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U. R. Basler
Ra und seine Freunde
Teil 1 - bei den Mayas
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Inhaltsverzeichnis
Titel
Zwei:
Drei:
Vier:
Fünf:
Impressum neobooks
Zwei:
Eins:
Die Nachricht kam auf jedem Kanal. Nicht nur die Öffentlich-Rechtlichen sondern gerade auch die privaten Sender wiederholten die Meldung am laufenden Band. Die Schlagzeile „Unbekanntes Flugobjekt in Berlin Tempelhof gelandet“ wurde mit einem Standbild vom Flughafen bekräftigt. Markus konnte es nicht glauben. Er zitterte vor Anspannung am ganzen Körper und konnte sich kaum beruhigen. Er befand sich auf dem Weg zum Flughafen Tempelhof, wo vor ca. 20 Minuten ein Unbekanntes Flugobjekt (Ufo) gelandet war. Markus war gerade beim frühstücken, als im TV das Morgenprogramm mit der Schlagzeile unterbrochen wurde. Markus dachte in den ersten Sekunden an einen schlechten Scherz, aber die Meldung wurde ständig wiederholt und das Foto sah überzeugend aus.
So hatte Markus seine Kamera und seine Tasche zusammengepackt und war hastig aufgebrochen. Bei so einer gigantischen Nachricht musste man einfach mit den Ersten vor Ort sein, um von der Story etwas abzubekommen. Markus war freier Reporter bei einer kleinen Berliner Zeitung. Ein Job, bei dem er Tagein-Tagaus mit banalen und langweiligen Lokalereignissen zusammentraf und die er für sein Blatt in lesbare Artikel brachte. ‚Der Hasenzuchtverein hat eine Ausstellung‘, ‚die Bürger von Kreuzberg debattieren wegen der schlechten Straßenverhältnisse‘, ‚der örtliche Kindergarten bekam neue Energiesparfenster‘. Die großen Geschichten waren für die großen Tageszeitungen und die vielen Illustrierten, die es in Berlin gab, für Markus gab es immer nur das Einfache zum berichten, so wollte es auch sein Chef und verantwortlicher Redakteur Peter. Markus wollte sich auch nicht beschweren. Er hatte durch seine Stellung beim Kreuzberger Blatt ein geregeltes und sicheres Einkommen und so gut wie nie Stress. Er kannte alle im Viertel und war überall akzeptiert. Seine Kollegen, die so alt waren wie er, mussten da ganz anders schuften um sich über Wasser zu halten. Doch wenn so etwas wie eine UFO-Landung praktisch fast vor seiner Haustür stattfand, musste er dabei sein. Über so etwas Wichtiges kann man nur einmal im Leben berichten, abgesehen vielleicht vom Fall der Mauer, aber damals war er selbst noch Schüler gewesen.
Markus fuhr in die Zufahrtsstraße zum ehemaligen Flughafen ein. Hinter ihm kamen Einsatzwagen der Polizei und der Feuerwehr mit Blaulicht und ihren schrillen Sirenen. Er konnte das Terminal, das wie ein Viertelkreis angeordnet war, schon sehen. Doch vor der Zufahrt zu den Parkplätzen war die Polizei dabei die Straße abzuriegeln. Da gab es mit dem Auto kein Durchkommen mehr, so dass Markus seinen blauen BMW rechts an die Straße fuhr, die Tafel mit der Aufschrift “Presse” hinter die Windschutzscheibe legte, seine Sachen schnappte und ausstieg. Er wusste, dass die Tafel ihn nicht vor einem Strafzettel beschützen würde, aber das war Markus in diesem speziellen Fall ganz egal. In so einer Situation durfte man nicht vor irgendwelchen Parkverbotsschildern kapitulieren.
Markus rannte vor in Richtung Haupteingang, rief den dort rumstehenden Polizisten zu, dass er von der Presse sei, schwenkte seinen Ausweis und war durch die Sperre hindurch, bevor ihn jemand aufhalten konnte. Er rannte durch das ehemalige Terminal und auf der anderen Seite wieder raus in Richtung Rollfeld. Doch nach fünfzig Metern war Schluss. Hier hatte die Polizei eine Absperrung gebildet durch die es kein durchkommen gab. Markus konnte das UFO ganz deutlich sehen. Alle Anwesenden schauten gebannt zu dem Raumschiff. Kameraleute von RBB und ZDF waren dabei ihre Ausrüstung aufzubauen, andere Reporter berichteten für ihre Zuschauer und Zuhörer von diesem Ereignis. Es war ein großes Durcheinander, jeder redete in irgendein Mikrofon und berichtete für seinen Sender von dem Ufo und über allem lag das Sirenengeheul, das die ganze Gegend zu durchdringen schien weil es von allen Seiten kam.
