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Frühstück am Eiffelturm

Impressum

Vorwort der Autorin

Merci beaucoup, für die herrliche Zeit in der Provence

Prolog

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Epilog

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Sylvie C. Ange

Frühstück am Eiffelturm

Little Vintage Romances

Impressum

Bibliografische Information durch die Deutsche Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://www.d-nb.de abrufbar.

Print-ISBN: 978-3-96752-165-8

E-Book-ISBN: 978-3-96752-665-3

Copyright (2020) XOXO Verlag

Umschlaggestaltung und Buchsatz: Grit Richter, XOXO Verlag

unter Verwendung folgender Bilder

Shutterstock-Nummer: 123500383 von PROKOPEVA IRINA

Shutterstock-Nummer: 98803709 von John T Takai

Hergestellt in Bremen, Germany (EU)

XOXO Verlag

ein IMPRINT der EISERMANN MEDIA GMBH

Gröpelinger Heerstr. 149

28237 Bremen

Vorwort der Autorin

Liebe Leserinnen und Leser,

meine Inspiration Vintage Romances zu schreiben, liegt in der Vergangenheit, in einer glücklichen Zeit, die voll Liebe und Magie war. Im Garten meiner Fee Emily tanzten geheimnisvolle Lichter, der Wind flüsterte im Windspiel, die aufgehende Sonne zauberte Kunstwerke an die Wand und die Veilchen dufteten betörend.

Deshalb ist diese Vintage Romance meiner Fee Emily gewidmet und all jenen, die noch an die Magie der Liebe glauben. Ich freue mich mit Ihnen, wenn Sie die Möglichkeit haben, für eine Weile in eine andere Welt mit Herz, Seele und Gefühl einzutauchen. Magische Lesestunden wünscht Ihnen herzlichst

Sylvie C. Ange

Merci beaucoup, für die herrliche Zeit in der Provence

o

I want to thank a dear friend for her wonderful and inspiring words.

She has a magical soul and an open heart. Thank you so much, Dear Candy.

Here are a few excerpts of her wonderful words for me:

… You are so generous and open hearted ...

… Bless you dear harmonious soul and Earth Angel …

… DE-licious, DE-lightful, DE-lovely …

You see the light in all of us! Keep Well …

Thank you for brightening my day, Dear Heart …

All the best.

o

Vielen Dank an alle Follower und Freunde aus den

sozialen Netzwerken, die meinen Blog,

in dem es nicht nur um das Lesen geht, besuchen

und immer schätzende Worte für meine Werke haben.

Many thanks to all followers and friends of

social networks that visit my blog

and always have appreciative words for my works.

Prolog

Sind Sie sicher, dass dieses Testament echt ist?« Kate starrte den Anwalt irritiert an.

»Ganz sicher, Miss Hamilton. Ich bin … war Lady Summerfields Anwalt. Sie kam vor einem Jahr zu mir und teilte mir mit, dass sie aufgrund ihrer unheilbaren Krankheit, dieses Testament aufsetzen lassen möchte. Sie hat wohl ganz genau gewusst, dass sie nur mehr ein paar Monate zu leben hatte. Wussten Sie über ihre Krankheit nicht Bescheid?«

Nein, wusste ich nicht, woher auch. »Nein, wir hatten keinen Kontakt«, antwortete Kate.

Der Anwalt beugte sich über den wuchtigen schwarzen Schreibtisch und hielt ihr eine Seite aus seinen Akten entgegen. Deutlich erkannte Kate die Unterschrift, die ganz und gar Victoria Summerfields Skurrilität widerspiegelte. Ein übernatürlich verschnörkeltes V vor den restlichen außergewöhnlich geformten Buchstaben zeigte, dass der Schreiber ziemlich kapriziös sein musste. Kate erinnerte sich an die Postkarten, die ihre Mutter in einem hübsch verzierten weißen Holzkästchen aufbewahrte. Manchmal hatte sie die Karten hervorgeholt und mit sehnsüchtig klingender Stimme und verträumten Blick erklärt, in welchem Teil der Erde sich Tante Victoria gerade aufhielt.

