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Читать книгу: «Black», страница 19

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»Ich heiße de la Graverie, ich bin Ritter des Ludwigsordens, wie Sie sehen; ich habe meinen gewöhnlichen Wohnsitz in Chartres, aber jetzt wohne ich in der Rivolistraße, im Hotel de Londres.«

»Das ist genug, Herr Chevalier; sobald Sie meiner bedürfen, belieben Sie mich nur mit wenigen Worten zu benachrichtigen, und ich stehe zu Ihrer Verfügung,«

»Ich danke Ihnen und bitte Sie, über unsere Unterredung das tiefste Stillschweigen zu beobachten.«

»Ich gebe Innen mein Wort darauf. Aber Sie haben noch nichts von meinem Bruder gesagt; wollen Sie mich nicht beauftragen, ihm Ihr Anliegen mitzuteilen?«

»Die Sache ist nicht von Wichtigkeit’ ich wollte ihm nur einen Reisekoffer übergeben, den er gestern auf dem Posthofe vergessen und den mein Kutscher aus Versehen mitgenommen hat.«

Der Chevalier stand auf.

»Ich danke Ihnen in seinem Namen,« sagte der junge Kavalier.

»Leben Sie wohl, Herr Chevalier, meine besten Wünsche folgen Ihnen.«

Herr d’Elbéne begleitete den Chevalier de la Graverie bis ans Hausthor und drückte ihm noch einmal die Hand.

Das Herz Dieudonné’s klopfte stark; er war sehr tief ergriffen; von Zeit zu Zeit überlief ihn ein Schauer und er glaubte eine düstere Wolke vor seinen Augen vorüberziehen zu sehen.

Von einem Bequemlichkeitsmenschen, der das fünfzigste Jahr überschritten hat und sich zum ersten Male duellieren soll, ist wohl keine Gemütsruhe zu erwarten.

»Ach! wenn Dumesnil da wäre!« seufzte der Chevalier; »er ging so ruhig und heiter zum Duell, wie ich mich zum Frühstück setze; er wusste Degen und Pistolen zu führen, wie ich die Gabel halte – aber leider ist er nicht mehr da, und Black würde sich nicht mit Gratien messen können; seit dem Hunde Aubry’s hat man so etwas nicht mehr erlebt; überdies ist ja Black nicht da.«

»Wohin soll ich fahren?« fragte der Kutscher.

»Wohin? Ich weiß nicht.«

»Wie! Sie wissen nicht, wohin Sie fahren wollen?«

»Nein; rufen Sie den Portier an den Wagen.«

Der Portier trat mit großer Ehrerbietung an den Wagen; er hatte ja gesehen wie Henri d’Elbéne den fremden Herrn bis auf die Straße begleitet hatte.

»Mein Freund,« fragte ihn der Chevalier, »wissen Sie wo Herr Gratien d’Elbéne jetzt zu finden ist?«

»Im holländischen Kaffeehaus,« antwortete der Portier; »dort hält er sich immer auf, wenn er auf Urlaub ist.«

»Kutscher, zum holländischen Kaffeehaus!« rief der Chevalier mit einem Tone, der dem seligen Dumesnil alle Ehre gemacht haben würde; »und geschwind, es gibt ein gutes Trinkgeld.«

VIII
Wo man sieht, dass die Zivilisten zuweilen durch eine Bavaroise sehr Kriegerisch gestimmt werden

Das sogenannte »holländische Kaffeehaus« war damals der allgemeine Versammlungsort der auf Urlaub befindlichen Offiziere. Wer eine Epaulette trug, vom Unterlieutenant bis einschließlich zum Obersten, fand sich in den Hallen dieses Bacchustempels ein.

Hier fanden sich die Militärpersonen zusammen, so wie sich die Schauspieler im Garten des Palais »Royal zu versammeln pflegten.

Ein Offizier, der sein Corps verließ, um sich nach Algerien zu begeben, pflegte seinen in Frankreich zurückbleibenden Kameraden zu sagen:

»In zwei Jahren, wenn ich wieder einen halbjährigen Urlaub bekomme, sehen wir uns im holländischen Kaffeehaus wieder.«

