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Telische Wellen
Wie kann man Leben erkennen? An welchem Punkt lässt sich festlegen, ob eine Kreatur (z.B. ein menschlicher Embryo) lebendig ist? Kann man Fortschritte beim Verständnis und der Simulation des Verhaltens und der Simulation des Verhaltens von lebendigen Kreaturen machen, ohne sich in die verwickelten Zusammenhänge einer Definition von Leben einzulassen? Im Alltag ist die Beurteilung einfach: eine Katze lebt – ein Stein nicht. Aber eine Formalisierung dieser Unterscheidung ist schwierig, besonders wenn diese in empirischen Messungen verwendet werden soll. Leben zeichnet eine empirisch messbare, statistische Qualität aus. Leben ist ein Attribut, dass ein Organismus besitzt, wenn dieser Mitglied eines sich entwickelnden biologischen Systems von Organismen ist, die miteinander und mit der Umwelt wechselwirken. Leben ist also eine Eigenschaft, die mit der Umwelt interagiert. Wobei ein Organismus nur ein zeitweiliges Mitglied einer sich entwickelnden Biosphäre ist (aber nicht notwendigerweise in der Technosphäre, dort Unsterblichkeit möglich). Bei aller Komplexität, die „Lebendig-Sein“ assoziiert, gibt es dennoch 3 Hauptkriterien:
ein Informationen verarbeitender Apparat
die Fähigkeit, Funktionen über eine komplexe Struktur auszuführen
die Fähigkeit, diese Struktur innerhalb von Generationen spontan zu modifizieren und zu verbessern (und genau das ist Evolution)
Der Schlüssel für die Bewertung von Lebendig-Sein ist evolutionäre Aktivität, die sich über die Bewegung von vorteilhaften oder nützlichen Genen innerhalb des Genpools einer Art quantifizieren lässt. Diese Bewegungen vorteilhafter Gene werden auch als „telische Wellen“ bezeichnet, obwohl „Teleologie“ ein biologischer Negativbegriff ist, denn im Gegensatz zu Biologen glauben Teleologen, dass die Evolution in zielgerichteten Bahnen auf ein Endziel hin verläuft. (Die natürliche Biologie macht das vielleicht nicht, aber Technologie könnte es sehr wohl, weil sie bewusstseinsgesteuert ist.) In diesem Fall sind die telischen Wellen jedoch anders, nämlich im Rückblick zu verstehen, da die Gene rückblickend daran arbeiten, die Art zu verbessern, so dass man die genetischen Veränderungen im Nachhinein als zielgerichtet, als finalistisch deuten könnte. Allerdings gibt es für zukünftige KLs – wie auch für uns Menschen – sehr wohl die Möglichkeit einer zielgerichteten Entwicklung, anders als Populationen, deren Entwicklungen nur von evolutiven Kräften gesteuert wird. (Wir Menschen könnten uns das Ziel geben z.B. in 100 Jahren 105 Menschen auf dem Mars anzusiedeln oder in knapp 10 Megajahren die gesamte Galaxis zu kolonisieren. Zukünftige KL-Organismen werden so hoch entwickelt sein, dass sie selbst auf bestimmte Ziele, etwa die technologische Singularität oder den Omegapunkt, hinarbeiten.) In dem KL-Modell der mentalen Teleologie bilden telische Wellen nicht die Basis für das Überleben, sondern für eine psychologische Anpassung oder einen Lernvorgang. Dieses Modell ist nicht nur Richtschnur für Vergleiche künstlicher Lebensräume, sondern auch ein Bestimmungstest dafür, was lebt. Eine positive Aktivität ist ein Hinweis dafür, dass sich KL-Wesen kontinuierlich neue Verhaltensweisen oder psychologische Aktivitätsmuster einverleiben und angewöhnen. Die Präsenz telischer Wellen ist ein Beweis dafür, dass richtiges Leben in einem System vorhanden ist. Auf dies Weise ließen sich auch biologische Populationen vermessen, wenn es gelänge, die genetischen Bewegungen festzustellen.
[1] "Carbaquismus" setzt sich aus "Carbon" für Kohlenstoff und "Aqua" für Wasser zusammen und steht für die Vorstellung, Leben könne nur auf Kohlenstoffchemie und Wasser beruhen.
[2] ℯ ist die „Eulersche Zahl“, benannt nach dem Schweizer Mathematiker Leonhard Euler. Sie ist eine für die Wissenschaft und insbesondere für die Mathematik wichtige Zahl und liegt vielen Wachstums- bzw. Zerfallsprozessen in der Natur zugrunde, z.B. die Vermehrung einer Bakterienkolonie oder der radioaktive Zerfall. Die Zahl e ist "Basis des natürlichen Logarithmus".
