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Читать книгу: «Abenteuer und Drangsale eines Schauspielers», страница 7

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XII

Gustave langweilt sich. – Rathschläge des Vaters. —Abreise nach Paris. – Besuch bei Mademoiselle Duchesnois. – Gustave deklamirt eine Tirade aus einem Trauerspiel. – Ein Empfehlungsbrief an Soumet. – Wohlwollender Empfang des Dichters. – Er empfiehlt Gustave an die Brüder Seveste. – Gustave spielt in Mont-Parnasse. – Sein Engagement

Eines Morgens schaute der Vater seinen Sohn fest an und sagte zu ihm:

»Du langweilst Dich, Etienne?«

Das war wahr; Etienne antwortete nicht.

»Komm mit mir,« fügte der Vater bei.

Beide gingen aus.

Der Vater führte Etienne zum Schneider.

»Machen Sie mir zwei vollständige Schelfen für diesen Burschen da, sagte er; »eine für alle Tage, eine für die Sonntage.«

»Und wann soll das fertig sein, Herr Jean?«

»Sobald als möglich: er kehrt nach Paris zurück.«

»Am Sonntag also.«

»Ist es früher unmöglich?«

»Unmöglich.«

»Gut, am Sonntag«

Etienne langweilte sich nicht, Etienne war in seinem Innern beschäftigt

Womit war er in seinen Gedanken beschäftigt?

Ei! mit seinem Teufelstheater.

Woher kam es aber, daß ihn das wieder mehr als je einnahm?

Wir wollen es sagen.

In seiner Abwesenheit und während er den von uns erzählten unglücklichen Feldzug in Flandern machte, hatte Mademoiselle Duchesnois in Caen gespielt und hier großen Succeß gehabt.

Wovon man aber besonders in Caen sprach, das war nicht ihr großes Talent, sondern ihre Herzensgüte.

Es war in der That schwer, eine bessere Person als Mademoiselle Duchesnois zu sein.

Alle diejenigen, welche mit ihr zu thun gehabt hatten, sangen das Lob der großen Tragödienspielerin.

Eines, worauf die Künstler, welche, um Vorstellungen zu geben. in die Provinz gehen, mehr Aufmerksamkeit verwenden müßten, ist ihr Privatleben, sind ihre persönlichen Eigenschaften.

Der Künstler wird in der Provinz ein Gegenstand der allgemeinen Neugierde; seine geringsten Geberden werden beobachtet, seine frivolsten Worte werden wiederholt; die Wände des Gasthauses, in dem er wohnt, haben Argusaugen, die Thüren haben Midasohren.

Die ganze Zeit, die er in der Stadt ist, unterhält man sich von seinem Talent.

Von dem Tage an, wo er nicht mehr da ist, unterhält man sich von seinen Fehlern und seinen guten Eigenschaften.

Und acht Tage, vierzehn Tag, einen Monat tragen diese Fehler und diese guten Eigenschaften die Kosten der Conversation.

Heute noch sagt man zu den Fremden, welche durch Caen kommen:

»Haben Sie Mademoiselle Duchesnois gekannt, mein Herr?«

Der Fremde antwortet ja oder nein.

»Eine reizende Frau, mein Herr! eine reizende Frau,« fügt der Canais bei, indem er eine Prise nimmt, oder seine Cigarre aus dem Munde zieht; »nicht in physischer Hinsicht. oh! nein, man kann nicht sagen, daß Mademoiselle Duchesnois schön war; im Gegentheil, man darf sogar dreist und ohne Furcht vor einem Widerspruche behaupten, daß sie häßlich war; aber ein Herz, sehen Sie, ein Goldherz! eine reizende Frau, mein Herr! eine reizende Frau!«

Was man heute noch in Caen, wenn das Gespräch auf Mademoiselle Duchesnois kommt, nach Verlauf von bald dreißig Jahren, wie ein aus dem ersten Viertel des Jahrhunderts erwecktes Echo, sagt, war natürlich im Augenblick, wo sie die Stadt verlassen, das allgemeine Gerede. Jedermanns Gemurmel.

Dieses Gerede, dieses Gemurmel hatten zugleich das Herz und die Ohren von Etienne gekitzelt.

