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Читать книгу: «Abenteuer und Drangsale eines Schauspielers», страница 5

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VIII

Ankunft vor den Thoren von Lille. – Der Octroi. – Die Taschenvisitation. – Das geschlossene Thor. – Sinnreiche Art, in die Stadt zu kommen. – Gustave innen, Hippolyte außen. – Rückkehr von Gustave. – Neuer Versuch. – Aehnliches Resultat. – Verzweiflung von Hippolyte. – Dialog in einem verlassenen Schilderhause. – Das Frühstück in Hoffnung, – Eintritt in die Stadt. —

O Dante, Dante! großer Dichter, der Du einen erhabenen Vers für jeden Schmerz hast!

Die zwei armen Kinder waren nicht einmal verbannt: sie hatten nur Hunger.

Sie erstiegen nicht die harte Treppe der Fremde: sie gingen mit bloßen Füßen auf der Erde des Vaterlands.

Und dennoch weinten Beide mit ihrem Stücke Brod in der Hand.

Weder der Eine, noch der Andere konnte darein beißen.

Doch diese halb süße, halb schmerzliche Gemüthsbewegung gab ihnen wieder Kräfte. Es schien ihnen die gute Frau, als sie ihnen sagte, die Stadt sei nur noch eine Meile entfernt, habe die Hand in der Richtung eines Wäldchens ausgestreckt, das sie auf fünfzig Schritte vor sich sahen.

Sie gingen auf das Wäldchen zu, indem sie sich von Zeit zu Zeit umwandten und ausriefen:

»Oh! gute Frau, oh! brave Frau!«

Endlich gegen elf Uhr Abends, später vielleicht, – man kann sich wohl denken, daß unsere Zigeuner keine Uhr hatten, – endlich gegen elf Uhr Abends erblickte man die Mauern der Stadt.

Bei diesem Anblick gaben die zwei Reisenden einen großen Seufzer der Freude von sich.

Vor den Thoren von Lille traf man die Octroibeamten:

»Wohin gehen Sie?«

»Nach Lille.«

»Haben Sie nichts zu declariren?«

»Hast Du etwas zu declariren?« fragte halb weinend, halb lachend Gustave seinen Gefährten Hippolyte.

»Ich habe zu declariren, daß ich vor Kälte sterbe.«

»Und ich, daß wir, wenn man uns aufhält, nicht mehr in die Stadt hinein können.«

»Kommen Sie hierher,« sagte mit barschem Tone ein Douanier.

Und er griff mit der Hand unter den Ueberrock und traf die nackte Brust von Gustave, der vom Scheitel bis zu den Zehen schauerte. als er diese Hand auf seinem Fleische fühlte.

»Haben Sie Spitzen oder Schmucksachen,« fragte der Douanier aus Gewohnheit.

»Wenn wir Schmucksachen hätten, so wären sie verpfändet, und wenn wir Spitzen hätten, so würden wir uns Hemden daraus gemacht haben.«

»Aber was haben Sie denn in diesen Taschen?

Man durchsuchte die zwei Reifenden. Sie hatten in diesen Taschen, einmal ihre übertretenen Schuhe, sodann die erwähnten Strumpfhosen, und endlich Jeder ein Stück Brod, das sie nicht gegessen.

Die Visitation dauerte eine starke Viertelstunde.

Als man erkannt hatte, daß sie keine Contrebande bei sich trugen, wurden die jungen Leute ermächtigt, ihren Weg zu verfolgen.

Sie waren also an Ort und Stelle. das gastfreundliche Thor fanden sie zwar geschlossen, doch es würde sich wahrscheinlich öffnen.

In diesem Vertrauen klopfte Gnstave an.

Man hörte den Thorwart die Thüre seines Hauses aufmachen, sich dem Thore der Stadt nähern, den Schlüssel im Schloße knirschen lassen und den Querbaum zurückziehen.

Dann öffnete sich das Thor so weit, daß es einer durch die Kälte gerötheten Nase Durchgang gewährte.

»Wer sind Sie?« fragte der Thorwart.

»Wer wir sind? . . . Er ist gut!«« erwiederte Gustave, die größte Sicherheit affectirend. »Junge Leute aus der Stadt.«

»Ihre Karten also?«

»Unsere Karten? . . . Was für Karten?«

»Sie haben keine Karten?«

»Nein.«

»Dann gute Nachts Sie kommen nicht herein!«

Und ehe die jungen Leute Zeit gehabt hatten, auch nur die geringste Bemerkung zu machen, war das Thor wieder geschlossen.

Gustave und Hippolyte schauten sich bestürzt an. Sie hatten wieder Kräfte gefunden um bis ans Thor zu kommen, doch am Thore verließen sie diese Kräfte.