Und wenn nickt die Kugeln der Kabylen oder die Ruhr einen Strich durch die Rechnung machten, so blieb er nur in seltenen Fällen zur bestimmten Zeit aus. Aber ungeachtet seiner militärischen Bestimmung hatte das holländische Kaffeehaus ein ganz bürgerliches Aussehen. , Mit Ausnahme der Zöglinge der polytechnischen Schule und der Militärschule von St. Cyr, die das holländische Kaffeehaus als angehende Vaterlandsverteidiger besuchten, bemerkte man dort weder Tschakos, noch rote Hosen, noch Uniformen. Der französische Soldat hat. ungeachtet seiner bei allen Gelegenheiten zur Schau getragenen Verachtung gegen die »Pékins« eine besondere Vorliebe für die bürgerliche Kleidung, Vermutlich aus dem einzigen Grunde, weil es bei ihm eine unglückliche Leidenschaft ist. Denn mancher hübsche Offizier, der im Dolman oder Waffenrock sehr elegant und distinguiert aussieht, wird ein ganz gewöhnlicher Mensch, ja er bekommt oft sogar ein gemeines Aussehen, wenn er einen unschönen Frack oder Überrock trägt und seinen Helm oder Tschako gegen den albernen Zylinderhut vertauscht hat.

Dazu kommt, dass der Offizier, der wenig Gelegenheit hat, seine Zivilkleider zu tragen, dieselben sehr sorgfältig und weit länger als die gewöhnliche Lebensdauer der Überröcke oder Paletots aufzubewahren pflegt; wenn er sie daher aus ihrem Versteck wieder einmal hervorzieht, steht er aus wie ein wandelndes altes Modebild.

Wenn es im holländischen Kaffeehaus wenige Uniformen gab. so bemerkte man dagegen an jedem Tische viele Zivilröcke von sehr originellem Schnitt, steift Krawatten und unmögliche Vatermörder, wenngleich manches Exemplar jener hässlichen Kosackenhosen, welche die Mode schon längst in die Acht erklärt hatte. Kurz, es war leicht zu erkennen, dass die Gäste aus Offizieren in mehr oder weniger abgetanen Zivilkleidern bestanden.

In dem ganzen Lokal roch es stark nach Punsch, dem Lieblingsgetränk der Stammgäste, und dichter Tabakrauch füllte die Gastzimmer.

Fünf bis sechs Offiziere, die man an ihren Sporen als Kavalleristen erkannte, saßen in einer Ecke der Hinterstube. Sie schienen sehr reichlich gefrühstückt zu haben, denn ihr Gespräch war ungemein belebt. Wie immer behandelten diese Herren ihr unerschöpfliches Lieblingsthema: die Vorzüge gewisser Garnisonen und den Vergleich dieser Garnisonen untereinander.

»Ich lobe mir Tours,« sagte unser alter Bekannter, der Lieutenant Louville, den wir mitten in dieser Gruppe wiederfinden. »Die Poeten, die sonst so viel dummes Zeug faseln haben vollkommen Recht, die Touraine den Garten Frankreichs zu nennen. Tours ist wirklich eine hübsche Stadt, die Pflaumen sind köstlich, das Theater ist leidlich, die Grisetten sind allerliebst. Kurz, Tours ist die Perle unter den Garnisonen.«

»Nun, ich habe Tours mitgemacht,« erwiderte ein dicker Offizier mit kirschrotem Gesicht und grauem Schnurrbart; »ich war zwei Jahre dort, und ich finde, dass Tours nicht besser ist als die übrigen Garnisonen.«

»Warum behaupten Sie das, Kapitän?«

»Weil man sich nach den beiden ersten Monaten in jeder Garnison langweilt.«

»Ich war recht gern im Norden,« setzte ein Dritter hinzu; »wir hatten dort vortrefflichen und billigen geschmuggelten Tabak.«

»Und Poutioz nicht zu vergessen,« sagte ein Vierter; »man lebt dort famos mit fünfundvierzig Francs monatlich.«

»Was sagst Du dazu, Gratien?« fragte Louville.

»Je mehr ich von unserem Vaterland sehe,« antwortete Gratien, »desto mehr sehe ich ein. dass unter allen Garnisonen, die wir kennen gelernt, nicht eine erträglich ist. Dies bewegt mich, meinen längst gefassten Entschluß auszuführen: ich nehme meinen Abschied, um die einzige gute, angenehme Garnisonstadt, nämlich Paris, nicht mehr verlassen zu müssen,«

»Ja,« sagte Louville, »diese Vorliebe ist leicht begreiflich, wenn man einen Papa besitzt, der, wie der deine, ein mehrfacher Millionär ist. Aber ungeachtet seiner Millionen, ungeachtet aller Freuden und Genüsse, die Paris bietet, glaube ich nicht, dass Du die im Regiment verlebten glücklichen Stunden vergessen wirst.«

»Was für glückliche Stunden meinst Du? Wo soll ich sie verlebt haben?« fragte Gratien.

