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Читать книгу: «Abenteuer und Drangsale eines Schauspielers», страница 3

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IV

Taufe und Weihe von Etienne

Man vernehme, was sich am vorhergehenden Tage ereignet hatte.

Am Tage vorher, – als er müßig herumschlenderte. – wir haben zugestanden, daß der junge Etienne viel herumschlenderte, – als er am Tage vorher auf dem Komödienplatze herumschlenderte, von fern das Monument, von nahe die Anschlagzettel anschaute, sah sich der Zögling von Herrn Odelli vor einem Gäßchen, das zwischen einer von den Seitenfacen des Theaters und einem Klumpen Häuser durchlief.

Er trat in das Gäßchen ein; Alles dies, begreifen Sie wohl? einzig und allein in Absicht, sich an, Steinen zu reiben, welche Komödie spielen hörten.

Sie kennen das Sprichwort: »Die Wände haben Ohren.«

Links fand der junge Etienne einen Eingang so düster wie der der Höhle von Ali Baba.

Schlüpfriger Boden, feuchte Wände, Wassertropfen diamantene Rinnen die Mauern entlang ziehend nichts fehlte.

Der Hausmeister. der sich gewöhnlich hier aufhielt, war nicht da.

Der schwarze Rachen der Höhle schien ihn verschlungen zu halten.

Der junge Mann wagte es, drei Stufen hinabzusteigen, dann zwanzig hinauf, wobei er das Licht hinter sich ließ und sich bei jedem Schritte, den er machte immer mehr in die dichteste Finsternis vertiefte.

Oben auf der Treppe drückte er eine Thüre auf: diese Thüre ging auf die Eingeweide des Ungeheuers.

Nie warf Jonas im Bauche des Wallfisches einen so erstaunten Blick auf den Rückgrath, auf die Rippen, ans die Blase, welche so groß wie ein Ballen Godard, und auf die fünfhundert Fuß dünner Gedärme, als dies unser junger Mann, das Lampengestell, die Träger mit den eisernen Sprossen, die vom Plafond herabgebenden zahllosen Fäden und die Riesenthüre, durch welche die Coulissenrahmen herein kommen, anschauend that.

Er ging Schritt für Schritt in dieser Finsternis und in dieser Einsamkeit und trat so leicht, als er konnte, auf, um kein Geräusch zu erregen, als er fühlte, wie sich eine breite, mächtige Hand auf seine Schulter legte.

Er glaubte unter die Klauen eines Riesen gefallen zu sein.

Erschrocken wandte er sich um; dann gab er plötzlich einen Schrei des Erstaunens, an dem die Freude ihren guten Theil hatte, von sich und rief:

»Sie da, Herr Aubin der Aeltere!«

So nannte man, um ihn von seinem jüngeren Bruder zu unterscheiden, den älteren von den Söhnen eines Bildhauers, der sein Magazin auf dem Komödienplatze hatte.

»Nun, ja.« antwortete Aubin, »ich bin es . . . was dann?«

»Was dann? Es freut mich sehr, daß Sie es sind.«

»Warum?«

.Weil Sie mich nicht vor die Thüre werfen werden.«

»Vor welche Thüre?«

»Vor die Thüre des Theaters.«

»Du hattest bange, man könnte Dich vor die Thüre werfen?«

»Gewiß.«

»Interessirt es Dich, ein Theater zu sehen?«

»Im höchsten Grade. Seit ungeheuer langer Zeit gelüstet es mich hiernach.«

»Du möchtest gern Schauspieler sein?«

»Ah! Herr Aubin, ich glaube wohl, daß ich das sein möchte.«

»Wer hält Dich davon ab?«

»Der Vater! Wenn Sie wüßten, wie er mich geprügelt hat, als er hörte, ich habe in der Pantomime von Gringalet von Rouen gespielt!«

»Und trotz der Schläge hast Du den Beruf behalten.«

»Meine Neigung ist stärker als je. Ich glaube, ich werde rasend, wenn ich nicht eines Tags Schauspieler bin.«

»So komm hierher. «

»Hier bin ich, Herr Aubin.«

»Knie’ nieder.«

»Wozu?«

»Knie’ nieder.-«

»Ich kniee.«

»Warte.«

Er nahm einen Tümmler voll Oel.

»Im Namen von Talma, Garrick und Roscins taufe ich Dich zum Schauspieler,« sprach er zu dem jungen Mann.

Und er goß ihm den Tümmler Oel auf den Kopf.