Künstliches Leben
Das Forschungsgebiet Künstliches Leben beschäftigt sich mit der Untersuchung künstlicher Systeme, die charakteristische Verhaltensmerkmale natürlicher Systeme widerspiegeln. Es handelt sich darum, Leben und seine möglichen Erscheinungsformen zu erklären, und zwar ohne Beschränkung auf bestimmte Beispiele, die sich auf der Erde entwickelt haben. Dazu gehören biologische und chemische Experimente, Computersimulationen und rein theoretische Ansätze, wie auch Prozesse von molekularem, sozialem und evolutionärem Umfang. Das Endziel ist es, die logische Basis lebender Systeme herauszuarbeiten. Mikroelektronik und Gentechnik werden uns bald in die Lage versetzen, neue Lebensformen zu erschaffen, sowohl in silicio als auch in vitro. Diese Fähigkeit wird der Menschheit die weitreichendste technische, theoretische und ethische Herausforderung bescheren, mit der sie je konfrontiert wurde. Die Zeit scheint reif, diejenigen zusammenzubringen, die an Versuchen beteiligt sind, lebende Systeme zu simulieren oder zu synthetisieren. Eine Computerdefinitionen von »Leben«, »Person« und »Seele« muss anhand physikalischer Begriffe definiert werden (auch für die Frage, ob Leben ewig dauern kann). Nach ihr ist ein Lebewesen dann jedes beliebige Gebilde, das Information codiert und diese durch natürliche Auslese bewahrt. Mithin ist "Leben" eine Form der Informationsverarbeitung; der menschliche Geist, also das Bewusstsein, dann ein hochkomplexes Computerprogramm. "Person" bzw. "Persönlichkeit" lässt sich als Computerprogramm definieren, das den Turing-Test bestehen kann. Computer und Autos lassen sich wie biologische Gegenstände behandeln. Aus dieser (Computer)Definition folgt aber auch, dass Autos leben: sie vermehren sich in Fabriken - mithilfe menschlicher Mechatroniker. Sicherlich brauchen sie zu ihrer Reproduktion Fabriken außerhalb ihrer selbst. Aber für männliche Menschen gilt das auch; diese externe "biochemische Fabrik" nennt sich Gebärmutter! Selbst ihre Form ist das Ergebnis einer "natürlichen" Auslese, die auf den Existenzkampf zwischen verschiedenen Autorassen, z.B. deutscher und japanischer Modelle um Geld und knappe Ressourcen zurückzuführen ist.
Leben ist durch natürliche Auslese bewahrte Information. Selbst Ideen des menschlichen Geistes, die durch natürliche Auslese bewahrt werden, lassen sich als lebende Strukturen betrachten, und zwar nicht nur in übertragenem, sondern in technischem Sinne. Auf der untersten, fundamentalen Stufe der Physik sind alle menschlichen Aktivitäten samt und sonders Formen der Informationsverarbeitung. Die physikalischen Gesetze schränken die Informationsverarbeitung und damit die Aktivitäten, ja selbst die bloße Existenz von Leben ein. Wenn sie in einer lokalen Raumzeit keine Informationsverarbeitung zulassen, dann gibt es dort auch kein Leben und umgekehrt. (Es sei denn, dieser Zustand ließe sich durch Technologie verändern, dem Leben zugänglich machen.) Leben dauert ewig (unzeitlich) wenn auch Maschinen irgendeiner Art ewig weiterexistieren können. Lässt sich das menschliche Bewusstsein (in gewisser Weise) mit einem Computerprogramm vergleichen? Bewusstsein entsteht doch erst im Laufe der Evolution. Dennoch braucht Bewusstsein einen Körper, um zu denken und zu fühlen, so wie ein Computerprogramm einen konkreten Computer braucht, um zu funktionieren. Die Erforschung künstlichen Lebens bringt einen wissenschaftlichen und technologischen Wendepunkt. Durch das wachsende Verständnis für biologische Mechanismen in Verbindung mit der zunehmenden Rechenleistung moderner Computer lassen sich lebende Systeme kopieren und darüber hinaus neue Formen des Lebens erzeugen, so dass voraussichtlich in fünfzig bis einhundert Jahren eine neue Klasse von Organismen entstehen wird. Diese Lebewesen werden in dem Sinne künstlich sein, als sie von Menschen gestaltet wurden. Dennoch werden sie sich fortpflanzen und in Formen umwandeln, die anders als ihr Ursprung sind. Künstliches Leben befasst sich mit der Gestaltung und Erforschung lebensähnlicher Organismen und Systeme, die von Menschen geschaffen wurden. Die Natur dieses Materials ist anorganisch, ihr Kern ist Information, und Computer sind die Brutkästen, die diese neuen Organismen hervorbringen. Ebenso wie die medizinische Forschung es geschafft hat, Lebensvorgänge teilweise in Reagenzgläsern (in vitro) ablaufen zu lassen, so hoffen die Biologen und Computerspezialisten, Leben in Siliziumchips (in silicio) zu erschaffen.
