Читать книгу: «Nachbar-Schaft»
Tilman Janus
Nachbar-Schaft
Neue schwule Erotik-Geschichten
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Inhaltsverzeichnis
Titel
Der maskierte Mann
Mein Sherpa
Wenn der Postmann einmal klingelt
Ersatzverkehr
Hausmänner
Die rausgelassene Sau
Schule ist scheiße – oder?
Wandervögel
Im Silberwald
Speed-Dating
Reine Männersache
Der Bärenzwinger
Zimmer frei!
Impressum neobooks
Der maskierte Mann
Der Engel gefiel mir am besten. Er trug einen weißen Latex-Overall und dazu Flügel aus bunten Federn in den sechs Regenbogenfarben. In der sehr eng anliegenden Hose wölbte sich ein fantastischer Schwanz. Sonst ist es im Himmel bestimmt langweilig, aber mit so einem Engel wäre es auszuhalten. Ich ließ ihn nicht aus den Augen. Leider war er ständig von anderen Kerlen umlagert, zum Beispiel von einem Cowboy, einem Ritterfräulein – natürlich auch ein Mann –, einem Matrosen, einem schwarzledernen Rocker und einem rot gekleideten Teufel.
Ich selbst ging als Flamenco-Tänzer. Da ich dunkelbraune Haare, nicht zu blasse Haut und braune Augen habe, hätte ich auch als echter Andalusier durchgehen können. Zu einer engen, schwarzen Hose trug ich ein schwarzes Hemd, das bis zur Taille offen war, außerdem eine rote Schärpe und die typischen Schuhe mit harten Absätzen. Ich kann mir so ein Kostüm leisten, denn mein Body ist trotz meiner 25 Jahre noch gertenschlank wie der eines 18-Jährigen. Meine Brust ist völlig haarfrei und sieht nicht schlechter aus als die des bekannten Flamenco-Tänzers Joaquín Cortés in jungen Jahren. Tatsächlich habe ich mal einen Flamenco-Kurs belegt und es sogar zu einigem Erfolg gebracht.
Zugegeben – mein Großvater war tatsächlich Spanier, aber meine zahlreichen Familienmitglieder sind inzwischen alle quietschdeutsch und wohnen nahe Hamburg. Vor vier Monaten bin ich nach München gezogen und arbeite hier bei einer bekannten Firma als IT-Experte.
Die bayerische Hauptstadt war für mich am Anfang ziemlich ungewohnt, doch die Gay-Szene gefiel mir gut. Vor allem den Münchner Fasching fand ich super. Im Februar stürzte ich mich deshalb in alle möglichen schwulen Partys, mit oder ohne Kostüm, und hatte auch einige ziemlich geile Kerle kennengelernt. Nichts Bedeutendes, einfach Fickpartner, und das war okay für mich.
Die Bässe wummerten, buntes Licht waberte über die Tanzenden. Ich suchte den Engel – leider war er verschwunden. Anscheinend hatte ein anderer Typ ihn erobert und mit in den Darkroom genommen. Vielleicht sollte ich mich an den Teufel halten? Der war bestimmt schon Mitte 30, aber er sah in seinem Kostüm nicht schlecht aus. Besonders die rotseidene Schwanzwölbung stach mir ins Auge.
Plötzlich fiel mir zwischen den ungefähr hundert Gästen ein Mann auf, den ich bisher noch nie gesehen hatte, auch nicht auf anderen Faschingspartys der Stadt. Er war größer als die meisten Leute im Saal, hatte breite Schultern und wundervoll schmale Hüften. Verkleidet hatte er sich wie ein Adliger aus dem 19. Jahrhundert. Sein blondes Haar war glatt und nicht zu kurz geschnitten. Er trug eine Art Frack-Jackett in Schwarz, das vorn nur bis zur Taille reichte, und dazu schmale, elastische Hosen, die wie auf seine Figur geschneidert wirkten. Zur weißen Hemdbrust hatte er eine Fliege umgebunden. Seinen dicken Schwanz schien er mit Stolz zu präsentieren, denn der war senkrecht nach oben in die enge Hose gepackt, stand sozusagen schon in den Startlöchern. Das Gesicht wurde von einer schwarzen Maske fast verdeckt. Ich erkannte nur die edel geschnittenen Lippen und das glatt rasierte Kinn. Durch die schmalen Sehschlitze in der Maske glitzerten graublaue Augen.