Markus konnte es immer noch nicht glauben, er sah es mit eigenen Augen, doch sein Verstand sagte ihm, dass es unmöglich ist. Doch da stand es, besser gesagt, da schwebte es. Das Raumschiff schwebte tatsächlich etwa 1 Meter über dem Boden. Es war deutlich zu sehen, dass kein Bodenkontakt stattfand. Es bewegte sich nicht, es gab keine Geräusche von sich, zumindest konnte man nichts vom Ufo hören und es war wunderschön. Gross wie ein Haus und mächtig, Markus schätzte seine Höhe auf fast 4 Meter und seinen Breite auf gute 15 Meter, schwebte es über dem Rollfeld, auf dem zu besseren Zeiten noch Flugzeuge bewegt wurden. Das Ufo hatte die Form einer Scheibe, fast schwarz, nicht glänzend sonder matt stand es reglos in der Luft in herrlichem Kontrast zum makellosen blauen Himmel. Markus konnte keine Fenster, Türen oder ähnliches entdecken. Die Außenhaut war durchgehend glatt, keine Nieten oder Schweißnähte die darauf schließen lassen würden dass es von Menschen gebaut wurde, absolut gleichmäßig perfekt und bewegungslos schwebte es über dem Platz. Markus versuchte irgendwelche Abweichungen von der Perfektion zu erkennen als er plötzlich angesprochen wurde.
“Verzeihung, könnten Sie bitte zur Seite gehen?” fragte ihn ein hinter ihm stehenden Mann. Markus drehte sich um und erkannte ein Team vom deutschen Fernsehen, das offensichtlich einen Platz mit freier Sicht für ihre Fernsehkamera suchte. Außer dem Fernsehteam waren mittlerweile noch viele andere Leute eingetroffen, so dass eine geschlossene Menschenmenge hinter Markus war. Markus machte einen kleinen Schritt zur Seite, achtete aber darauf, dass er noch in der ersten Reihe blieb. Wegen dem TV-Team fiel ihm wieder ein, warum er eigentlich hier war. Er zückte seine Kamera und schoss Fotos von dem UFO. Er knipste ein Bild nach dem anderen und korrigierte zwischendrin die Kameraeinstellungen. Neben ihm fing eine Reporterin vom TV an, ihren Bericht aufzuzeichnen. Markus machte weiter Fotos und bewunderte das Flugobjekt. Woher es wohl kam? dachte Markus. Ist es wirklich ein Ufo oder eine Erfindung der Flugzeugindustrie? Oder gar ein Werbegag? Nein, ein Werbegag scheidet aus, so etwas Vollkommenes konnten die Menschen nicht bauen. Die Reporterin neben ihm erzählte ihren Zuschauern etwas über das Ufo, stellte Mutmaßungen an und wiederholte sich ständig Sie versprach sich mehrmals und musste ihre Sätze immer wieder neu beginnen. Offensichtlich war er nicht der einzige der vor Aufregung und Anspannung seine Gedanken nicht mehr zusammen hatte.
“Bitte bleiben Sie hinter der Absperrung” ließ sich die Polizei über ein Megaphon vernehmen. “Bleiben sie ruhig und hören sie auf mit dem drängeln und schieben”. Viele Leute drängten von hinten gegen die vorderen, um besser sehen zu können, so dass die vorderen gegen die Absperrung aus einer einfachen Querlatte drückten, was die Polizei wiederum nicht dulden konnte. Die Polizisten hatten die Aufgabe den Platz abzuschirmen, so dass keiner näher an das Flugobjekt rankam.
Von Norden her kamen mehrere Hubschrauber, die auf der anderen Seite vom Ufo mit einem ordentlichen Sicherheitsabstand landeten. Markus konnte unter dem Raumschiff durchsehen, dass viele Soldaten mit Stahlhelm, Rucksack und Gewehren aus den Hubschraubern ausstiegen und im Laufschritt in Richtung Ufo rannten. Sie umzingelten das Ufo und bildeten einen Sperrkreis. Da klingelte Markus sein Handy.