»Sieht tatsächlich wie die Unterschrift meiner Tante aus. Was geschieht jetzt weiter?« Sie konnte es nicht fassen, was sollte sie tun? Der Anwalt nahm seine randlose Brille ab, legte den Bügel an seine Lippen und setzte sie wieder auf. Er wirkte ebenso ratlos wie amüsiert.

»Ganz einfach, finden Sie das Bild.«

»Ich halte dies für keine gute Idee. Das Ganze ist einfach … einfach absurd. Meine Tante war durch und durch exzentrisch. Sie kannte fast die ganze Welt und war in der High Society zu Hause. Aber ich bin nicht wie meine Tante, und den Mitgliedern der High Society, mit denen sie verkehrte, konnte ich noch nie etwas abgewinnen.« Sie presste ihren Mund so fest zusammen, dass ihre vollen Lippen nur mehr einem Strich gleichen mussten. Jetzt klinge ich wie mein Vater, dachte sie ärgerlich. Graham Winston Hamilton – ein liebevoller, verantwortungsvoller Vater und Ehemann, aber ein dickköpfiger, traditionsbewusster zur Pedanterie neigender Gelehrter – hatte für das ziemlich ausschweifende High-Society-Leben seiner hemmungslosen Schwägerin nicht viel übrig gehabt. Deshalb hatte er, zum Leidwesen ihrer Mutter, jede Konversation mit ihr abgelehnt. Er wollte, dass ihr Name nicht mit seiner Familie in Verbindung gebracht wurde. Demonstrativ vergrub er sich in seinem Arbeitszimmer, wenn Victoria Summerfield ihre Schwester Ann unvorhergesehen besuchte. Aber das war ohnehin selten der Fall. Ihm war es immer wichtig gewesen, dass der Name Hamilton nicht in den Schmutz gezogen wurde. Ihr Vater hatte strikte Anweisungen gegeben, niemals zu erwähnen, dass Victoria Summerfield eine Verwandte war. Kate hatte diese Anweisung immer befolgt.

»Kann ich diesen Teil des Testaments ablehnen?« Kate neigte den Kopf, sodass einige kastanienrote Locken in ihr Gesicht fielen. Mit einer schnellen Handbewegung strich sie die Strähnen wieder zur Seite. Ihr Gegenüber lehnte sich zurück und schaute sie überrascht an. Offensichtlich hatte er nicht mit einer derartigen Reaktion gerechnet.

»Etwas abzulehnen würde ich Ihnen nicht empfehlen. Sie erhalten das Vermögen nur, wenn Sie sich auf dieses Spiel einlassen. Und vergessen Sie nicht, es handelt sich um eine sehr beachtliche Summe. Außerdem sehe ich keine Möglichkeit, die Klausel zu umgehen.«

»Das ist doch unglaublich. Von welchem Spiel sprechen Sie?« Kate runzelte die Stirn.

Er nahm wieder einige Papiere zur Hand. »Ich zitiere Lady Summerfield: Das Spiel wird ein wenig Bunt in dein Leben bringen und dir das geben, was meiner Schwester Ann vorenthalten blieb. Tanze Kate, hol die die Farben vom Himmel.«

Kate lachte, doch ihr Lachen klang eher gezwungen als heiter. Tante Victoria hatte nie verstanden, dass ihre Schwester an der Seite eines verstaubten Professors – wie sie es einmal amüsiert genannt hatte – ein ruhiges beschauliches Leben in Cornwall führte. Kate überlegte. Sie selbst könnte allerdings ein wenig Bunt in ihrem Leben gebrauchen. Seit dem Tod ihres Vaters, vor acht Monaten, gab es nur wenige aufmunternde Begebenheiten. Schon gar nicht durfte sie an den schmerzlichen Abschied von Cornwall und ihrem Elternhaus denken, das sie verloren hatte.