»Ah! was machen Sie denn, Herr Auhin?«

»Es ist nun nicht mehr zu widerrufen: Du bist zum Schauspieler getauft; Du wirst unter jeder Bedingung Schauspieler sein.«

Er war mehr als getauft, er war geweiht.

Das hatte sich am vorhergehenden Tage ereignet; das war die sibyllinische Wahrsagung, die dem Schüler von Herrn Odelli den Muth gab, sich von seinem Bildschnitzer wegjagen zu lassen.

Am andern Tage, gegen neun Uhr Morgens, hieß man ihn zwei geschnitzte Tauben zum Tischler tragen.

Reichlich berechnet, brauchte man eine Viertelstunde, um hin- und herzugehen.

Etienne blieb heldenmüthig drei und eine halbe Stunde aus.

Er kam Mittags um drei Viertel auf ein Uhr zurück.

»Woher kommst Du, Faulenzer ’s« fragte der Meister.

»Woher ich komme?«

»Ja, das frage ich Dich.«

»Ich komme, woher es mir beliebt.«

»Wie, woher es Dir beliebt?«

»Nicht anders!«

»Ah! so antwortest Du mir?«

»Sie mußten mich nicht fragen, dann hätte ich Ihnen auch nicht geantwortet.«

Hätte der Meister einen Spiegel vor sich gehabt, so würde er sich darin angeschaut haben, um zu sehen, ob er wohl wache.

»Du willst also vor die Thüre gesetzt werden?«

»Oh! man braucht mich nicht vor die Thüre zu setzen; ich werde mich allein davor setzen.«

»Warte, warte, kleiner Schlingel!«

»Vor Allem heiße ich nicht kleiner Schlingel, sondern Etienne Marin.«

»Du unterstehst Dich, so zu reden, Schuft?« rief der Meister.

Und er hob zwei angefangene Tauben auf, um sie dem Knaben an den Kopf zu werfen.

Der Knabe flüchtete sich über einen Werktisch und war in einem Nu vor der Thüre.

»Ah! das soll Dein Vater erfahren . . . »Warte! Warte!«

Hiernach setzte der Bildschnitzer seine Mütze auf, zog seine Schürze aus, schlüpfte in seinen Rock und schlug in Geschwindschritt den Weg nach der Rue des Carmes ein.

Da half kein Widerruf. Die Prügeleinnahme war sicher, es handelte sich nur um das Mehr oder Weniger.

So stoisch der Schüler von Herrn Odelli auch sein mochte, es war doch ganz einfach, – angenommen, daß eine Wahl zu treffen und Freiheit in der Wahl war. – es war einfach, daß er das Minder zum Nachtheil des Mehr wählte.

Der Vater hatte eine Nachtrunde zu machen. Gewöhnlich ging der Vater zu seiner Nachtrunde um sieben Uhr Abends aus und ließ den Schlüssel unter der Thüre, damit ihn der Knabe, von Herrn Odelli zurückkehrend, finden könnte.

Die ganze Frage war, die Rückkehr erst nach acht Uhr zu versuchen; der Vater würde seit einer Stunde weggegangen sein; der Säumige hätte die ganze Nacht vor sich.

Etienne ging bis um acht Uhr spazieren.

Um acht Uhr wandelte er nach der Rue des Carmes.

In dein Augenblick, wo er, an den Mauern hinschleichend, die Thüre erreichte, öffnete sich diese, und der Vater erschien, den Carabiner auf der Schulter, die Pistolen im Gürtel, den Säbel an der Seite und die Marsellaise trällernd.

Der junge Mann blieb verdutzt und gleichsam an die Wand geklebt stehen.

Nachdem er zwei Schritte gemacht, erblickte ihn der Vater, er zog seinen Säbel und schrie:

»Ha! Schuft, Du bist da!«

Der Knabe stürzte in den Gang, doch der Vater stürzte ihm nach.

Auf der ersten Stufe der Treppe holte er ihn ein, und er schlug auf ihn mit dem flachen Säbel.

Er geleitete ihn so immer schlagend bis zum dritten Stocke.

Es war nicht möglich, weiter zu gehen: hier endigte die Treppe.

Der arme Geschlagene sah sich genöthigt, anzuhalten und sich seiner Strafe zu unterziehen.

Sie war lang und streng

Am andern Tage, Morgens um acht Uhr, kam Etienne bleich und ganz gerädert von Schlagen bei Herrn Odelli an.

Herr Odelli brauchte keinen Blick auf ihn zu werfen, um zu begreifen, was vorgefallen.

