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Thomas Hülshoff

Medizinische Grundlagen der Heilpädagogik

4., aktualisierte Auflage

Mit 18 Abbildungen, 2 Tabellen und 34 Übungsfragen

Ernst Reinhardt Verlag München

Prof. i. R. Dr. med. Thomas Hülshoff ist Arzt und war Professor für Medizinische Grundlagen der Heilpädagogik an der Katholischen Fachhochschule Nordrhein-Westfalen, Abteilung Münster. Vom Autor außerdem im Ernst Reinhardt Verlag/UTB erhältlich: „Psychosoziale Interventionen und Notfälle“ (2017, UTB-M 978-3-8252-4850-5), „Emotionen. Eine Einführung für beratende, therapeutische, pädagogische und soziale Berufe“ (4., aktual. Aufl. 2012; UTB-M 978-3-8252-3822-3) und „Basiswissen Medizin für die Soziale Arbeit“ (2011; UTB-L 978-3-8252-8471-8).

Hinweis: Soweit in diesem Werk eine Dosierung, Applikation oder Behandlungsweise erwähnt wird, darf der Leser zwar darauf vertrauen, dass der Autor große Sorgfalt darauf verwandt hat, dass diese Angabe dem Wissensstand bei Fertigstellung des Werkes entspricht. Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen oder sonstige Behandlungsempfehlungen kann vom Verlag jedoch keine Gewähr übernommen werden. – Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnungen nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften.

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der

Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten

sind im Internet über <http://dnb.ddb.de> abrufbar.

UTB-Band-Nr.: 2698

ISBN 978-3-8252-5835-1 (Print)

978-3-8385-5835-6 (PDF-E-Book)

978-3-8463-5835-1 (EPUB)

© 2022 by Ernst Reinhardt, GmbH & Co KG, Verlag, München

Dieses Werk einschließlich seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne schriftliche Zustimmung der Ernst Reinhardt, GmbH & Co KG, München, unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen in andere Sprachen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Der Verlag Ernst Reinhardt GmbH & Co KG behält sich eine Nutzung seiner Inhalte für Text- und Data-Mining i.S.v. § 44b UrhG ausdrücklich vor.

Printed in EU

Einbandgestaltung: Atelier Reichert, Stuttgart

Satz: JÖRG KALIES – Satz, Layout, Grafik & Druck, Unterumbach

Ernst Reinhardt Verlag, Kemnatenstr. 46, D-80639 München

Net: www.reinhardt-verlag.de Mail: info@reinhardt-verlag.de

Inhalt

Hinweise zur Benutzung dieses Lehrbuches

Vorwort zur 4. Auflage

Aus dem Vorwort zur 1. Auflage

Vorbemerkung zur Inklusionsdebatte

1Neurophysiologische Grundlagen

1.1Aufbau und Funktion des zentralen Nervensystems

1.2Die Entwicklung des kindlichen Gehirns

1.3Biochemische Grundlagen

1.4Übungsfragen und Literaturhinweise

2Sozialmedizinische Grundlagen

2.1Was ist Krankheit?