Was sollten sie thun? Die Nacht außen zubringen? Die schon halb gefrorenen armen Teufel würden ganz erfrieren.

Gustave dachte natürlich an die Wachstube, deren warmes Licht man durch die gesprungenen Scheiben glänzen sah.

Er hatte so oft die Nacht in der Wachstube der Douaniers von Caen zugebracht, warum sollte er nicht eine Nacht in der Wachstube der Douaniers von Lille zubringen?

Die Füße waren auf den Schnee gefroren; es war ein Schmerz, sie vom Boden loszueisen . . . Auch weiß man, wie schwierig nach großen Ermüdungen die Halte einen neuen Aufbruch machen.

Die jungen Leute erreichten, sich auf ihren schmerzenden, blutigen Füßen fortschleppend, die Wachstube, wandten sich an die Schildwache, ihre letzte Hilfsquelle, und sagten:

»Mein Herr, wir haben unsere Karten vergessen, und der Thorwart weigert sich, uns einzulassen. Erlauben Sie uns, die Nacht in der Wachstube zuzubringen?«

»Das ist verboten,« erwiederte die Schildwache.

Die zwei jungen Leute stießen einen Schmerzensschrei aus.

Der Ton, mit dem ihnen die Antwort gegeben wurde, sagte deutlich genug, es wäre vergeblich, auf dem Gesuche zu beharren.

In diesem Augenblicke hörte man das der Diligence eigenthümliche Geräusch, ein Geräusch von Ketten, von Schellen, mit Begleitung von Peitschenhieben.

Gustave belebte sich wieder beim Rollen dieses entfernten Donners.

«Hippolyte, eine Idee!«

»Ist sie gut?«

»Ich glaube wohl, wir werden hinein kommen.«

»Wie dies?«

»Du sollst es sehen.«

»Erkläre Dich doch!«

»Ich habe keine Zeit. Thue, was ich thun werde.«

Die schwerfällige Maschine erreichte wirklich die Wachstube und hielt davor an, damit der Douanier einsteigen konnte, denn die Visitation wurde erst in der Stadt vorgenommen.

Gustave näherte sich und rief:

»Conducteur, wir haben unsere Karten vergessen. Es ist nicht möglich, in die Stadt hineinzukommen. Lassen Sie uns auf Ihre Imperiale steigen, oder wir sterben vor Kälte.«

«Hü!« war die einzige Antwort des Condurteur.

Und die Pferde entfernten sich in starkem Trab.

»Geschwinde, Hippolyte!« rief Gustave; »stellen wir uns, Du auf eine Seite des Wagens, ich auf die andere. Klammere Dich an den Griff des Schlages an, und wir kommen mit der Diligence hinein.«

Das befohlene Manoeuvre wurde auf der Stelle ausgeführt.

Während der fünfzig Schritte, welche die Wachstube vom Thore trennten, lief man, ohne Müdigkeit. Wunden oder Hunger zu fühlen. Die Hoffnung hatte Alles vergessen gemacht.

Beim Lärmen der Diligence öffnet sich das Thor wie durch einen Zauber. Der Wagen fährt durch, das Thor schließt sich wieder, Gustave ist innen.

Er dreht sich um und schaut umher: kein Hippolyte.

Was war ans ihm geworden?

Das soll man erfahren.

Man hatte beide Flügel des Thores geöffnet, der Thorwart hatte einen Flügel zurückgezogen, seine Frau den andern.

Gnstave befand sich auf der Seite des Thorwarts, vielleicht sah er ihn, in jedem Fall aber hielt er ihn nicht zurück.

Hippolyte war auf der Seite der Frau. Die Frau ergriff ihn beim Flügel seines Rockes Hippolyte. der die Reise dieses Kleidungsstückes kannte, wollte es nicht wagen, es ihr aus den Händen zu reißen. Er ließ sich vor das Thor zurückschieben.

Sagen wir zur Ehre von Gustave, daß er nicht einen Augenblick den Gedanken hatte, in der Stadt zu bleiben, während sein Freund außen war.

Er trat auf den Thorwart zu und sagte zu ihm:

»Mein Herr, ich bitte Sie inständig, lassen Sie meinen Kameraden herein.«

»Ei« erwiederte der Thorwart, »warum ist er so dumm? Er brauchte es nur zu machen wie Sie: Sie sind hereingekommen? nun! Sie sind hereingekommen, was! . . . Lassen Sie ihn außen und bleiben Sie innen.«

»Mein Herr, ich flehe Sie an, haben Sie Mitleid mit ihm und öffnen Sie ihm das Thor.«

»Unmöglich!«

»So lassen Sie mich zu ihm zurückkehren.