Der Mann sah nicht nur beeindruckend aus, sondern bewegte sich auch auf eine Art, die mich faszinierte. Allerdings kam er mir ziemlich unnahbar vor, denn er ging gar nicht auf die Anmache der übrigen Partygäste ein. Wozu war er auf die Party gekommen, wenn er mit niemandem etwas zu tun haben wollte? Natürlich reizte mich dieser spröde Kerl besonders. Sein Alter war schwer einzuschätzen, wegen der Maske, aber übermäßig alt kam er mir nicht vor. Ich tanzte zu ihm hin.
»Hallo, Herr Graf!«, rief ich ihm im Getöse der Musik zu. »Bist du noch zu haben?«
Die graublauen Augen wandten sich zu mir. Leuchteten sie noch mehr auf?
»Hallo, schöner Spanier!«, rief er zurück, und das schien der längste Satz zu sein, den er an diesem Abend bisher gesprochen hatte. Immerhin hatte er mir geantwortet. »Kannst du tatsächlich Flamenco tanzen, oder hast du nur dieses Kostüm an?«, fragte er.
Ich rückte näher an ihn heran. »Ein bisschen kann ich auch tanzen!«
Wortlos ließ er mich stehen und ging zum DJ hin, redete mit ihm und kam zu mir zurück. Im gleichen Moment brach die übliche Musik ab. Gitarrenakkorde rauschten auf – Flamenco!
»Auf Wunsch eines einzelnen Herrn legen wir mal was Spanisches auf!«, tönte die Stimme des DJ durch den Lautsprecher.
»Dann zeig mal, was du kannst!«, befahl der Mann mit der Maske.
Ich war besessen von dem Gedanken, diesen Kerl zu erobern, ihm zu gefallen. Mitten zwischen all den Partygängern warf ich mich in die Pose eines klassischen Flamencotänzers. Meine Finger nahmen eine Haltung an, als ob sie mit Kastagnetten hantierten. Den Kopf stolz erhoben, drehte ich mich im Rhythmus der Gitarrenklänge. Meine Schuhabsätze klapperten ein Trommelfeuer auf die Tanzfläche. Ich kam so in Hitze, dass ich an nichts anderes mehr dachte. Nur die blitzenden Augen sah ich bei jeder Drehung – seine Augen!
Als die Musik verstummte, blieb ich in selbstbewusster Haltung stehen. Um mich herum brandete Beifall auf. Da merkte ich erst, dass die anderen Männer im Kreis um mich herumstanden und gar nicht mehr selbst tanzten. Jetzt johlten sie begeistert und klopften mir auf die Schultern.
Ein fester Arm packte mich um die Taille. Auf einmal zog der »Graf« mich an sich und drückte mir die schönen Lippen auf den Mund. Ich war total überrascht, denn Küssen kam auf diesen Faschingspartys eher selten vor. In Sekunden erlag ich seiner Faszination. Er duftete frisch, überhaupt nicht nach Schweiß, sondern nach einem maskulinen Aftershave. Sein Körper fühlte sich muskulös und überlegen an, als ob er der geborene Ritter und Beschützer wäre. Seine Zunge drängte sich fordernd in meinen Mund und löste einen Erregungsschauer bei mir aus, der mir bis in die Schwanzspitze lief. Ich saugte die Zunge gierig ein und wollte sie nie mehr loslassen. Andere Typen rempelten uns beim Tanzen an, doch der »Graf« und ich blieben wie miteinander verschmolzen. Mein Rohr wurde steif und zwängte sich in mein enges Hosenbein. Bei meinem Eroberer spürte ich, wie sein vorsorglich aufrecht verpackter Bolzen in der gräflichen Hose immer länger, dicker und härter wurde. Unser Kuss war heiß, heißer, am heißesten. Und genauso plötzlich, wie er begonnen hatte, endete er.
Der »Graf« schob mich ein Stück weg. Sein Blick glitt über meine halbnackte Brust und meinen eingezwängten Ständer.
»Komm mit!«, sagte er und zog mich zum Ausgang.
Ich wollte eigentlich noch gar nicht gehen, doch ich folgte ihm.
Draußen rief er ein Taxi. Ein kalter Wind pfiff durch die Straße. Da merkte ich erst, dass ich meine Jacke im Lokal vergessen hatte. Die Kälte biss mich in die nackte Haut. Der »Graf« zog sein Frack-Jackett aus und legte es mir um die Schultern.
»Danke!«, sagte ich.
Seine schönen Lippen lächelten.
Wir stiegen ins Taxi.
»Sag deine Adresse!«, wies er mich an.