»Sie war verrückt, einfach verrückt. Wer sonst kommt auf die Idee ein Gemälde auf einem fremden Anwesen zu verstecken, um eine Erbschaft abenteuerlich zu gestalten. Wie hat sie das überhaupt geschafft?«

»Darüber weiß ich leider nicht Bescheid. Es handelt sich um ein wertvolles Miniaturgemälde, circa sechs Mal sechs Zentimeter. Ein Objekt dieser Größe ist leicht zu handhaben. Lady Summerfields Klausel besagt weiter, dass Sie während der Suche weder das Testament noch ihren Namen erwähnen dürfen. Wenn Sie es annehmen, dann müssen Sie dies mit allen Konsequenzen. Das ist die Bedingung.«

»Meine Tante scheint einen perfekten und äußerst bizarren Plan ausgearbeitet zu haben. Also gut. Eines stellt allerdings ein Problem dar: Wie soll ich als ganz normale Kate Hamilton in das Château gelangen. Muss ich mich als Küchenmädchen bewerben und in finsteren Nächten heimlich nach einem winzigen Gemälde suchen, oder wie soll das funktionieren?«

»Der Zufall will es, dass André Bergerac zurzeit jemanden sucht, der die gesamte Gemäldesammlung restauriert. In unserem Telefongespräch teilten Sie mir mit, dass Sie Restauratorin sind. Perfekter kann es nicht sein.«

Kates glockenhelles Lachen erfüllte die Kanzlei. »Aber es findet sicher ein Bewerbungsgespräch statt. Und was geschieht, wenn man sich nicht für mich entscheidet?« Sie hob die Hand. »Nein, sagen Sie nichts. Sie können zufällig alles so arrangieren, sodass ich genommen werde, oder irre ich mich?«

»So ist es, ich habe einige gute Kontakte. André Bergeracs Sekretärin ist sehr nett und kooperativ. Ich habe alles für Sie vorbereitet. Keine Angst Miss Hamilton, Sie werden den Job bekommen. Mehr möchte ich dazu nicht sagen. Also … wie lautet Ihre Entscheidung?«

»Das Ganze ist absurd, seltsam und paradox, aber ich bin neugierig und werde den Wunsch meiner Tante erfüllen. Ich werde dieses Spiel spielen und nach Frankreich reisen, denn ich würde lügen, wenn ich sage, dass ich auf diese Erbschaft verzichten könnte.« Dem Anwalt brauchte sie nichts zu verheimlichen, er wusste sicherlich Bescheid. Außerdem war sie wahrheitsliebend. Ihr Vater hatte seine Prinzipien gehabt, Lügen hatte er verabscheut.

Der ältere Mann vor ihr nickte wissend, und sein mitleidiger Blick bestätigte Kate, dass sie mit ihren Gedanken recht hatte.

»Ich wollte schon immer wissen wie es ist in einem Château zu wohnen, das auf einem inselähnlichen Grundstück von 400 000 m² liegt. Wo muss ich genau hinfahren?«

»Hier ist der Plan für die Anreise. Das Château liegt in einem Tal, versteckt und abseits, umgeben von herrlichen Wäldern, Weingärten und Olivenplantagen, die im Besitz der Bergeracs sind. Von Paris aus kommt man mit dem Zug in etwa einer Stunde an die nächstgelegene Stadt namens Beaulieules-Loches. Eine sehr interessante und reizvolle kleine Stadt. Bleibt nur zu hoffen, dass Sie eine Menge zu restaurieren haben, denn je länger Ihre Arbeit dauert, desto länger haben Sie Zeit, um das Gemälde zu finden.« Er sah sie vielsagend an und reichte ihr einen Umschlag. »Ich übergebe Ihnen die Daten, die mir Lady Summerfield für Sie gegeben hat. Ein Foto des Bildes und einen Plan des Châteaus. Sobald Sie das Objekt gefunden haben, melden Sie sich, damit geprüft werden kann, ob es sich tatsächlich um besagtes Bild handelt. Danach steht Ihrer Erbschaft nichts mehr im Wege. Und vergessen Sie die Bedingungen nicht.«

Kate nahm die Papiere entgegen. »Ich werde die Bedingung einhalten.« Mein Vater würde sich im Grabe umdrehen, wenn ich Tante Victoria mit den Hamiltons in Zusammenhang bringe, geschweige denn etwas von diesem absurden Testament erwähne. »Wenn ich ein Versprechen gebe, dann halte ich es auch. Keine Ahnung, was sich meine Tante dabei gedacht hat. Also dann. Wenn ich mich nicht melde, dann bin ich vermutlich wegen Diebstahl im Verlies des Châteaus eingekerkert, denn wer soll mir Glauben schenken, falls ich dabei erwischt werde, wenn ich Zimmer und Schränke durchsuche?«

Ich brauche das Geld und werde mich an diese Klausel halten, auch wenn ich dafür über glühende Kohlen gehen muss.