Die weiche KL-Forschung will bestimmte Lebensvorgänge simulieren, das Leben durchleuchten, um es dadurch besser zu verstehen und seine Grenzen zu begreifen. Da die Merkmale dieser künstlichen Systeme die Eigenschaften bekannter Organismen widerspiegeln und ihre Zusammensetzung bekannt ist, sind sie sehr viel einfacher zu analysieren als Ratten, Pflanzen oder Bakterien. Die Synthese von Leben betrifft auch das Verständnis von komplexen nichtlinearen Systemen, von denen Physiker annehmen, sie gehorchten allgemeingültigen, aber bisher unverstandenen Gesetzen. Die Vertreter der harten Linie beabsichtigen langfristig die Entwicklung tatsächlich lebender Organismen, deren Kern Information ist. Diese Kreaturen könnten körperliche Formen haben und damit so etwas wie (künstlich) lebende Roboter sein, sie könnten aber auch nur innerhalb eines Computers existieren. Die Wesen sollten auf jeden Fall so beschaffen sein, dass sie lebendig in jeder angemessenen Definition des Wortes sind, also ebenso lebendig wie Bakterien, Pflanzen, Tiere und Menschen. Aber kann etwas in einem Computer "lebendig" sein? Verdient überhaupt irgendetwas von Menschenhand Geschaffenes diese Bezeichnung? Sollte der Begriff »Leben« nicht auf die natürlichen, biologischen Vorgänge beschränkt bleiben? Doch wie definiert man Leben? Ist etwas lebendig, wenn es sich selbst ernährt und stirbt? Wenn es sich fortpflanzen kann? Die Liste der Adjektive, durch die Leben charakterisiert ist, kann noch so lang sein, doch eine verlässliche, zufriedenstellende Definition scheint unmöglich, denn diese Kriterien greifen entweder zu kurz oder zu weit. Der Ansatz, Leben direkt definieren zu wollen, führt sicherlich in die Irre. Stattdessen sollte Leben anhand einer allgemeinen Werteskala beurteilt werden. Ein Stein stünde zweifellos tief unten auf einer solchen Skala, ein Baum, ein Hund oder ein Mensch dagegen weit oben. Weniger eindeutige Systeme würden eine Zwischenstellung zwischen lebender und toter Materie einnehmen, irgendwo unterhalb der Bakterien, die ja nach allgemeiner Auffassung Lebewesen sind, aber oberhalb der Steine angesiedelt werden. IN diesem Zwischenbereich wäre ein komplexes System von Dingen angesiedelt, die eine Art Eigenleben entwickeln können, z.B. ein Space Shuttle.
Wenn man Leben so betrachtet, lassen sich mit diesen Systemen die Eigenschaften des Lebens herausfinden. Aber auch wenn sich die Grenze zwischen lebender und unbelebter Materie nicht genau ziehen lässt, hat Irgendwie man doch das Gefühl, lebendig zu sein sei etwas Besonderes? Begründet durch die kulturell bedingte Ablehnung, die Zuständigkeit dafür, was Leben ist, in die Hände der Wissenschaft zu legen, weil eine mystische Komponente, ein religiöser Einfluss diese Auffassung bestimmte (und noch bestimmt). Die Fähigkeit, unbelebte Dinge mit Leben zu erfüllen, Leben aus der Leblosigkeit zu erschaffen, sei auf eine übernatürliche, göttliche Kraft zurückzuführen. Doch mit der Entdeckung der Zelle eben durch Wissenschaftler wurde dieser Glaube zerstört und man dachte anders über den Aufbau lebender Strukturen. Mit Darwins Beitrag für die Naturwissenschaften kam der Evolution nicht nur eine tragende Rolle bei der Definition des Lebens zu, sondern wurde teilweise sogar der zentrale Begriff. Leben sollte durch den Besitz von Fähigkeiten definiert sein, die Evolution mittels natürlicher Auslese gewährleisten und nur diejenigen Individuen als Lebewesen gelten, die die Fähigkeit zur Vermehrung, Variation und Vererbung haben. Die Entdeckung der DNS als universeller und notwendiger Bestandteil aller Lebewesen erweitert die Definition von Leben dahingehend, dass Lebewesen nicht nur die Baupläne für alle Lebensvorgänge einschließlich der Fortpflanzung enthalten, sondern diese einzigartige Anordnung von Molekülen enthält außerdem auch noch Informationen über die Geschichte allen Lebens. Der Besitz eines genetischen Programms unterscheidet eindeutig zwischen Lebewesen und unbelebter Natur. (Computer ausgenommen!)