»Undankbarer, hast Du nicht überall und immer genussreiche Stunden verlebt? Hast Du nicht z. B. in dem abscheulich langweiligen Chartres mit der kleinen Therese das deliciöseste Abenteuer gehabt? Du Schlaukopf kannst Dich rühmen, ein zweiter Lovelace zu sein.«

»Sprich nicht davon, Louville,« sagte Gratien mit sichtlicher Verlegenheit; »ich versichere Dich, dass mir die Erinnerung an jenes Abenteuer höchst peinlich ist.«

»Warum denn? Etwa wegen des alten Narren, der Dich, den Baron Gratien d’Elbéne, zwingen wollte, eine blutarme Grisette zu heiraten, weil Du ihre erste Liebe gewesen bist? Ha! ha! ha! der Gimpel war wirklich unterhaltend. Ich habe ihn tüchtig aufgezogen, zumal nachdem Du im Cabriolet Platz genommen hattest. Aber mille cigarres!« setzte Louville hinzu, »da kommt er! Wir werden einen köstlichen Spaß haben. Sehen Sie nur, meine Herren, die wundervolle Haltung! Und wie herausfordernd er seinen Regenschirm schwingt! – Heda, Monsieur!«

»Keine Torheiten, Louville!« mahnte der beleibte Offizier; »vergessen Sie nicht, dass der Mann einen doppelten Anspruch auf Ihre Achtung hat: er ist noch einmal so alt wie Sie, und trägt das rote Ordensband im Knopfloch.«

»Bah! es ist der Ludwigsorden.«

»Es ist immer der Lohn der Tapferkeit,« entgegnete der Kapitän, »und es ziemt sich nicht für uns Soldaten, über einen Ludwigsritter zu lachen.«

»Lassen Sie mich doch in Ruhe, Kapitän,« sagte Louville; »es ist vermutlich ein Emigrant, der sich sein Band in der Antichambre verdient hat. Wahrhaftig, ich will eine so gute Gelegenheit, einen Spaß zu machen, nicht unbenutzt lassen.«

Dann stand er auf, um dem näher tretenden Chevalier de la Graverie entgegenzutreten.

»Es freut mich unendlich, Sie wiederzusehen,« sagte Louville zu ihm; »ich hoffe, dass die vorgestrige Nacht Ihre Gesundheit nicht angegriffen und Ihre heitere Laune nicht verdorben hat.«

»Nein,« erwiderte der Chevalier lächelnd, »wie Sie sehen, befinde ich mich, bis auf eine kleine Erkältung, ganz wohl.«

»Das ist schön. Sie werden also in unserer Mitte Platz nehmen und auf die Gesundheit der schönen Therese trinken; wir sprachen eben von ihr, als Sie kamen.«

»Sie erweisen mir viel Ehre,« erwiderte der Chevalier mit seinem unverwüstlichen Lächeln; »ich werde Ihre Einladung nicht zurückweisen.«

»Ist Ihnen ein Glas Punsch gefällig? Er ist sehr gut und ganz geeignet, die düsteren Gedanken und Magenvapeurs zu vertreiben.«

»Tausend Dank, mein lieber Herr! aber ich habe als Mann des Friedens große Furcht vor jeder Art von Alkohol.«

»Sie fürchten vielleicht in eine allzu kriegerische Stimmung zu geraten?«

»Ja, dies ist die Hauptrücksicht, die mir den Genuss der gebrannten Wasser verbietet.«

»Aber Gratien, sei doch freundlicher gegen den Herrn Chevalier – ich trage kein Bedenken, Ihnen diesen Titel zu geben, da ich Ihr Ordensband sehe.«

»Sie können mir ihn ohne Bedenken geben, Herr Louville; ich habe doppelte Ansprüche auf diesen Titel: durch meine Geburt und als Ludwigsritter.«

»Sie müssen wissen, Chevalier, dass Ihr Freund Gratien seit zwei Tagen ein Träumer ist; ich glaube fast, er grübelte über den Heiratsantrag, den Sie ihm gemacht haben.«

»Das wäre sehr schön von ihm,« antwortete der Chevalier mit der größten Unbefangenheit.

»Ja,« erwiderte Louville; »aber solche Gedanken machen einen lustigen Kameraden zum Duckmäuser. – Was trinken Sie, Chevalier? ein Glas Limonade? oder Himbeeressig? oder Bavaroise?«

»Ich will Bavaroise trinken.«

»Gareon!« rief Louville, »diesem Herrn eine Bavaroise – recht heiß und süß! – Jetzt, Herr Chevalier, erlauben Sie uns wohl die Frage, was uns in dieser Kneipe die Ehre Ihrer Gesellschaft verschafft? Sie sind doch hier nicht Stammgast – «

»Sie haben immer Recht, Herr Louville; ich bewundere in der Tat Ihr richtiges Urteil.«

»Es freut mich, dass Sie mir Gerechtigkeit widerfahren lassen.«

»Ich bin hierher gekommen, um Herrn Gratien d’Elbéne aufzusuchen, den ich nicht zu Hause getroffen habe.«

»Wie! Sie haben sich in meine Wohnung bemüht?« fragte Gratien erstaunt.