2.2Stress und Krankheit

2.3Salutogenese und Resilienz

2.4Soziale Dimensionen von Krankheit

2.5Das kranke Kind

2.6Ethische Dimensionen

2.7Übungsfragen und Literaturhinweise

3Basale Wahrnehmungsfunktionen

3.1Grundlagen basaler Wahrnehmungsfunktionen

3.2Die Entwicklung basaler Wahrnehmungsfunktionen

3.3Basale Wahrnehmungsstörungen

3.4Heilpädagogische Herausforderungen

3.5Übungsfragen und Literaturhinweise

4Auditive Wahrnehmung

4.1Grundlagen auditiver Wahrnehmung

4.2Entwicklung des Hörsinns

4.3Hörstörungen

4.4Heilpädagogische Herausforderungen

4.5Übungsfragen und Literaturhinweise

5Visuelle Wahrnehmung

5.1Grundlagen des Sehens und der visuellen Wahrnehmung

5.2Entwicklung des Sehvermögens

5.3Sehschädigung

5.4Heilpädagogische Herausforderungen

5.5Übungsfragen und Literaturhinweise

6Motorik

6.1Grundlagen der Motorik

6.2Motorische Entwicklung

6.3Motorische Störungen

6.4Heilpädagogische Herausforderungen

6.5Übungsfragen und Literaturhinweise

7Sprache

7.1Grundlagen der Sprache

7.2Sprachentwicklung

7.3Sprech- und Sprachstörungen

7.4Übungsfragen und Literaturhinweise

8Kognitive Fähigkeiten

8.1Entwicklung kognitiver Fähigkeiten

8.2Lernschwierigkeiten und geistige Behinderung

8.3Aufmerksamkeitsdefizit-Syndrom und Hyperaktivität

8.4Heilpädagogische Herausforderungen

8.5Übungsfragen und Literaturhinweise

9Emotionen

9.1Grundlagen des emotionalen Erlebens

9.2Die emotionale Entwicklung

9.3Emotionale und psychosoziale Störungen bei Kindern und Jugendlichen

9.4Übungsfragen und Literaturhinweise

Glossar

Literatur

Sachregister

Hinweise zur Benutzung dieses Lehrbuches

Zur schnelleren Orientierung wurden in den Randspalten Piktogramme benutzt, die folgende Bedeutung haben:


Forschungen, Studien
Begriffserklärung, Definition
Pro und Contra, Kritik
Beispiel
Fragen zur Wiederholung am Ende der Kapitel
Literaturempfehlungen

Vorwort zur 4. Auflage

Neuauflagen eines Lehrbuches bieten dem Autor die Möglichkeit, Anregungen von Leserinnen und Lesern und Rezensentinnen und Rezensenten aufzugreifen.

So wurde bereits die zweite Auflage um einen Abschnitt über Salutogenese und Resilienz sowie ein Teilkapitel zu ethischen Fragestellungen erweitert, und in der dritten Auflage kamen ein Abschnitt über neuere Erkenntnisse der Epigenetik zur Entwicklung des Gehirns, ein Abschnitt zur Gesundheit von Menschen mit und ohne Behinderung und ein Abschnitt zur Inklusionsdebatte hinzu. Die vierte Auflage wurde gründlich durchgesehen, zum Teil aktualisiert und um die Darstellung neuerer Aspekte in den Kapiteln „Motorik“ und „Kognitive Fähigkeiten“ erweitert.

Das Literaturverzeichnis wurde um einige meines Erachtens wichtige, praxisrelevante und neuere Bücher bzw. Artikel ergänzt. Im Übrigen wurden Inhalte und der didaktische Aufbau des Buches wegen der guten Resonanz bei der Leserschaft unverändert beibehalten.

Frau Ulrike Landersdorfer, Lektorin beim Ernst Reinhardt Verlag, möchte ich für ihre wohlwollende Unterstützung und die konstruktiven Ratschläge auch bei der Neuauflage dieses Buches danken.

Ebenso gilt mein Dank den Lehrenden und Lernenden an der Abteilung Münster der Katholischen Hochschule NRW, die mir in zahlreichen, wohlwollend-kritischen Gesprächen wichtige Hinweise und Anregungen gaben.

Dies gilt ganz besonders auch für meine Frau und meinen Sohn: Herzlichen Dank Euch beiden!

Münster, im Dezember 2021 Thomas Hülshoff

Aus dem Vorwort zur 1. Auflage

„Heilpädagogik ist Pädagogik und nichts anderes“ – so lautet einer der meistzitierten Sätze des Nestors der Heilpädagogik, Paul Moor. Insbesondere, so möchte man hinzufügen, ist Heilpädagogik keine therapeutische oder medizinische Unterdisziplin. Warum also, so könnte man fragen, sollte es dann „medizinische Grundlagen“ der Heilpädagogik geben?

Heilpädagoginnen und -pädagogen begegnen in ihrer pädagogischen und fördernden Arbeit an Förderschulen und darüber hinaus im außerschulischen Bereich Menschen mit Behinderungen bzw. körperlichen, sensorischen, kognitiven oder seelischen Entwicklungsverzögerungen und -störungen. Es ist ihre Aufgabe, diese Menschen in ihrer Entwicklung zu fördern, sie zu unterrichten, zu begleiten, eingetretene oder drohende Entwicklungshemmnisse frühzeitig zu erkennen und zu ihrer Überwindung beizutragen. Sie wirken daran mit, Menschen mit Behinderungen ein gelingendes, an der Kultur der Gesellschaft teilhabendes Leben zu ermöglichen. Dabei orientieren sich Heilpädagoginnen und -pädagogen am Normalisierungsprinzip und sind weitgehend den Paradigmen von Assistenz, gesellschaftlicher Partizipation und Inklusion verpflichtet.