»Oh! was das betrifft, mit dem größten Vergnügen. Gehen Sie!«

Und er nahm den jungen Mann bei den Schultern; während seine Frau das Thor an sich zog, und schleuderte ihn durch die Oeffnung, sobald diese weit genug war, daß ein Leib durchpassiren konnte.

Hiernach stießen Beide, aus Furcht vor einem Ueberfall. mit einer gemeinschaftlichen Anstrengung das Thor wieder zu.

Es fiel den jungen Leuten nicht einmal ein, zu kämpfen: sie waren zu tief niedergeschlagen.«

Es fing wieder an zu schneien.

Hippolyte lehnte sich an die Brustwehr an, ließ die Arme hängen und neigte sein Haupt auf seine Brust.

Gustave setzte sich nicht, sondern lehnte sich neben hin an.

Nach einigen Minuten erhoben Beide gleichzeitig das Haupt.

Es kam ein Wagen herbei, und er war sogar näher, als man hätte glauben sollen, denn sein Rollen dämpfte sich auf dem Schneeteppich, der den Boden bedeckte.

Man sah ihn wie einen finstern Punkt sich nähern und rasch größer werden.

»Ah!« sagte Gustave, »wirst Du diesmal geschickter sein, als das erste Mal?«

»Ich werde es versuchen,« erwiederte Hippolyte mit einer niedergeschlagenen Miene.

Gustave warf einen Blick auf den Wagen.

»Es ist eine Berline,« sagte er; »höre, diesmal will ich mich auf die Seite der Frau stellen; stelle Du Dich auf die Seite des Mannes. Der Mann ist der minder Ungeschlachte von Beiden.

Dasselbe Manoeuvre ward ausgeführt, nur mit dem Unterschied, daß statt rechts zu laufen, Gustave links lief.

Das Thor wurde geöffnet. Es fand ein kurzer Kampf statt, ein Schmerzensschrei machte sich hörbar, Gustave war wie das erste Mal passirt.

Er schaute umher: totales Verschwinden von Hippolyte.

Die Frau hatte Gustave bei seinem Rocke gepackt; doch sie hatte sich die schwarzen Radeln ins Fleisch gedrückt.

Sie hatte den Schrei ausgestoßen, den man gehört»

Gustave war also durchgekommen.

Hippolyte aber hatte sich fassen und vom Thorwart wieder hinausdrücken lassen.

Dieselbe Bitte von Gustave, dieselbe Weigerung von Seiten des Thorwarts, dieselbe Rückkehr von Gustave ins Freie, diesmal jedoch begleitet von einem Fußtritt.

In seinem Aerger hatte Gustave nur ein Wort für Hippolyte:

»Dummkopf!«

»Ich stürze mich in den Graben!« erwiederte Hippolyte

»Er hat nur zwei Fuß Wasser: Du wirst Dir die Beine brechen und nicht ertrinken. Oh! Solltest Du ertrinken, wäre ich für immer von Dir befreit, dann würde ich nichts sagen.«

»Gustave!« rief Hippolyte mit kläglichem Tone.

»Oh! ich möchte auch rasend werden. Höre, wollen wir einander Faustschläge geben, das wird uns erwärmen.«

»Ich habe nicht einmal den Muth, mich zu schlagen.«

»Gut! sollen wir etwa da bleiben, um zu crepiren wie zwei Hunde?«

»Laß uns gehen!«

Das war das letzte Mittel der zwei Unglücklichen, welche seit zwölf Stunden gingen.

»Ja, laß uns gehen!«

»Wohin?«

»Ich weiß es nicht« doch gehen wir immerhin.«

lind in ihrer Verzweiflung singen die zwei jungen

Leute an auf der Landstraße fortzulaufen.

»Sieh da,« sagte Gustave, »ein Schilderhaus!«

»Wo denn?«

»Schau doch!«

Und er deutete mit dem Finger auf ein verlassenes Schilderhaus, das seine schwarze Silhouette auf dem fleckenlos weißen Teppich zeichnete.

Beide erreichten das Schilderhaus.

Die bloßen Füße traten wenigstens auf Holz.

»Ich habe Hunger,« sagte Hippolyte.

»Ei! wir besitzen ja Brod.«

»Ah! das ist wahr, das Brod von der Frau.«

Das Brod war in der Tasche gefroren und krachte unter den Zähnen. Man verzehrte es nichtsdestoweniger bis auf das letzte Krümchen.

Nachdem das Brod gegessen war, setzten die Kinnbacken ihre Bewegung fort; nur war die Bewegung heftigen die Zähne klapperten.