»Ah!« sagte er, »es scheint, es ist vorbei!«

»Ja, mein Herr,« antwortete mit kläglichem Tone der Schüler.

Es war von nichts mehr die Rede.

Ein ganzes Jahr lang blieb der junge Mensch noch die Sculptur studirend bei Herrn Odelli; er schwänzte aber immer wieder die Schule den Theatern, den Kunstreitern und den Seiltänzern zu Liebe.

Was ihm eine so unberechenbare Anzahl Prügel von seinem Vater eintrug, daß er, um welchen Preis es auch sein möchte, in der Hauptstadt Kunst zu treiben beschloß.

Haben die Menschen ihren Platz in der Zukunft bezeichnet, so ist immer eine Vorsehung da, welche im gegebenen Augenblick einen Menschennamen entlehnt, den Auserwählten bei der Hand nimmt und führt, wohin er gehen will.

Die Vorsehung des jungen Mannes nahm den Namen Herr Lair an.

Herr Pierre Aimé Lair war Präfecturrath. Er war einer von den Männern, welche so kostbar für die Provinzstädte zweiten Ranges, weil sie sich an die Spitze des Fortschrittes stellen und allen Verbesserungen die Hand bieten.

Sagen wir, was in physischer und moralischer Hinsicht Herr Pierre Aimé Lair war, den die Stadt Caen vor zwei Jahren zu verlieren das Unglück gehabt hat.

In physischer Hinsicht war er ein Mann von mittlerem Wachse, braun, mager, blatternarbig, immer sehr gut rasirt, was den unteren Theil seines Gesichtes kobaltblau machte, seine Tracht war die eines zurückgebliebenen Provinzbewohners, wodurch indessen seiner großen natürlichen Distinction durchaus kein Abbruch geschah: er trug gewöhnlich einen blauen Rock, eine weiße Weste, Nankinbeinkleider im Sommer, eine Tuchhose im Winters er zog selten Stiefel an, und wenn er keine hatte, so trug er, von welcher Farbe auch seine Beinkleider sein mochten, unabänderlich blaue Strümpfe.

In moralischer Hinsicht war er ein Mann von so vollkommener Freundlichkeit und Höflichkeit, daß er in seinen Manieren etwas vom Prälaten hatte. Diese außerordentliche Einigkeit diente bei ihm als Hülle für eine mächtige Energie.

Eines Tags, als er bekleidet mit dem königsblauen und hellblau gestickten Fracke eines Präfecturrathes, mit seinen Nankinhosen, seinen blauen Strümpfe, das Kinn frisch rasirt und umrahmt von einer weißen Halsbinde, der Ziehung der Conscription beiwohnte, zog ein armer normannischer junger Mensch die Nummer 1. Der junge Mann hatte keinen Befreiungsgrund und es war also sehr wahrscheinlich, daß er abgehen mußte; seine Mutter, die sich in einem Winkel vom Saale des Rathhauses befand, erhob auch ein gewaltiges Geschrei.

Dieses Geschrei berührte unangenehm das Trommelfell des bei der Ziehung anwesenden Generals.

»Laßt die Schreierin abtreten!« rief er mit lauter Stimme.

Eine solche Brutalität empörte Herrn Lair, und er sagte mit seinem sanftesten, artigsten Tone:

»Ah! General, ehren Sie den Schmerz einer Mutter.«

Ein Gemurmel des Beifalls folgte auf die Worte von Herrn Lair mit der eisigen Stille contrastirend, welche auf die des Generals gefolgt war.

Die von Seiten von Herrn Lair höfiche Lection war streng von Seiten des Publicums geworden.

Der General, der sich nicht an das Publikum halten konnte, hielt sich an Herrn Lair.

Er warf seinen Kopf an die Lehne seines Stuhles zurück, um mit seinem hinter ihm sitzenden Adjutanten sprechen zu können, und fragte ihn, laut genug, um von allen denen, welche ihn umgaben, und folglich auch von Herrn Lair selbst gehört zu werden:

»Sagen Sie doch, mein Lieber, wissen Sie den Namen von diesem Herrn mit seinem blauen Kinn, seinem blauen, blau gestickten Rocke und seinen blauen Strümpfen?«

Der Adjutant lachte auf eine sehr angenehme Weise über diesen Witz seines Generals.

Herr Lair veränderte sein Gesicht nicht im Mindesten. Jedermann wandte sich gegen ihn um: er allein schien nicht gehört zu haben.