Diese hier nur angeschnittenen Aufgaben nehmen sie als Pädagoginnen und Pädagogen mit besonderer Herausforderung, nämlich der Heilpädagogik, wahr. Die Menschen, mit denen sie arbeiten (Schüler, Klienten), haben in der Regel auch Kontakte zu einer Reihe anderer Berufsgruppen (z. B. in der Medizin, Ergotherapie, Psychotherapie etc.), die ebenfalls vielfältige Hilfen anbieten – wenn auch nicht auf pädagogischem Gebiet. Schon deswegen ist die Kenntnis von psychologischen, medizinischen u. a. Ansätzen von Nutzen.

Darüber hinaus versteht sich Heilpädagogik aber auch als „Pädagogik unter erschwerten Bedingungen“. Zum einen sind darunter gesellschaftliche Erschwernisse (z. B. soziale Barrieren) zu verstehen, was soziologische sowie sozialpsychologische Grundkenntnisse voraussetzt. Zum anderen bestehen die Erschwernisse z. T. auch in organischen Behinderungen, Folgen von Erkrankungen oder somatisch-sensorisch-seelischen Veränderungen im Entwicklungsprozess, die zu einem gewissen Teil biologisch-medizinisch abgeklärt und behandelt – wenn auch in der Regel nicht geheilt – werden können.

Und hier kommen nun medizinische Grundkenntnisse ins Spiel. Wollen Heilpädagoginnen und -pädagogen ihrem Auftrag der „pädagogischen Förderung unter erschwerten Bedingungen“ gerecht werden, so ist es hilfreich und notwendig, sich mit allen Aspekten der Entwicklung ihrer Schüler und Klienten zu befassen, auch den medizinischen. Und insofern gibt es meines Erachtens neben beispielsweise psychologischen und soziologischen auch medizinische Grundlagen der Heilpädagogik.

Das vorliegende Buch will Studierenden und Praktikern der Heilpädagogik eine breit gefächerte Übersicht über medizinische und biologische Grundlagen geben. Zwar werden beispielsweise Heilpädagogen, die sich auf die Pädagogik hörgeschädigter Menschen spezialisieren, an gegebener Stelle auf spezielle und vertiefende Literatur verwiesen, weil spezielles Detailwissen den Rahmen des vorliegenden Buches sprengen würde. Analoges gilt für Sehbehinderung u. a. Teilgebiete. Aber es ist meines Erachtens hilfreich, wenn Heilpädagoginnen und -pädagogen (auch wenn sie sich spezialisieren) einen Überblick über die gesamte Breite möglicher medizinischer Aspekte und damit verbundener heilpädagogischer Herausforderungen haben. Nicht selten nämlich sind behinderte Kinder mehrfach behindert, und vor allem wirken sich Störungen (z. B. sensorische) mitunter auf andere Bereiche (z. B. die Motorik oder das emotionale Erleben) aus.

So möchte ich, ausgehend von den Differenzierungen der Ausbildung von Förderschullehrern, auf das Hören, das Sehen, die Motorik, die Sprache, auf kognitive Fähigkeiten sowie die Emotionen eingehen. Dabei wird in jedem Kapitel zunächst auf die neurophysiologischen und biologischen Grundlagen eingegangen, die meines Erachtens für jede Heilpädagogin und jeden Heilpädagogen von Bedeutung sind. Dies gilt auch für die Entwicklungen der jeweiligen Fähigkeit (z. B. der auditiven Wahrnehmung oder der Motorik), die anschließend dargestellt werden. Es folgen typische und in der heilpädagogischen Praxis häufig auftretende Störungen sowie spezielle Herausforderungen an Heilpädagogen in Schule und außerschulischen Arbeitsfeldern.