1

Die letzten Sonnenstrahlen fielen auf das überdimensionale schmiedeeiserne Tor, ließen es für einen Moment geheimnisvoll aufleuchten, als es sich wie von Geisterhand öffnete. Kate betrachtete das Wappen über dem Tor. Das riesige B auf blauweißem Hintergrund, der mit goldenen Ranken durchzogen war, wirkte edel und beeindruckend.

Langsam fuhr sie die Zufahrtsstraße entlang. Die strahlend weißen Kieselsteine knirschten unter den Rädern des Autos. Sorgfältig geschnittene Buchsbäume und die dahinter liegenden Zypressen bildeten eine außergewöhnliche Allee. Das unverkennbare Aroma des Buchses und ein Duft-Potpourri verschiedenster Pflanzen, deren leuchtende Farben sie von der Ferne sah, wehten zum Autofenster herein. Es war, als ob sich eine völlig andere Welt vor ihr auftat, als ob sie von einer zauberhaften Aura eingehüllt wurde. Kate fühlte sich auf seltsame Weise zutiefst berührt und magisch angezogen. Schon als sie durch die kleine Stadt Beaulieules-Loches gefahren war, hatte sie diesen Zauber gespürt. Die Umgebung war Seelen bewegend, fand Kate.

Die alten Häuser, in denen es schien, als ob dort Geister der Vergangenheit weilten und das Renaissance-Rathaus beeindruckten sie besonders. Sie liebte Städte mit faszinierender Geschichte und Beaulieules-Loches konnte eine packende Vergangenheit vorweisen, denn im Mittelalter war die kleine Stadt eine große Befestigungsanlage und empfing 1429 Jeanne d'Arc.

Kate lenkte den Mietwagen durch die Allee, sog den betörenden Duft ein und bewunderte das Geschick desjenigen, der hier für die Gartengestaltung verantwortlich war. Endlich tauchte das Château vor ihr auf. Sie bremste abrupt und starrte auf das beeindruckende weiße Bauwerk.

Türme und Erker ließen es wie ein Schloss aus dem Märchenbuch aussehen. Unzählige wirkungsvolle Elemente spiegelten die Pracht der Renaissance wider. Kate hatte den Plan vom Innern des Châteaus, den ihr der Anwalt ausgehändigt hatte, studiert. Dass zwanzig Räume, zehn Schlafzimmer mit Bad, Salon, Speisezimmer, Ballsaal, Galerie, Jagdzimmer, Bibliothek, Küche, Vorratskammern, Büro, unzählige Gänge und sonstige Nebenräume nicht in einer kleinen Villa Platz hatten, war ihr klar gewesen, aber mit diesem Prachtschloss hatte sie nicht gerechnet. Sollte sie wieder umkehren? Ihr Vorhaben kam ihr jetzt schrecklich unsinnig vor. Aber warum stellte sie sich diese Frage überhaupt? Nur so hatte sie die Chance ein großes Vermögen zu erben, das sie so dringend benötigte. Wehmütig stiegen Erinnerungen in ihr hoch. Nie würde sie die gebrochene Stimme ihres Vaters vergessen, als er ihr mitteilte, dass er bankrott und das kleine Anwesen in Cornwall nicht mehr im Besitz der Familie war. Seit dem Tod ihrer Mutter, die ein Jahr vor ihrem Vater starb, war er nicht mehr derselbe stattliche, fürsorgliche, aber auch strenge, zur Perfektion neigende Mann gewesen, den Kate gekannt hatte. Er hatte sich zurückgezogen, war unkonzentriert und vermutlich hatte man seinen Zustand ausgenutzt. Kate fand keine andere Erklärung für den geschäftlichen Misserfolg, über den ihr Vater beharrlich geschwiegen hatte. Sie wusste nur, dass ihr Elternhaus in den Besitz eines vermögenden Mannes der sogenannten Gesellschaft übergegangen war. Ihr Vater wollte nicht mehr darüber sprechen, und Kate musste mit ansehen, wie er litt. Sie atmete tief durch. Nein, umkehren würde sie auf keinen Fall. Sie würde alles dafür tun ihr Elternhaus zurückzuerobern. Das war sie ihrem Vater schuldig.