Nur, als die Ziehung vorüber war, näherte er sich dem General und sagte zu ihm mit der Höflichkeit, von der er, selbst wenn er gewollt hätte, nicht abzulassen im Stande gewesen wäre:

»Mein Herr, Sie wünschten, wie es schien, meinen Namen zu wissen, da Sie Ihren Herrn Adjutanten gefragt haben, der Ihnen denselben nicht nennen konnte. Ich will dies thun: ich heiße Pierre Aimé Lair.«

»Sehr erfreut,« erwiederte der General.

»Was nun die Revue betrifft, die Sie meine Person und meine Tracht passiren zu lassen mir die Ehre erwiesen, so ist sie vollkommen genau, jedoch Eines ausgenommen.«

»Was, mein Herr?«

»Ei! den Degen, den ich an der Seite trage, und dessen Spitze ich Sie fühlen zu lassen hoffe, wo und wann es Ihnen beliebt, General, damit Sie denselben ein andermal nicht vergessen.«

So leise sie auch gesagt war, die Herausforderung wurde gehört; man legte sich ins Mittel. Es war ein Zu schlechtes Beispiel, einen General und einen Präfecturrath sich schlagen zu sehen. Das Duell fand nicht statt.

Zehn Jahre später, in einem Alter von fünfzig Jahren, hatte Herr Lair die Idee, eine Reise durch Frankreich zu machen. Er war eines der ausgezeichnetsten Mitglieder der Gesellschaft der Alterthumsfreunde der Normandie, und die Reise, die er unternahm, hatte besonders archäologische Studien zum Zwecke. An einem schönen Morgen ging er zu Fuß ab, er macht seinen Stock mit dem goldenen Knopfe in der Hand sechs, acht bis zehn Meilen am Tage und reiste so ein Jahr oder achtzehn Monate.

Zum Glück für den Schüler von Herrn Odelli, war er aber im Jahre der Gnade 1826 nicht auf der Reise.

Er besuchte oft die Zeichenschule, plauderte liebevoll mit den Zöglingen, besonders mit denjenigen welche Hoffnungen gaben, und unter diesem Titel war er mehrere Muse vor dem jungen Etienne stehen geblieben und hatte verschiedene Fragen über seine Hoffnungen und Wünsche an ihn gerichtet.

Der junge Mensch hatte hingesagt, seine Hoffnungen und seine Wünsche vereinigen sich in einem Trachten: nach Paris gehen.

Herr Lair vermuthete wohl, eines der Hindernisse der Reise sei der Mangel der für den jungen Reisenden nothwendigen Summe.

Eines Tages sagte er zu ihm:

»Vor Ihrem Abgang, mein Kind, wünschte ich einige von Ihren Studien zu kaufen.«

Am andern Tage war er in der Rue des Carmes; er hatte den Augenblick erwählt, wo der Vater unfehlbar da sein mußte. Er sprach lange von den Anlagen des jungen Menschen, von der Nothwendigkeit, in er sich befinde, seine Studien bald in Paris zu verfolgen, kaufte einen Kopf von Seneka und einen Kopf von Cicero, und bezahlte zwanzig Franken für jeden, ferner einen Fuß und eine Hand von riesigen Formen, jedes Stück von ihm zu zehn Franken geschätzt.

Der junge Mann hatte sechzig Franken Taschengeld.

Vor einer Autorität wie die von Herrn Laie, der Paris rieth, wagte es der Vater nicht, eine Einwendung zu machen. Er kaufte einen Koffer, ließ eine vollständige Schelfe machen. – wir bedienen und der Ausdrücke, deren er sich bediente. – legte genannte Schelfe aus ein Dutzend Hemden, die den Grund des Koffers bildeten, completirte die hundert Franken, bezahlte den Platz auf der Diligence und führte seinen Sohn, stoisch wie ein Spartaner, zum Wagen.

Etienne weinte viel. In dem Augenblick, wo er sich von seinem Vater trennte, vergaß er die zahlreichen Correctionen, die er von ihm empfangen hatte, oder in die Tiefen seines Gewissens hinabsteigend, sagte er sich vielmehr, diede Correctionen seien rechtmäßig gewesen.

Der Vater blieb felsenfest.

Der Postillon ließ seine Peitsche knallen; der Wagen gerieth in Bewegung, und die schwerfällige Maschine ging in starkem Trabe ab, ein Gang, den sie behielt, so lange sie in der Stadt rollte. Halb traurig, halb freudig- – um gerecht zu sein, müssen wir sagen, mehr freudig, als traurig, – hatte der junge Mann die ersten Schritte zur Nachwelt gemacht.

