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Читать книгу: «Black», страница 16

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III
Wo der Chevalier de la Graverie nach Paris abreist

Eines Tages, als Therese mehr leidend gewesen war, als an den vorhergehenden Tagen, und der Chevalier einen guten Vorwand hatte, von seiner Reise kein Wort zu sprechen, begab sich die Kranke gegen sieben Uhr Abends zur Ruhe, indem sie dem Chevalier das Versprechen abnahm den Spaziergang, den er heute nicht im Sonnenschein gemacht hatte, im Mondscheine zu machen.

Er versprach es, – Dieser tägliche Spaziergang war wirklich für seine Gesundheit notwendig, und da das Wetter schön war und Black schon längst wedelnd an der Tür wartete, so nahm der Chevalier Hut, Stock und Handschuhe und ging fort.

Er machte natürlich die Runde um die Stadt, eine andere Promenade gab es für ihn nicht.

Gegen halb zehn Uhr Abends hatte er die Runde gemacht. Auf dem Heimwege bemerkte er den Postwagen, der eben die Pferde wechselte.

»Wenn Therese heute nicht leidender gewesen wäre, als gestern, so würde ich einen Platz nach Paris genommen haben,« sagte er zu sich selbst und ging auf den Postwagen zu.

Warum er dies tat? Alle Provinzbewohner sind mehr oder weniger Bummler: der Pferdewechsel vor dem Posthaus, ein ankommender Reisewagen hat für sie so großen Reiz, dass die Post selbst und die nahen Kaffeehäuser in vielen Städten die Sammelplätze aller Müßiggänger, der zu musternden unbekannten Gesichter, der Vermutungen und Klatschereien sind. Das Rasseln der Räder auf dem Straßenpflaster, das Schellengeklingel, das Fluchen der Postillione, das Hundegebell ist eine willkommene Zerstreuung für leere oder vollgepfropfte Köpfe. Die Eintönigkeit einer Provinzstadt wird ja in der Regel nur durch die Ankunft und die Abreise von Fremden unterbrochen, und der Chevalier de la Graverie hatte schon zu lange in Chartres gewohnt, als dass er die sich darbietende Zerstreuung hätte unbenutzt lassen sollen.

Er trat also auf den Postwagen zu, als der Stallknecht eben das letzte Pferd angespannt hatte und der Postillion die Zügel ergriff, um die Pferde für die bald erfolgende Abfahrt bereit zu halten.

Der Conducteur, seinen Briefsack unter dem Arm tragend, ging rasch zwischen dem Chevalier und dem Wagen hindurch, und stieg in sein Cabriolet und gab das Zeichen zur Abfahrt.

Der Postillion hieb auf die Pferde ein, der Wagen setzte sich in Bewegung und durch den Ruck tat sich die schlecht verschlossene Wagentür auf.

Black stand neben dem Postwagen; seine Stellung schien anzudeuten, dass er im Innern des Wagens etwas wittere.

Der Chevalier, der es bemerkte, rief den Hund; aber zu seinem größten Erstaunen sprang Black durch den offenen Schlag in den Wagen und überhäufte einen in einen großen Mantel gehüllten Reisenden mit Liebkosungen.

Das Erstaunen des Chevaliers wurde zur Bestürzung, als eine Hand aus dem Mantel hervorkam und die Wagentür zuschlug. Dabei sagte eine Stimme:

»Ah! Bist Du es. Black?«

Der Wagen fuhr ab.

Das mit der Abfahrt eines schweren Wagens immer verbundene Getöse weckte den Chevalier aus seiner Erstarrung.

Der Postwagen, der ihm seinen Liebling entführte, war bereits zwanzig Schritte entfernt.

»Conducteur!« rief er nacheilend; »man nimmt mir meinen Hund! Black ist im Wagen – Halt, Conducteur!«

Das Rasseln des schweren Wagens auf dem Steinpflaster war lauter als die Stimme des Chevaliers; der Conducteur hörte nicht.

In Verzweiflung über den Verlust seines Lieblings, der sich einem Fremden mit so großer Vorliebe angeschlossen, und hinter dieser unerwarteten Erkennung ein Geheimnis ahnend, welches vielleicht für Therese von Wichtigkeit war, dachte der Chevalier weder an sein Alter noch an die Anwandlungen von Podagra, die ihn zuweilen plagten, und lief hinter dem Wagen her.

Aber der Postwagen hatte in dem Personal seiner vier Pferde sechzehn kräftige kerngesunde Füße, der eine Fuß des armen Dieudonné hingegen war nicht ganz kapitelfest; er würde die gouvernementale Arche also gewiss nicht eingeholt haben, wenn diese nicht durch einen eben unter dem Thor befindlichen Lastwagen zum Anhalten gezwungen worden wäre. Der Chevalier de la Graverie benutzte das willkommene Hindernis, sprang auf den Wagentritt und hielt sich mit der einen Hand am Schlage, mit der andern an einem Riemen.

