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ZORAN
DRVENKAR
PANIK
EIN SOMMERMÄRCHEN
Eder & Bach
August 2014
© 2014 Zoran Drvenkar
© 2014 Eder & Bach GmbH, Berlin
Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder andere Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.
Dieses Buch wurde auf Wunsch des Autors in der alten deutschen Rechtschreibung gesetzt.
Umschlaggestaltung: wunderlandt.com
ISBN: 978-3-945386-03-3
Datenkonvertierung E-Book:
Kreutzfeldt digital, Hamburg
Es war Nacht in der City, und es war unerträglich. In der Luft lag der Gestank von aufgeheiztem Teer, Staub und Imbißbuden. Jeder Atemzug hinterließ ein leichtes Brennen im Gaumen, was die Touris aber keineswegs davon abhielt, die Stadt ganz und gar für sich einzunehmen. Sie waren überall und taumelten grölend von einer Kneipe zur anderen, standen an Bushaltestellen und tranken Dosenbier, um es nach einer halben Stunde wieder gegen die erstbeste Hausecke zu pissen. So mancher Busfahrer fuhr an ihnen vorbei, weil er keine Lust hatte, sich um diese späte Stunde mit unverständlichen deutschen Akzenten auseinanderzusetzen. Die Taxis hatten Hochkonjunktur, und die Nutten waren so erschöpft von der Hitze und dem Warten, daß sie ihren Platz am Straßenrand verließen und mitten auf die Straße traten, um etwas Fahrtwind unter ihre Miniröcke zu bekommen. An den Ampeln warteten Clowns und Jongleure, man mußte alle Fenster im Auto oben lassen, sonst streckten sich sofort bettelnde Hände rein. Selbst in der Nacht bekam man seine Windschutzscheibe geputzt. Wir saßen in meinem Käfer. Victor fuhr, weil ich zu nichts anderem fähig war, als rumzusitzen und zu knurren.
– Alles okay? fragte Victor.
Ich ging auf dem Zahnfleisch. Wir hatten ausgelost, und ich Blödmann mußte natürlich verlieren. Keine Ahnung, warum ich bei sowas immer Pech habe.
– Es wird schon gutgehen, sagte Pascal.
– Mach dir keine Sorgen, sagte Victor.
– Wir hätten uns True Romance nicht noch mal anschauen sollen, knurrte ich.
Sie schwiegen, sie wußten, daß ich recht hatte. Wir standen am Ernst-Reuter-Platz, es war der Sommer ’99, die Stadt keuchte unter dem Gewicht des sich nähernden Jahrhunderts, und Prince war auf jedem Radiosender zu hören. Wir saßen in meiner Blechdose und warteten auf grünes Licht. Bozo wollte uns im Domino treffen, einem neuen Club am Alexanderplatz.
– Ich wünschte nur, es wäre schon vorbei, sagte ich.
– Bald, sagte Victor.
Ich sah ihn von der Seite her an.
– Du hast gut reden.
– Ich weiß, sagte er und grinste.
Ich hielt das Gesicht in den Fahrtwind und versprach, ich würde die Sekunden zählen. Es gab keine Stelle an meinem Körper, die nicht naßgeschwitzt war. Um es in Victors poetischen Worten zu sagen: Ich schwamm in meiner eigenen Soße.
Wir ruckelten am Zoopalast und der Gedächtniskirche vorbei. Zeit hatten wir genug, und zu früh wollten wir auch nicht da sein. Wir hielten sogar und aßen Pizza an einem Stand. Besser gesagt: Meine Kumpels aßen, ich stand verloren daneben und hatte keinen Hunger. Ich schlürfte eine Pepsi und befürchtete, jeden Moment in Flammen aufzugehen.
– Wieso in Flammen? fragte mich Pascal.
– Einfach so, sagte ich.
Wir fuhren die Leipziger runter und näherten uns dem Ziel. Als wir das sechste Mal am Club vorbeigefahren waren, machte sich Victor auf die Suche nach einem Parkplatz. Es war voll, es war Freitagabend, die Taxis standen in zwei Reihen. Wir fanden eine mickrige Lücke in einer Seitenstraße, die wie gemacht war für den Käfer. Wir stiegen aus und streckten und reckten uns. Hier im Osten sah nach zehn Jahren Freiheit und Gleichheit immer noch alles nach Kriegsgebiet aus. Es roch auch anders. Nach feuchten Steinen und staubiger Geschichte. Eine Ecke vom Club entfernt blieben wir stehen und berieten uns ein letztes Mal.
– Keine Sorge, es wird schnell gehen, versprach mir Victor.
Mir wäre es sehr lieb gewesen, wenn er das kürzere Streichholz gezogen hätte. In Situationen wie diesen behält Victor normalerweise den Überblick. Andererseits bin ich von der Statur her derjenige, der mehr Eindruck macht. Niemand kommt auf die Idee, sich mit mir anzulegen. Alles im Leben hat seine Vor- und Nachteile.
– Wir brauchen ein Codewort, sagte ich.
– Codewort? fragte Victor.
– Wir brauchen eine Reißleine, falls alles schiefgeht.
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