Die zwei Freunde hingen sich an einander an und suchten sich in einer Umarmung zu erwärmen, die man nur mit der der schnatternden Affen im Jardin des Plantes in den kalten Herbsttagen vergleichen kann.

»Versuchen wir es, zu schlafen,« sagte Gustave.

»Schlafe, wenn Du kannst; mir ist das unmöglich. Ich friere zu sehr . . . ich sterbe!«

»Ei! nun, Einfältiger! stirbt man vor Kälte?«

»Ah! mein Freund, in Rußland . . .«

»Das war in Rußland, und wir sind in Frankreich. Bah! eine Nacht ist bald vorüber,« versetzte Gnstave.

Und er fing an, das Lied von Stanislas zu singen:

 
Un vieux soldat sait souffrir et se taire,
Sans murmurer!2
 

Hippolyte antwortete durch einen Seufzer: hätte ihn das Schilderhaus nicht aufgehalten, er wäre rückwärts gefallen

»Meine arme Mutter!« murmelte er.

»Selbstsüchtiger!« rief Gustave; »ich sage Papa seit einer Stunde, doch ich sage es wenigstens ganz leise.«

»O!« machte Hippolyte.

»Du willst nicht schlafen?«

»Ich kann nicht.«

»Nun, so laß uns plaudern. . . schwatzen wir von dem, was wir morgen thun werden. Morgen . . . Hörst Du mich?«

»Ja.«

»Morgen verkaufen wir die Strumpfhosen; wir bekommen immerhin zwanzig Sous dafür.«

»Glaubst Du?«

»Das wäre der Teufel!«

Zwanzig Sous! Das war ihr höchstes Trachten.

»Wenn wir zwanzig Sous haben, was werden wir thun?«

»Mit zwanzig Sous, ei! da tritt man kühn in eine Schenke ein; man wärmt sich.«

»Ja, wir werden uns vor Allem wärmen.«

»Sodann werden wir Jeder eine Tasse sehr heißen Kaffee trinken.«

»Siedend?«

»Und eine gute Brodschnitte.»

»Geröstet!«

»Ja.«

»Gut.«

»Dann werden wir frisch sein.«

»Wir sind es schon nicht übel.«

»Ah, Du scherzest: wir sind gerettet! und ich strenge meine letzten Kräfte an, um diesen Menschen lachen zu machen . . . Spaßvogel!«

»Oh, wie kalt ist es!« murmelte schnatternd Hippolyte.

Man gelangte in der That zu der Stunde der Nacht, die den Morgen berührt und, selbst im Sommer kühl, im Winter eisig ist.

»Morgen werden wir nicht mehr gehen könnten,« stammelte Hippolyte.

»Bah! wir werden denken, wir spielen am Abend. Die Idee, daß ich Komödie spiele, gibt mit nicht Füße, sondern Flügel.«

»Oh, wie kalt ist es!« seufzte Hippolyte mit einem solchen Ausdrucke von Traurigkeit, daß Gustave nicht einmal mehr den Muth hatte, zu sprechen.

Die jungen Leute schlossen die Augen, nicht in der Hoffnung, zu schlafen, sondern um sich selbst Illusion zu machen.

Nach einiger Zeit öffnete Gustave die seinen wieder.

»Höre,« sagte er, »ich glaube, der Tag ist da.«

»Ach! das ist der letzte!«

»Ei! mache ihm wenigstens ein gutes Gesicht.«

Hippolyte öffnete auch die Augen.

»Nun, wenn das der Tag ist,« sprach er, »so müssen die Thore offen sein.«

»Bei Gott!«

»So laß uns in die Stadt hineingehen.«

»Ich muß zuerst meine Füße losmachen . . . Ah, aie!«

Die zwei jungen Leute verließen das gastliche Schilderhaus. Das Thor der Stadt war in der That offen. Sie traten triumphirend ein und überhäuften im Vorübergehen mit ihren Verwünschungen den Thorwart, der sich feig an seinem Ofen wärme.

IX

Die zwei Tassen Kaffee. – Eine Idee im Grunde der Tasse. – Verkauf der Strumpfhosen. – Der Vater Dumanoir im Gasthause zum gekrönten Affen. – Die Tour durch die Stadt. – Die Fastenzeit vermindert die Einnahmen – Allgemeines Fasten— Gustave gedenkt zu seinem Vater zurückzukehren – Der Rummel mit dem Frosche. —

Zwanzig Schritte jenseits des Thores erschien eine Schenke.

»Laß uns eintreten,« sagte Hippolyte.

»Einen Augenblick Geduld . . . die Schuhe?«

»Du hast Recht.«

Man nahm die Schuhe aus den Taschen und zog sie an.