Sprechen konnte er nicht, er war durch den raschen Lauf so außer Atem gekommen, dass er kein Wort hervorzubringen vermochte.

Sobald er auf dem Wagentritt stand und sich festhielt, war er ruhig: er konnte nun mitfahren, und überdies wusste er, dass unmittelbar außerhalb der Vorstadt ein steiler Berg war, den der Postwagen nur im Schritt erklimmen konnte. Dort konnte er, nachdem er wieder zu Atem gekommen, das Kapitel der Reklamationen zur Sprache bringen.

Der Chevalier hatte Alles richtig berechnet: während der Fahrt durch die Vorstadt, wo er auf dem Wagentritt stehen blieb, schöpfte er Atem, und am Fuße des Berges wurde zuerst in kurzem Trabe, dann im Schritte gefahren.

Schon seit einer Weile, während der Chevalier von draußen in den Wagen schaute, hatte Black die Vorderfüße auf die Tür gestellt und schaute mit der Heiterkeit eines Passagiers, der seinen Platz bezahlt hat, in die schöne mondhelle Nacht hinaus.

Der Chevalier de la Graverie, der im Grunde nur seinen Hund und am liebsten ohne Wortwechsel wieder haben wollte, sprang zurück auf die Landstraße und rief Black, in der Erwartung, sein Liebling werde ihm auf dem Fuße folgen.

Black machte wirklich eine Bewegung, um aus dem Wagen zu springen, aber eine kräftige Hand hielt ihn am Halsbande fest und zog ihn in den Wagen zurück.

»Black! rief der Chevalier mit einem Nachdruck, der dem Hunde nur die Wahl zwischen schnellem Gehorsam oder unbedingter Widersetzlichkeit ließ.

»Warum rufen Sie meinen Hund?« sagte eine Stimme im Wagen; »soll er sich etwa auf dem Steinpflaster den Hals brechen?«

»Was! Ihr Hund?« erwiderte der Chevalier bestürzt.

»Jawohl, mein Hund,« antwortete die Stimme.

»Das ist zu arg!« eiferte der Chevalier. »Sie müssen wissen, dass Black mir gehört.«

»Wenn das ist, so müssen Sie ihn seiner Herrin gestohlen haben.«

»Seiner Herrin!« erwiderte der Chevalier höchst erstaunt und immer neben dem Postwagen her trabend. »Können Sie mir ihren Namen nennen?«

»Entschließe Dich,« sagte eine andere Stimme: »gib dem alten Narren seinen Hund zurück, oder schicke ihn fort, damit man Ruhe hat; in einer solchen Nacht muss man schlafen, zumal im Postwagen.«

»Ich behalte Black,« sagte die andere Stimme.

Diese doppelte Herausforderung wirkte auf den Chevalier wie ein elektrischer Schlag.

Seine durch den raschen Lauf schon gereizten Nerven wurden krampfhaft aufgeregt, und ohne zu bedenken, dass er sich einer doppelten Gefahr aussetzte, wenn er auf offener Straße Streit anging und sich an einen Postwagen klammerte, der sich jeden Augenblick wieder in raschen Trab setzen konnte, versuchte er die Wagentür zu öffnen, und als es ihm nicht gelang, sprang er wieder auf den Tritt und schaute in den Wagen.

»Sie nennen mich einen alten Narren!« sagte er; »Sie wollen Black behalten? das wollen wir doch sehen!«

»O! das werden wir bald sehen!« erwiderte der eine Passagier, der von einer Ausgleichung nichts wissen wollte.

Er fasste den Chevalier beim Kragen und stieß ihn zurück.

, Aber der Wunsch, seinen Liebling zu behalten, gab dem Chevalier doppelte Kraft, er hielt sich fest und wich nicht von seinem Platz.

»Nehmen Sie sich in Acht, mein Herr,« warnte der Chevalier; »unter Edelleuten oder Militärpersonen —«

»Das kommt aufs Gleiche hinaus, unterbrach ihn der Passagier.