Im Bundeskanzleramt ging es zu wie in einem Bienenstock. Die Bundeskanzlerin war in ihrem Büro und empfing Mitarbeiter von den verschiedensten Ministerien. Ihr Bürochef hatte alle Hände voll zu tun die abzuweisen, die jetzt nicht von der Bundeskanzlerin ‚gebraucht‘ wurden. Er wartete noch auf den Verteidigungsminister, um ihn gleich zur Kanzlerin ins Büro vor zulassen. Drinnen im wichtigsten Raum der Republik diskutierten die Anwesenden erregt über das Ufo. Alle verfolgten die Nachrichtensendung auf dem großen Fernsehschirm an der Wand und redeten durcheinander, nur die Kanzlerin saß in ihrem Stuhl und beobachtete die Szene als sich die Tür öffnete und endlich der Verteidigungsminister eintrat.
“Meine Herren, ich bitte um Ruhe” ließ sich nun die Kanzlerin vernehmen. “Alle wissen warum wir uns hier eintreffen, aber keiner ist genau unterrichtet was da draußen vor sich geht. Herr Schmid, bitte berichten Sie uns jetzt die Fakten”. Der Angesprochene, Staatssekretär Schmid, war der Verbindungsmann zum Verteidigungsministerium, hatte die wenigen Informationen gesammelt und trug sie nun in verständlicher Weise vor. “Frau Bundeskanzlerin, meine Herren” fing Hr. Schmid seinen Vortrag an blickte auf die große Wanduhr. “Wir haben jetzt Freitagmorgen 9.25 Uhr. Heute, um 8.17 hatte der Fliegerhorst Laage südlich von Rostock Radarkontakt mit einem Flugobjekt, das im Computer nicht in der Liste der Flugbewegungen eingetragen war. Daraufhin wurde routinemäßig in der Zentrale der Deutschen Flugsicherung nach einem außerplanmäßigen Flug nachgefragt. Das Ergebnis war negativ, worauf der verantwortliche Offizier Alarm auslöste. Sofort sind vom Fliegerhorst Laage 2 Eurofighter zur Klärung des Vorfalls gestartet. Die Piloten hatten ab Neuruppin Sichtkontakt mit dem Raumschiff und begleiteten es bis nach Berlin, wo es auf dem Gelände des früheren Flugplatzes Tempelhof landete. Von dort meldeten Sie die Landung und fliegen seitdem Kontrollrunden um weitere Beobachtungen anzustellen.”
“Gemäß dem Alarmplan wurde das Verteidigungsministerium von den Verantwortlichen in Laage informiert, was wiederum die Alarmierung verschiedener Behörden nach sich zog. So war es möglich, dass bereits wenige Minuten nach der Landung die ersten Polizeieinheiten vor Ort waren. Seit gut 20 Minuten sind auch Bundeswehreinheiten an Ort und Stelle und sorgen dafür, dass keiner zu dem Flugobjekt vordringen kann. Leider gelang es vielen Bürgern und auch der leidigen Presse”, Hr. Schmid deutete auf den LCD-TV wo die Berichterstattung von der Ufo-Landung lief und verzog sein Gesicht zu einer schmerzhaften Grimasse, “bis in Sichtweite des Ufos vorzudringen. Wir wissen mit Sicherheit, dass es sich um kein von den Menschen gebautes Flugobjekt handelt und es gab bisher noch keinen Kontakt zu den Piloten des Objektes. Die Funkfrequenzen werden pausenlos abgehört und vor dem Ufo sind Offiziere, die dort auf irgendwelche Aktivitäten der Fremden und auf weitere Befehle von uns warten”. “Woher wissen sie denn wo vorne ist?” fragte ein Minister in die Runde. “Ich kann beim besten Willen nicht erkennen wo bei dem Ding da vorne sein soll, es ist doch rund und ich sehe keinen Eingang.” “Meine Herren”, meldete sich wieder die Bundeskanzlerin, “bitte, bleiben wir ernsthaft”. Sie erhob sich aus dem Sessel. “Meine Herren, wir sind in einer historischen Lage, in der noch nie jemand vor uns war. Kann mir irgendjemand versichern dass uns keine Gefahr droht?” fragte die Kanzlerin in die Runde. “Auf uns lastet eine ungeheure Verantwortung, meine Sorge gilt als erstes dem deutschen Volk”. Haben wir irgendeinen Anhaltspunkt, das die Fremden nicht mit bösen Absichten da draußen gelandet sind?”. Keiner antwortete ihr. “Meine Herren, dann erwarte ich jetzt ihre Vorschläge”, sagte die Kanzlerin. Nun meldete sich der Verteidigungsminister zu Wort. “Frau Bundeskanzlerin, für so etwas gibt es fertige Pläne. Das Beste ist”, erklärte der Minister weiter, “wenn wir uns jetzt exakt an die Pläne halten. Kommen die Fremden aus dem Ding raus werden wir noch genug zu improvisieren haben. ”
“Wie sehen die Pläne aus?” fragte die Kanzlerin mit dem Blick auf den Verteidigungsminister gerichtet.