Da wir mit ihm abgereist sind, so wollen wir auch zugleich mit ihm ankommen.

Wer sagt und, die zukünftigen Talma, Garrick und Roscins, – man erinnert sich, der junge Mann war unter diesem dreifachen Patronat getauft worden, – werden nicht eine Lehre, in artistischer oder in philosophischer Hinsicht, in dem Vagabundenleben finden, das wir zu erzählen versuchen?

V

Ankunft in Paris. – Das Theater der Porte Saint-Martin. – Das Hotel von Madame Carré. – Die Miethsleute. – Die Schlafkameraden. – Hippolyte. – Der Bildhauer der Madeleine. – Eine Vorstellung von Freunden. – Die polnischen Röcke. – Engagement für die Provinz. – Der Vater Duma noir. – Seine Cassette. – Ferdinand der Kosak. —

Unser Held kam um fünf Uhr in Paris an, stieg um sechs Uhr in der Rue Notre-Dames des Victoires aus, ließ sein Gepäck im Bureau und lief, da es ihn drängte, Paris zu sehen, gerade vor sich hin, ohne zu wissen, wohin er ging.

Nach zehn Minuten eines wahnsinnigen Laufes, so sehr war er berauscht von all diesem armen von Menschen und Wagen, befand er sich vor einer Art von Monument.

»Halt, ein Theater!« rief er.

Und er blieb stehen, entschlossen, für diesen Abend nicht weiter zu gehen.

Er hatte nicht zu Mittag gegessen; er kaufte einen Krapfen, verzehrte ihn bis auf das legte Krümchen, und trat ins Theater ein.

Man denke sich die Freude des jungen Mannes!

Er war in diesem so sehr ersehnten Paris; er war in einem Schauspielsaale, ohne daß er bei seiner Rückkehr nach Haue gezankt oder geschlagen zu werden befürchten mußte. Acht der arme Knabe, er satte schon keine Heimath mehr, und er hatte hundert Franken in seiner Tasche!

Hundert Franken! das ist, um damit eine Mühle am Paktalos, einen Palast im Eldorado zu bauen.

Eine Viertelstunde vor Mitternacht ging das Schauspiel zu Ende.

Unser Held entfernte sich mit den andern Zuschauern, nur war er vielleicht der Einzige, der nicht wußte, wo er schlafen gehen sollte.

Er beschloß sich dem Zufall zu überlassen; der Zufall hatte ihn nach der Porte Saint-Martin geführt, Der Zufall würde ihn wohl zu einem Wirtshause führen.

Er schlug die erste Straße rechts ein.

Nach ungefähr dreihundert Schritten befand er sich am Ende er Rue Saint-Jean, und er erblickte ein Transparent, auf welchem geschrieben stand:

Hotel Carré
Man übernachtet

Etienne trat ein, verlangte ein Zimmer und ein Bett.

Zum Glück hatte er seinen Paß bei sich, sonst hätte ihm der Mangel an Koffer, Felleisen oder Nachtsack von Nachtheil sein können.

Der Paß wurde gelesen und als gut anerkannt; der Reisende ließ seine neunzehn Fünffrankenstücke in Einer Tasche klingen: eines war schon seit seiner Angst verschwunden, man ab ihm mit allen Arten von Rücksichten das verlangte Zimmer und Bett.

Man war nicht gewohnt, Reisende ein Zimmer und ein Bett für eine einzige Person verlangen zu sehen.

Das Hotel war von Bildhauern, Ornamentisten und Malern bewohnt; die Gäste von Madame Carré – denn obgleich es einen Herrn Carré gab, pflegte man doch zu sagen: das Hotel von Madame Carré, – die Gäste von Madame Carré trieben im Allgemeinen die Sparsamkeit unter dem Vorwande der Brüderlichkeit so weit, daß sie zu zwei schliefen.

Schon am Tage nach seinem Einzuge, als der Bildhauer-Jüngling sich beklagte, daß man von ihm die ungeheure Summe von fünfzehn Sous für das Zimmer und das Bett forderte, machte man ihn bekannt mit den Gewohnheiten des Hauses; es stand ihm frei, einen Stuben- und Bettkameraden zu nehmen; dann würde ihn seine Hälfte am Zimmer und am Bett für seinen Theil zehn Franken sieben Sous monatlich kosten.

An demselben Tage stellte man bei Tische dem Neuaugekommenen einen Gefährten vor, der sich in derselben Lage befand wie er, das heißt, der auch eine Stuben- und Betthälfte suchte.