Auch jetzt tat ich, was er wollte. Er wusste nicht, ob in meiner Wohnung vielleicht ein Partner oder meine Verwandten warteten. Er befahl, und ich gehorchte. Es wartete ja auch niemand bei mir zu Hause.
Immer noch nicht nahm er die Maske ab. Aber ein schwarz maskierter Kerl hat einen besonderen Reiz, deshalb sagte ich nichts dazu.
In meiner Wohnung schaute er sich gar nicht um. Er blieb gleich in der Diele stehen. »Wie heißt du?«, fragte er.
»Pol!«
Er lächelte wieder. »Ein spanischer Name?«
»Ja!« Ich erklärte es ihm. »Und du?«
»Mein Name ist nicht wichtig«, entgegnete er. Dann nahm er mir sein Jackett ab. Er streifte mein Hemd von den Schultern und rieb meine Nippel. Gleich darauf öffnete er meine Hose und wollte sie nach unten schieben, aber sie saß zu eng.
»Zieh das aus, Pol!«, sagte er leise. »Alles!«
Stumm folgte ich seinem Befehl. Kurz überfielen mich Zweifel – trug er die Maske, um später nicht wiedererkannt zu werden? Könnte er gar gefährlich werden? Aber wer zu ängstlich ist, erlebt ja nichts! Ich schob meine Bedenken beiseite. Nackt stand ich vor ihm. Mein Ständer zeigte genau auf den fetten Schwanz des »Grafen«. Ich wagte nicht, ihn auszuziehen. Seine gebieterische Ausstrahlung wirkte wie eine Mauer, die ich nicht durchdringen konnte.
Da legte er selbst die Fliege und das weiße Hemd ab. Dann löste er die Verschlüsse seiner engen Hose. Sofort federte sein riesiges, steifes Kampfschwert aus dem Hosenstall, denn der »Graf« trug keine Unterhose. Fasziniert starrte ich auf diesen fetten Hammer. Der an der Spitze leicht nach unten gebogene Schaft war von bläulichen Adern umrankt. Die Vorhaut rutschte hinter den Eichelkranz zurück, und die Kuppe glänzte prall wie der krönende Abschluss auf einem prachtvollen Zepter. Mächtige Eier prangten in seinem stramm anliegenden Sack. Der »Graf« war der schönste Kerl, den ich je gesehen hatte.
Er streifte die Hosen und Schuhe ab. Nackt und vollkommen wie eine griechische Götterstatue stand er vor mir. Nur die Maske hatte er immer noch im Gesicht.
»Ich mag keine Darkrooms«, sagte er. »Ich will dich genau sehen. Lass das Licht an!«
»Wollen wir … ins Schlafzimmer …«, begann ich. Wir standen immer noch in meiner Diele.
Statt zu antworten, griff er in die Tasche seines auf dem Boden liegenden Jacketts und holte eine kleine Gleitgel-Packung heraus. Er riss sie auf und spritzte sich das Zeug auf die Eichel.
»Dreh dich um, schöner Flamenco-Tänzer!«, befahl er.
Ich hätte gerne seinen wundervollen Schwanz gewichst und abgeleckt, seine himmlische Brust gestreichelt oder ihn wenigstens noch einmal geküsst. Doch ich gehorchte erneut und drehte ihm meinen Hintern zu. Ich hörte ein tiefes Seufzen, so, als ob mein Gast auf genau meinen Arsch sein Leben lang gewartet hätte. Ich wollte meine Hinterbacken auseinanderziehen, damit er mich besser aufspießen könnte, doch das machte er schon selbst. Ich fühlte seine kräftigen Hände an meinem Hintern und wurde allein von dieser Berührung total geil. Dann drückte sich seine glühende Eichel an mein Loch. Der »Graf« musste seinen harten Hammer gar nicht führen, der war so steif, dass er sich von selbst den Weg suchte. Mein Schließmuskel wurde heftig gedehnt. Ich war einiges gewöhnt, doch dieser Kolben war der dickste, den ich jemals in meinem Arsch gespürt hatte. Rasch stützte ich mich mit den Händen an der Wand ab, um meinem Lover entgegenzukommen. Ziemlich schnell presste sich das gewaltige Teil in meinen Fickkanal. Ich atmete tief. Der »Graf« hielt kurz still. Nur sein Rohr klopfte in meinem Innersten, was mich geil machte wie wahnsinnig.