Die Fahrt war mehr als strapaziös gewesen. Sie hatte sich verfahren und damit abgefunden, dass sie viel später eintreffen würde, als angegeben. Dann war aus undefinierbaren Gründen ein Reifen des Mietwagens geplatzt, irgendwo auf einer einsamen Straße zwischen Beaulieules-Loches und dem Château. Zum Glück hatte ein Motorradfahrer angehalten, um ihr zu helfen. Aus einer Laune heraus hatte sie zuvor selbst versucht, den Reifen zu wechseln. Das Ergebnis war eine riesige Laufmasche und das Kostüm aus hellem Leinenstoff sah aus, als ob sie in einem Kohlenkeller hantiert hatte. Kate seufzte, als sie kurz auf die riesigen schwarzen Fleck, die nun ihren Rock verunstalteten, sah.

Sie musste sich unbedingt schnell umziehen. Aber wo? In dem kleinen Auto war das einfach unmöglich. So konnte sie sich nicht sehen lassen. In diesem beeindruckenden Schloss zeigte sicher keiner Verständnis für ihren Aufzug, und sie hatte keine Lust darauf, dass sie von oben bis unten gemustert wurde. Womöglich noch von André Bergerac persönlich. Aber sicher würde er dies nicht selbst tun. Wahrscheinlich hat er einen Obermusterer, dachte Kate verächtlich.

Sie sah sich um. Etwas abseits des Châteaus standen in einer Reihe große Tontöpfe, aus denen dicht verzweigte weiße Oleander wuchsen. Kate parkte neben der dunkelblauen Limousine, die vor den üppigen Pflanzen stand und stieg aus.

Kein Mensch weit und breit. Der leichte Abendwind strich durch die Blätter der hohen Bäume, sonst war es still. Wo sollte sie sich bloß unauffällig umziehen? Kate ließ ihren Blick schweifen, und blieb an einem der großen Tontöpfe hängen. Nein, unmöglich, aber die Korkeiche, die einen äußerst ungewöhnlichen Kontrast zu den übrigen Pflanzen und Zypressen bot, war der richtige Platz dafür. Außerdem würde sie die Dämmerung, die nun einsetzte, schützen. Sie holte Jeans und eine Bluse aus ihrem Koffer. Zu dumm, das Kostüm wäre viel geeigneter gewesen, aber nun musste sie wohl doch in Kauf nehmen, dass man sie missbilligend messen würde, wenn sie unpassend gekleidet war. Egal, zumindest würde sie adrett aussehen, und wenn den Herrschaften etwas nicht passen sollte, würde sie auf dem Absatz kehrt machen. Würde sie das tatsächlich tun, angesichts ihrer Lage?

Ein neuerlicher Seufzer kam über ihre Lippen. Dann verschwand sie hinter dem dicken Stamm des Baumes. Sie musste lachen bei dem Gedanken, dass jemand beobachten könnte, was sie tat. Sicherlich sah es seltsam aus, wenn Kleidung und Strümpfe hinter einem Baum hervor fielen. Sie schlüpfte in die Jeans und zog die Bluse an. Na also, geht doch. Sie pustete, wie meist, ihre widerspenstigen Locken aus dem Gesicht. Während sie den Gürtel schloss, kam sie hinter dem Baum hervor.