Dieser Kamerad» hieß Hippolyte und war Porzellanmaler.

Die zwei Atome hingen sich an einander an und sind noch heute zwei Freunde.

Etienne wollte seine Zeit nicht mit dem Herumschlendern verlieren; er ließ seinen Koffer holen, zog die Schelfe des Vaters an und begann unverzüglich seine Besuche bei den Unternehmern.

Der Erste, an den er sich wandte, hieß Herr Bochard

Herr Bochard war Unternehmer der Sculpturen der Madeleine.

Er sprach einen Augenblick mit dem jungen Manne, und da ihm sein Ton und seine Manieren gefielen, so fragte er ihn:

»Aus welcher Provinz sind Sie?«

»Ich bin Normann.«

»Von welcher Stadt?«

»Von Caen.«

»Ich vermuthete es.«

»Warum?«

»Sie haben eine normannische Hand; die Normannen sind im Allgemeinen geschickt; nehmen Sie morgen früh Ihr Werkzeug und gehen Sie nach der Madeleine; Sie werden sich unter Bekannten finden.«

Am anderen Tage, Morgens um acht Uhr, war der junge Mann in der Madeleine.

Die Ornamentisten waren bei der Arbeit.

»Ah!« rief einer von ihnen, »das ist mein Pathe!«

»Wie, Dein Pathe?«

»Ja, ich habe dieses Bürschchen im Theater in Caen mit Lampenöl getauft; komm hierher, Talma!«

Etienne näherte sich dem Sprechenden und erkannte in ihm Aubin den Aeltern.

Bei ihm war sein Bruder.

Die zwei Aubin nehmen heute ihren Rang unter den ersten Ornamentisten von Paris ein.

»Auf, eine Tirade!« sagten die Bildhauer.

Der Ankömmling legte sein Werkzeug nieder, setzte die linke Faust aus die Hüfte, rundete den rechten Arm und begann:

»N’en doutez pas, Burrhus, malgré ses injustices . . .«

Das Auftreten von Nero wurde von einem Beifallssturm bedeckt. Talma war gestorben und sein Nachfolger gab die schönsten Hoffnungen.

Mittlerweile mußte man den Meißel und den Hammer nehmen. Der zukünftige erste Held des Théâtres-Francais band eine Maske mit Brille vor, damit ihm die Steinsplitter das Auge nicht verletzten, und griff ein Capitäl an.

Hier war die Arbeit, doch bei der Mutter Carré war die Erholung. Jedermann sprach Verse bei der Mutter Carré: Maler, Bildhauer, Ornamentisten. Hippolyte, der Kamerad von Etienne, war besonders theaterwüthend.

Man wollte um jeden Preis Komödie spielen.

Man war darauf bedacht, ein Stück einzurichten.

»Was sollte man spielen?

Die Wahl fiel auf Eine einfache Geschichte von Eugene Scribe.

Etienne lernte die erste Rolle, Hippolyte die des Liebhabers, und man probirte auf dem Theater der Rue de Lesdiguières.

Es kam der Tag der Vorstellung. Den zwei jungen Leuten, Etienne und Hippolyte, wurde die Ehre des Abends zu Theil.

Allen Vorstellungen, welche aus dergleichen Theatern gegeben werden, wohnen Leute bei, die man Veranstalter nennt.

Einer von diesen Veranstaltern machte den Liebhabern den Vorschlag, vor einem bezahlenden Publikum zu spielen.

Solche Vorstellungen bieten den Vortheil, daß man nach ein paar Successen ein Engagement findet.

Allerdings ein Provinzengagement. Doch der Mann, der an seine Tasche klopfend spricht: »Ich habe hier mein Engagement!« ist sehr stolz und besonders sehr geachtet.

Ueberdies braucht er nicht zu sagen, für welche Stadt sein Engagement ist.

Alle diese Partieen förderten die Sculptur aus festem Stein und die Malerei auf Porzellan nicht sehr.

Doch das that einen Schritt zur Komödie.

Es können nicht alle Künste zugleich vorwärts schreiten.

Zu jener Zeit, nämlich im Jahre 1827, versammelten sich die Künstler, welche von der Provinz zurückkamen, besonders in der Rue des Vieilles-Etuves, im Café des Comédiens.

Dort warben die Direktoren ihre Truppe an.

Man trug damals viel polnische Röcke.

Jeder Trial, jeder Martin, jeder Elleviou hatte seinen politischen Rock.