»Nicht immer,« erwiderte der Chevalier; »unter Edelleuten und Militärpersonen ist jede Berührung eine Ehrenbeleidigung, die nur —

»Nach Belieben,« sagte der Passagier; »wenn Sie weiter nichts wünschen, so erkenne ich an, dass ich Sie berührt habe.«

Der Chevalier griff in die Tasche, um dem Fremden seine Karte zu reichen, da sagte der andere Passagier, der gern den Vermittler spielen zu wollen schien, ernst verweisend:

»Bouville! bedenke doch, ein alter Mann!«

»Sacrebleu!« war die Antwort, »was liegt mir daran, wer mich aus dem Schlafe weckt! Er ist mein Feind, gleichviel ob er jung oder alt ist.«

»Dieser alte Mann, Herr Offizier,« sagte der Chevalier, »ist ein Offizier wie Sie und überdies Ritter des Ludwigsordens. Hier ist meine Karte.«

Aber der junge Mann mit der begütigenden Stimme nahm die Karte, schob seinen Freund aus einer Ecke in die’ andere und sagte:

»Nimm meinen Platz ein und überlaß mir den deinigen.«

Der rauflustige Offizier willigte murrend ein.

»Ich bitte im Namen meines Kameraden um Entschuldigung, mein Herr; er ist sonst ein gebildeter junger Mann, aber um seine Bildung zu zeigen, muss er wach sein, und zum Unglück schläft er jetzt.«

»Das lässt sich hören,« erwiderte der Chevalier; »aber Sie haben sich erklärt, dass Sie Black behalten wollen.«

»Ja wohl, das habe ich gesagt.«

»Und ich sage Ihnen, geben Sie mir Black zurück; ich will ihn haben, er gehört mir.«

»Black gehört so wenig Ihnen als mir. er ist Theresens Eigentum.«

»Wie! Theresens Eigentum?«

Der junge Offizier hatte sich der Wagentür genähert. Der Chevalier, den der Name Therese schon sehr in Erstaunen gesetzt hatte, erkannte zu seiner Verwunderung den Passagier.

Es war Gratien, der Therese ins Unglück gestürzt hatte der andere Offizier war Louville, der ihn zu diesem Verbrechen verleitet hatte.

Der Chevalier war so betroffen, dass er eine Weile kein Wort hervorbringen konnte. In diesem Zusammentreffen war eine Fügung der Vorsehung nicht zu verkennen. Sein erstes Gefühl war Dankbarkeit gegen Black, er fasste liebkosend mit beiden Händen den Kopf des Hundes.

»O! setzt kann ich nicht mehr zweifeln,« sagte er tief bewegt, »Du bist mein guter Dumesnil! Ja, Du bist es; Du hast mir mein Kind zugeführt, und willst mir jetzt behilflich sein, ihr die Ehre wiederzugeben, und ihre Zukunft zu sichern.«

»Bei des Teufels Hörnern!« fluchte der andere Offizier, der seine gewöhnlichen Fluch für ein so ungewohntes Ereignis nicht genügend fand; »der Mensch ist verrückt, und ich will den Conducteur rufen, um ihn von dem Tritt hinunterzuwerfen. Conducteur! Conducteur!«

»Louville!« wiederholte sein Begleiter, der diese unziemlichen Worte um so mehr bedauerte, da er wusste, dass der Fremde, der ihm seine Karte gegeben hatte, ein Edelmann war.

Aber der Conducteur. hatte den Ruf gehört. Er steckte den Kopf zum Cabriolet heraus, sah einen sich an die Wagentür festklammernden Mann und hielt ihn für einen Räuber, der die Reisenden ausplündern wolle.

Er stieg daher ab, ohne den Wagen anhalten zu lassen, und stieß den Chevalier unsanft zurück.

»Nur nicht so grob, Pinaud.« sagte der Letztere.

Pinaud war einer von den Courieren, welche vormals, als der Chevalier noch ein Gaumenkünstler war, verschiedene Delikatessen für seine Küche zu liefern pflegten.

Pinaud sah ihn ganz erstaunt an.

»Ei ja,« setzte der Chevalier hinzu, »wir sind alte Bekannte.«

»Sie, Herr Chevalier,« sagte der Conducteur, »so spät auf der Landstraße!«

»Ja wohl, wie Sie sehen.«

»Ich sehe es wohl; aber wer hätte das gedacht! Fürchten Sie denn nicht mehr die feuchte Nachtluft und den Wind?«

»Ich fürchte gar nichts mehr, Pinaud,« sagte der Chevalier, der in seiner Aufregung, wie Don Quixote, mit einer Windmühle Streit angefangen haben würde.