Man mußte eine wahre Ehrfurcht vor dem Wohlanstand haben, um die armen, mit Schmerzen behafteten, blutigen Füße zu zwingen, in ein zähes Leder, das so hart wie Blech und so schneidend wie ein Rasirmesser, einzudringen.

Man zog also die Schuhe an, und sobald dies geschehen war, trat man ein.

»Oh, ein Ofen!« rief Hippolyte.

Und er lief an den Ofen und schloß sein Rohr brüderlich an seine Brust.

»Kaffee!« rief Gnstave mit dem Tone eines Millionärs; »und sehr heiß, sehr heiß, siedend! Hm! hm!«

Nach zehn Minuten brachte man zwei Tassen Kaffee.

Die zwei Tassen waren in einem Zuge verschluckt.

Gustave schaute Hippolyte an.

»Nun, Sybarit,« sagte er, »wirst Du Dich noch beklagen?«

»Und Geld?«

»Und, die Strumpfhosen?«

»Ja.«

»Höre, Deine Schuhe sind weniger niedergetreten als die meinigen.«

»Du glaubst?«

»Du bist gewandter als ich.«

»Du glaubst?«

»Höre mich wohl an und vernimm, was Du zu thun hast.«

»Ich höre.«

»Es war bei der Truppe von Zozo vom Norden eine Tänzerin, die sich Mademoiselle Mine nannte.«

»Mademoiselle Mine?«

»Ja, wir haben mit einander in Lille gespielt.«

»Gut.«

»Mademoiselle Mine hatte eine Schwester, eine reizende Person« die sie besuchte.«

»Was geht uns diese ganze Geschichte an?«

»Warte doch, Du wirst es, beim Teufel! Wohl sehen. Mademoiselle Mine hatte eine Schwester, Eine reizende Person, welche auf dem Fischmarkte wohnte.«

»Der Fischmarkt ist groß.«

»Man kann sich nicht irren; sie wohnte an einer der Ecken, und es sind nur vier da.«

»In welchem Stocke? Ich sage Dir zum Voraus, wenn man hinaufsteigen muß . . «

»Man braucht nur hinabzusteigen.«

»Sie wohnt also?«

»Einen Stock unter dem Erdgeschoß, im Keller.«

»Du wirst sie in meinem Auftrage aufsuchen.«

»Gut.«

»Du wirst ihr nicht sagen, daß ich hier bin.«

»Nein.«

»Du wirst ihr nur sagen, Du seist mein Freund.«

»Und dann?«

»Und Du wirst sie bitten, den Verkauf der Strumpfhosen zu übernehmen; sie wird sie immerhin vortheilhafter verkaufen als wir.«

»Oh! das ist eine Idee!«

»Unartiger! Glaubst Du denn. es fehle einem an Ideen?«

»Nein, wenn Du beim Ofen bist.«

»Gut, und wer hat denn die Idee gehabt, den Querweg einzuschlagen?«

»Oh!! ja . . . rühme Dich dessen.«

»Suche nur Mademoiselle Mine auf. Bringe hundert Franken zurück, wenn Du kannst; bringe aber nicht weniger als zwanzig Sous.«

»Man wird sein Mögliches thun.«

»Gebe, Du hast meinen Segen.«

Nach drei Viertelstunden kam Hippolyte mit heiterem Gesichte zurück.

Die Strumpfhosen waren um vierzig Sous von Mademoiselle Mine der Jüngeren verkauft worden. Nach Bezahlung sämtlicher Kosten blieben vierundzwanzig Sous übrig. Man hatte ein Stück Brod, ein Stück Käse und ein Glas Bier gefrühstückt.

»Kellner, zwei Gläschen, und dann vorwärts!« sagte Hippolyte.

»Siehst Du den Galgenvogel: er behauptete, er könne nicht gehen!l Dein Vater erwartet Dich also, um das fette Kalb zu schlachten, verlorener Sohn, daß Du solche Ausgaben machst?«

Man trank die zwei Gläschen, und man setzte sich in Marsch; Jeder hatte eine Brodkruste in der Tasche, und man besaß eine Reserve von zwanzig Sous.

Man hatte allerdings keine Strumpfhosen mehr, doch man kann am Ende nicht Alles haben.

In zwei Stunden erreichte man Armantières.

»Haben Sie keine Schauspieler gesehen,« fragte Gustave den ersten Bürger, dem er begegnete.

