einen zärtlichen Vorwurf und ein inniges Mitleid aus. Die Qual, welche Eusebius empfand, wurde heftiger; er machte eine verzweifelte Anstrengung, um seine Erinnerung wach zu rufen; das Bild wurde deutlicher, das Gefühl der Existenz, das ihn verlassen zu haben schien, erneuerte sich; er besann sich nicht nur auf die Eide, die er mit Der ausgetauscht hatte, welcher er vor Gott und den Menschen angehörte, sondern auch auf Basilius, auf den Vertrag, der ihn mit diesem Dämon verband, auf das Geschick, welches seiner wartete, und er vermochte es jetzt, die Ausdehnung und die Tiefe des Abgrundes zu ermessen, in den er hinabgestürzt war.

Er weinte bitterlich, dann ergriff ihn eine Art Schwindel, er sprang auf und versuchte zu entfliehen. Noch war er nicht an dem Gebüsch vorüber, neben welchem er gesessen hätte, als ein gerundeter Arm, dessen Berührung ihn bis in das Mark erbeben machte, sich in seinen Arm hing und ihn in seinem Laufe hemmte. Zugleich senkte ein Kopf sich auf seine Brust, Haare, vom Winde leicht bewegt, liebkosten sein Gesicht, und eine Stimme, welche sich seinem Ohre näherte, flüsterte die Worte:

»Undankbarer, soll, ich Dich denn jetzt verfolgen? Soll ich Dich rufen?«

»Laß mich, laß mich!« rief Eusebius, indem er der Umarmung sich zu entwinden suchte, und es vermied, sich umzuwenden und Arroa anzusehen.

»Bist Du zornig, weil ich nicht schnell genug Deinem Rufe antwortete? Geh, in Zukunft sollst Du Dich nicht mehr in der Erwartung der Lust aufreiben. Du wirst in mir eine Deinem Willen gehorsame Sclavin finden, Dein Glück wird mein Glück sein, oder es wird vielmehr nur eins für uns Beide bestehen.«

»Schweig, Arroa! Schweig!« murmelte Eusebius, am ganzen Körper erbebend.

»Wenn ich Dir entfliehen wollte,« fuhr die Indianerin fort, indem sie sich dichter an Eusebius schmiegte, wobei er durch seine Kleider das Herz des jungen Mädchens klopfen fühlte, »wenn ich Dich fliehen wollte, so geschah es, weil ich meinen Verstand schwächer werden sah, als meine Liebe. – Ich wollte gegen diese kämpfen, aber ich wurde besiegt, und dies Geständniß ist mir süß. – Möge die Welt untergehen, mögen die Berge unserer Insel in die Ebene hinabstürzen, möge das Meer wüthend unsere Erde überfluthen, so werde ich Alles vergessen, wenn Deine Arme mich umschlingen; das Geräusch Deiner Küsse wird mich verhindern, den Untergang des Weltalls zu hören.«

»Arroa, Arroa,« sagte Eusebius mit dem Tone der Verzweiflung, »laß mich fort. Die Stimme der Vernunft, von der Du sprichst, muß ich hören; die Pflicht gebietet —«

»Was sprichst Du von Vernunft und Pflicht?« erwiederte Arroa, deren Stimme einen leisen Anflug des Spottes bekam. »Gibt es eine gebieterischere Pflicht, als die, welche die Liebe befiehlt? Will die Vernunft nicht, daß man die Güter der Erde genieße, welche Buddha uns sendet?«

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Дата выхода на Литрес:
04 декабря 2019
Объем:
530 стр. 1 иллюстрация
Правообладатель:
Public Domain

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