»Ja, Herr Baron, und von Ihrem Portier erfuhr ich, dass ich Sie hier antreffen würde.«

»Wirklich!« fiel ihm Louville ins Wort, »Sie sind hierher gekommen, um Gratien aufzusuchen? Dies beweist, dass Sie Ihren Plan nicht aufgegeben haben. Das freut mich; ich liebe die Starrköpfe und nehme so lebhaften Anteil an Ihnen, dass ich entschieden Ihre Partei nehme. Wie die Sache jetzt steht, kann nur noch vom Ehekontrakt die Rede sein. Wir haben uns vor Allem über die Bedingungen zu verständigen. Gratien, Du hast zuerst das Wort. Lass hören, was verschreibst Du deiner Zukünftigen? wie viel an liegenden Gütern? wie viel an Staatspapieren und Eisenbahnaktien?«

»Louville,« antwortete Gratien, »ich bitte Dich in allem Ernste, diesen Scherz nicht weiter zu treiben; ich habe deinen Spott schon zu lange anhören müssen. Ich habe dem Herrn Chevalier meinen unabänderlichen Entschluss mitgeteilt, und es wundert mich in der Tat, dass er sich mit meiner Erklärung nicht begnügt. Andererseits würde ich durch Verspottung eines Mädchens, dessen Los ich im Grunde beklagen muss, einen Mangel an Zartgefühl und Charakter verraten. Bedenken Sie wohl, was ich gesagt habe, Herr Chevalier, und merke Du Dir’s auch, Louville; ich hoffe, dass Sie mir Beide beistimmen werden.«

»Keineswegs,« erwiderte der Chevalier de la Graverie; »ich finde vielmehr, dass Herr Louville sehr vernünftig und schicklich spricht; ich bin ihm unendlich verbunden.«

»Siehst Du wohl, Gratien! Sprich daher und lege diese tragische Miene ab; der Herr Chevalier fordert Dich ja als Beschützer der schönen Therese dazu auf und Du schweigst! Es würde vielleicht besser sein, Herr Chevalier, wenn Sie zuerst das Wort nähmen, er würde dann in Zug kommen. Fangen Sie daher an, lieber Herr, nennen Sie die Reichtümer Ihres Schützlings und knausern Sie nicht; denn unser Freund Gratien ist reich, obschon er nur Unterlieutenant ist. – Doch da bringt Ihnen der Kellner die bestellte Bavaroise. Trinken Sie zuerst, damit Ihre Anträge recht süß werden.«

Der Chevalier hörte lächelnd zu, rührte das Getränk langsam mit dem Löffel um, setzte das Glas an den Mund, trank mit langsamen Zügen, stellte das Glas wieder auf den Tisch, wischte sich mit einem Batisttuch sorgfältig den Mund ab und wandte sich endlich an Gratien:

»Ich habe über den Antrag nachgedacht, den ich Ihnen vorgestern machen zu müssen glaubte; ich finde jetzt, dass es lächerlich von mir war, auf die gerechte, ehrliche, natürliche Handlung, die ich von Ihrer Gewissenhaftigkeit verlange, einen Preis zu setzen.«

»Da haben Sie vollkommen Recht,« sagte Louville mit scheinbarem Ernst.

»Merken Sie wohl,« fuhr, der Chevalier fort, »dass ich im Stande bin, Therese auszustatten; aber ich würde dadurch Ihr Zartgefühl verletzen, und es würde mich nicht wundern, wenn der Antrag, den ich Ihnen gemacht, die einzige Ursache Ihrer abschlägigen Antwort gewesen wäre. Heute sage ich Ihnen vielmehr: Therese hat keinen Namen und kein Vermögen; aber Sie haben sie entehrt – und dies war keineswegs eine aus gegenseitiger Zuneigung hervorgegangene Verirrung, nein, Sie nahmen zu dem niedrigsten, empörendsten Betrug Ihre Zuflucht. Sie können, Sie dürfen sich daher nicht weigern, dem mahnenden Ruf der Pflicht zu gehorchen.«

»Bravo! das sind unwiderlegliche Gründe, » höhnte Louville. »Jetzt hast Du das Wort, Gratien. Verteidige Dich, mit deiner Sache steht’s schlecht, ich sage es Dir im voraus. Denke Dir also, Du standest vor den Geschworenen und ich wäre der Präsident.«