Die Idee, daß er sich, so lange er in Caen bliebe, nicht bei Mademoiselle Duchesnois präsentiren könnte, war es also, was Etienne so traurig machte, daß sein Vater seine Traurigkeit bemerkte, und zum Schneider führte, neu kleiden ließ und zu ihm sagte:

»Ah! ich sehe wohl, daß Du Lust hast, nach Paris zurückzukehren.«

Woraus der junge Mann nichts antwortete, aus Furcht, zu viel zu antworten.

Am Tage seiner Abreise steckte der Vater seinem Sohne hundert Franken in die Tasche, begleitete ihn zur Diligence und sprach zu ihm:

,Du kehrst also nach Paris zurück.«

»Ja, Papa.«

»Du willst wieder bei Herrn Bochard eintreten?«

»Ja, Papa.»

»An der Madeleine arbeiten?«

»Ja, Papa.«

»Du hast das Theater sattsam versucht?«

»Ja, Papa.«

»Und Du wirst Dich nicht wieder verlocken lassen?«

»Nein, Papa.«

»Gott befohlen also, schlimmer Bursche.«

»Gott befohlen, Vater.«

Und der junge Mann reiste ab. fest entschlossen, seinen Namen Etienne an der Barrière zu lassen und sich schon am andern Tage bei Mademoiselle Duchesnois unter dem Namen Gustave zu präsentiren.

Diesmal, da das Hotel Carré verschwunden war, stieg er in der Rue Notre-Dame-de-Recouvrance im Hotel de Recouvranve ab.

Schon an demselben Abend ging er ins Théâtre-Francais und erkundigte sich nach der Adresse von Mademoiselle Duchesnois.

Mademoiselle Duchesnois wohnte in der Rue de la Tour-des-Dames in der Nouvelle-Athènes.

Am andern Tage, Morgens um elf Uhr, klingelte er an der Thüre von Mademoiselle Duchesnois.

»Wen soll ich melden? fragte der Kammerdiener.

»Melden Sie Herrn Gustav.«

Etienne hatte sich, wie man sieht, Wort gehalten.

Man ließ ihn in ein Cabinet eintreten, wo er auf Mademoiselle Duchesnois wartete.

Ah! wie klopfte sein Herz, wie hätte er, wäre er ihm bekannt gewesen, den Monolog von Hamlet, da er seine Mutter erwartete gesprochen:

 
»Ich warte! das ist einfach zu sagen, doch schrecklich zu denken.«
 

Endlich hörte er Tritte, das Rauschen eines Kleides; die Thüre wurde geöffnet; ein Diener meldete Mademoiselle Duchesnois, wie ein Huissier von Versailles: Die Königin!« gesagt hätte, und Clytemnestra erschien.

Häßlich, aber anmuthig, mit herrlichen Armen und einem nach dem der Venus von Milo geformten Beine, – sie zeigte dieses Bein gern in Alzire. – besaß Mademoiselle Duchesnois den Zauber der Güte.

Sie lächelte gegen den schönen jungen Mann, der zu ihr kam, befragte ihn zugleich mit dem Blicke und der Stimme und sagte:

»Sie haben mich zu sehen gewünscht, mein Herr?«

»Wahrlich! Mademoiselle,« antwortete der junge Mann erröthend, »Sie müssen mir verzeihen; ich bin von Caen.«

»Eine gute Stadt!«

»Wo Jedermann Ihr Talent und Ihre Seelengüte anbetet, und da ich Künstler bin . . .«

»Dramatischer Künstler?«

»Ja, so ungefähr. Ich sagte mir: ».Mademoiselle Duchesnois ist so gut, daß ich überzeugt bin, wenn sie mir nützlich sein kann . . .« Kurz, Sie sehen, ich bin gekommen, und hier bin ich . . . Glauben Sie, daß man etwas aus mir machen kann?«

Ei! das Aeußere ist schön . . . sind Sie ein Zögling des Conservatoire?«

»Oh! nein.«

»Haben Sie schon gespielt?«

»Zuweilen. in der Messe.«

»Wie, in der Messe?«

»Ich wollte sagen, in der Provinz.«

»Sprechen Sie mir ein wenig Tragödie.«

»Was?«

»Etwas, was Sie nie gehört haben.«

»Oh! ich habe gerade. was Sie brauchen: es ist aus Oreste von Herrn Soumet.«

»Und Sie haben Talma nie in dieser Rolle gesehen?«

»Talma war todt, als ich zum ersten Male nach Paris kam.«

Der junge Mann warf seinen Hut fern von sich, nahm die Stellung einer antiken Statue an und begann:

 
J’étais dans ce tombeau qu’un Dieu vengeur habite;
J’y coutemplais, avec un saint recueillement,
Les voiles déposés au fond du monument;
Et les cheveux d’Electre et l’offrande recente
Qui remplacait les dons de ma tendresse absente.
Après quinze ans d’exil, j’allais renouveler
Mes sermonts sur l’autel où le sang doit couler.
Une femme a paru dans ce lieu triste et sombre;
Pour observer ses pas, je me cachais dans l’hombre.
Elle semblait venir dans ce séjour des morts
Apportez ses regrets bien moins que ses remonds.
Se soutenant à peine, incertaine, agitée,
Aux marches de l’autel elle s’est arrêré.
La lampe, qui veillait dans ce lieu dedouleur
De ses traits convulsifs éclairait la pâleur.5
 

Und so fuhr er fort. Nachdem er aber noch die Stelle gesprochen:

 
J’en suis sorti muet, glacé, plein d’épouvante;
Et ce prodige affreux, cette femme expirante,
Ces infernales soeurs, ce spectre furieux
Me poursuivent encore . . . ils sont devant mes youx,
Je succombe . . .6
 

Da rief Mademoiselle Duchesnois:

»Gut, Sie haben nicht gelogen, und ich schwöre, daß Sie das Stück nicht haben spielen sehen.«

»Was Sie mir da sagen, hat nicht das Ansehen eines Compliments.«

»Nein, es ist kein Contpliment; Sie hätten indessen Unrecht, würden Sie diese Meinung für einen Tadel halten: Sie haben eine schöne Stimme; Sie sprechen aus eine originelle Weise; das ist vielleicht schlimm, doch es ist weder gemein, noch mittelmäßig.«

»Nun, also, Mademoiselle?« fragte der junge Mann.

»Also will ich Ihnen einen Brief an Soumet geben; er wird Sie beim Odeon, um dort kleine Rollen zu spielen, unterbringen.«

Und sie setzte sich sogleich an ein Bureau und schrieb:

»Mein lieber Soumet,

»Warum besuchen Sie mich nicht? Ich bin in der nächsten Woche beim Comité und werde Sie auf das Repertoire bringen lassen.

»Ich empfehle Ihnen den jungen Mann, der Ihnen diesen Brief überreichen wird; geben Sie ihm eine Zeile für das Odeon.

»Arbeitet er, so kann er es weit bringen.

»Duchesnois.«

Sie gab den Brief offen dem jungen Manne, und dieser las ihn laut.

»Oh! ja, ich stehe Ihnen dafür, daß ich arbeiten werde!« sagte er. »Wo ist mein Hut?«

»Hier.«

»Mademoiselle Duchesnois. Sie begreifen, daß ich nicht weiß, wie ich Ihnen danken soll. Doch gleichviel, wenn es mir gelingt, so wird es mich freuen, zu sagen, ich verdanke es Ihnen.«

Und er verbeugte sich vor der guten, vortrefflichen Schauspielerin und lief weg.

Hatte er in Mademoiselle Duchesnois eine gute, freundliche Beschützerin gefunden, so sollte er gleichfalls in Soumet einen guten, liebenswürdigen Protector finden.

Der theure Soumet! Ich habe ihn kennen lernen, zu spät, doch genug, um ihn im Théâtre-Francais bei der Inscenirung seiner zwei letzten Werke zu ersetzen, genug, um es verdient zu haben, daß er mir einigen Dank schuldig zu sein glaubte.

Ein schöner Typus des Dichters! Stolz gerade bis zum Maaß seines Talentes, voll Glauben an die Muse, voll Religion für die Poesie; sodann gut, sanft, gefällig wie ein ächter Mensch von Genie, was er war.

Im Jahre 1828 war er ein noch junger Mann, mit großen, begeisterten Augen, schwarzem flatternden Haaren und offenem, leicht zugänglichem Herzens er nahm auch vortrefflich den jungen Mann in einem eleganten Cabinet auf, das ganz mit Büsten von Meistern ausgeschmückt war.