Komplexität als eine der wichtigsten Komponenten des Lebens verändert die Ansicht über die notwendigen Voraussetzungen für das Leben, denn in einem komplexen System wirken die Einzelkomponenten auf derart komplizierte Weise zusammen, dass sie nicht durch lineare Standardgleichungen vorausgesagt werden können. Komplexe Systeme können nicht schematisiert werden und daher ist ein vereinfachender Ansatz, Leben zu erklären, wenig sinnvoll. Das bei lebenden Systemen das Ganze mehr als die Summe der einzelnen Komponenten ist, geht nicht auf eine geheimnisvolle lebensspendenden Flüssigkeit zurück, sondern auf die Vorteile der Komplexität, die es verschiedenen Verhaltensweisen und Merkmalen erlaubt, unvorhergesehen aufzutreten. Die Evolutionsmaschinerie ihrerseits kann aber erst mit ihrer Arbeit beginnen, wenn eine gewisse Komplexität erreicht wurde. Aber Komplexität ist selbst auch nur ein Bestandteil der besagten Wertskala unter anderen. Trotz aller wissenschaftlichen Kenntnis gibt es keine allgemein akzeptierte Definition von Leben. Vielleicht weil es sich nicht um einen natürlichen Stoff wie Wasser handelt, den man untersuchen kann, denn Leben ist dagegen nicht materiell, sondern flüchtig. Ob eine rein philosophische Antwort auf diese Frage möglich ist, bleibt fraglich, denn wenn eine Maschine Energie aus ihrer Umwelt aufnehmen, wachsen, Schäden an ihrem Körper ausbessern und sich fortpflanzen kann, was soll dann noch die Frage, ob sie wirklich lebt?
Dennoch würde auch eine derartige Maschine die Diskussion nicht beenden, sondern wohl eher verstärken, denn viele Menschen finden es beängstigend, eine solche Maschine als wirklich lebend anzusehen, wenn sie nicht aus der gleichen Materie besteht wie natürliche, biologische Organismen. (Sie doch auch, oder?) „Carbaquisten“ glauben, dass alles Leben auf der Grundlage von Kohlenstoff (carbon und dessen Chemie) beruhen muss und nur in wässrigem (aqueous) Milieu ablaufen kann. Aber vielleicht kann Leben auch in anderen Formen existieren und das, was uns gegenwärtig als lebend erscheint, ist vielleicht nur ein Teil einer größeren Klasse von Organismen, wobei wir durch einen unglücklichen Zufall der Geschichte bisher nur mit diesem begrenzten Spektrum möglicher Lebensformen konfrontiert wurden. Welche Kennzeichen sind typisch für den uns bekannten Teil des Lebens und welche gelten universell - auch für die Formen, die wir erst kennenlernen oder möglicherweise erschaffen? Wenn es uns gelingt, eine umfassende Theorie des Lebens zu entwickeln, wird es grundsätzlich erforderlich sein, auch nichtorganische Dinge als lebendige anzuerkennen. Und dann werden wir uns selbst in einem anderen Licht sehen. Wir werden nicht mehr an der Spitze von irgendwelchen selbsterdachten Stammbäumen stehen, sondern nur als besonders komplexe Vertreter einer von vielen Erscheinungsformen des Lebens gelten, die neben anderen, alternativen Formen existiert. Unsere Einzigartigkeit wird in der Fähigkeit bestehen, unsere eigenen Nachfolger selbst zu erschaffen. Künstliches Leben ist etwas vollkommen anderes als beispielsweise die Gentechnik, die ja normale, lebende Organismen als Ausgangspunkt hat. Die KL-Wissenschaftler überlegen sich Möglichkeiten, wie man lebende Systeme erzeugen, weiterentwickeln und beobachten kann. Es gibt Versuche, den Verlauf der Evolution zu beeinflussen und für eine Vielfalt lebender Systeme auf der Erde und darüber hinaus zu sorgen. Dieses großartige Experiment könnte nicht nur zu einem tieferen Verständnis des Lebens überhaupt führen, sondern auch Möglichkeiten erschließen, seine Mechanismen zu nutzen, um damit einen Teil unserer Arbeit zu übernehmen. Vielleicht führt dies sogar zur Entdeckung mächtiger Naturgesetze, von denen nicht nur biologische, sondern jede Art von komplexen, nichtlinearen, selbstorganisierenden Systemen reguliert wird.