Dann packte er meine Hüften und begann, mich zu ficken. Es war mehr als einfach nur raus-rein. Er zelebrierte es wie eine Kunst, bediente jede Nische in meinem Kanal, wechselte das Tempo, den Druck, den Winkel, bis ich laut stöhnte vor irrsinniger Erregung. Kaum konnte ich mich aufrecht halten. Meine Fingernägel krallten sich in die Tapete. Mein Schwanz blieb steinhart, der Vorsaft tropfte auf den Fußboden. Genau passte ich mich an den Rhythmus des »Grafen« an, hielt seinen Stößen stand, reckte ihm meinen Hintern entgegen. Sein riesiges Schwert füllte mich aus, als ob es mir bis ans Herz stieß. Wir wurden ein einziges Wesen, das nie wieder getrennt werden durfte.
Seine leicht nach unten gebogene Kuppe rieb jetzt intensiv an meiner Prostata. Ich begann zu hecheln wie ein geiler Hund. Etwas passierte in meinem Innern, etwas noch nie Erlebtes, noch nie Gefühltes. Ich spürte, wie eine Flutwelle in mir aufstieg, ohne dass ich meinen Ständer überhaupt anfasste. Rasend brach sich ein Orgasmus Bahn, der mich mitriss. Ich konnte nichts dagegen tun. Mein Samen sprudelte in heftigen Schüben aus der Pissritze, ich schrie dabei, wäre fast zusammengebrochen vor rasender Lust.
Der »Graf« stieß seinen Kolben noch ein paar Mal tief in meinen Arsch. Ich spürte sein starkes Pumpen genau, ich schrie noch einmal, weil es so unglaublich schön war.
Sein Rohr rutschte aus meinem Loch. Sperma lief mir innen an den Schenkeln entlang. Mein Lover drehte mich sanft um und nahm mich in die Arme. Ich zitterte noch vor Erregung.
Er ließ mich leider ziemlich bald wieder los. Ich hatte total weiche Knie und lehnte mich an die Wand, meine Eichel tropfte. Er kleidete sich hastig an. Wollte er etwa einfach so gehen?
»Blieb noch hier!«, bat ich leise.
Er war schon komplett angezogen. Und er blieb einfach stumm, erklärte nichts, kein liebes Wort, nichts – nach diesem aufwühlenden, wundervollen Fick.
Da stieß ich mich von der Dielenwand ab, griff blitzschnell in sein Gesicht und zerrte ihm die Maske herunter.
Zuerst sah ich das heftige, böse Aufblitzen der graublauen Augen. Dann erkannte ich das Entsetzliche: An Stirn, Nase und der rechten Wange war seine Haut eine einzige, dunkelrote Brandnarbe. Augenbrauenhärchen waren nicht mehr vorhanden. Oberhalb der schönen Lippen sah sein Gesicht grässlich entstellt aus.
Der Schreck war so heftig, dass mein Herz sich zusammenkrampfte. Doch ich bekam keine Gelegenheit, etwas zu sagen. Der »Graf« fetzte mir die Maske aus der Hand, streifte sie in Bruchteilen einer Sekunde wieder über, riss meine Wohnungstür auf und rannte schon die Treppe hinunter, bevor ich zweimal geatmet hatte. Ich hörte, wie seine Schritte verhallten.
Ich stand starr da, immer noch nackt und völlig hilflos. Hilflos nicht, weil ich über das Gesehene so schockiert war, sondern weil ich so blöd reagiert hatte – nämlich gar nicht.
Dann kam Leben in meinen Körper. In fliegender Hast streifte ich meine Flamenco-Hose über, sonst nichts, nahm nur meine Wohnungsschlüssel und raste die Treppen hinab, barfuß, mit bloßem Oberkörper.
Auf der Straße wusste ich nicht, wohin. Es war dunkel, natürlich. Aber so weit konnte der »Graf« doch noch gar nicht sein! Ich spürte in mir plötzlich eine überwältigende Kraft: Diesen Mann wollte ich haben, für immer, oder wenigstens für lange Zeit! Er sollte nicht nur eine Faschingslaune sein!
Ich musste mich entscheiden – nach links? Nach rechts? Da sah ich etwa fünfzig Meter weiter die Scheinwerfer eines Autos und auf dessen Dach das gelb leuchtende Taxischild. Ein dunkel gekleideter Mann stieg in den Wagen.
Ich raste los. Meine nackten Füße flogen über das kalte Steinpflaster. Den eisigen Wind an meiner Brust spürte ich gar nicht.
Das Taxi fuhr vom Bordstein ab. Ich sprang einfach vor die Motorhaube, todesmutig, setzte alles auf eine Karte.