»Auf dem großen Platze links, Zum gekrönten Affen

»Gut; und der Weg nach dem großen Platze, wenns beliebt?«

»Immer gerade zu.«

»Ich danke . . . Nun! Du siehst, daß der Vater Dumanoir ein ehrlicher Mann ist . . .«

»Du kennst das Sprichwort: »Wer verliert, fischt.«

»Und seine Cassette eine redliche Cassette!«

»Das wäre der Augenblick, um ein wenig zu erfahren, was darin ist.«

»Ich habe sie eines Tages geschüttelt; es klang wie Nüsse . . . O ich würde gerne Nüsse essen!«

»Kellner, Dessert für den Herrn! . . . Ah! Welch ein abscheuliches Laster ist die Völlerei!«

Die zwei jungen Leute eilten nach dem großen Platze.

Der Bürger hatte nicht gelogen; der Vater Dumanoir und der Rest der mit ihm verbundenen Truppe waren im Gasthause Zum gekrönten Affen. beschäftigt, Einladungsbillets zu machen, die man von Haus zu Haus tragen wollte.

Als der Pater Dumanoir die jungen Leute erblickte, nahm er seinen Hut mit beiden Händen, schob ihn zwischen seine Kniee, strich seine Haare zusammen, richtete sich auf und sagte:

»Meine Herren, Sie sind ein wenig saumselig.«

»Wir haben uns verirrt,« erwiederte Hippolyte.

»Setzen Sie sich hierher und schreiben Sie.«

»Schreiben, was? Billets? Ein schlechtes Mittel der Veröffentlichung!« bemerkte Gustave.

»Mein guter Freund, können Sie ein anderes vorschlagen?« fragte der Vater Dumanoir.

»Ich schlage vor, die Tour durch die Stadt mit dem Trommler zu machen.«

»Wir haben auch hieran gedacht; doch der Satanstrommler verlangt zwanzig Sous.«

»Ich strecke der Truppe zwanzig Sous vor, unter der Bedingung, daß ich sie von der ersten Einnahme für mich erhebe.«

»Bewilligt!« rief man einstimmig.

»Aber, mein guter Freund, was werden wir ohne Costümes spielen?« fragte der Vater Dumanoir.

»Das militärische Stück: Ohne Trommel und Trompete, Michel und Christine, Adolphe und Clara

»Gut, es sei.«

Und er setzte seinen Hut wieder auf.

Man holte den Trommler: er verlangte zum Voraus bezahlt zu werden.

Gustave reichte ihm majestätisch die zwanzig Sous.

Der Trommler nahm die zwanzig Sous.

»Und nun,« sagte er, »Sie werden mir wohl einen Platz für meine Frau und meine Kinder geben?«

»Sind Sie von der Nationalgarde?«

»Ja.«

»Sie sollen vier Plätze haben, doch Sie müssen uns Ihre Uniform leihen.«

»Es wird geschehen.«

»Man wir wirble also!«

Und es begann die Tour durch die Stadt.

Man spielte mit der Uniform der zwei Gendarmen, dem Rocke des Trommlers und der Verlassenschaft des Feldschützen.

Die erste Einnahme belief sich auf sechzig Franken nach Abzug der Kosten.

Da Ferdinand der Kosak nicht mehr da war, um fünf und einen halben Theil für sich zu nehmen, so bekam Jeder einen ganzen Theil. nachdem die zwanzig Sous von Gustave gewissenhaft wiedererstattet waren.

Fünf Franken sechzig Centimes.

Das war der Pactolus. wenn er alle Tage geflossen wäre.

Niemand kann ganz gewiß den Grund des Anwachsens vom Nil angeben.

Wir werden ohne Furcht, Lügen gestraft zu werden, die Ursache vom Fallen des Pactolus nennen.

Man trat in die Fasten ein, eine Zeit des Fastens für die Christenheit im Allgemeinen, für die Schauspieler aber insbesondere, und für die Provinzschauspieler ganz besonders.

Eines Tags. als man nur zehn Franken gemacht hatte, – das war allerdings unter den Kosten, – sagte Gustave zu Hippolyte:

,Hippolyte, ich ergebe mich.«

»Was will das besagen: »ich ergebe mich?«

»Das will besagen: ich bin besiegt.«

»Und . . .?«

»Und ich will mich einer neuen Arbeit zuwenden.«

»Weicher?«

»Der der reumüthigen Kinder: ich debutire als verlorener Sohn. Morgen reise ich nach Caen: ich falle meinem Vater zu Füßen und thue, was er will, und sollte er von mir verlangen, daß ich nicht mehr Komödie spiele.«

»Abtrünniger!«

»Was willst Du? Die menschliche Stärke hat ihr Maaß.«

»Wie viel hast Du zur Reise?«

»Ich habe, was ich brauche, neun Franken; vier Franken, um ein Paar Schuhe zu kaufen, fünf Franken, um den Weg von hier nach Paris zu machen.«

Weißt Du, daß es immer fünfzig Meilen3 Lille nach Paris sind?«

»Fünfundfünfzig! Das sind zwanzig Sous für die Etappe zu elf Meilen am Tage.«

»Und von Paris nach Caen, wie viel Meilen?«

»Dreiundfünfzig.«

»Hundertundacht im Ganzen.«

»Gut! das verschlingt sich.