Er las den Brief und sagte wie diejenige, welche ihn schrieb, zu Herrn Gustave:

»Sprechen Sie mir etwas.«

Gustave dachte, die Tirade, weiche gute Dienste bei Mademoiselle Duchesnois geleistet, werde dasselbe bei Soumet thun.

Soumet hörte aufmerksam zu.

»Es sind nicht Stückchen von Rollen, was Sie brauchen, sondern große Rollen. Nicht im Odeon müssen Sie zwei- oder dreimal im Monat spielen: Sie müssen alle Tage im Weichbilde spielen. Ich will Ihnen einen Brief an Seveste geben.«

»Mademoiselle Duchesnois hat mich zu Ihnen geschickt: machen Sie mit mir, was Sie wollen.«

Und dennoch . . . nachdem man vom Théâtre-Francais geträumt, nachdem man das Odeon erschaut, hieß es sehr tief fallen, zu Seveste hinabgestürzt werden.

Soumet begriff, was im Herzen des jungen Mannes vorging, so ergeben er zu sein schien, und sagte:

»Versinken Sie in den Morast der kleinen Rollen, so kommen Sie nie mehr heraus; glauben Sie mir, debutiren Sie aus keinem Theater von Paris, nur um einen Schlag zu thun.«

Soumet schrieb den Brief mit seiner schönen, freien Schrift, welche der von Lamartine gleicht. Die redlichen Leute haben eine ihnen eigenthümliche Handschrift.

Die zwei Seveste, Jules und Edmond, – Edmond, der heute todt ist; Jules, der heute Direktor des Théâtre-National ist, – wohnten damals in der Rue Beauregard und beuteten alle Theater des Weichbild aus.

Von der Rue Beauregard gingen alle Tage die vom Mittelpunkte nach dem Umkreise expedirten Komödiantenwagen ab, welche man die Salatkörbe Seveste nannte.

Vermöge des Namens Soumet wurde Herr Gustave sogleich bei einem der beiden Brüder eingeführt.

Es war Edmond.

Edmond las den Brief, und zum dritten Male an demselben Tage hörte Herr Gustave die Worte:

»Sprechen Sie mir Etwas.«

Diesmal wollte er wechseln, und er begann die Scene von Hamlet:

– — Entflieh, erschreckliches Gespenst! —

Beim dritten Verse, und als er gerade fortfahren wollte, erschien plötzlich ein Mann, aus dem anstoßenden Zimmer hervorkommend.

»Stille!« rief dieser Mann.

Herr Gustave hielt inne.

»Singen Sie mir Etwas,« sagte der Eintretende.

»Gern,« erwiederte Herr Gustave.

Und er sang drei Baudeville-Strophen auf drei verschiedene Melodien.

»Ein herrliche Baßstimme!« rief Jules Seveste.

Derjenige, welcher eingetreten, war Jules Seveste.

»Was können Sie?’

»Michel und Christine, Ohne Trommel und Trompete, Adolphe und Clara.«

»Das ist es. was wir brauchen. Sie werden morgen probiren und übermorgen spielen.«

»Wo?«

»In Mont-Parnasse.«

Am Abend des andern Tages spielte Herr Gustave in Michel und Christine in Mont-Parnasse.

Der Inspicient erwartete ihn beim Abgang von der Bühne.

»Gehen Sie zu Herrn Seveste.«

»So ganz angekleidet?«

»Wie Sie sind; er wartet auf Sie.«

»Teufel! ich will ihn nicht warten lassen.«

Und er ging zu Herrn Seveste.

Zwei Engagements lagen auf dem Tische, beide von den Herren Seveste unterzeichnet.

»Unterschreiben Sie mir das!« sagte Edmond.

Herr Gustave unterschrieb, ohne nur anzuschauen.

»Gut! Lesen Sie nun,« sprach der Direktor.

Herr Gustave las. Er war engagirt, um Helden, jugendliche Liebhaber, sentimentale, edle Väter und Bedienten zu spielen, in den Chören zu singen und bei den Spectakelstücken zu figuriren.

Für Alles das sollte er gerade erhalten, was ihm Zozo vom Norden versprach: fünfzig Franken monatlich.

Nur sollte er sich Alles selbst anschaffen.

Herr Gustave entfernte sich zufrieden wie ein Prinz und drückte mit seinem linken Arme sein Engagement an sein Herz.