Was ist Leben? Vielleicht liegt der richtige Weg, um diese Fragen zu beantworten, nicht im Beobachten, sondern im Erschaffen. Der erste Schritt dazu ist der Glaube, dass dies gelingen kann, und es sieht ganz so aus, als ob es tatsächlich möglich ist. Der zweite Schritt muss sein, dies wirklich in die Tat umzusetzen. Obwohl es - mit menschlichen Maßstäben gemessen - möglicherweise viele Jahre dauern wird, könnte das Ergebnis, verglichen mit der Zeitspanne der Evolution, praktisch sofort vorliegen. Für KL-Forscher bestehen große Ähnlichkeiten zwischen Computern und Naturgesetzen, denn Lebewesen sind ihrer Auffassung nach wie auch Computer logische Maschinen. Ihr Ziel ist eine Theorie, die sowohl die natürliche als auch die künstliche Biologie umfassen soll. Sind eindeutig zweckgerichtete, eine Organisationsfunktion erfüllende Elemente wie die Proteine durch einen zufälligen Prozess entstanden oder ist dessen Essenz, das was Leben ausmacht, mystischer Natur und von einer bestimmten Eigenschaft abhängig, die wiederum durch ihre Einzelkomponenten gegeben ist? Oder beruht die Entstehung und Entwicklung von Leben auf logischen Regeln und ist weder etwas Übernatürliches noch etwas Unantastbares? Dann müssten wir in der Lage sein, diese zu entdecken und das Geheimnis "Leben" zu enträtseln und lässt sich durch Nachahmung der entsprechenden physikalischen Eigenschaften (nach)erschaffen. Solange der Geist des Lebens als etwas Übernatürliches und Unantastbares angesehen wurde, galt es, eine unüberwindbare Kluft zwischen lebender und unbelebter Materie anzuerkennen; Leben war nach Ansicht z.B. von Aristoteles vom Besitz einer Seele abhängig, die die Organismen von ihrer unbelebten Umgebung unterschied, wobei die Menschen die höchste Form von Seele hätten, während den Tieren oder sogar den Pflanzen zunehmend rudimentäre Formen zugesprochen wurde. Seiner Ansicht nach galt für alle Organismen, dass Körper nur um der Seele willen existieren.
Wie konnte also jemand etwas Lebendiges erschaffen, ohne im Besitz des »lebensspendenden Odems« zu sein, also des Materials, aus dem Seelen erschaffen werden? Daher sei dem Leben eine göttliche Komponente zu eigen, die den Organismen eingeflößt werde, während sie sich im Ei-Stadium befänden. Doch mit der industriellen Revolution, den Enthüllungen der Newtonschen Physik und den Erkenntnissen der Thermodynamik erweiterte sich die naturwissenschaftliche Sicht und auch die Biologie war nicht länger so furchterregend mystisch. Nun war es möglich, dass, ähnlich der Voraussagen, wo sich die Himmelskörper jeweils zu einem bestimmten Zeitpunkt befinden, die Gesetzmäßigkeiten des Lebens ähnlich voraussagbar waren. Nach dieser neuen Denkweise war Leben ein mechanistischer Prozess, war das Leben lediglich ein Automat, vergleichbar einem Uhrwerk. Doch Kritiker, besonders die "Vitalisten", ließen sich angesichts offensichtlicher Unterschiede zwischen mechanischen Modellen und ihren natürlichen Vorbildern nicht davon überzeugen, dass technisches Material etwas Lebendiges hervorbringen kann. Dieser Begriff leitet sich von der Lebenskraft, der »vis vitalis« ab, von der angenommen wurde, sie sei nur lebenden Organismen zu eigen. Die Vitalisten selbst waren sich über die Natur dieser Lebenskraft uneinig. Einige glaubten, es handle sich um eine chemische Substanz, andere hielten sie für Materie los. Im 19.Jahrhundert waren viele davon überzeugt, dass Elektrizität die gesuchte Substanz sei, denn als Beweis galt ihnen die Möglichkeit, Gliedmaßen von Toten durch Stromstöße zum Zucken zu bringen. Vitalisten bezeichne(te)n diese lebensspendende Kraft übrigens mit dem aristotelischen Ausdruck »Entelechie«; einem »außerräumlichen (und finalistischen) Faktor", der die Entwicklung des Organismus zu seiner endgültigen Gestalt leiten soll.