»Aber was haben Sie denn so spät hier auf der Landstraße zu tun?«

»Ich habe mit den Herren zu reden; lassen Sie den Postwagen zehn Minuten halten.«

»Das geht nicht an, Herr Chevalier; ich muss zur bestimmten Zeit auf der nächsten Station eintreffen, und der Wagen hat sich ohnedies schon etwas verspätet. Sie sollten einsteigen. Es sitzen nur zwei Herren im Wagen, folglich sind noch zwei Plätze leer. Sie können ja in Maintenon aussteigen und morgen Früh mit dem von Paris kommenden Postwagen nach Chartres zurückfahren.«

»Ich soll um zwei Uhr in der Nacht aufstehen! Nein, Pinaud, das ist meinen Gewohnheiten zuwider. Aber so ganz übel ist deine Idee nicht, ich muss nach Paris reisen, aber ich habe die Reise von einem Tage zum andern verschoben – jetzt bin ich entschlossen einzusteigen und die ganze Fahrt bis Paris mitzumachen.«

»Sie wollen nach Paris reisen, und haben nicht schon vor acht Tagen auf dem Postamt Ihren Platz bezahlt, um einen Eckplatz zu bekommen und nicht rückwärts fahren zu müssen! Fürwahr, die Leute haben Recht, Herr Chevalier: Sie sind nicht mehr zu erkennen. – Steigen Sie ein,« setzte er hinzu, indem er auf eine Feder drückte und die Wagentür aufmachte. »Wenn einer von den Herren eine Schöne wäre, wie die, welche Sie in Ihr Haus genommen haben, so würde ich diesen Vorfall ganz begreiflich finden, und ich würde Sie um Lösung dieses Rätsels ersuchen, wenn ich nicht vier Lieues in der Stunde zurücklegen müsste.«

Der Chevalier de la Graverie stieg in den Postwagen und sank erschöpft auf den Vordersitz, während der Hund mit den Vorderfüßen auf seinen Schoß stieg und ihm die Wangen leckte.

IV
Was sich im Postwagen zutrug und was für ein Gespräch darin geführt wurde

Die beiden Offiziere hatten den Chevalier de la Graverie ohne Widerrede im Postwagen Platz nehmen lassen. Louville, der sich in seinen Mantel gehüllt und in eine Ecke gedrückt hatte, war sogar eingeschlafen, oder hatte sich wenigstens so gestellt, Gratien hingegen hatte mit Aufmerksamkeit und Unruhe alle Bewegungen des Chevaliers beobachtet. Der junge Offizier schien zu ahnen, dass unter der scheinbar harmlosen Außenseite ein gefährlicher Feind verborgen sei. Er wollte daher ein Gespräch anknüpfen, sobald der Chevalier seinen Platz eingenommen hatte.

Aber der Chevalier streckte die Hand aus und sagte:

»Erlauben Sie mir Atem zu schöpfen und mich zu erholen; denn ich gestehe, dass ich an solche Wettrennen und Gemütsbewegungen nicht gewöhnt bin. Später können wir plaudern, wie Sie zu wünschen scheinen; aber wir werden vielleicht ernster mit einander reden als Sie erwarten. Fürwahr, Pinaud hat mir einen großen Dienst erwiesen, dass er den Wagen anhalten ließ: meine Kräfte waren erschöpft und ich war schon im Begriff, die Wagentür loszulassen und auf die Landstraße zu fallen – und dies hätte in meinem Alter bedenkliche Folgen haben können.«

»Es ist wahr,« erwiderte der Offizier, »für solch gymnastische Übungen sind Sie nicht mehr jung genug.«

»Ich kann meinerseits wohl die Bemerkung machen,« entgegnete der Chevalier, »aber ich werde nicht dulden, dass Sie sich diese Bemerkung erlauben.«

»Beim Himmel,« lachte Gratien, »wenn Sie nicht verrückt sind, so sind Sie wenigstens ein origineller Kauz!«

»Er ist verrückt,« grunzte Louville aus seinem Mantel heraus.

»Mein Herr,« sagte der Chevalier, sich an Louville wendend, »mit Ihnen habe ich nichts zu tun; für jetzt spreche ich nur mit Herrn Gratien.«

»Ei, Sie scheinen mich zu kennen?« sagte Gratien.

»Allerdings, ich kenne Sie seit langer Zeit.«

»Doch nicht von der Schule her?« fragte der junge Offizier lachend.

»Ich wünschte,« erwiderte der Chevalier, »dass Sie in der Schule oder anderswo dieselbe Erziehung erhalten hätten die ich erhalten habe; es würde weder Ihrer Höflichkeit noch Ihren Sitten geschadet haben.«

»Bravo, Chevalier,« lachte Louville, »lesen Sie ihm tüchtig den Text.«

»Mit Vergnügen, mein Herr; denn Ihr Freund hat ungeachtet seiner schlechten Erziehung ein gutes, unverdorbenes Herz und dies macht mir einige Hoffnung, dass ich nicht tauben Ohren predige.«

»Bei nur hingegen —«

»Werde ich so wenig das Herz wie den Wuchs zu bilden suchen, ich würde zu spät kommen, um noch etwas zu bessern.«

»Bravo, Chevalier!« sagte Gratien, seinen Kameraden parodierend; »stecke das ein.«

»Ja, wenn noch Platz in seiner Tasche ist.« setzte der Chevalier hinzu.