XIII

Orestes und Pylades finden sich in Selleville wieder. – Der Versucher – Gustave wird angeworben. – Eine Unpäßlichkeit. – Ankunft im Havre. – Der Dreimaster die Industrie. – Untersegel gehen. – Einen Monat im Havre., um auf günstigen Wind zu warten. – Auslaufen aus dem Hafen

Am andern Tage, in dem Augenblick, wo er zur Probe auf die Bühne trat, empfing ihn ein Schrei:

»Ah! da ist Gnstave!«

»Ah! da ist Hippolyte!«

Orestes hatte feinen Pylades wiedergefunden.

Orestes trat feierlich auf Pylades zu und sprach:

 
Qui, puisque je entrouve un smi fidèle,
Ma fortune va prendre une face nouvelle;
Et dèjà son courrox semble s’être adouci,
Depuis qu’elle a pris soin de nous rojoindre ici.7
 

Hippolyte hatte sich ebenfalls genöthigt gesehen, den Vater Dumanoir zu verlassen; die Noth war unerträglich geworden, und da der Winter beständig streng blieb, so daß der nomadische Künstler die Teiche fortwährend gefroren fand, so hatte er sich keine Erleichterung in seiner Existenz durch Benutzung des Rummels von seinem Freunde Gustave, das heißt dadurch verschaffen können, daß er Frösche gefangen und gesungen hätte:

 
Ma Fanchette est charmante.
 

Nachdem man in Versen mit Racine als Dolmetscher gesprochen, sprach man in Prosa.

»Was machst Du?« fragte Gustave.

»Ich spiele die Liebhaber,« antwortete Hippolyte.

»Und ich singe die Bässe: Ut, si, la, sol, fa, mi, re, ut, ut, ut!«

»Oh! ich kenne Deinen Baß, ich habe ihn gehört, als er leer war!«

Hippolyte spielte in der That alle Liebhaber, wie sie auch sein mochten: muntere, ernste, sentimentale, Gustave alle Oheime, alle Väter, alle Generale, alle Gouverneurs, kurz alle Alte.

Das dauerte so sechs Monate.

Nach Verlauf von sechs Monaten verschwand plötzlich eine von den zwei Schelfen.

Der andere war in ziemlich schlechtem Zustande.

Die griechische Mütze hatte den Hut ersetzt, was nichts besagen wollte, denn die Begeisterung für die braven Hellenen hatte in diesem Augenblick ihren Höhepunkt erreicht.

Doch die Stiefel zogen Wasser und die Theaterzettel fingen an die Unterstrümpfe zu ersetzen.

Man begreift, daß Gustave, der nur fünfzig Franken monatlich erhielt und von diesen fünfzig Franken Alles für das Theater anschaffen mußte, sich nicht viel in der Stadt anschaffen konnte.

Eines Abends, als er in drei Stücken gespielt hatte und durch irgend einen Umstand im Theater eine Stunde länger als seine Kameraden aufgehalten worden war, ging er um halb ein Uhr durch die Thüre der Künstler hinaus.

In dem Augenblick, wo er seine ersten Schritte auf der Straße machte, trennte sich ein Mann, der auf sein Herauskommen zu warten schien, von der Mauer und folgte ihm.

Obgleich dies mitten im Sommer geschah, war die Nacht doch düster und die Straße verödet.

Herr Gustave besaß nichts, durchaus nichts, was geraubt zu werden werth gewesen wäre; dennoch beunruhigte ihn dieser Mensch, der ihm nachging.

Bei der Biegung einer Straße blieb er plötzlich stehen, so daß, als sich der Unbekannte um dieselbe Ecke wandte, um die sich Herr Gnstave gedreht hatte, dieser und der Unbekannte sich von Angesicht zu Angesicht gegenüber standen.

»Oh. verzeihen Sie, Herr Gustave,« sagte der Unbekannte.

»Verzeihen, was?« fragte der junge Mann.

»Das ich Ihnen folge!«

»Sie folgen mir also?«

»Gewiß.«-

«Und warum folgen Sie mir?«

Der Unbekannte nahm sein freundlichstes Gesicht an und erwiederte.