Bremsen quietschten. Der Taxifahrer steckte den Kopf aus dem Seitenfenster und fluchte wie ein Bierkutscher. Ich machte einen Satz zur Beifahrertür, riss sie auf und warf mich auf den Vordersitz.
Der »Graf« saß im Fond des Wagens und starrte mich an.
»Komm zurück!«, sagte ich. »Bitte! Komm mit mir zurück! Und verzeih mir, was ich getan habe!«
»Steig aus und lass mich in Ruhe!«, fauchte er mich an.
Ich dachte gar nicht daran! Schlangengleich wand ich mich über die Lehne des Beifahrersitzes und ließ mich neben meinen »Grafen« auf den Rücksitz fallen. Ich umarmte ihn, küsste ihn, strich sanft über die schwarze Maske.
»Vielleicht klingt es blöd, so kurz, wie wir uns erst kennen«, murmelte ich. »Aber ich liebe dich!«
Er sagte nichts mehr. Er küsste mich auch. Ich merkte, dass der Taxifahrer uns verblüfft anstarrte. Es war mir egal.
»Mein Name ist Dorian«, sagte der »Graf«, als wir das Taxi stehen ließen und zu meinem Wohnhaus zurückgingen. Dann legte er mir wieder einmal sein Jackett über die nackten Schultern. Eng umschlungen stiegen wir die Treppe hinauf.
»Mach diese Maske ab«, sagte ich zu Dorian, als wir in meinem Wohnzimmer saßen. »Ich will dich so sehen, wie du bist.«
»Ich weiß nicht, ob du das aushältst«, widersprach er. »Bisher hat es keiner lange ertragen.«
»Aber ich tue es. Du kannst nicht dein Leben lang maskiert herumlaufen!«
Er lachte hart auf. »Ich war früher Schauspieler, meistens in der Rolle des >jungen Liebhabers<. Vor drei Jahren, als ich 25 war, hatte ich auf einem Grillabend den Unfall. Jemand hat im Suff Spiritus in den glühenden Holzkohlengrill geschüttet, und ich bekam die Stichflamme ab. Es war ein Glück, dass meine Augen heil geblieben sind. Seitdem arbeite ich im Theater als Inspizient. Da trage ich auch diese Maske, wenn ich keine Lust oder Zeit habe, mich umständlich mit meinem Camouflage-Make-up zu befassen. Oder weil ich das alles hasse.« Er lachte noch einmal sarkastisch. »Die Kollegen nennen mich >Das Phantom der Oper<. Also habe ich mich dieses Jahr mal als >Phantom< ins Karnevalstreiben gewagt.«
Ich griff noch einmal nach der Maske und zog ganz leicht daran. »Darf ich?«
»Wenn du willst …«
Ich nahm ihm die Maske weg und strich sanft über die verbrannte Haut. Was war schon ein bisschen fehlendes Gesicht gegen die Schönheit seines Körpers, gegen seinen perfekten Schwanz, gegen seine unfassbare Fick-Kunst – gegen ihn als Mensch.
Er lächelte mich an. »Tanz noch einmal für mich, Pol! Du hast mich verzaubert mit deinem Flamenco.«
Ich legte eine CD mit der passenden Musik auf. Immer noch trug ich nur die schwarze Hose, sonst nichts, fast wie ein jüngerer Joaquín Cortés. Nur die Schuhe zog ich noch an, um mit den Absätzen den richtigen Rhythmus hinzukriegen. Ich tanzte nur für ihn, für Dorian – stolz, biegsam, leidenschaftlich.
Er sprang auf, hielt mich mitten im Tanz fest, küsste mich. Nun gingen wir in mein Schlafzimmer. Er legte mich auf mein Bett und fickte mich zärtlich, von vorn, wieder so gut, dass ich zerschmolz vor Lust. Ich sah ihm dabei ins Gesicht. In sein echtes, wahres Gesicht.
Mein Sherpa
»Dan?«
»Ja, Herr Platen?«
»Dan, prüf bitte hierzu die Fakten, okay?« Ich gab meinem Praktikanten den Ausdruck des Artikels aus dem Ressort Politik, den mein zuständiger Redakteur geschrieben hatte.
»Wieder auf Papier?«, spottete Dan.
Ich seufzte. »Meiner Meinung nach sieht man in einem Ausdruck einfach die Fehler besser als in einer Datei.«
»Sie sind hoffnungslos konservativ, Herr Platen«, meinte er frech.