Selbst heute scheint eine gewisse Art von Vitalismus dennoch unausrottbar zu sein, denn es gibt augenscheinlich eine Tendenz unter Menschen, ihre biologischen Vorrechte in die Hände irgendwelcher überirdischer »Wesen« zu legen. Zum anderen besteht eine besondere Abneigung dagegen, das Privileg, ein Lebewesen zu sein, an etwas künstlich Hergestelltes abzutreten. Diese Abscheu verwandelt sich häufig in profunde Skepsis, ja sogar in Spott, wenn jemand behauptete, Leben könne in einem Labor oder in einem Computer geschaffen werden, wobei als Hauptbestandteile nicht etwa organische Moleküle oder andere chemische Bausteine bekannter Zusammensetzung benutzt werden sollten, sondern etwas grundsätzlich anderes - nämlich Information. Wenn aber Information als Grundlage des Lebens dienen soll, dann ist ein dynamisches System notwendig, das komplex genug ist, um sich zu reproduzieren und so Nachkommen zu erzeugen, die noch komplexer sind als ihre Vorfahren. Das Phänomen "Leben" scheint sich weiterhin über die Prinzipien der Entropie lustig zu machen, denn nach dem zweiten Hauptsatz der Thermodynamik nimmt in jedem isolierten System die (geordnete) Energie im Laufe der Zeit ab und wird schließlich wirkungslos, wobei der Grad der Unordnung in diesem System zunimmt. Leben verhält sich allerdings so, als kümmere es sich nicht um diesen Zweiten Hauptsatz, sondern sorgt vielmehr dafür, dass die Ordnung im Laufe der Zeit zunimmt. Von seinen zweifellos einfachen Anfängen weist die uns bekannte Geschichte des Lebens eine stetig ansteigende Kurve von zunehmender, wohlgeordneter Komplexität auf. (Allerdings ist dieser Widerspruch nur scheinbar, denn die Erde ist - zum Glück - kein isoliertes System. Über das ganze Universum gesehen, nehmen die Energie und Ordnung durchaus ab. Nur aus unserer begrenzten Perspektive sehen wir nur einen Teil des Ganzen. Aus einem viel größeren, kosmischen Blickwinkel betrachtet, befinden sich die organisatorischen Aspekte des Lebens durchaus exakt in Einklang mit dem zweiten Hauptsatz, genaugenommen unterstützen sie sogar dessen Umsetzung!)
Statt eines Lebenselements, das Leben verursacht, sind lebende "Dinge" selbst dazu fähig, im Laufe der Zeit zunehmend komplexer zu werden und Bereiche des Kosmos zu ordnen. Mit der Erschaffung künstlichen Lebens, künstlicher Organismen, die das Hintertürchen im zweiten Hauptsatz der Thermodynamik ausnutzen zu können, lassen sich auch unsere eigenen Kräfte exponentiell steigern. Doch wenn künstliche Organismen ihre eigenen Grenzen ausloten, könnte es bedeuten, dass unsere Kreationen zu unseren Konkurrenten werden können, sie sich sogar zu Arten entwickeln, die es mit der Menschheit aufnehmen könnten. Ein Problem wäre die Populationskontrolle; unbegrenztes Wachstum künstlich lebender Fabriken ließe sich eventuell mit einer eingebauten Anti-Baby-Pille verhindern, die nach einer bestimmten Anzahl reproduktiver Zyklen wirksam wird. Falls sich dezentralisierte Fabriken dennoch unaufhaltsame vervielfältigen wären Fressfeinde eine andere Lösung; entweder »artspezifische« Fressfeindmaschinen oder auch »universelle Raubtiere«, um explodierende Populationen auszudünnen. Dann gibt es noch das Abschaltproblem; denn im Gegensatz zu unseren heutigen Maschinen und Computern sind selbstreproduzierende Maschinen dermaßen unabhängig (und müssen es auch sein), dass man sie nicht einfach abschalten oder den Stecker rausziehen kann, wenn sie einmal über ein bestimmtes Entwicklungsstadium hinausgelangt sind. (Dann sind sie nämlich zu clever und möglicherweise auch misstrauisch.) Außerdem würde die Evolution unvermeidlich ein Verhalten unterstützen, das den Maschinen und nicht ihren Erbauern