»Ich wollte eine Frage an Sie machen, mein Herr.«

»Welche?«

»Lieben Sie die Reisen?«

»Ein seltsame frage an einen Mann, und besonders Morgens um ein Uhr.«

»Mein Herr, ich hatte nicht die Geduld, länger zu warten!«

»Um zu erfahren, ob ich die Reisen liebe?«

»Ja, mein Herr. Ich lege ein großes Gewicht auf Ihre Ansicht hierüber.«

»Nun! mein Herr, liebe sie leidenschaftlich, Und Sie?«

»Es ist mein Geschäft. sie zu lieben.«

»Sie sind Reisender?«

»Ein unermüdlicher, mein Herr! Sollten Sie begierig sein, Amerika zu sehen?«

»Welches? Es gibt zwei: Nord-Amerika und Süd-Amerika.«

»Weder das Eine, noch das Andere: Central-America.«

»Die Antillen also?«

»Ganz richtig.«

»Sehr begierig! Ich sterbe vor Verlangen, Kokosmilch zu trinken, wie Robinson, und Sojaven zu essen, wie der Kapiteln Cook.«

»Nun! mein Herr, es hängt nur von Ihnen ab, zu reisen.«

»Wie, es hängt nur von mir ab?«

»In Allem kostenfrei.«

»Das steht mir an.«

»Mit drei hundert Franken Gehalt monatlich: zwei hundert Franken mehr, als Sie bei Herrn Seveste haben.«

»Teufel! das ist verlockend.«

»Lassen Sie sich verlocken.«

»Wissen Sie, daß wir in dieser finstern Nacht, an der Ecke einer öden Straße, Sie in Ihrem Mantel, ich in meinem Ueberrock, das Aussehen ich von Faust, Sie von Mephistopheles haben?«

»Steigen wir in meinen Mantel, und lassen Sie uns abfahren.«

»Und Seveste?«

«Hat er Ihnen Vorschüsse gemacht!«

»Keinen.«

»Dann ist Ihr Zartgefühl nicht gebunden. Und bemerken Sie Eines . . .«

»Sie sind Beobachter?«

»Ja.«

»Was haben Sie bemerkt-l«

»Daß jeder Mensch seinen Hang hat; Sie haben den Hang zum Desertiren.«

»Wie, zum Desertiren?«

»Ja, Sie sind zuerst aus der Werkstätte von Herrn Bochard desertirt, um zur Truppe von Dumanoir überzugehen; dann sind Sie von der Truppe von Dumanoir desertirt, um zur Truppe von Bertrand. genannt Zozo vom Norden, überzugehen; dann sind Sie von der Truppe von Zozo vom Norden desertirt, um abermals bei der Truppe von Dumanoir einzutreten; dann sind Sie von der Truppe Dumanoir desertirt, um zu Ihrem Vater zurückzukehren; dann sind Sie von Ihrem Vater desertirt, um bei der Truppe von Seveste einzutreten; nun desertiren Sie von der Truppe von Seveste, um bei der Truppe von Viktor Marest einzutreten; endlich werden Sie aus Frankreich desertiren, um es mit Amerika, Guadeloupe und Trinidad zu vertauschen, wo Ihnen das milde Klima. die reine Luft, die reizenden Frauen, die Kokosmilch und die Gojaven, wie ich hoffe, die Lust zum Desertiren benehmen sollen.«

»Sie sind vollkommen unterrichtet.«

»Ich pflege Erkundigungen einzuziehen.«

»Aber Seveste?«

»Liegt ihm viel daran, Sie zu behalten?«

»Weniger als Ihnen, mich zu bekommen, da er mir nur fünfzig Franken monatlich gibt, während Sie mir dreihundert anbieten.«

»Erwägen Sie die Sache.«

»Sie ist schon erwogen.«

»Nun?«

»Ich desertire.«

»Bravo!«

»Nur, warten Sie. . . man muß so anständig als möglich desertiren.«

»Und besonders so sicher als möglich.«

»Das Eine widerstrebt dem Andern nicht.«

»Desto besser.«

»Ich will mir zuerst den Anschein geben, als wäre ich krank.«

»Zu welchem Zwecke?«

»Man wird meine Stelle in allen meinen Rollen ersetzen, und gehe ich ab, so werde ich wenigstens Seveste nicht in Verlegenheit lassen.«

»Wissen Sie, daß Sie mich für den Tag, wo die Reihe an mich kommen wird, beruhigen?«