»Deshalb arbeite ich auch immer noch für eine gedruckte Zeitung und nicht für eine Online-Redaktion«, erwiderte ich etwas genervt. »Außerdem bin ich in Würde 42 Jahre alt geworden, da darf ich wohl ein bisschen altmodisch sein. Du meinst doch sicher >altmodisch< mit dem Wort >konservativ<?«
Er verzog seinen wunderhübschen Mund zu einem Grinsen, sagte aber nichts mehr, sondern setzte sich an den Tisch neben meinem und begann, den Artikel zu lesen. Dan durfte sich allerhand erlauben bei mir, jedenfalls, wenn ich allein mit ihm war. Das wusste er ganz genau. Bei den Redaktionssitzungen, oder wenn einer der Redakteure in mein Büro kam, benahm sich mein Praktikant vorbildlich. In solchen und ähnlichen Situationen veräppelte er mich nie, hörte aufmerksam zu und schwieg meistens.
Dan war süße 20 Jahre alt und so schön, dass ich mich oft fragte, wie ich es eigentlich im selben Raum mit ihm aushielt, ohne über ihn herzufallen. Wahrscheinlich nur deshalb, weil ich unaufhörlich unter Stress stand und nie Zeit hatte. Trotz des grassierenden Zeitungssterbens als Chefredakteur für eine gedruckte Regionalzeitung zu arbeiten, forderte meine ganze Kraft. Täglich mussten unsere eigene Zeitung und die Mantelseiten für unsere zugehörigen Lokalzeitungen produziert werden. Ich war verantwortlich für alles, für die inhaltliche Richtigkeit, die juristische Korrektheit, für den sparsamen Einsatz unserer mageren Finanzmittel, für die Anzeigen, für die Herstellung und den Vertrieb, für die Führung und den sinnvollen Einsatz meiner Redakteure und der freien Mitarbeiter, außerdem für die Regelung sämtlicher Streitfälle und Probleme. Und wenn irgendwelche Wutbürger wieder mal die Presse angriffen, musste ich dafür meinen Kopf hinhalten. Kein Wunder, dass mein Privatleben gegen Null ging.
»Das hier ist Quatsch!«, sagte Dan und guckte mich vorwurfsvoll an, als ob ich selbst den Artikel verfasst hätte.
»Was ist Quatsch?«
»Der >Sechstagekrieg< zwischen Israel und den arabischen Staaten fand 1967 statt und nicht 1956! Im Jahr 1956 gab es die Sueskrise.«
Ich drehte die Augen gen Himmel. »Peinlich, so ein Fehler. Gut, dass du so pfiffig bist, Dan.«
»Pfiffig? Was ist das denn wieder für ein Wort?«
»Ein altmodisches!«
Er musste lachen. Dadurch sah er noch bezaubernder aus als sowieso schon. Er war schlank und nicht besonders groß. Sein schwarz glänzendes Haar fiel ihm verführerisch in die Stirn, und seine großen, dunkelbraunen Augen brachten mich halb um den Verstand. 22 Jahre war ich älter als er, eine ganze Generation lag zwischen uns. Okay, für mein Alter hatte ich mich gut gehalten, mein dunkelblondes Haar war noch ohne Grau, ich wirkte groß, schlank und einigermaßen sportlich. Aber was nutzte das alles? 22 Jahre Unterschied!
Dan stammte ursprünglich aus Israel, doch seine Eltern waren nach Deutschland gezogen, als er acht Jahre alt wurde. Warum, wusste ich nicht. Er sprach Hebräisch und Deutsch fließend und interessierte sich für alles intensiv, was mit Israel zusammenhing, außerdem für alles andere aus den Bereichen Politik und Geschichte. Ich konnte mich völlig auf ihn verlassen, damit nahm er mir viel Arbeit ab. Seit einem halben Jahr saß er in meinem Chefzimmer, machte sich unglaublich nützlich und brachte meinen Schwanz zu gigantischen Erektionen. Unter dem Schreibtisch. Ich hoffte, dass Dan es nicht merken würde. Wenn er zur Mittagspause ging, versteckte ich mich in meinem kleinen Privatraum neben dem Chefbüro, schloss die Tür ab und holte mir einen runter. Das half wenigstens für ein bis zwei Stunden.
»Waren Ihre Großeltern eigentlich Nazis, Herr Platen?«, fragte er mich unvermittelt.
Ich blickte von meiner Arbeit auf und sah Dan ruhig in seine schönen Augen. »Nein, und darauf bin ich sehr stolz. Nicht mal Mitläufer. Meine vier Großeltern hielten nichts von den Nazis und deren Partei. Bei mir gibt es also keine dunklen Familiengeheimnisse.« Ich lächelte ihm zu.