»Was,« sagte Louville und steckte eine Hand aus dem Mantel, um sich den Schnurrbart zu drehen, »sind Sie etwa in den Postwagen gestiegen, um uns zu foppen?«

»Nein, ich bin eingestiegen, um ein ernstes Wort zu reden. Deshalb werde ich Sie ersuchen, sich jeder Einmischung in das Gespräch gefälligst zu enthalten. Denn ich erkläre Ihnen noch einmal, dass ich nur mit Herrn Gratien und nicht mit Ihnen zu tun habe.«

»Ich werde mich also mit Black unterhalten,« sagte Louville, der gern witzig sein wollte.

»Sie können mit Black sprechen, wenn’s Ihnen beliebt,« erwiderte der Chevalier, »aber ich bezweifle, dass Black Ihnen antworten wird, da er Ihre guten Absichten gegen ihn gewiss nicht vergessen hat.«

Jetzt soll ich sogar schlechte Absichten gegen Black haben!« sagte Louville; »warum stellen Sie mich nicht lieber gleich vor die Assisen?«

»Weil die Vergiftung eines Hundes von den Assisen leider nicht als ein Verbrechen bestraft wird, obschon manche Hunde nach meiner Meinung mehr zu beklagen sein würden, als gewisse Menschen.«

»Wahrhaftig, Gratien,« sagte Louville mit erzwungenem Gelächter, »ich kann Dir nicht mehr zürnen, dass Du uns die Ehre der Gesellschaft dieses Herrn verschafft hast; wenn die Reise ein paar Tage dauerte, so würden wir bei der Ankunft gewiss die besten Freunde von der Welt sein; leider aber sind wir in drei bis vier Stunden am Ziel.«

»Bei mir würde gerade das Gegenteil der Fall sein,« antwortete der Chevalier in seiner zugleich gutmütigen und spöttischen Weise, »je länger die Reise dauern würde, desto weniger würde ich Ihnen am Ende zugetan sein, und ich wünsche mir aufrichtig Glück, dass die unsrige nicht von längerer Dauer ist.«

»Mille cigarres!« fluchte der junge Offizier und richtete sich in jener Ecke auf; »sind Sie mit Ihren Impertinenz bald zu Ende?«

»Jetzt werden Sie gar böse,« erwiderte der Chevalier, »weil ich ein bisschen witziger bin als Sie. Bedenken Sie doch, dass ich doppelt so alt bin wie Sie; in meinem Alter würden Sie wahrscheinlich eben so witzig, vielleicht noch witziger sein als ich. Haben Sie nur Geduld, junger Herr; warten Sie, es wird schon kommen.«

»Sie scheinen uns darin unterrichten zu wollen, und wir müssen wohl gute Anlagen haben, sonst würden wir Ihnen nicht seit zehn Minuten ruhig zugehört haben.«

»Sie sprachen von einer ernsten Unterredung,« setzte Gratien hinzu; »ich bin bereit, Ihnen zuzuhören – vorausgesetzt, dass Sie sich von Ihrer Anstrengung genug erholt haben. Bis jetzt scheint die Anstrengung nur Ihre Zunge gespitzt zu haben.«

»Sie werden nachsichtig mit einem alten Manne sein und ihm seine zügellose Sprache verzeihen: die Zunge ist ja in meinem Alter die einzige Waffe, in deren Führung ich Fortschritte gemacht habe, es ist daher natürlich, dass ich einen ausgedehnten Gebrauch davon mache.«

»Gut, erklären Sie sich,« sagte Louville; »die Station ist nicht weit entfernt, und wie interessant auch Ihre Mitheilung sei, so bin ich doch keineswegs in der Stimmung den süßen Schlaf zu opfern, in den man so sanft ein gewiegt wird. Der Postwagen ist die einzige Maschine, die mich an meine Kindheit erinnert: das Rollen der Räder schläfert mich ein, wie ein Wiegenlied. – Lassen Sie hören, was haben Sie uns mitzuteilen?«

»Eine sehr ernste und zugleich geringfügige Angelegenheit – eine jener Angelegenheiten, welche den Herren, die bald hier, bald dort in Garnison liegen, viel Spaß zu machen pflegen, obschon Verzweiflung, Elend oder Selbstmord oft die Folge davon ist. Es handelt sich um eine Verführung, deren sich Herr Gratien schuldig gemacht hat.«

Gratien stutzte; vielleicht würde er geantwortet haben, wenn ihm Louville nicht zuvorgekommen wäre.