»Hundertundacht Meilen mit hundert Sous: das ist nicht ein Sou auf die Meile; Du wirst Vorspann haben?«

»Ja Paris treffe ich wohl einen alten Kameraden, der mir etwas leiht.«

»Ist das entschieden?«

»Unwiderruflich.«

»Glückliche Reise!«

»Umarmen wir uns!«

»Morgen . . .«

»Morgen werde ich auf dem Wege sein, ehe Du erwacht bist.«

»Dann . . «

Die zwei jungen Leute umarmten sich.

»Ah! . . .« sagte Gustave.

»Was?«

»Man weiß nicht, in welche Lage man kommen kann.«

»Du hast Recht.«

»Man kann genöthigt sein, auf den Feldern zu weiden, und nicht einmal mehr Rüben finden.«

»Wir haben das erlebt.«

»Wo! denn, ich will Dir ein Geschenk machen, ehe ich Dich verlasse.«

»Gib,« erwiederte Hippolyte.

Und er streckte beide Hände aus.

»Materielles Geschöpf!«

»Ei! warum nicht?«

»An Dein Moralisches wende ich mich.«

»Es wäre mir lieber, Du würdest Dich an mein Physisches wenden.«

»Ich will vom Einen zum Andern überzugehen suchen. Du weißt, daß ich Dir erzählte, wir haben Alle, so viel wir von der hohen oder der kleinen Bank waren, einen Rummel gehabt?«

»Ja, Du hast mir das gesagt.«

»Ich habe Dir die Rummel von Jedem erzählt, den meinen ausgenommen.«

»Ah! Du hattest also auch einen?«

»Ich fingt Frösche.«

»Wozu?«

»Um sie zu essen.«

»Puh!«

»Du hast teufelsmäßig Unrecht! das ist ganz einfach ein köstliches Essen, etwas zwischen dem Aal und dem Huhn.«

»Schlechter Geselle!«

»Wie so?«

»Da machst, daß mir das Wasser im Munde zusammenläuft.«

»Ah! ah! Du verachtest also den Frosch nicht mehr .«

»Du weißt. welches Vertrauen ich zu Dir habe.«

»Nun, so höre . . . Nur darf es nicht gefroren sein.«

»Oh! es wird am Ende aufthauen.«

»Hoffen wir es . . Du wähst eine Gegend, wo es viele Sümpfe gibt.«

»Ich habe nicht nöthig, zu wählen; ich bin am Orte: in dieser Gegend gibt es überall Sümpfe.«

»Als Abend gehst Du aus, Du machst fünfhundert Schritte auf den Feldern, und Du horchst, von welcher Seite am meisten Gequake kommt.«

»Immer zu!«

»Am andern Tage wendest Du Dich nach dieser Seite . . . Ah! man muß zu drei sein.

»Wie die Parzen.«

»Oder wie die Grazien . . . Ich ging immer mit Fasiou und Flageolet. Am Rande eines Sumpfes angelangt, erforschest Du die Oberfläche des Wassers: Du siehst sie von zehn, fünfzehn, zwanzig Froschmäulern durchlöchert; die Frösche sind da wie grüne Blätter, sie stützen sich aus ihre aufgespreizten Pfoten und sperren ihre Goldaugen aus. Da sagst Dir: »»Gut!«« Du schneidest dann eine Stange von zwölf bis fünfzehn Fuß und ein Stäbchen von achtzehn bis zwanzig Zoll; an beiden lässest Du den Auftrag eines einen Haken bildenden Astes: nur muß sich dieser Haken am dünneren Ende der zwölf bis fünfzehn Fuß langen Stange und am stärkeren Ende des achtzehn bis zwanzig Zoll langen Stäbchens finden . . . Du folgst wohl meinem Raisonnement, nicht wahr?