»Ziehen Sie sich immer in freier Natur um, Mademoiselle?«

Kate zuckte zusammen. Verflixt. Erwischt. Wie peinlich. Die große, beeindruckende Gestalt stand so, dass ihr Gesicht im Schatten lag, und Kate nicht sah, wem diese faszinierende Stimme gehörte. Die Gestalt hielt ihr Kostüm und Strümpfe entgegen. Hastig nahm sie die Kleidung an sich. »Nein … ich … nun, ich hatte auf dem Weg hierher eine Reifenpanne.« Warum stotterte sie denn so? »Ich habe einen Vorstellungstermin«, sie zeigte auf das Château, »daher habe ich mich umgezogen. Mein Kostüm hat leider unansehnliche Flecken abbekommen und ich vermute, dass schmutzige Kleidung für diese hochnä… für herrschaftliche Augen sicher ein Fauxpas wäre.« Was war denn los mit ihr? Weswegen erzählte sie einem Wildfremden was sie tun musste? Hoffentlich hielt er sie nicht für sonderbar. Aber war es nicht egal, ob ein Fremder sie für sonderbar hielt oder nicht? Kate atmete tief ein.

Die Gestalt trat aus dem Schatten hervor. Das Licht der Laternen umspielte kantige männliche Züge und eine gerade lange Nase. Die Ärmel des weißen Hemdes waren hochgekrempelt, zeigten kräftige Unterarme und gepflegte Hände. Unwillkürlich dachte Kate daran, wie es wäre, von diesen schlanken Fingern berührt zu werden. War sie übergeschnappt? Sie sah den Mann gerade mal ein paar Sekunden. Trotz ihrer Selbstrüge riskierte sie einen Blick auf die langen Beine, die in schwarzen Jeans steckten.

»Meinen Sie?« Der Fremde verschränkte seine Arme und drehte sich weiter zum Licht. Er zog den rechten Mundwinkel ironisch lächelnd in die Höhe. Diese Lippen wirken sinnlich, sensibel und versprechen heißes Vergnügen, kam es Kate in den Sinn. Gleichzeitig fand sie es einen Segen, dass Gedanken nicht hörbar waren. Das Laternenlicht spiegelte sich in den dunklen Augen des Mannes und ließen sie, wie bei einer Raubkatze im Dunkeln, aufblitzen. Die eher tief liegenden Augenbrauen gaben ihm etwas Geheimnisvolles und Rätselhaftes. Kate räusperte sich. Wenn sie ihn weiter so anstarrte, musste er vermuten, dass sie nie interessante Männer zu Gesicht bekam. Eigentlich stimmte das sogar, denn in letzter Zeit hatte sie sich, wegen ihrer finanziellen Lage, sehr zurückgezogen.

»Ja, das meine ich.« Sie bemerkte, dass er sie musterte. Warum lächelte er nun so spöttisch, dachte sie stirnrunzelnd.

»Meine Erfahrungen sagen, dass die Herrschaften nicht immer so penibel sind. Sie zeigen sogar Verständnis.« Er kam noch etwas näher und blickte ihr in die Augen. Seine ganze Miene wirkte amüsiert.

»Kennen Sie die Bergeracs?«

»Sehr gut.«

»Ist die Familie sehr exaltiert?«

»Die Familie ist so wenig überspannt, wie Sie und ich.«

»Dann kann ich André Bergerac beruhigt mit Jeans gegenübertreten, oder?«

»Dagegen hat er bestimmt nichts, das versichere ich Ihnen.« Er trat wieder einen Schritt zurück. Sein Blick glitt prüfend über ihre Figur. »Allerdings …«

»Allerdings was …«, entfuhr es Kate.

»Allerdings sollten Sie Ihre Bluse zuknöpfen, obwohl ich zugeben muss, dass sie offen sehr reizvolle Einblicke gewährt.«

Kate sah an sich hinunter und hoffte, dass das spärliche Licht die flammende Röte, die ihre Wangen nun haben mussten, dämpfte. Sie ärgerte sich, dass sie hautfarbene Unterwäsche angezogen hatte, die so gut wie nichts verbarg. Schnell knöpfte sie die Bluse zu. »Das kommt davon, weil Sie mich erschreckt haben. Trotzdem danke für den Tipp.«

»Habe ich Sie tatsächlich erschreckt? Sehe ich so zum Fürchten aus.«

Sie knöpfte den letzten Knopf zu. »Nein, das tun Sie nicht.« Er war sich sicher bewusst, wie er auf Frauen wirkte. »Ich muss jetzt gehen. André Bergerac ist sicher schon sehr verärgert, weil ich den vereinbarten Termin nicht zeitgerecht einhalte.«

»Dann muss ich auch gehen, aber vorher … gestatten Sie?« Er kam näher und streckte seine Hände aus. Kate wich ein wenig zurück und bemerkte gleichzeitig, dass sie zu ihm aufblicken musste, obwohl sie mit 173 cm nicht zu den kleinen zierlichen Frauen zählte, die sie als Teenager hin und wieder beneidet hatte.