»Meine Antwort ist kurz, lieber Freund,« erwiderte Gratien, mit einer gewissen Würde. »Ich erkläre dem Herrn Chevalier« – dabei machte der junge Mann eine leichte Verbeugung – »dass mein Entschluss durch Schmähungen ebenso wenig erschüttert wird wie durch Versprechungen. Ob Therese reich oder arm ist, gilt mir gleich, und ich sehe nur noch hinzu, dass nur die grauen Haare des Herrn Chevalier mich abhalten, einige seiner Worte in ganz anderer Weise zu beantworten.«

»O tun Sie sich gar keinen Zwang an, mein lieber Herr,« sagte der Chevalier; »es kann Ihnen ja ziemlich gleichgültig sein, ob mein Kopf grau oder braun oder blond ist, wenn er nur bereit ist, sich vor die Mündung Ihres Pistols oder vor die Spitze Ihres Degens zu stellen.«

»Hörst Du wohl, Gratien? der Chevalier wird, kriegerisch gestimmt.« »Das wundert Sie, lieber Herr Louville?« sagte der Chevalier mit der größten Gelassenheit. »Glauben Sie etwa, der Mut sei nur Unbesonnenheit oder Prahlerei?«

»Nun, das ist etwas Anderes,« sagte Gratien.

Der Chevalier, der immerfort lächelte, wandte sich wieder zu ihm.

»Sie hatten also wirklich die Absicht, mich zu beleidigen?« fragte ihn der junge Cavalier.

»Es hat mich nicht gekümmert, ob meine Worte Sie beleidigen könnten oder nicht,« erwiderte der Chevalier; » ich habe mich der Ihnen anstößigen Ausdrücke bedient, weil sie Ihr Benehmen deutlich bezeichneten.«

»Kurz und gut, Herr Chevalier, Sie sind heute Sonnabends hierher gekommen, um mir in Gegenwart meiner Kameraden zu sagen: »Sie müssen Therese heiraten oder Sie haben’s mit mir zu tun?«

»Jawohl, Herr Baron.«

Dann schlug er mit dem Löffel auf sein Glas und rief:

»Gareon, noch eine Bavaroise!«

»Nein, nein!« sagte Gratien.

»Wie? nein!«

»Ein Duell mit Ihnen wäre zu lächerlich.«

»Finden Sie das wirklich?«

»Ja,«

»Sie finden, das, es lächerlich sein würde, einen Mann zu töten, der Ihnen sehr wohl den Degen in die Brust stoßen oder eine Kugel durch den Kopf jagen könnte? Und Sie finden es nicht feig und erbärmlich, eine widerliche List anzuwenden, um einen wehrlosen Mädchen mehr als das Leben – das Einzige, was ich im Kampf mit Ihnen auf’s Spiel, setze – um ihr die Ehre zu rauben! Das ist sehr unlogisch, Herr Baron. – Schönen Dank, Gareon!«

Diese letzten Worte galten dem Diener, der dem Chevalier eine zweite Baoaroise brachte.

»Nun gut,« sagte Gratien nach kurzem Besinnen und vielleicht mehr erbittert über die Gelassenheit des Chevaliers, als über die Beleidigungen, die ihm dieser gesagt hatte. »Entfernen Sie sich, da Sie es durchaus wollen.«

»Sie wollen Therese heiraten?«

»Nein, Herr Chevalier, aber Sie sollen Ihre Vermessenheit mit dem Leben büßen.«

»Glauben Sie?« erwiderte der Chevalier, indem er seine Bavaroise umrührte, ohne dass seine Hand im mindesten zitterte, »Es ist eine Frage, deren Lösung wir morgen erwarten müssen. Sprechen Sie nicht über die Zukunft ab, Sie könnten sich sehr irren. Es bleibt also dabei, wir schlagen uns?«

»Allerdings,« antwortete Gratien, der seinen Zorn kaum zu unterdrücken vermochte; »Sie müssten denn Ihre beleidigenden Worte zurücknehmen.«

Gratien d’Elbéne wollte dem Chevalier diesen letzten Ausweg offen lassen, denn er entschloss sich nur sehr ungern zu diesem Duell, das ihn nicht nur lächerlich machte, sondern seine ganze Handlungsweise in einem gehässigen Lichte erscheinen ließ.

»Zurücknehmen?« sagte der Chevalier, indem er sein Glas an den Mund setzte und langsam die Bavaroise schlürfte. »Sie kennen mich schlecht, mein lieber Herr Gratien; ich entschließe mich sehr langsam, aber sobald ich einen Entschluss gefasst habe, mache ich es wie Wilhelm der Eroberer, ich verbrenne meine Schiffe.«

Bei diesem Worte schleuderte er dem jungen Offizier den Überrest seiner Bavaroise ins Gesicht. Gratien d’Elbéne wollte auf den alten Mann zustürzen aber seine Freunde, zumal Louville, hielten ihn zurück.