“Ich hab die Unterlagen hier” sagte der Minister und schwenkte ein Papier in der Hand. “Zuerst muss das Landegebiet komplett abgesperrt werden damit nicht noch mehr Menschen in dessen Nähe kommen. Dann ist es notwendig, dass wir sofort einen Krisenstab einberufen, bestehend aus Fachleuten von Politik, Bundeswehr und Gelehrten. Der Stab wird sein Quartier direkt bei dem Flugobjekt aufschlagen. Desweiteren muss für eine eventuelle Verteidigung NATO-Alarm gegeben werden. Die Bundeswehr und befreundete NATO-Truppen werden ihre Bereitstellungsräume beziehen und auf weitere Befehle warten. Das Nato Hauptquartier in Brüssel muss den Verträgen nach unverzüglich informiert werden. Soweit die Befehle der Verordnung” sagte der Verteidigungsminister.
Die Bundeskanzlerin blickte in die Runde und fragte “Gibt es irgendwelche Meinungen dazu?”
Keiner wollte was dazu sagen, jeder der Anwesenden wusste dass die Kanzlerin nur qualifizierte Aussagen hören wollte und wer konnte in einem solchen Fall schon was beisteuern wenn keinem das Ausmaß der Situation klar war. Da öffnete sich die Tür und der Bürochef streckte seinen Kopf herein. “Frau Kanzlerin, bitte entschuldigen Sie, der amerikanische Präsident ist auf Leitung 4”.
“Danke” sagte die Kanzlerin und der Bürochef schloss lautlos die Türe.
“Liebe Mitarbeiter” meldete sich die Regierungschefin wieder zu Wort. “Setzen Sie die Verordnung buchstabengetreu um. Ich bleibe bis auf weiteres hier im Kanzleramt wo Sie mich erreichen können. Herr Verteidigungsminister, sie leiten vorerst den Krisenstab. Ich erwarte bei jeder Änderung der Lage einen mündlichen Bericht.”
Damit war die Sitzung beendet, die Kanzlerin hob das Telefon ab und wartete bis alle den Raum verlassen hatten. Dann und drückte Sie auf den Knopf der Sie mit dem amerikanischen Präsidenten verband.
Max war stinksauer, er saß bei Esther, seiner Schwester, im Zimmer auf deren Bett und schaute grimmig auf den Boden. Die schlechte Laune verdankte er seinem Vater. Heute wollten sie zu dritt in die Einkaufsmeile gehen, doch vor wenigen Minuten hatte sein Vater angerufen und abgesagt. Er hatte mit Esther telefoniert und ihr erzählt, dass er zu einem Sondereinsatz zum alten Flugplatz musste weil dort ein Ufo gelandet war und er nicht weiß wann er Dienstschluss habe. Er versprach Esther aber, dass sie den Einkaufstrip baldmöglichst nachholen würden und die Kinder sich zum Trost eine große Pizza kommen lassen dürften. Für Max war es schwer zu verstehen, dass sein Vater einfach so wegen nichts den gemeinsamen Nachmittag abgesagt hatte. Max war mit seinen 13 Jahren fast zwei Jahre jünger als seine Schwester und seit einiger Zeit wegen allem aufgebracht. Kleinigkeiten konnten ihn so aufregen, dass er immer wieder die Beherrschung verlor und tobte. Es ging ihm gar nicht um das Einkaufen, das fand er sowieso absolut langweilig. Lieber würde Max sich verpflichten, lebenslänglich Spinat zu essen als einkaufen zu gehen. Ihm ging es darum mit seinem Vater zusammen zu sein und ihm vom Sportunterricht zu erzählen. Seit ihre Mutter gestorben war, freute sich Max auf die regelmäßigen Unternehmungen mit seinem Vater und seiner Schwester. Für die drei war es üblich, sich jeden Freitagnachmittag in die Stadt zu begeben und gemeinsam etwas zu machen. Für Max war es das wichtigste, bei seinem Vater um Anerkennung zu kämpfen, das ging am besten mit Erzählungen aus dem Sport. Paul, sein Vater, war Berufssoldat bei der Bundeswehr und von daher selbst sehr sportlich, er errang jedes Jahr bei den Sportwettkämpfen das goldene Sportabzeichen und erwartete von Max ebenfalls gute Leistungen. Und als Vater war es für Paul wichtig, so viel wie möglich mit seinen Kindern zusammen zu sein. Das war manchmal schwer genug, immer wieder gab es unangemeldete Einsätze, sodass er nichts anderes tun konnte, als zu Hause anzurufen und den Kindern sagen, dass er später kam. Paul Hoffmann war Major in einer Einheit, die immer wieder zu Spezialeinsätzen befohlen wurde. Er und seine Kameraden waren alle sehr gut ausgebildete Soldaten, die auch im Nahkampf geschult und trainiert waren. Und heute hatte er den Befehl bekommen, sich mit seinem Trupp auf dem alten Flugplatz einzufinden.