Vorteile verschaffte. Selbst wenn man einen Abschaltmechanismus in die genetischen Instruktionen der Maschine einbauen würde, der auf ein Signal von der Erde reagierte, hätten diejenigen Maschinen, die durch Mutation den Abschaltmechanismus außer Kraft gesetzt hätten, einen deutlichen evolutionären Vorteil gegenüber ihren Vettern, und bald darauf wären diese Eigenschaften im Genpool vorherrschend. Außerdem wäre ein gewisser Grad evolutionärer Anpassungsfähigkeit der selbstreplizierenden Systeme zu berücksichtigen, da sich nicht alle Veränderungsmöglichkeiten des Systems voraussehen lassen. Deshalb müsste man die Maschinen sowohl mit Zielvorstellungen als auch mit Regulationsfähigkeiten (Homöostasis) ausstatten, um die sie in die Lage zu versetzen, ihre eigenen Schwierigkeiten zu lösen und sich selbst wieder in einen angemessenen Funktionszustand zu bringen, und zwar mit nur geringer oder ganz ohne menschliche Hilfe. Das könnte erreicht werden indem die Maschinen entweder lernfähig sind oder, über einen längeren Zeitraum gesehen, zu größerer Überlebensfähigkeit mutieren. Diese 2. Möglichkeit könnte sich als die bessere herausstellen, falls die Evolution bedeutsamer beim Sozialverhalten wäre als der Einfluss der Umwelt. Dann könnten verwandtschaftliche Beziehungen zwischen evolvierenden Maschinen und sogar die Ausbildung von Mimikry und anderen Naturphänomenen entstehen.
Könnte eine selbstreproduzierende, sich entwickelnde Maschine eine Vorstellung von ihrem Schöpfer, also von Gott haben? Oder würden sie Menschen nur als evolutionäre Vorläufer ansehen? KL-Maschinen werden nichts Geringeres als unsere gleichgestellten Partner sein, die symbiotisch mit uns verbunden sind und sich neben uns durch alle Ewigkeiten fortentwickeln. Wir Menschen dagegen könnten vergleichsweise entweder eine bloße biologische Zwischenstation oder sogar eine Sackgasse der Evolution sein. Falls wir - aus welchem Grund und durch welches Ereignis auch immer - aussterben werden, könnte nur durch selbstreplizierenden Systeme dieser ins Nichts führende Weg vermieden werden, da sie in einem sehr realen intellektuellen und materiellen Sinn unsere Nachkommen sein werden. Vielleicht macht diese Silicium-und-Stahl-Brut uns Menschen und andere natürlich entstandene Lebewesen überflüssig, vielleicht wird es auch zu einer dauerhafter Koexistenz kommen, bei der die Menschheit Unsterblichkeit für sich selbst erlangen könnte, wenn wir bereit wären, dafür den Preis einer Eingliederung in ein höheres System zu zahlen, indem wir Technologie in uns integrieren - mittels Prothesen, Implantate, Bewusstseinstransfer usw. Basieren alle Lebensvorgänge auf Logik, dann ließe sich auch die Evolution mathematisch analysieren. Sie lässt sich mit den statistischen Gesetzmäßigkeiten vergleichen, durch die die Bewegung von Molekülen in Gasen bestimmt wird. Was ist Bewusstsein? Da es denkende Maschinen bereits gibt - nämlich Menschen - ist es nach Ansicht vieler KI-Forscher nur eine Frage der Zeit, bis man im Labor irgendeine Form von künstlichem Bewusstsein schaffen kann. Selbst neuronale Netze wie das menschliche Gehirn erzeugen Bewusstsein. Bewusstsein ist ein emergentes Phänomen, das sich von selbst ergibt, wenn ein System komplex genug ist. Allerdings hat die Emergenztheorie stark tautologische Züge, denn wer sagt, Bewusstsein entspringe aus Komplexität, sieht die Sache von vornherein als erwiesen an. Leider ist die Emergenztheorie des Bewusstseins ist eher ein Glaubensbekenntnis statt eine Erfolgsstrategie, da sie alles und nichts besagt - sie ist ein so übergreifendes, gewaltiges Gedankengebäude, dass sie als Richtlinie für neue Forschungsgebiete und Ideen kaum etwas taugt.