»Ihre Zeugen – Ihre Zeugen!« sagte Gratien wütend.

»Morgen Früh,« erwiderte der Chevalier, »werden sich meine Zeugen mit den Ihrigen verständigen.«

»Wo und wann?«

»Zwischen zwölf und ein Uhr in den Tuilerien, auf der Terrasse der Feuillans, gegenüber dem Hotel de Londres, wo ich wohne.«

»Ihre Waffen?«

»Meine Waffen? Als Militär sollten Sie die Duellregeln besser kennen. Sie sind der Beleidigte und haben mir daher Ihre Bedingungen durch Ihre Zeugen mitzuteilen.«

»Gut,« erwiderte Gratien. »Und Sie. meine Herren, nehme ich zu Zeugen, dass der alte Mann den Streit gesucht und daher für die Folgen verantwortlich ist.«

Der junge Offizier verließ, von seinen Freunden gefolgt, das Kaffeehaus. Der Chevalier blieb allein zurück und trank den letzten Rest seiner Bavaroise aus. Dann stand er auf, nahm seinen Regenschirm aus der Fensterecke und sagte leise für sich:

»Schade, dass sich der einfältige Black hat stehlen lassen! Dumesnil wäre gewiss zufrieden mit mir gewesen, wenn er mich hätte sehen können.«

IX
Wo der Chevalier findet, was er suchte und nicht suchte

Der Chevalier de la Graverie verließ das holländische Kaffeehaus in ganz anderer Verfassung, als er gekommen war.

Sein Hut, der gewöhnlich ganz senkrecht zur Gesichtsachse und etwas in die Augen gedrückt saß, hatte eine schiefe Stellung angenommen, die ihm ein unternehmendes und so gar etwas rauflustiges Aussehen gab.

Eine Hand spielte in der Hosentasche mit einigen Louisd’or, deren renommistisches Geklimper man deutlich hörte; die andere beschrieb mit dem Regenschirm kunstgerechte Quarten und fein berechnete Finten.

Er, der gemeiniglich vor sich nieder sah, auf dem Trottoir einem Kind aus dem Wege ging, trug den Kopf hoch und den Körper gerade und schien zu erwarten, dass ihm alte Vorübergehenden auswichen. Und dies taten die Leute wirklich, einige aus Achtung vor seinem Alter, andere aus Ehrerbietung vor seinem Ordenskreuz, noch andere endlich, weil ihnen die zuversichtliche Haltung des Chevaliers wirklich imponierte.

Er kam anfangs in Versuchung, in einen Tabakladen zu treten und eine Zigarre zu kaufen, obgleich er gegen das narkotische Kraut immer eine unüberwindliche Abneigung gehabt hatte. Er hielt eine Zigarre für eine notwendige Zugabe seiner neuen Haltung, bei welcher er sich seinen Freund Dumesnil zum Muster nahm.

Aber glücklicherweise erinnerte er sich, dass ihm eines Abends in Papeite, als er der hübschen Tahitierin eine Zigarette aus dem Munde genommen und einige Züge geraucht hatte, entsetzlich übel geworden war und dass er sich erst nach drei Tagen völlig wieder erholt hatte.

Er dachte, ein solches Schauspiel seinen Feinden gegeben, könne seinen eben errungenen Ruf gefährden, und er verzichtete auf diese Grille.

Der Chevalier begnügte sich also mit einer imponierenden Haltung, als Ausdruck seines Selbstgefühls, und begab sich wieder in den Gasthof.

Jetzt müssen wir als wahrheitsliebender Geschichtsschreiber gestehen, dass der Chevalier de la Graverie ungeachtet der inneren Befriedigung, mit welcher er an sein ritterliches Benehmen gegen Gratien d’Elbéne zurückdachte, eine unruhige Nacht hatte. Seine Schlaflosigkeit war keineswegs eine Folge der Furcht vor dem Tode oder dem Schmerz; er wurde durch zwei andere Dinge beunruhigt: durch das Schicksal Theresens für den Fall, dass ihm etwas Menschliches begegnen würde, und durch die Besorgnis, dass er auf dem Kampfplatz die Fassung verlieren möchte.

Über Theresens Zukunft beruhigte er sich einigermaßen durch das Versprechen, welches ihm Henri d’Elbéne gegeben: ein Versprechen, das für diesen noch heiliger werden musste, wenn er seine Schutzbefohlene kennen lernen würde.

Überdies hoffte er, trotz den Drohungen seines Bruders . die Zukunft Theresens durch ein eigenhändig geschriebenes Testament zu sichern.

Es blieb noch das Duell übrig.