Das erste Kapitel befasst sich mit allgemeinen neurophysiologischen Grundlagen. Seitdem der damalige amerikanische Präsident, George Bush sen., die 1990er Jahre als „das Jahrzehnt des Gehirns und der Hirnforschung“ apostrophiert hat, haben sich Grundlagenforschung und z. T. auch anwendungs- und praxisorientierte Ansätze stürmisch weiterentwickelt, was, wie noch zu zeigen sein wird, auch an der Heilpädagogik nicht spurlos vorbeigegangen ist.

Ein weiteres Kapitel befasst sich mit sozialmedizinischen Aspekten und versucht, eine Brücke zwischen den international unterschiedlichen Aufgaben der Pädagogik und der Medizin (hier vor allem der Kinderheilkunde, Neuropädiatrie sowie Kinder- und Jugendpsychiatrie) zu bauen.

In meinem beruflichen Werdegang habe ich in unterschiedlichen Konstellationen Kontakt zur Heilpädagogik gehabt. In meiner assistenzärztlichen Zeit in Kinderklinik und Kinder- und Jugendpsychiatrie lernte ich vor allem die Kooperation mit den dort außerschulisch arbeitenden Heilpädagoginnen und -pädagogen sowie den Krankenhauslehrkräften kennen und schätzen. Dies gilt ebenso für die Zeit meiner Ausbildung zum Familientherapeuten. Zwei Jahre war ich als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Sonderpädagogik der Universität Köln tätig und konnte dort einen Einblick in das differenzierte Förderschulwesen und die Ausbildung von Förderschullehrerinnen und -lehrern bekommen. In meiner jetzigen Tätigkeit als Professor für Sozialmedizin und medizinische Grundlagen der Heilpädagogik an der Katholischen Fachhochschule NW in Münster befasse ich mich vor allem mit außerschulischer Heilpädagogik und begleite seit sechs Jahren Praxis- und Entwicklungsprojekte der Rehabilitations- und Heilpädagogik, u. a. auch Weiterbildungsangebote für Menschen mit mehrfachen Behinderungen.

Vor allem diese Projekte und die Begegnung mit behinderten wie nicht behinderten Menschen (Studierenden wie Klienten) haben mich tief beeindruckt und starken Einfluss auf die Inhalte dieses Buches genommen.

Danken möchte ich Frau Landersdorfer vom Ernst Reinhardt Verlag, die mich zu diesem Buch ermutigt und in kritischen Situationen beraten hat.

Und vor allem möchte ich meiner Frau und meinem Sohn danken, deren familiärer Rückhalt mir Kraft und Anregung gibt.

Münster, im Februar 2005Thomas Hülshoff

Vorbemerkung zur Inklusionsdebatte

Mit der Unterzeichnung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung hat sich die Bundesrepublik Deutschland zur Einrichtung eines inklusiven Bildungssystems verpflichtet. Das lateinische Verb „includere“ bedeutet „einschließen, einsperren, beinhalten“, und der Begriff der „Inklusion“ ist als Kontradiktum zur „Exklusion“, also dem Ausschluss bestimmter Gruppen, zu verstehen. Inklusion wendet sich also gegen gesellschaftliche Marginalisierung und sichert allen Menschen das gleiche und volle Recht auf individuelle Entwicklung und soziale Teilhabe, ungeachtet ihrer persönlichen Unterstützungsbedürfnisse (vgl. Hinz 2006). In diesem Zusammenhang ist auch der Begriff der „Heterogenität“ von Bedeutung, der sich beispielsweise in Slogans wie „Es ist normal, verschieden zu sein“ oder der Erläuterung der Aktion Mensch „Inklusion ist, wenn Anderssein normal ist“ widerspiegelt. Unter Teilhabe (engl.: participation) versteht man im Rahmen der Inklusionsdebatte das Recht (und nicht nur die Möglichkeit), an allen sozial, gesellschaftlich und kulturell bedeutsamen Prozessen eigenständig und gleichberechtigt mitwirken zu können und somit die Gesellschaft zu gestalten. Der unveräußerliche, durch die universellen Menschenrechte konstituierte rechtliche Anspruch eines jeden Menschen auf Teilhabe im oben genannten Sinne ist das wesentliche Merkmal des rezent diskutierten Inklusionsbegriffs.