»Man desertirt, doch man ist redlich.«

»Abgemacht, Sie werden krank.«

»Sie lassen mir fünfzig Franken zurück.«

»Ich lasse Ihnen fünzig Franken zurück.«

»Sie reisen nach dem Havre ab.«

»Ich reife nach dem Havre ab.«

»Und zwei Tage, ehe das Schiff unter Segel geht . . Ich nehme an, daß Sie zur See nach den Antillen reisen?«

»Sie haben errathen! Würden Sie lieber zu Fuß gehen?«

»Mit hundert und fünfzig Franken weniger würde ich es vorziehen . . .«

»Unglücklicher Weise . . .«

»Ja, das ist nicht möglich Nun denn! Zwei Tage ehe Sie unter Segel gehen, schreiben Sie mir.«

»Ich schreibe Ihnen.«

»Ich komme an, um mich einzuschiffen, und der Streich ist geschehen.«

»Hier sind Ihre fünfzig Franken. Ich kann auf Sie zählen?«

»Schlagen Sie ein.«

»Bedenken Sie, daß ich Ihr Wort habe, und daß ich nichts Anderes will.«

»Sie haben Recht, das ist sicherer, als ein schriftlicher Vertrag.«

Mephistopheles ging auf einer Seite und Faust auf der andern ab.

Am andern Tage war Herr Gustave unpäßlich, am zweiten Tag war er krank, am dritten sehr krank.

Man war genöthigt, ihn in allen seinen Rollen zu ersetzen.

Nur ließ ihm die Administration sagen, wenn man nicht mehr als fünfzig Franken Gehalt habe, so sei man nicht berechtigt, länger als acht Tage krank zu bleiben.

Am siebenten Tage erhielt er einen Brief von Herrn Viktor Marest, der ihm ankündigte, das Schiff gehe zwei Tage nachher unter Segel.

Gegen sechs Uhr Abends klingelte man.

Herr Gustave war ganz angekleidet und zum Aufbruche bereit.

»Wer ist da?« fragte er durch die Thüre.

»Ich, Polyte.«

»Ah! wenn Du es bist, tritt ein.«

Polyte trat ein.

In der Vertraulichkeit nannten sie einander Polyte statt Hippolyte und Gugus statt Gustave.

»Es geht also besser bei Dir?« fragte Hippolyte.

»Ich bin nie krank gewesen.«

»Wie! und Deine Unpäßlichkeit?«

»War nur Schein.«

»Gut! Doch sage mir . . . «

»Was?«

»Du siehst aus wie ein Reisender.«

»Ich reise.«

»Wie, Du reisest? und Seveste?«

»Darum war ich krank.«

»Verstanden! Du willst durchgehen?«

»Ganz richtig.«

»Er wird Dir aber nachlaufen . . .«

»Sei ruhig, ich werde ihn aus dem Athem bringen.«

»Du gehst also sehr weit.«

»Zum Teufels nach Martinique, Guadeloupe, Trinidad.«

»Ah! armer Seveste! lind wann reisest Du ab?«

»Komm, begleite mich. Doch stille! behalte das für Dich.«

»Soll ich morgen, zu größerer Sicherheit, sagen, Du seist todt, und Dich übermorgen begraben lassen?«

»Das ist unnöthig: übermorgen werden wir abgesegelt sein.«

Eine Viertelstunde nachher war man bei den Messageries royales; zehn Minuten später hatten sich die zwei Freunde, jeder eine Thräne aus dem Winkel des Auges wischend, umarmt, und Gugus rollte auf der Straße nach dem Havre.

Am andern Tage um zwei Uhr Nachmittags begrüßte er Herrn Viktor Marest mit der Arie aus dem Deserteur:

»Ah! je respire . . . «8

Als seine große Arie gesungen und andächtig von Herrn Victor Marest, dem es nicht unangenehm dünkte, seinen neuen Pensionär beim Werke beurtheilen zu können, angehört worden war, fragte Herr Gustave:

»Wann reisen wir ab?«

»Morgen, beim Eintritt der Fluth.«

»Auf welchem Schiffe?«

»Auf der Industrie, einem herrlichen Dreimaster, Kapitän Chamblon, der sich anheischig gemacht hat, die Fahrt in einem Monat zu vollbringen.«

»Kann man an Bord der Industrie übernachten?«

»Sie befürchten, erkannt zu werden?«

»Bei Gott!«

»Gehen Sie! Sie können um so mehr dort übernachten, als die Fluth gerade Morgens um sechs Uhr voll ist.«

Herr Gustave ging hin, um seine kleine Anordnungen auf dem Dreimaster zu treffen.