Für Esther war das alles leichter, sie konnte sowieso nicht verstehen dass Max wegen jeder Fliege so einen Aufstand machen musste. Oft genug hänselte sie „Locke“ wie Esther ihren Bruder manchmal nannte, wenn er ihr auf die Nerven ging. Den Spottnamen hatte sie ihm vor Jahren gegeben weil Max manchmal eine Locke ins Gesicht hing. Und es war für Sie total unwichtig dass ihr selbst oft genug eine blonde Locke ins Gesicht hing. Beide, Max und Esther, hatten fast die gleichen Haare, blond und lockig, nur waren Esthers Haare viel länger. Früher hatte Max auch versucht, Esther mit dem Namen „Locke“ zu ärgern, Esther ist aber nie darauf angesprungen, schließlich hatte sie den Namen für ihren Bruder erfunden. Heute konnte Esther zumindest den Grund für die Laune von Max verstehen, wusste sie doch was ihr Vater für Max bedeutete. Ihr selbst war es egal, dass ihr Vater nicht kam, Esther wollte sowieso immer nur mit ihren Freundinnen zusammen sein. Gemeinsam konnten sie sich über die Jungs unterhalten; welcher Junge gut aussah und welcher Junge in welches Mädchen verliebt war. Sie selbst hatte noch keinen Freund, aber in ihrer Clique waren mehrere Mädchen, die schon einen festen Freund hatten.
“Oh Mann, ich finde das so beknackt” jammerte Max. “Immer wenn ich mich auf etwas freue fällt es ins Wasser”.
“Heul doch” antwortete Esther, “die letzten paar Wochen war Papa immer pünktlich zu Hause. Du musst aus einer Mücke immer gleich einen Elefanten machen.”
“Du bist so doof, lass mich in Ruhe” schrie Max und stürmte aus ihrem Zimmer. Die Tür krachte ins Schloss. 5 Minuten später wurde die Pizza geliefert und Max beruhigte sich wieder. Er liebte Pizza über alles, eigentlich liebte er jedes Essen, sofern es italienisches war. Die Geschwister redeten beim Essen über Papa und wieso ausgerechnet er dorthin musste. Max glaubte nicht an ein echtes Ufo, für ihn war klar, dass irgendwelche Aktivisten dieses aufblasbare Ding aufgestellt hatten, um irgendeine Botschaft zu verkünden. “Warts ab”, sagte Max, “das Ufo ist aus Plastik und platzt wenn jemand mit einer Nadel rein sticht”. Esther krümmte sich vor Lachen. Sie konnte sich bildlich vorstellen wie alle schwer bewaffnet und vor Angst schlotternd um das Ufo rumstanden und Max mit einer Nadel das Ding zum Platzen bringen würde. Max hatte seinen Ärger längst vergessen und alberte mit Esther herum. Sie hatten gemeinsam viel Spaß beim Pizza essen. Sie hatten den Fernseher eingeschaltet und sahen die sich immer wiederholenden Nachrichten vom Ufo an, sie malten sich aus, wie peinlich es für ihren Vater wäre, wenn Max vor allen versammelten Leuten das Ufo zerstören würde. “Ich melde gehorsamst, ich bin Major Bauers Sohn und habe das Problem gelöst” lachte Max. Eszter verschluckte sich fast beim Essen, so sehr musste sie mitlachen. Dann machte sie Max nach, sprang auf, salutierte und sagte “ich bin Locke, Major Pauls Sohn und ich mach alles kaputt”. Dann lachten sie alle beide und Max war zum ersten Mal seit langer Zeit nicht böse auf Esther weil sie ihn ‚Locke‘ genannt hatte.