Einige Stunden einsamen Nachdenkens hatten das Blut des Chevaliers abgekühlt, und obgleich sein Entschluss nicht wankte, bedurfte er doch seiner ganzen Besonnenheit, um sich zu erheitern.

Leider war’s eine schwere Aufgabe, je mehr Mühe sich der Chevalier gab, sich selbst zu beweisen, dass er alle Ursache Habe, ruhig zu sein, desto ungestümer stürmten die düsteren Gedanken auf ihn ein.

Alles was er einige Stunden früher kaum der Beachtung wert gehalten hatte, schien ihm jetzt so süß, so schätzenswert, so anlockend, dass er seine Gedanken nicht davon abwenden konnte.

Alle Freuden und Genüsse seines früheren Lebens begannen in seiner Erinnerung gar verführerisch zu gaukeln und zu tanzen, und es war ihm, als ob sie ihm mit wehmütiger Stimme zuriefen: »Adieu, Chevalier, Du wirst uns nun bald verlieren. Du hättest uns so schön an Dick fesseln können, wenn Du nicht den jungen Raufbold, den Rächer der bedrängten Unschuld, den Don Quixote gespielt hättest!«

Der Chevalier fand dieses Gaukelspiel seiner Phantasie ,höchst unangenehm.

Zugleich erblickte sein geistiges Auge in der Ferne ein wahres Chaos, welches mit den im Vordergründe tanzenden Gestalten harmonieren zu wollen schien.

Er fühlte die kalte Hand des Todes erst leise seine Haut berühren und dann allmählich immer tiefer in seine Brust greifen.

Es schien ihm, als ob die Geister aus der andern Welt herabschwebten, um seine irdische Hülle zu holen; er fühlte auf seinem Gesicht das Wehen der Riesensittige von flattern den Fledermäusen.

Das mindeste Geräusch, das er in der Nähe hörte, war für ihn das Klopfen eines Hammers, der die Nägel zu seinem Sarg einschlug.

Er wachte – aber trotzdem träumte er, man lege ihn in die Erde. und er hörte deutlich das Gepolter der auf seinen Sarg fallenden Erdschollen und Steine.

Er fühlte das Gewürm des Grabes in die Falten des Leichentuches kriechen, und seine Glieder bebten im Voraus, als er an die feuchtkalte Berührung dachte.

Die Nacht schien ihm unendlich lang, und sobald er den Tag grauen sah, sprang er, seiner Gewohnheit zuwider, aus dem Bette.

»Ich bin wirklich nicht zum Helden geschaffen,« sagte er schlotternd. »Nun, ich werde in meinen eigenen Augen nur um so mehr Verdienst haben, wenn ich mich gut halte. Aber es ist doch sonderbar: gestern hatte ich nicht die mindeste Furcht – und jetzt überläuft michs eiskalt. Ich kann doch nicht zu jeder Stunde des Tages Jemanden herausfordern, um meinen Mut in der gehörigen Temperatur zu erhalten —«

Um diese entmutigenden Gedanken zu verscheuchen, entschloss sich der Chevalier, an Henri d’Elbéne zu schreiben, ohne ihm seinen Gegner zu nennen, dass das Duell aller Wahrscheinlichkeit nach am andern Morgen um acht Uhr stattfinden werde, weshalb er ihn ersuche, ihn um sieben Uhr abzuholen.

Er wollte ihn mit den Offizieren, die ihm Alles gesagt haben würden, durchaus nicht in Berührung bringen, und bis zum andern Morgen oder vielmehr bis zu der Stunde, wo sich die Sekundanten besprechen sollten, hoffte er einen zweiten Zeugen zu finden, der mit den Sekundanten Gratiens die Bedingungen des Kampfes feststellen würde.

Als er den Brief geschrieben und gesiegelt hatte, ging er fort, um ihn selbst auf die Post zu tragen. In wichtigen Dingen verließ sich der Chevalier gern auf sich selbst. In der Haustür begegnete ihm der Mann, der ihm versprochen hatte Black aufzufinden.

»Oho! schon aufgestanden, Monsieur?« sagte Pierre Marteau, ihn anredend.

»Man muss sagen, der Hund ist glücklicher als viele Leute. Ich kann mich verirren und Niemand wird deshalb eine schlaflose Nacht haben. Aber es wird bald die Stunde sein —«

»Was für eine Stunde?« fragte der Chevalier, der seine Gedanken noch nicht recht beisammen hatte.