»Und Sie nehmen die Schöne von Amtswegen in Schutz?« sagte er; »der Lohn für Ihre Bemühungen wird nicht ausbleiben, denn die Verführte wird gewiss nicht undankbar sein. Mit Don Quixote war es ziemlich aus der Mode gekommen, den Beschützer der verfolgten Unschuld zu spielen; Sie haben diese Rolle aus der Rumpelkammer hervorgesucht. Bravo!«

»Ich habe Ihnen schon gesagt,« erwiderte der Chevalier, »dass ich mit Ihnen gar nichts zu tun habe. Ich spreche mit Herrn Gratien: wenn er Sie früher nicht als Dolmetscher seiner Gefühle brauchte, so kann er Sie auch jetzt, wo er sein Unrecht wieder gut zu machen hat, füglich entbehren.«

»Wer hat Ihnen denn gesagt, dass ich in dieser Angelegenheit sein Ratgeber nicht gewesen sei?«

»Das würde mich gar nicht wundern; aber ich würde dann Ihren Freund um so mehr beklagen.«

»Warum denn?«

»Weil er das zweite Opfer Ihrer Ruchlosigkeit wäre.«

»Reden Sie,« sagte Gratien; »wer ist das Mädchen, das ich verführt haben soll?«

»Sie haben vorhin den Namen genannt: es ist Therese, die Besitzerin dieses Hundes,«

Gratien blieb einige Augenblicke stumm, dann stammelte er:

»Was verlangen Sie in Theresens Namen von mir?«

»Natürlich, dass Du sie heiratest!« sagte Louville höhnisch; »der Herr Chevalier würde sich sonst wohl nicht bemüht haben. Sprich, Gratien, bist Du bereit, die schöne Therese zum Altar zu führen? Nun, dann schreibe an den Obersten, bitte deinen Papa und den Minister um Erlaubnis; und schlafe ein. Wir wissen jetzt, was man von Dir verlangt, und haben nichts Besseres zu tun.«

»Sie sehen wohl,« erwiderte Gratien, dem die Einrede, seines Freundes wieder einiges Selbstvertrauen gegeben hatte, »dass alles dies nur Scherz sein kann. Ich bin allerdings bereit, gegen Therese meine Pflichten als Ehrenmann zu erfüllen aber —«

»Aber Sie haben diese Pflichten bereits verletzt,« sagte der Chevalier.

»Wie so?«

»Allerdings; die erste Pflicht eines Ehrenmannes ist, seinem Kind einen Namen zu geben.«

»Wie!« unterbrach ihn Gratien, »Therese ist —«

»Es ist leider noch nicht die traurigste Folge Ihrer Tat,« sagte der Chevalier.

»Und wenn es wäre?« fiel ihm Louville wieder ins Wort; »was verlangen Sie denn von ihm? Soll etwa jedem Regiment eine Schwadron von Ammen und Wärterinnen beigegeben werden? Wir haben die Garnison gewechselt; es ist fatal für die Schöne; sie mag sich unter den Uhlanen, die uns abgelöst haben, einen Tröster suchen; sie ist so hübsch, das sie nicht lange zu suchen braucht.«

»Teilen Sie die Ansicht Ihres Freundes?« fragte der Chevalier den Lieutenant Gratien.

»Nicht ganz. Louville geht in seiner Freundschaft für mich viel zu weit. Es ist wahr, ich habe Unrecht getan, und ich würde viel geben, wenn ich Therese nie gesehen hätte. Ich bin daher bereit, Alles zu tun, was ich kann, um ihre Lage zu erleichtern, und diese Versicherung wird Ihnen genügen. Sie sind ein Mann von Welt und werden einsehen, wie wenig eine solche Verbindung mit meiner sozialen Stellung vereinbar sein würde.«

»Sie irren sich, Herr Gratien; diese Erklärung genügt mir nicht; ich habe noch eine gute Meinung von Ihnen und hoffe, dass meine Bitten nicht fruchtlos bleiben werden.«

»Dann muss ich Ihnen antworten, das, die Erfüllung Ihres Wunsches unmöglich ist.«

»Nichts ist unmöglich,« entgegnete der Chevalier, »wenn eine Pflicht zu erfüllen ist. Ich kann aus eigener Erfahrung sprechen. Noch vor einigen Jahren schauderte ich bei dem Anblick eines bloßen Degens; der Knall eines Gewehrs setzte mich in Schrecken; die mindeste Veränderung meiner Lebensweise machte mich aufgeregt, verstimmt. Jetzt fahre ich, statt in meinem Bett zu schlummern, in einer schlechten Postkutsche – und noch dazu rückwärts, was mir ganz besonders unangenehm ist, und bin bereit noch mehr zu tun. Alles dies tue ich, weil es mir die Pflicht gebietet. Sie sind noch jung und können noch ganz andere Dinge möglich machen.«

Gratien wollte antworten, aber Louville kam ihm wieder zuvor.