Einen Monat auf der See zu bleiben, war eine Sache von Bedeutung für einen Menschen, der Blut brach, wenn er von der Delivrande nach Trouville auf dem Wachschiffe der Douane fuhr.

Am andern Morgen bei Tagesanbruch gab der Kapitän Chamblon Befehl zum Untersegelgehen. Es ist dies immer ein interessantes Schauspiel, selbst für diejenigen, welche ihm alle Tage beiwohnen und vom Hafendamm zusehen. Es versteht sich auch von selbst, daß die ganze komische Truppe, Director und Regisseur an der Spitze auf dem Verdecke war.

Zwei Guadeloupe befrachtete Schiffe gingen beide zu gleicher Zeit ab. Die Stunde, um die Anker zu lichten, war gekommen, das zweite Schiff, das wegen seiner Stellung zuerst abgehen sollte, setzte sich in Bewegung und fuhr ohne Hinderniß aus dem Bassin auf die Rhede und von der Rhede ins Meer.

Nicht dasselbe war mit der Industrie der Fall, weiche hundert und fünfzig Tonnen mehr wog, als das andere Schiffs mochte die Fluth nicht die erforderliche Höhe erreicht haben, mochte die Industrie vom Küstenlotsen schlecht geführt worden sein, sie stieß auf den Grund und konnte nicht auslaufen.

Die Abfahrt wurde also bis zur nächsten Fluth verschoben.

Als aber die nächste Fluth gekommen war, hatte sich der Wind gedreht und war conträr geworden.

Schon am Abend desselben Tages hatte man das andere Schiff aus dem Gesichte verloren.

Einen Monat lang blieb der Wind beharrlich Nord-Nord-West, so daß einen Monat lang die Industrie im Bassin verweilen mußte.

Während dieser Zelt schweifte Herr Gustave in der Gegend umher. Er floh vor den Emissären von Seveste.

Der Monat verging ohne besondere Vorfälle.

Nach Verlauf eines Monats hörte er unter Trommelschlag für den andern Tag die Abfahrt der Industrie verkündigen.

Er kehrte an Bord zurück.

Am andern Tage lief der Dreimaster, durch ein geschicktes Manoeuvre und begünstigt durch einen guten Wind, glücklich aus dem Hafen aus und erreichte triumphirend die hohe See.

5
Ich war in diesem Grabe, das ein rächender Gottbewohnt, ich betrachtete in frommer Andacht, die inder Tiefe des Monumentes niedergelegten Schleierund die Haare von Electra, und das neue Opfer dasdie Gaben meiner abwesenden Zärtlichkeit ersetzte. Nacheiner fünfzehnjährigen Verbannung wollte ich meineSchwüre auf dem Altar erneuern, wo das Blut fließensoll. Eine Frau erschien an diesem düstern Orte.Um ihre Schritte zu beobachten, verbarg ich mich imSchatten Sie schien mir zu diesem Aufenthalt derTodten weniger zu kommen, um ihre Wehklagen,als um ihre Gewissensbisse zu bringen. Kaum imStunde, sich zu halten, unsicher, erschüttert, blieb siebei den Stufen des Altars stehen. Die Lampe, diean diesem Schmerzensorte wachte, beleuchtete die Blässeihres verzerrten Gesichtes. Sie griff nach dem Altar mitihren unmächtigen Händen; das Gebet erstarb aufihren zitternden Lippen, und aus ihres Busens Tiefedrangen jeden Augenblick Klageschreie, langes Stöhnen hervor.

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6
Ich ging hinaus stumm, eiskalt, von Schreck erfüllt;und dieses gräßliche Wunder, diese verscheidende Frau,diese höllischen Schwester, dieses wüthende Gespenstverfolgen mich noch . . . sie sind vor meinen Augen. Ich erliege . . .

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7.Ja, da ich einen so treuen Freund wiederfinde, wird mein Schicksal ein neu’ Gesicht gewinnen, und schon scheint sein Zorn sich besänftigt zu haben, seitdem es uns hier wiedervereinen besorgt gewesen.
8.Ah! ich athme . . .
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Дата выхода на Литрес:
06 декабря 2019
Объем:
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