»Das beruhigt mich.« Er schien zu überlegen. Dann redete er weiter: »In dem Verlag, wo ich vorher war, stammte der Chefredakteur aus einer Nazi-Familie. Er konnte nichts dafür, klar, aber mir war das immer irgendwie unheimlich.« Er seufzte leise.
»Bist du deshalb da weggegangen?«
»Ja, auch! Aber hier bei Ihnen gefällt es mir sowieso besser.« Er lächelte jetzt wieder.
Ich schaute verträumt in sein wunderschönes Gesicht. »Warum sind deine Eltern von Israel hierher gekommen?«, fragte ich nun doch mal, obwohl es mich natürlich nichts anging.
»Ihre Vorfahren stammten aus Deutschland, die sind dann nach England geflohen und später nach Israel. Aber sie fühlten sich dort nicht richtig wohl, zu heiß, zu … eben zu fremd. Sie haben oft von Deutschland erzählt, von den Wäldern, den grünen Bergen, den großen Flüssen, den romantischen Dörfern … Das hat mein Vater schon als Kind immer gehört, und es hat ihm keine Ruhe gelassen. Er meinte dann, dass die heutigen Deutschen ja anders seien als die damals. Also die meisten wenigstens. Dann hat er eine Stellenzusage von der Firma hier in diesem Landkreis gekriegt. So sind wir hergekommen.«
»Und wie gefällt es dir hier in unserem Landkreis?« Ich fragte das mit einem schmerzhaften Ziehen in der Brust. Ja, ich hoffte, dass Dan für immer und ewig mein Praktikant sein würde – wenigstens das, wenn er schon nicht mein Geliebter werden konnte. In dieser Hinsicht hatte ich einfach schwachsinnige Vorstellungen.
»Ganz gut«, meinte er. »Aber so genau kann ich mich an Israel gar nicht erinnern. Irgendwann will ich natürlich mal hin.«
»Hast du inzwischen schon einen Studienplatz bekommen?« >Hoffentlich nicht!<, dachte ich selbstsüchtig. Ich wusste, dass er Geschichte und Politik studieren wollte, und dafür hätte er bestimmt in eine andere Gegend ziehen müssen. Die Wahrscheinlichkeit, in der nahen Universitätsstadt einen Studienplatz zu erhalten, war nicht besonders groß.
Er schüttelte den Kopf. »Nein. Aber hier lerne ich ja auch was, das wird sicher anerkannt werden.«
»Chef!«, rief mein Sportredakteur, der ohne Vorwarnung ins Büro platzte. »Der neue Fußball-Skandal! Wie viel Platz bekomme ich dafür?«
»So viel, wie du willst. Du musst dich nur mit deinen Kollegen einigen, wer seine Artikel für dich kürzen will«, gab ich ironisch zurück. Ich konnte mich schließlich nicht um jede einzelne Zeile kümmern.
Er verließ mit einem unzufriedenem Grunzen den Raum. Gleich darauf klingelte mein Telefon, und danach gaben sich die anderen Redakteure die Klinke in die Hand. Die kostbaren Minuten, die ich mit Dan alleine im Zimmer verbrachte, waren so selten wie aussterbende Schmetterlingsarten.
An diesem sonnigen Frühlingstag kam ich in der Mittagspause nicht mal zum Wichsen, es war einfach zu viel zu tun. Als ich endlich in mein Kabuff verschwinden wollte, kehrte Dan schon vom Essen zurück. Schicksal!
Wir arbeiteten so konzentriert, wie es ging bei den dauernden Anfragen meiner Redakteure. Erst abends war die neue Zeitungsausgabe für den nächsten Tag fertig vorbereitet und konnte in den Druck gehen. Wieder mal eine Etappe geschafft! Alle anderen Mitarbeiter waren schon nach Hause gegangen. Dan hatte mit mir zusammen durchgehalten, obwohl er gar nicht so viele Stunden arbeiten sollte. Tat er das für mich? Wohl kaum! Er war einfach besonders interessiert an dieser Arbeit.
»Feierabend!«, rief ich ihm zu, stand auf und schob meinen Bürostuhl unter den Schreibtisch. »Was sagen deine Eltern, wenn du immer so spät nach Hause kommst?«
Er prustete beleidigt die Luft durch die süßen Lippen.