»Sie sind von Sinnen, mein lieber Herr,« sagte er zu dem Chevalier de la Graverie; »Sie müssten denn – doch ich will Ihnen ein Mittel vorschlagen. Da Sie die Verheiratung der schönen Therese für so notwendig halten, da das Kind nach Ihrer Meinung einen Namen haben muss, so können Sie ja die Mutter heiraten, und das Kind anerkennen.«

»Die ablehnende Antwort des Herrn Gratien würde mich dazu bewegen, wenn nicht Hindernisse, die ich Ihnen verschweigen muss, im Wege ständen.«

»Mille cigarres!« erwiderte Louville. »Sie sind großartig!«

»Entschuldigen Sie,« sagte Gratien, »soeben leugneten Sie die Unmöglichkeit, und jetzt schützen Sie dieselbe vor. Wozu dieses Vorrecht zu Ihren Gunsten?«

»Es lassen sich zwei Fälle denken: ich kann ja verheiratet oder mit Therese zu nahe verwandt sein, um ihr Gatte zu werden.«

»Das ist wahr.«

»Sie hingegen sind unverheiratet und können auch das Hindernis der Verwandtschaft nicht vorschützen.«

Gratien schwieg.

»Prüfen Sie ruhig die Verhältnisse,« fuhr der Chevalier fort; »was würde Sie hindern, in Ihren eigenen Augen und in der Meinung Ihrer Freunde ein Ehrenmann zu bleiben? Warum würden Sie sich weigern, einem Mädchen Ihren Namen zu geben, das Sie feurig genug geliebt haben, um eine Tat zu begehen, die einem Verbrechen sehr ähnlich ist, und so Ihr Kind anzuerkennen? Gegen das Äußere der Person, die ich als Ihre künftige Gattin betrachte, haben Sie doch gewiss nichts einzuwenden?«

»Das ist wahr,« antwortete Gratien.

»Ein hübsches Lärvchen —« höhnte Louville, »Und was ihren Charakter betrifft, so ist sie die Sanftmut selbst, und ich schwöre Ihnen, dass die Dankbarkeit die Liebe ersetzen wird.«

»Aber sie ist eine Grisette —«

»Sie ist allerdings nur eine Arbeiterin, und das ist nicht immer dasselbe. Aber ich kenne viele vornehme Damen, die nicht die angeborene Anmut und Würde dieses Mädchens besitzen. Therese wird nach kurzem Verkehr mit der eleganten Welt gewiss eine sehr distinguierte Dame werden.«

»Topp! Die Sache ist abgetan,« höhnte Louville; »ihre persönlichen Vorzüge sind zwanzigtausend Livres Renten unter Brüdern wert!«

»Aber meine Familie,« entgegnete Gratien, »meine Familie ist reich und von Adel. Glauben Sie, dass sie zu einer solchen Verbindung ihre Einwilligung geben würde?«

»Wer sagt Ihnen denn, dass Theresens Familie nicht ebenso angesehen sei, wie die Ihrige?«

»Der Spaß ist köstlich,« sagte Louville; »Therese wird uns als Herzogin vorgestellt werden, die zu ihrem Vergnügen Hemden näht!«

»Noch mehr,« setzte der Chevalier hinzu, ohne diese höhnischen Worte zu beachten: »wer sagt Ihnen, dass Therese nicht einst ein Vermögen zu erwarten hat, welches dem Ihrigen mindestens gleich ist?«

»Wenn das wäre —« sagte Gratien verlegen.

»Bist Du wirklich so leichtgläubig. Gratien?« unterbrach ihn Louville mit Ungestüm. »Du bist von Sinnen! Zum Glück bin ich da, um Dich aus der Klemme zu ziehen. Antworte doch rundweg Nein, damit wir ruhig schlafen können, und schicke den alten Narren mit seiner Infantin und seinem Hunde zum Teufel!«

Dabei gab er Black, dem er nie sehr gewogen gewesen war, einen Fußtritt.

Black fing an zu heulen.

Der Chevalier war über diese Rohheit empört.