Vielleicht ist die Frage nach dem Bewusstsein bereits beantwortet; vielleicht lässt sich das Denken mit den Regeln gleichsetzen, die Computerprogrammierer ihren Rechnern eingeben - dann wäre das menschliche Denken nur Heuristik, nur ein erkenntnistheoretisches und methodisches Verfahren zur Gewinnung neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse und zur Problemlösung. Bewusstsein könnte auch aus den Wechselwirkungen vieler kleiner Einzelteile entstehen, die selbst jeweils geistlos sind. Dann gäbe es keinen »Sitz des Bewusstseins«, keinen »kleinen Mann« im Gehirn, in dem alle bewussten Tätigkeiten ablaufen, sondern würde sich schlicht und einfach aus dem komplexen Wechselspiel vieler nichtbewusster Systeme ergeben. Der Ort, an dem "Seele" oder "Bewusstsein" angesiedelt sind, scheint bloße Illusion zu sein; Bewusstsein könnte sogar, statt etwas Zusammenhängendes zu sein, eine bloße Aufeinanderfolge von Gedanken sein, die, von einzelnen Teilen des Gehirns erzeugt, um die Aufmerksamkeit des Gehirns konkurrieren und von denen einer diesen Wettbewerb gewinnt.
Die Erzeugung Künstlichen Lebens wird unser Wissen über lebende Prozesse vergrößern und unser Verständnis der komplexen Kräfte der Natur verbessern , so dass wir, wenn wir diese Kräfte beherrschen, dazu fähig sind, künstliche Organsimen zu bauen, die so lebendig sind wie die uns bekannten Lebensformen. Indem wir Information entsprechend manipulieren, lässt sich "die Natur" tatsächlich simulieren. Reduktionismus - der traditionelle Ansatz der Physik - ist bei der Formulierung eines physikalischen Gesetzes, das beschreibt, wie sich die Welt selbst organisiert und das darüber hinaus auch die Geheimnisse des Lebens selbst enthüllt, nicht anwendbar. Stattdessen wird eine Synthese aus Physik und Biologie, aus Chaos- und Komplexitätstheorie benötigt, um beantworten zu können:
1. Welche grundlegenden Prinzipien, liegen der Evolution biologischer Organismen zugrunde?
2. Welche bestimmen die Funktionen das Gehirns?
3. Wie können Maschinen lernen, Probleme zu lösen, ohne dass sie entsprechend programmiert werden müssen, d.h., wie können wir ihnen das Denken beibringen?
Es ist ziemlich unwahrscheinlich, dass den ersten selbstreproduzierenden Molekülen, von denen ja vermutlich alle Lebewesen abstammen, universale Konstruktionen zugrunde lagen, wobei allerdings auch kein Grund besteht, sie aus der Gruppe echter selbst reproduzierender Systeme auszuschließen. Künstliche neuronale Netzwerke legen nahe, dass lebende Organismen einen eingebauten Computer haben, dessen Berechnungen ihr Verhalten bestimmen. Daher lässt sich spekulieren, dass eine sogenannte "universelle Maschine" jedes andere berechenbare System nachahmen und ein universeller Computer tatsächlich die geistigen Funktionen eines jeden Lebewesens darstellen könnte. Natürlich würde ein sehr langes Band benötigt werden, um die Handlungen eines menschlichen Wesens, aber auch die einer einfacheren biologischen Kreatur, beispielsweise eines Käfers, einer Eiche oder eines Bakteriums, zu kopieren, aber es wäre möglich. Die logische Basis scheint also unangreifbar. Man muss die eigentliche Maschine auch gar nicht erst bauen, um die Botschaft zu verstehen. Sie lautet: Leben ist in eine bestimmte Klasse von Automaten einzuordnen. Auch wenn lebende Dinge weich und matschig sind, ist ihre Basis digital; anstelle der Computerbits gibt es einen 4teiligen Code (die vier chemischen Basen, aus denen die DNS besteht und deren Reihenfolge den genetischen Code ausmacht). Und der Prozess, der diesen Code entschlüsselt, entspricht einer Art Programm, welches einen digitalen Rechner steuert, dessen Signale chemischer Natur sind. Die Erkenntnis, dass es sich bei dem Phänomen "Leben" um einen digitalen Informationsprozess handelt und das es in seiner Gesamtheit simuliert werden kann, ist überwältigend. Um es anders auszudrücken - die Natur hat nichts gemacht, was ein Computer nicht auch könnte. Was ein Computer also nicht kann, kann auch die Natur nicht.