»Was geht meine Eltern das an, wann ich nach Hause komme? Ich bin doch kein Kind mehr! Wenn Wohnungen nicht so teuer wären, hätte ich längst eine eigene.«
Ich dachte daran, dass ich alleine in einer Dreizimmerwohnung hauste. Mit Freuden hätte ich Dan eines der Zimmer angeboten … aber natürlich tat ich es nicht. Auf keinen Fall wollte ich, dass er dachte, ich alter Esel wäre auf ihn scharf!
Die Frage stellte sich, wie so oft, wer schwul war und wer nicht. Oder wer es war, aber es nicht zugab. So ähnlich. Meine Redakteure und Redakteurinnen wussten mehr oder weniger, dass ich auf Männer stand. Es war kein Geheimnis, aber auch kein Thema in der Redaktion, wir hatten wirklich anderes zu tun. Sicher waren auch einige meiner Leute schwul oder lesbisch, doch ich kümmerte mich nicht darum. Sex im Büro kam nicht in Frage für mich, und was die anderen taten, ging mich nichts an. Die Zusammenarbeit von allen klappte meistens wunderbar. Kurz gesagt: Ich wusste nicht, ob Dan wusste, dass ich schwul war, und von ihm wusste ich gar nichts in dieser Hinsicht. Leider!
»Was machen Sie denn eigentlich immer nach Feierabend, Herr Platen?«, fragte Dan. Das hatte er noch nie wissen wollen.
»Na ja, viel Feierabend ist ja nicht. Essen, Nachrichten gucken, schlafen. So in etwa.«
»Sie könnten mich ja mal zum Essen einladen!« Sein Blick schien mich zu durchlöchern.
Ich erschrak fast. »Äh, ja … klar … wenn du willst.« >Vorsicht! Feuergefahr!<, dachte ich.
»Aber ich bin ja bloß Ihr Sherpa!«, murrte er.
»Sherpa?« Ich starrte ihn an. Himmel, er wurde von Minute zu Minute schöner und reizvoller.
»Na ja, wie die Bergführer im Himalaya. Die Sherpas schleppen das Gepäck und die Sauerstoffflaschen, bauen das Zelt auf, kümmern sich um alles, zeigen den Bergtouristen den Weg auf den Mount Everest, passen auf, dass die nicht abstürzen – und den Ruhm ernten dann die Touristen.«
Ich musste schmunzeln. So etwas beschäftigte ihn also!
»Die Erstbesteigung des Mount Everest wurde von Edmund Hillary und dem Sherpa Sardar Tenzing Norgay aber zusammen bewältigt«, gab ich zu bedenken. »Sie haben immer betont, dass sie gleichberechtigt waren. Und sie sind lebenslang Freunde geblieben.«
»Damals vielleicht, das eine Mal. Das war eben noch ein echtes Zweierteam.«
»Sind wir nicht auch ein echtes Zweierteam?«, fragte ich leise. Plötzlich kochte eine wilde Hoffnung in mir hoch.
»Weiß nicht«, gab er zurück und sah mich wieder durchdringend an.
»Ich glaube schon«, meinte ich. »Wenn ich das nicht so deutlich mache, dann nur deshalb, weil …« Mir gingen die Worte aus. Mir, dem Chefredakteur!
»Weil?« Dan kam näher, immer näher. Er stand jetzt nur noch zehn Zentimeter von mir entfernt. Er war kleiner als ich, sein schwarzes Seidenhaar schien mich an der Nasenspitze zu kitzeln. Ich atmete den Duft seiner jungen Haut ein, sah mein eigenes, winziges Spiegelbild in seinen dunklen Pupillen. Mein Schwanz wuchs, ohne dass ich es verhindern konnte, und ich hatte in dem Moment keinen Schreibtisch zum Verstecken. Bestimmt sah Dan meine Latte, die den Hosenstoff spannte.
»Weil …« Ich wusste immer noch nicht, was ich sagen sollte.
»Bin ich nun bloß ein gewöhnlicher Sherpa für Sie – oder ein Tenzing Norgay?« Seine Augen funkelten mich an.
»Dan … ich …«
»Sie wissen es nicht?«, unterbrach er mich.
»Doch!«, erwiderte ich plötzlich ohne Zögern. »Natürlich weiß ich es! Du bist alles für mich! Und du weißt es! Ich bin verliebt in dich, und das weißt du auch. Ganz altmodisch verliebt!« Ich schloss die Augen kurz, weil ich mich zu diesem Geständnis hatte hinreißen lassen. Würde er mich jetzt auslachen?