»Mein Herr,« sagte er, »bis jetzt haben Sie durch Ihre Reden bewiesen, dass Sie ein Narr sind; jetzt zeigen Sie sich als einen rohen, ungeschliffenen Menschen! Wer den Hund misshandelt, beleidigt den Herrn.«

»Ich habe Ihren Hund getreten, weil er mir lästig ist. Ich werde den Conducteur rufen und die Vollziehung der Vorschrift verlangen: » Die Passagiere brauchen keine Hunde im Postwagen zu dulden.«

»Dumesnil, das ist mein Hund, ist hier hundertmal mehr an seinem Platz, als Sie. Den Fußtritt, den Sie meinem armen Freunde gegeben, würden Sie teuer bezahlen, wenn ich es nicht ausschließlich mit Ihrem Freunde zu tun hätte und nicht fest entschlossen wäre, mein Ziel im Auge zu behalten. – Erklären Sie sich,« sagte er zu Gratien. »Diese ganze Erörterung ist mir eben so unangenehm wie Ihnen. Wollen Sie dem Mädchen die geraubte Ehre wieder geben oder nicht?«

»Auf die so gestellte Frage kann ich nicht anders als Nein antworten!«

»Sie haben ein armes, schutzloses, allein stehendes Mädchen mit Ihren Antragen verfolgt; Sie haben eine unwürdige List angewandt, um sie zu verführen – ich habe noch eine zu gute Meinung von Ihnen, um zu glauben, dass es Ihnen wirklich Ernst sei mit diesem Nein, und dass Sie wirklich so niederträchtig sein könnten, die unglückliche Mutter ihrer Verzweiflung zu überlassen und Ihr Kind dem öffentlichen Mitleid preiszugeben – «

»Herr Chevalier,« erwiderte Gratien, »ich bin ein Edelmann, wie Sie, und in dieser Eigenschaft habe ich mich gewöhnt, das Alter zu ehren; aber diese Ehrfurcht kann nicht so weit gehen, mich beleidigen zu lassen. Sie haben ein Wort zu viel gesagt; ich ersuche dasselbe zurückzunehmen.«

Gratien sprach diese letzten Worte mit der beleidigten Würde eines wahren Edelmannes.

»Ja, ich will Alles zurücknehmen, was Sie wünschen,« sagte der Chevalier, der wohl einsah, dass er zu weit gegangen war; »aber ich beschwöre Sie, willigen Sie in mein Verlangen! Wenn Sie wüssten, wie viel die arme Therese gelitten hat, wenn Sie wüssten, wie wenig sie zum Dulden geschaffen ist! Sie ist so gut, so sanft, so gefühlvoll! Sie würden dann eine gute Thai gewiss nicht bereuen. Ich werde ihr einen ehrenhaften Namen, den meinigen, als Angebinde geben. Wenn Sie sich Reichtum wünschen, um das Leben zu genießen, so will ich Ihnen mein Vermögen abtreten und mir nur eine kleine Leibrente vorbehalten. Sie selbst mögen diese Rente bestimmen, ich begnüge mich mit dem was, Sie mir lassen wollen. Ich werde mich Ihres Glückes freuen;

»Sie werden mir erlauben Therese von Zeit zu Zeit zu sehen – das wird uns genügen, nicht wahr, Black? nicht wahr, mein alter Freund? Erfüllen Sie meinen Wunsch, ich beschwöre Sie auf den Knien!«

Der Chevalier machte wirklich eine Bewegung, als ob er ihm zu Füßen fallen wollte; aber Gratien hielt ihn zurück.

»Im Grunde,« sagte Louville, »ist es eine recht hübsche Spekulation; ich an deiner Stelle würde die Sache überlegen.«

Der Chevalier fühlte den bitteren Hohn, der in diesen Worten lag, und erwiderte:

»Ist es denn nicht genug, dass Sie durch Ihre Einflüsterungen die arme Therese ins Unglück gestürzt haben? Wollen Sie auch noch jede bessere Regung in dem Herzen Ihres Freundes ersticken? Was hat Ihnen denn das unschuldige Mädchen getan, dass Sie Herrn Gratien zu hindern suchen, ein Vergehen wieder gut zu machen, das Sie eigentlich mehr verschuldet haben als er?«

Unglücklicherweise hatten Louvilles Worte ihre Wirkung nicht verfehlt.

»Sie haben vielleicht Recht,« erwiderte Gratien, »ich will Ihnen nicht verhehlen, dass mich Ihre Worte gerührt hatten; aber die Vernunft muss über alle anderen Rücksichten die Oberhand gewinnen; kurz, ich werde Therese nicht heiraten.«

»Ist das Ihr letztes Wort?«

»Ja; ich kann ein armes Mädchen von niederem Stande nicht heiraten und eine Spekulation halte ich unter meiner Würde.«

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Дата выхода на Литрес:
04 декабря 2019
Объем:
370 стр. 1 иллюстрация
Правообладатель:
Public Domain

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