»Keine Angst, ich tue Ihnen nichts, aber Sie müssen ganz sicher nicht vor André Bergerac wie eine Nonne erscheinen.« Mit diesen Worten öffnete er die zwei obersten Knöpfe ihrer Bluse, grinste, dann drehte er sich um und ging davon.

Kate sah ihm nach und merkte, dass sie etwas aus dem Gleichgewicht war. Wer war dieser Mann, der selbst den Gang einer geschmeidigen Raubkatze hatte und dessen Fingerspitzen brennende Spuren an ihrer Haut zurückließen? Vermutlich war er ein Angestellter der Bergeracs. Ein Lächeln huschte über ihre Lippen. Wenn er ein Angestellter war, dann würde sie wenigstens in den Genuss kommen, ihn wiederzusehen. Aber sie war nicht hier, um Angestellte des Châteaus zu bewundern. Sie sollte sich lieber auf ihren Part konzentrieren.

Die Halle war beeindruckend riesig. Ihr Apartment würde bestimmt mehrmals darin Platz finden. Der Marmorboden zeigte Mosaik-Motive Alter Meister, weiße Blumensäulen und antike Stühle waren an den richtigen Stellen platziert. Perfektion über alle Maßen. Kate ging auf und ab. André Bergerac, sofern er sie jetzt noch selbst empfing, ließ sie sicher absichtlich warten.

Endlich kam die Frau mit der altmodischen Bedienstetenuniform, die sie an der Tür empfangen und sie höflich zum Warten aufgefordert hatte, wieder zurück.

»Bitte kommen Sie mit, Mademoiselle.«

Sie wurde durch mehrere Gänge, die ebenso eindrucksvoll, wie das Entree waren, geführt.

Vor einer Holztür, deren Intarsien sicherlich jedes Künstlerherz höher schlagen ließen, blieb sie schließlich stehen.

»Bitte treten Sie ein. Monsieur Bergerac erwartet Sie bereits«, sagte sie kurz und verschwand. War dies bemerkenswert oder auffällig, dass die Bedienstete die einfache Anrede Monsieur Bergerac verwenden durfte? Kate starrte auf die Tür. Sollte sie klopfen, oder gleich hineingehen? Jetzt stell dich nicht so an, Kate, du bist doch sonst nicht so überängstlich, rügte sie sich. Sie klopfte einmal, öffnete gleich darauf die Tür und blieb stehen.

»Bonjour, Mademoiselle. Wir hatten bereits das Vergnügen.«

Der Mann am Kamin kam ihr mit strahlendem Lächeln entgegen und reichte ihr die Hand. Kate schoss erneut das Blut in die Wangen. Was für eine Blamage. Das war Comte André Bergerac. »Ich … ich wusste vorhin natürlich nicht … es tut mir sehr Leid … ich meine …« Verflixt, konnte sie keine klaren Worte mehr hervorbringen? Als ob sie sich nicht schon genug blamiert hatte. »Ich freue mich, Sie kennenzulernen, Monsieur.«

Er zog eine Augenbraue in die Höhe. Offensichtlich erstaunte und erheiterte ihn ihre Verlegenheit, aber er überging ihren Fauxpas von vorhin und kam gleich zur Sache.

»Sie wurden mir wärmstens ans Herz gelegt. Sie sollen eine hervorragende Restauratorin sein.« Er nahm hinter einem massiven Schreibtisch Platz, deutete ihr sich ebenfalls zu setzen und fixierte sie abwartend.

»Ja, ich bin eine gute Restauratorin«, antwortete Kate. Meine Güte, eine noch einfältigere Antwort war ihr wohl nicht eingefallen! Sie benahm sich, als ob sie von ihm paralysiert wurde, aber das traf eigentlich ganz genau zu. Sie fühlte sich seltsam schwach in Gegenwart dieses imponierenden Mannes … schwach und ungemein von ihm angezogen.