Zur Durchführung von Prozessen zur Verwirklichung einer inklusiven Gesellschaft sind das Normalitätsprinzip, persönliche Assistenz, eine solide und ausreichende Finanzierung, bedarfsgerechte Unterstützung, geeignete strukturelle Veränderungen im Bildungs- und Gesundheitssystem, aber auch die Bereitschaft zu gesellschaftlichen und kulturellen Veränderungen als unabdingbare Voraussetzung zu nennen. Inklusion ist kein statisches Faktum, sondern ein Prozess, bei dem eine Gesellschaft und alle ihre Mitglieder davon ausgehen, dass jede/jeder Einzelne nicht nur an gesellschaftlichen Prozessen partizipieren, sondern essentielle Bestandteile dieser Gesellschaft sind und sie somit mitdefinieren.

Die Forderung nach Inklusion findet sich auf verschiedenen Ebenen. Beispielhaft sei der Teilhabebericht der Bundesregierung über die Lebenslage von Menschen mit Beeinträchtigungen (Bundesminister für Arbeit und Soziales 2013) genannt, in dem auf die Felder der Familie und des sozialen Netzes, der Bildung und Ausbildung, der Erwerbsarbeit und des Einkommens, der alltäglichen Lebensführung, der Gesundheit, Freizeitkultur und Sport, Sicherheit und Schutz vor Gewalt sowie das Feld von Politik und Öffentlichkeit eingegangen wird. In diesem Bericht, auf den hier inhaltlich nicht detailliert eingegangen werden kann, kommen zahlreiche Barrieren, die einer Inklusion in diesen Teilbereichen entgegenstehen, zur Sprache. Diese Barrieren sind nicht nur physischer (beispielsweise nicht-Akzessibilität von Gebäuden, Einrichtungen oder öffentlichem Verkehr), sondern vor allem auch psychischer Natur (Kommunikationsbarrieren, Vorurteile usw.). Insbesondere wird auch auf strukturelle Barrieren, die es abzubauen gilt, eingegangen.

Einen besonderen Schwerpunkt findet die Inklusionsdebatte zurzeit im Bereich der Bildungspolitik. Alle Menschen, ohne Ausnahme, bestimmen und gestalten – geht es nach dem Inklusionsprinzip – Struktur und Alltag einer Schule mit. Denkt man diesen Gedanken zu Ende, kommt man zum Postulat einer „Schule für alle“, in der prinzipiell auch jede Lehrerin und jeder Lehrer befähigt sein muss, alle Kinder gemäß ihres individuellen Förderbedarfs zu begleiten.

Angesichts dieses gesellschaftlichen Umbruchs stellt sich die Frage, wie ein Buch über die „medizinischen Grundlagen der Heilpädagogik“ genutzt werden kann. Wenn man den Inklusionsgedanken aufgreift, kann es sich nicht ausschließlich an Berufsangehörige der (oft außerschulischen) Heilpädagogik oder Förderschullehrer wenden. Adressaten sind vielmehr alle, die in einem zunehmenden Inklusionsprozess in ihrem Beruf Menschen mit und ohne Behinderung begegnen und sie begleiten. Im schulischen Bereich betrifft das letztlich alle Lehrerinnen und Lehrer, im außerschulischen Bereich neben HeilpädagogInnen und HeilerziehungspflegerInnen auch ErzieherInnen, SozialarbeiterInnen, ÄrztInnen oder Gesundheits- und KrankenpflegerInnen, um nur einige zu nennen. Sie alle brauchen, um Menschen mit und ohne Behinderungen in den jeweiligen, zunehmend inkludierenden Settings zu begleiten und individuell angemessen zu fördern, ein solides Grundwissen über die biologisch-anthropologischen Grundlagen zum Verständnis von Behinderung sowie den sich daraus ergebenden Herausforderungen.

Es wäre mir ein Anliegen, dass nicht nur HeilpädagogInnen im engeren Sinne, sondern auch andere Berufsgruppen einen Nutzen von dem hier vermittelten medizinischen Basiswissen haben, wenn es um die Gestaltung inklusiver Prozesse geht.

3 064,16 ₽
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651 стр. 36 иллюстраций
ISBN:
9783846358351
Издатель:
Правообладатель:
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