Markus fotografierte auch die Menschen ringsum und die Fernsehleute bei der Arbeit. Sein Chef Peter Maurer hatte ihn angerufen und ihm gesagt, dass er auf keinen Fall vom Ufo weggehen darf, egal wie lange das dauere. Er sagte Markus, dass die Polizei wahrscheinlich versuchen würde das Gelände zu räumen und dass Markus keinen Meter zurückweichen dürfe. Endlich, so sein Chef, hätte Markus die Chance, die er schon immer wollte und das Kreuzberger Blatt stünde diesmal ganz vorne mit den großen in einer Reihe. “Markus”, sagte Peter, “ich zähl auf dich, lass dich nicht abwimmeln. Und denk dran, es geht alles auf Spesen”. Was sein Chef damit meinte war Markus unklar, erstens ging immer alles auf Spesen und zweitens konnte er hier gar kein Geld ausgeben. Hier vor Ort bleiben bedeutete, nicht zum Übernachten in ein Hotel zu gehen zumal Markus nur ein paar Minuten von hier entfernt wohnte.
Beim Ufo tat sich rein gar nichts. Es bewegte sich nicht, Motoren oder Düsentriebwerke waren zu sehen noch zu hören, es schwebte knapp über dem Boden einfach nur in der Luft. Den Leuten wurde langweilig und Markus dachte: da kommt ein Raumschiff von weit her und dann sind die Außerirdischen ‚Schlafmützen‘. Markus musste grinsen, in Gedanken arbeitete er an dem Artikel, den er am Abend telefonisch seinem Chef durchgeben musste.
Extrablatt:
<Schlafmützen besuchen die Erde!
Die Aliens haben ihre Landung auf der Erde verschlafen. Wie unser Reporter Markus Müller feststellte startete das Raumschiff wieder per Autopilot und die Marsmännchen haben nicht bemerkt dass sie zwischenzeitlich auf der Erde waren. Nicht nur bei uns Menschen gibt es Idioten, offensichtlich leiden andere Zivilisationen auch darunter.>
Markus konzentrierte sich wieder auf seinen Artikel und darauf was er wirklich schreiben wollte. Er machte sich Notizen und sprach seinen Artikel in den Rekorder.
Gegen 11 Uhr konnten alle die Ankunft weiterer Soldaten beobachten. Sie kamen mit Geländewagen und parkten weiter hinten bei den Hubschraubern. Zwischen dem Ufo und den Hubschraubern begannen einige Soldaten ein großes Zelt aufzubauen. Leider konnte Markus von seinem Platz aus nicht alles im Detail erkennen, doch so viel war für ihn klar, dass die Soldaten ein Zelt für den Krisenstab aufbauten. Die Polizei machte keine Versuche die Menschenmenge zurückzudrängen. Sie begnügten sich damit, dass die Leute hinter der Absperrung blieben. Kaum stand das Zelt, kam ein grüner Militärbus von der Südseite her, gefolgt von mehreren Panzerfahrzeugen. Markus kannte solche Fahrzeuge, er hatte erst neulich welche bei einer Werbeveranstaltung der Bundeswehr gesehen. Das sind Schützenpanzer, fiel es Markus wieder ein. Der Bus hatte grün übermalte Fenster, so dass keiner hineinsehen konnte, und er parkte exakt neben dem Zelt. Die Panzerfahrzeuge bildeten nun einen Kreis um das Ufo, drehten aber ihre Kanonen vom Ufo weg. Endlich tut sich was dachte Markus, vielleicht wachen die Aliens bei dem Krach auf.
Es tat sich nicht mehr viel, alle Fahrzeuge hatten die Motoren abgestellt, beim Bus war ein kommen und gehen, und die vielen Reporter wussten nichts Neues mehr zu berichten. Die meisten Teams gingen halbstündlich Live auf Sendung, die Berichte glichen sich alle: Ufo gelandet, Bundeswehr und Polizei vor Ort, Alles ist ruhig und keiner weiß was noch passieren wird.
Mittlerweile hatten viele der Anwesenden Hunger und Durst und einige beschwerten sich bei der Polizei weil sie keine weiteren Leute mehr auf das Areal ließen.