Der Ehrgeiz unserer zwei jungen Leute war, einen polnischen Rock zu haben, – wohl verstanden, nicht zwei politische Röcke: zwei polnische Röcke kosten das Lösegeld eines Königs! aber einen polnischen Rock für zwei, wie sie ein Zimmer für zwei, ein Bett für zwei hatten.

Sie würden Einer um den Andern ins Kaffeehaus gehen und so das Ansehen haben, als besäße Jeder einen polnischen Rock.

Die Schelfe des Vaters, welche nur drei bis viermal angezogen worden war, wurde zu einem Trödler getragen und gegen einen polnischen Stock vertauscht, der nur acht bis zehnmal angezogen worden, wie der Trödler selbst sagte.

Im Ganzen war genannter polnischer Rock von königsblauem Tuch, mit schwarzen Borten und Schnüren und einem Besatze von Astracan am Kragen und an den Vorderärmeln noch ziemlich präsentabel.

Er brachte aus dem Rücken von Etienne am ersten Tage und aus dem von Hippolyte am zweiten eine entsprechende Wirkung hervor.

Zum Beweise dient, daß Beide mit Herrn Dumanoir, Director der dritten französischen Truppe des ersten Theaterarrondissement, das französische Flandern umfassend, einen Vertrag abschlossen.

Man begreift, daß während dieser Zeit die Madeleine sich selbst vollendete.

Der Director war im Rückstande; er drängte auch seine Pensionäre ungemein.

Man ging zu Fuß ab; ein Wagen mit den Weibern und dem Gepäcke beladen folgte den Zigeunern oder fuhr ihnen voran.

Werfen wir einen Blick auf die Karavane, die sich munter aus der Straße nach Amiens. bei einer schönen Sonne des Monats Mai, ausdehnt.

Wir haben auch, wie Scarron, unser Kapitel vom komischen Roman zu machen.

Der wirkliche und privilegirte Director, – wir sagen, der wirkliche und priviligirte Director, weil wir sogleich von der Usurpation des Regisseur zu sprechen haben, – der wirkliche und privilegirte Director hieß, wie gesagt, Herr Dumanoir.

»Herr Dumanoir war eine Art von altem Marquis, ein ehemaliger Schöner des Directoriums, der in den Tuilerien und im Luxembourg pirouettirt hatte in der Nankinhose, woraus Bänderwogen, mit grün gestreiften Strümpfen, Schnallenschuhen, zwei Uhrketten, einer Basinweste, einem apfelgrünen Frack, einer sehr hohen Halsbinde von Batist, den Chignon oben auf dem Kopfe durch einen Kamm festgehalten, den Hut rückwärts und das Stückchen unter dem Arm.

In der Zeit. wo wir ihn zu der Würde eines Directors der dritten Truppe des ersten Arrondissement erhoben sehen. und wo er im Triumphe aus Paris auszog, war er ein Mann von sechzig Jahren, roh, dürr, mager, mit einem knochigen Körper, dessen hervorstehende Theile durch das Tuch eines Ueberrocks sichtbar wurden, der zu weit und, wir würden sagen, zu lang war, hatte man damals dieses Kleid nicht auf die Absätze schlagend getragen. Von seinem Kostume von 1798 hatte er nichts beibehalten, als den charakteristischen Theil, nämlich den Chignon. Sein ehemaliges Haupthaar, das die Bewunderung der schönen Damen der Zeit gebildet hatte, war unter dem Hauche der Jahre verschwunden und hatte dem Exincroyable nur einen Kranz oder vielmehr einen Halbkreis von Haaren, welche dicht im Genick, aber spärlich an den Schläfen, hinterlassen. Doch man weiß, welche Illusion ein Ueberrest gut angewandter Haare hervorbringen kann; die des Genicks waren in einer Flechte vereinigt, welche, ungefähr einem Krebsschwanze ähnlich, vom Hals gegen das Organ der Religiosität emporstieg, den Kreis des Schädels umfaßte und sich oben aus der Stirne abplattete.

Dabei war Herr Dumanoir der artigste Mann der Welt. Vor jeder Person, die ihn ansprach, zog dieser Mann, der doch alle mögliche Gründe hatte, bedeckt zu bleiben, seinen Hut ab, den er sodann zwischen seine Beine nahm; er ordnete mit seinen beiden Händen seine Haare, richtete sich in der ganzen Höhe seiner langen Gestalt auf und sagte:

»Was wünschen Sie, mein guter Freund?«

Unter Weges hielt er unveränderlich bei jedem Messerschmiedsmagazine, das er rechts oder links von der Straße traf, an, und er verweilte hier auf eine für seine Pensionäre beunruhigende Weise; sie hätten sich von ihm verlassen glauben können, wandten sich deshalb mit Besorgniß um, blieben von Zeit zu Zeit stehen, um auf ihn zu warten, und sahen ihn plötzlich am Horizont unter Staubwolken erscheinen, die seine langen Beine emportrieben.