»Die Stunde, in welcher ich Sie wieder in den Besitz Ihres Hundes zu setzen hoffe.«

»Habt Ihr ihn gesehen? Führt mich zu ihm, mein lieber Mann! Wenn ich meinen lieben Dumesnil bei mir hätte, würde ich mich gewiss vor Niemand mehr fürchten.«

»Nur Geduld, wir wollen uns vorsichtig dem Orte’ nähern, wo er ist, und Sie werden sehen, dass ich nicht gelogen habe,«

»Wohin gehen wir denn?«

»Auf den Hundemarkt. Wohin denn sonst? Glauben Sie denn, dass der Spitzbube, der ihn eingefangen hat, Reliquien daraus machen will?«

»Aber was ist zu tun?«

»Die Sache verhält sich so: Niemand hat den Hund zurückverlangt; man hat weder Anschlagzettel, noch Ankündigungen, noch eine Belohnung gesehen; man ist also ganz ruhig. Verlassen Sie sich auf mein Wort: Ihr Hund ist jetzt, wie wir Beide, auf dem Wege zur Barriere von Fontainebleau.«

An dieser Barriere wird wirklich jeden Sonntag, Mittwoch und Freitag der Pferdemarkt gehalten, und mit demselben ist ein Hundemarkt verbunden. Zwei Maler, von denen der eine im blühendsten Alter gestorben ist, Alphons Giroui und Rosa Bonheur, das Mädchen mit dem lieblichen Namen und dem kräftigen Talent, haben zwei Bilder geschaffen, welche, bei aller Verschiedenheit der Auffassung, dieses pittoreske Schauspiel sehr treffend darstellen.

Übrigens bemerken wir zur Erbauung der Leser, die sich leicht durch Benennungen irreführen lassen, dass man die prächtigen Tiere, die in den Straßen von Paris und im Gehölz von Boulogne bewundert werden, keineswegs auf dem Pferdemarkt suchen muss.

Der Pferdemarkt huldigt wesentlich dem Nützlichkeitsprinzip; Schönheit, Feinheit der Formen, edle Race werden hier nicht im mindesten geschätzt; man sucht hier nur Arbeitsmaschinen zu möglichst billigen Preisen. Abgesehen von einigen tüchtigen Ackerpferden findet man nur abgehetzte, buglahme Gestalten, deren Sehnen die Spekulation auf dem Pariser Pflaster, der qualvollsten »Pferdehölle« bereits zu Geld gemacht hat, und die um einige Thaler losgeschlagen werden, ehe sie auf den großen Anger von Montfaucon kommen.

Am meisten hat man sich auf dem Pferdemarkt vor den anscheinend gesunden und fehlerfreien Tieren zu hüten man kann fast darauf zählen. dass sie Krippensetzer sind oder den Koller haben.

Ungeachtet des kläglichen Aussehens der einzelnen Pferde, mit denen dieser Bazar angefüllt ist, bietet das ganze Bild manches Interessante man lässt ein Pferd, das um dreißig Francs zu haben ist, mit obligatem Accomvagnement von Peitschenhieben galoppieren und traben, gerade wie man ein Vollblutpferd zu tausend Thaler vorführt, Es werden dieselben Kunstgriffe angewandt, man hört dieselben Ausdrücke, dieselben Beteuerungen wie bei den renommierten Pferdehändlern, und der Markt an der Barriere von Fontainebleau ist bei weitem pittoreske als der in den Champs-EIyfées.

Mit diesem Pferdemarkt ist, wie schon erwähnt, der. Hundemarkt verbunden.

Der Hundehandel würde, wenn er in den Grenzen der Ehrlichkeit bliebe, ein ziemlich armseliger Erwerb sein. Aber da Jedermann von seinem Geschäft leben muss, so suchen die Hundehändler das ihrige so gewinnreich wie möglich zu machen. Statt Hunde aufzuziehen und dadurch an Betriebskosten zu sechs Francs monatlich berechnet, in Jahresfrist zweiundsiebzig Francs auszulegen, finden sie es bei weitem einfacher und vorteilhafter, erwachsene, wohlerzogene Hunde auf der Straße aufzufangen und zum Verkauf anszubieten.

Da aber die herrenlos umherirrenden Hunde immer seltener werden, so wendet man alle möglichen Kunstgriffe an, um ihrer habhaft zu werden; einen solchen Kunstgriff haben wir bei dein Raube Blacks gesehen.

Der Hundemarkt, der uns zu dieser gelehrten, wenn auch kurzen Abhandlung verleitet hat, wird in den Seitenalleen des Platzes gehalten. Einige dieser interessanten Vierfüßler sind an Pfählen festgebunden. Die kleineren sitzen in Käsigen. Die großen spazieren mit ihren Herren, oder vielmehr mit denen, die es in Folge der mannigfaltigsten und zufälligsten Umstände geworden sind.

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Дата выхода на Литрес:
04 декабря 2019
Объем:
370 стр. 1 иллюстрация
Правообладатель:
Public Domain

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