“Lasst mal eine Wurstbude durch” rief einer den Polizisten zu. “Und einen Limostand” rief ein anderer.
Ein Polizist rief zurück: “Geht nach Hause wenn ihr Hunger habt. Hier bekommt ihr nichts zu Essen oder zu Trinken”.
Markus war jetzt schlagartig die Taktik der Polizei klar. Sie mussten die Leute nicht verjagen, sie würden von alleine gehen. Irgendwann wird jeder Durst haben oder auf das WC müssen und spätestens dann den Platz verlassen. Er schaute zurück und konnte sehen, dass tatsächlich viel weniger Menschen hinter ihm standen. Die Reporterteams waren alle noch da, ja es sind sogar mehr Kamerateams geworden. Markus sah ein Fernsehteam von CNN und wunderte sich darüber, offensichtlich durften Reporter auf das Gelände während Privatpersonen keinen Zugang mehr bekamen. Markus rief seinen Chef an. “Peter, ich brauch deine Hilfe”, sagte Markus zu Peter, kaum dass dieser das Telefon abgehoben hatte. “Organisier bitte, dass mir jemand Sandwiches und Mineralwasser bringt. Ich kann hier nicht weg. Und sag demjenigen, das er seinen Presseausweis dabei haben muss, sonst lassen Sie ihn möglicherweise nicht hinein”.
“Geht klar, wird sofort erledigt. Was tut sich bei dem Ufo?” fragte Peter, “hier im Nachrichtenblock läuft immer der gleiche Beitrag. Bei allen herrscht Verwirrung und das Ufo bewegt sich nicht. Vielleicht ist es kaputt”.
“Hier hat sich die Aufregung gelegt” erzählte Markus seinem Chef. “Die Militärs sind da, einige Zivilisten befinden sich beim Zelt das Sie aufgebaut haben, aber ansonsten ist es ruhig. Sobald sich was regt rufe ich dich an und vergiss meine Brötchen nicht” sagte Markus und legte auf.
Dann widmete er sich wieder der Beobachtung des Raumschiffes und dem was die Militärs so trieben.
Ra war besorgt. Er hatte den Planeten gefunden und war sicher gelandet, doch die Bewohner rannten ziemlich aufgeregt um sein Raumschiff. Schon vorhin, als er die Erde angeflogen hatte wurde er von extrem lauten Fluggeräten begleitet, die ihm kein Vertrauen einflößten. Ra wusste nicht, was er von dem Empfang halten sollte. Sehr Gastfreundlich kam ihm das alles nicht vor. Er beschloss abzuwarten und nichts zu tun, bis er sicher sein konnte, dass diese seltsamen Wesen da draußen ihn friedlich empfangen würden. Solange würde er die Zeit nutzen und ihre Rituale und Sprache studieren. Seine Empfängereinheit zeigte ihm Film und Ton der Wesen, zwischendrin sah er auch sein Raumschiff und hörte was die Bewohner dabei über ihn sagten. Ra lernte schnell, er errechnete, dass ihm die Sprache bis zum Abend geläufig sein würde.
Major Paul Hoffmann saß im Leitstellenbus und organisierte von dort aus den Einsatz seiner Kampftruppe. Drei seiner Leute waren Scharfschützen und hatten auf dem Dach des ehemaligen Terminals mit ihren G22 Scharfschützengewehren Posten bezogen und kontrollierten so das Gelände. Von dort oben hatten sie den besten Blick und durch die aufmontierten Zielfernrohre konnten sie jedes Detail erkennen. Andere aus Hoffmanns Team hatten im Süden und Osten in ungefähr 300 Meter Entfernung Beobachtungsposten bezogen. Egal, was sich beim Raumschiff tun würde, sie würden alles sehen.
Major Hoffmann telefonierte mit der Zentrale seiner Einheit wegen Ersatzpersonal, falls der Einsatz länger dauern sollte. Alle 2 Stunden sollten die Scharfschützen ausgewechselt werden. Rechts von ihm saß ein Mitarbeiter der Polizei Berlin, der pausenlos Kaffee in sich rein schüttete und ununterbrochen in sein Handy sprach und allen möglichen Leuten die Lage vor Ort erklärte.