Bemerken Sie wohl, daß er unter seinem Arme eine sehr schwere kleine Cassette, in Form eines Felleisens, trug; eine Cassette, die er nie verließ, so daß man denken konnte, wie die des Geizigen, habe die Cassette des Vaters Dumanoir Augen, und der Vater Dumanoir sei in diese Augen verliebt.

Eines Tags hatte er gegen seine Gewohnheit diese Cassette auf der Erde stehen lassen; einer von seinen Pensionären hob sie mit großer Mühe auf, stellte sie wieder an ihren Platz, schlug ein Entrechat und rief:

»Ueber sechzig Pfund, meine Herren, über sechzig Pfund!«

Und alle Welt klatschte in die Hände bei der glücklichen Kunde und bezeigte Herrn Dumanoir eine noch größere Hochachtung.

Woher rührten die unvorgesehene Freude und die zunehmende Hochachtung?

Es hatte sich unter der Truppe die Legende verbreitet, die Cassette des Vaters Dumanoir enthalte die Kasse und darum lasse er sie nie von sich.

War aber in dieser Cassette die Kasse und sie enthielt nur sechzig Pfund Silber, so lagen fünftausend neunhundert Franken in der Kasse, enthielt sie Gold, so waren es zweiundneunzigtausend Franken, was sie versprach.

Es war also ein Midas, ein Crassus, ein Rothschild, der Vater Dumanoir.

Nach dem Vater Dumanoir, wir müßten sagen vor ihm, kam der Oberregisseur der Truppe, – Herr Ferdinand.

Gewöhnlich nannte man ihn Ferdinand den Kosaken, weil genannter Ferdinand behauptete, er habe bei den Freicorps gedient und in den Jahren 1814 und 1815 ganze Horden an den Ufern des Dons geborener Unterthanen von Kaiser Alexander vertilgt.

Wie, weil er Kosaken vertilgt, nannte man ihn Ferdinand den Kosaken? Das erklärte er selbst schlecht, oder er erklärte es vielmehr gar nicht.

Doch es war eine Thatsache, und man zweifelt an einer Thatsache, man streitet über eine Thatsache, man ärgert sich über eine Thatsache, aber man erklärt sie nicht.

Das war so, weil es nicht anders war.

Abgesehen von der kleinen Cassette des Vaters Dumanoir, deren Inhalt man nicht kannte, war Ferdinand der Einzige, der ein wahres Gepäcke hatte.

Dieses Gepäcke war eine für einen Provinzschauspieler ziemlich gut ausgerüstete Garderobe.

Er hatte sich auch von der zukünftigen Einnahme den Theil des Löwen geschnitten.

Die wandernde Truppe gedachte das französische Flandern in Gesellschaft auszubeuten.

Man sehe, welche Stellung Ferdinand der Kosak vom Vater Dumanoir verlangt hatte:

I. Anderthalb Theile für sein Talent;

2. Einen ganzen Theil für seine Frau;

s. Einen ganzen Theil für seine Tochter;

a. Einen heil für seine Regie;

s. Endlich einen Theil für sein Costumesmagazin.

So dass der Vater Dumanoir auf einen einfachen Theil und alle Andere auf halbe Theile reducirt waren.

Was indessen alle diese halben Theile, wozu Etienne und Hippolyte, Männer und Frauen gehörten, nicht abhielt, lustig zu sein wie der Schuhflicker der Fabel, ehe er Glück gemacht!

Ach! der Reichthum war es nicht, was ihnen die gute jugendliche Heiterkeit benehmen sollte, die sie frei sich auf beiden Seiten der Straße nach dem Norden, unter den Strahlen der Maisonne,. sich entfalten ließen; nein, sie zogen durchs Land hin hüpfend und singend; die Einen schrieen wie die Elstern, die Andern sangen wie die Grasmücken. Diese blähten sich auf wie die Hähne, Jene rucksten wie die Turteltauben!

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Дата выхода на Литрес:
06 декабря 2019
Объем:
200 стр. 1 иллюстрация
Правообладатель:
Public Domain

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