»Gewiß!«

»Du gibst das achtzehn bis zwanzig Zoll lange Stäbchen einen Freunden: Du behältst die zwölf bis fünfzehn Fuß lange Stange. Mit Deiner Stange näher Du Dich dein Ufer des Sumpfes; Du wählst denjenigen von den Fröschen, mit welchem Dir zu beginnen beliebt. Du berührst ihn leicht mit dem Ende der Stange . . . leicht! Du begreifst? berührst Du ihn ungeschlacht, so taucht er unter, und gute Nacht, Frosch!«

»Leicht!«

»Leicht . . . als wolltest Du ihn liebkosen; dann ziehst Du ihn mit dem Ende der Stange an Dich, ganz sachte. behutsam . . . Ziehst Du ihn zu rasch an, so kommt er Dir zuvor: er macht krrroa!«

»Es ist erstaunlich, wie Du den Frosch nachahmst.«

»Ich habe das prakticirt . . Du ziehst ihn also ganz sachte an Dich . . . Du ziehst ihn an. Du ziehst ihn an, bis er in Deinem Bereiche ist; dann schiebst Du ihm die Hand unter den Bauch . . . es ist keine Gefahr, daß er entwischt, wenn Du die erwähnten Vorsichtsmaßregeln nimmst; – und mit einem Klatsch wirfst Du ihn fünfzehn Schritte auf den Rasen hinaus. Deine zwei Freunde springen darauf los: der Eine nimmt ihn an den Vorderfüßen, der Andere bei den Hinterfüßen; derjenige, welcher ihn an den Vorderfüßen halt, schneidet ihn entzwei bei der Stelle, wo hervorspringend die zwei Knöchelchen erscheinen, welche aufschnellen; derjenige, welcher die Hinterfüße hält, streift sie ab, bindet sie und reiht sie an dem Stäbchen auf. Du hast mittlerweile einen anderen Frosch gewählt, mit dem Du es machst wie mit dem ersten; dann wählst Du einen dritten, einen vierten . . . so viel, als es gibt! Sind keine mehr da, so gehst Du an einen andern Sumpf und so fort. Mit drei, vier, fünf Dutzend Fröschen. – je nachdem Du sie mehr oder minder liebst, oder Ihr, Du und Deine Kameraden, einen mehr oder minder guten Appetit habt, – stellst Du Deinen Fang ein.«

»Es ist aber nicht Alles, daß man Frösche hat: man braucht auch einen Stoff, um sie zu würzen, und irgend etwas, um sie damit zu essen.«

»Warte doch und höre, was wir thaten: wir traten bei einem Bauern ein; Flageolet spielte eine Melodie auf dem Hörnchen; Fasiou machte drei gefährliche Sprünge vorwärts, drei rückwärts, und der Bauer gab uns entweder ein wenig Butter, oder ein wenig Schweineschmalz, oder ein wenig Sahne. Wir gingen zu einem zweiten Bauern: Flageolet nahm wieder sein Hörnchen; Fasiou machte seine drei gefährlichen Sprünge vorwärts, seine drei gefährlichen Sprünge rückwärts, und der Bauer reichte uns ein Stück Brod. Endlich gingen wir zu einem dritten Bauern: Flageolet und Fasiou gaben eine dritte Vorstellung, und der dritte Bauer lieh uns sein Feuer und eine Pfanne. Du hast Verstand genug, um das Uebrige zu errathen . . . Dasselbe läßt ich von einem einzigen Menschen verrichten, nur nimmt es mehr Zeit weg, in Betracht, daß man genöthigt ist, die Frösche zu fischen, ihnen nachzulaufen, sie zu erwischen, entzwei zu schneiden und abzustreifen, Alles ohne irgend eine Hilfe; in diesem Falle braucht man aber nur zwei Dutzend zu fangen, statt sechs, was auf eins herauskommt.«

»Oh! für mich wäre eine Unannehmlichkeit hierbei: ich kann weder das Hörnchen blasen, noch die drei gefährlichen Sprünge vorwärts und rückwärts machen.«

»Doch Du hast eine schöne Stimme, Du trittst bei einem Bauern ein, stellst Dich als Troubadour auf und singst:

 
Ma Fauchette est charmante
Dans sa simplicite . . .4
 

und Du kommst zu demselben Ziele; der erste Bauer gibt Dir Butter, Schmalz, Sahne; der zweite Bauer gibt Dir ein Stück Brod, und der dritte läßt Dich Dein Fricassé machen. Am andern Tag gehst Du in einen andern Canton. Das ist das, was man den Rummel mit dem Frosche nennt. Und nun umarme mich! Ich reise ruhiger ab, denn ich habe die stolze Ueberzeugung, Dein Wohlthäter zu sein!«

Die zwei jungen Leute umarmten sich, und am andern Morgen vor Tagesanbruch war Gustave auf dem Wege nach Paris.

2.Ein alter Soldat weiß zu leiden und zu schweigen ohne Murren!
3.Lieues, französische Meilen.
4.Meine Fauchette ist reizend in ihrer Enfachheit . . .
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06 декабря 2019
Объем:
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Public Domain

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