Links von Paul war der Stuhl leer. Im Bus, der direkt neben dem Zelt vom Krisenstab parkte, waren auf beiden Seiten der Länge nach Schreibtische angeordnet. In der Mitte verblieb ein schmaler Gang, wo ein jeder, der durch wollte Mühe hatte, die an den Tischen sitzenden nicht anzurempeln. Auf jedem Platz stand ein Telefon und am Busende, wo in einem normalen Linienbus eine breite Sitzbank montiert war, hing ein riesiger Plasmabildschirm. Vorne im Bus über dem Busfahrer war eine große Digitaluhr angebracht die geräuschlos die Zeit anzeigt. Außer Paul waren noch 4 andere Uniformierte im Bus.
Paul hatte eben sein Telefonat beendet als Verteidigungsminister Ziser in den Bus trat. “Ah, so kann man es aushalten.” sprach Ziser laut vor sich hin. “Die Herren haben eine Klimaanlage und wir im Zelt schwitzen uns zu Tode.”
Paul stand auf, grüßte militärisch und meldete dem Verteidigungsminister, dass seine Leute wie befohlen Posten bezogen hatten.
“Gibt’s hier irgendwo einen guten Kaffee?” fragte der Minister.
Paul wollte eben antworten als der Polizist lauter als nötig kollegial rief “Hier drüben steht eine Maschine”.
“Gut,” sagte der Minister “dann bringen Sie uns eine große Kanne Kaffee nach nebenan ins Kommandozelt” und zu Major Hoffmann sprach er “Sie kommen bitte mit mir mit”. Dann drehte er sich um und ging raus. Paul stand schnell auf und folgte dem Verteidigungsminister in das Zelt. Der Polizist stand wie vom Donner gerührt da und konnte es nicht glauben dass er soeben zum Kaffeeburschen degradiert worden war. Sein Kopf war rot angelaufen und er musste sich beherrschen nicht laut loszuschreien. Was glaubte dieser Kerl eigentlich, so konnte man mit ihm, Willi Wutke, seines Zeichens stellvertretender Polizeipräsident, nicht reden. Trotz seiner Wut stand er auf und fing gehorsam mit dem Kaffeekochen an.
Als Paul ins Zelt kam standen viele ihm unbekannte Leute, einige auch in Zivilkleidung, in kleinen Gruppen zusammen und redeten. Wie im Bus waren auch im Zelt Tische aufgestellt. Paul entdeckte den Verteidigungsminister in der Zeltmitte, wo er im Gespräch mit dem Innenminister der Bundesrepublik war. Paul stellte sich etwa 2 Meter von den Ministern entfernt hin, so dass der Verteidigungsminister ihn sehen konnte, er aber nicht aufdringlich erschien. Paul wusste ja was sich gehörte.
Während des Wartens schaute Paul aufmerksam auf die Anwesenden. Außer den 2 Ministern und General Springbock, der kerzengerade, als hätte er einen Besenstiel verschluckt, bei einer Gruppe Uniformierter stand, waren ihm keine Leute bekannt. Einige der Zivilisten mussten schon weit über 50 Jahre alt sein und alle waren in piekfeinen Anzügen gekleidet abgesehen von einem jüngeren, der mit Jeans und T-Shirt bekleidet war. Paul drehte sich um und sah aus dem Zelt. Draußen war wunderbares Wetter und er musste an seine Kinder denken und daran dass Max bestimmt sauer auf ihn war. Paul wusste dass es für Esther kein Problem war, das hatte sie ihm am Telefon auch gesagt, trotzdem hatte Paul ein schlechtes Gewissen. Er liebte seine Kinder über alles, waren sie doch fast das einzige was ihm geblieben war. Seine Frau war vor 5 Jahren an Krebs gestorben, seine Eltern kamen vor über 10 Jahren bei einem Autounfall ums Leben und mit seinen drei Brüdern hatte er wenig Kontakt. Er hatte zwar noch eine Tante aber die lebte in Süddeutschland bei Bad Säckingen am Hochrhein. Dort wohnte sie zusammen mit ihrem Mann im eigenen Haus mit Blick auf den malerischen Rhein und auf die gegenüberliegende Schweiz. Er hatte sehr selten Kontakt zu ihnen. Früher, als Paul noch zur Schule ging war er öfters bei seiner Tante in den Ferien gewesen. Paul nahm sich vor so bald wie möglich wiedermal mit seiner Tante und seinen Brüdern zu telefonieren.
“Meine Herren, kommen sie bitte zu mir und stellen sie sich im Halbkreis auf” rief der Verteidigungsminister durchs Zelt. Paul drehte sich wieder um und ging 3 Schritte zurück damit er zwischen den anderen stand.