»Ihre Bewerbung traf noch vor der offiziellen Ausschreibung ein. Woher wussten Sie, dass wir einen Restaurator suchen?«

Kate hielt unmerklich den Atem an. Gleich würde sie im Kerker landen, wenn ihr nicht eine gute Antwort einfiel. Wenigstens besaß sie noch schwarzen Humor. Sie hatte doch nur die Anweisungen des Anwalts befolgt, der ihr versichert hatte, dass bereits alles arrangiert sei.

»Es war eine spontane Eingebung, und wie man sieht, kam die Bewerbung zum richtigen Zeitpunkt an die richtige Stelle.« Was bedeutete sein Schweigen? Sie hätte der Antwort irgendwie ausweichen müssen. Das fing ja schon gut an.

»Ich schätze Spontaneität.«

Wahrscheinlich in jeder Hinsicht, dachte Kate und war gleichermaßen von ihren Gedanken überrascht.

»Meine Sekretärin war sehr angetan von Ihrer angenehmen Stimme, als Sie sich telefonisch erkundigten und den Termin Ihrer Ankunft ausmachten. Sie war außerordentlich begeistert von Ihrem Können, das sie mir danach unbedingt auf der Stelle darlegen wollte. Sie müssen sie sehr beeindruckt haben. Ich gestehe, dass ich sehr neugierig auf Sie war. Mit der Stimme hat sie Recht. Sie könnten jedem Moderator Konkurrenz machen. Erzählen Sie mir ein wenig von Ihren Fähigkeiten.«

Noch mal gut gegangen. Kate erinnerte sich an die nette Altstimme der Sekretärin und sie erinnerte sich auch, wie lange sie mit sich gerungen hatte, um endlich die Telefonnummer, die ihr der Anwalt gegeben hatte, in ihr Handy einzutippen.

Sie fühlte sich unbehaglich und versuchte ruhig Blut zu bewahren. Der intensive Blick dieses Mannes machte sie nervös, besonders weil sie ihn nicht deuten konnte. Es stimmte, sie hatte einen hervorragenden Abschluss, trotzdem stand sie zurzeit auf der Warteliste für einen festen Job. Es gab einfach noch viel zu viel andere gute Bewerber, die ebenfalls warteten. Tatsache war, dass sie so gut wie kein Geld hatte, und hier war, um fremdes Eigentum zu durchsuchen … jetzt hör schon auf mit dem Wehklagen. Ihr Selbstbewusstsein war mehr angeknackst, als sie zugeben wollte. Würde André Bergerac sie ablehnen? Dann war das Vermögen aus dem Testament verloren. Bleib ruhig. Laut dem Anwalt konnte nichts schief gehen. Sie lehnte sich in dem antiken Stuhl zurück und versuchte sich zu entspannen. »Ich habe mich auf die Restaurierung und Konservierung von Gemälden und Skulpturen spezialisiert. Zu meinem Glück bekam ich ein Stipendium und konnte später eine Assistenzstelle bei Levot in Paris und später bei Stanton in New York antreten.«

André Bergerac stand auf und lehnte sich an die Kante des Schreibtisches. »Levot und Stanton. Bemerkenswert. Ich habe Ihre Referenzen überflogen.«

Überflogen? Also war er oberflächlich. Hatte sie etwas anderes erwartet?

»Laut Ihrer Ausbildung und Ihres Wissens müssten Sie eigentlich viel älter sein.«

Kate senkte den Kopf. Sie mochte es nicht, wenn sie erzählen musste, dass sie zu den Überbegabten zählte und Semester übersprungen hatte. Man setzte dies meist mit eingebildet und hochnäsig gleich, doch sie war weder das eine noch das andere. Im Gegenteil, in manchen Situationen, so wie jetzt, kam ihre Unsicherheit zum Vorschein. Sie blickte ihm wieder in die Augen. »Ich bin sechsundzwanzig Jahre alt, also nicht ganz so blutjung.«

Er lachte. Dieses dunkle, ein wenig verhaltene Lachen gefiel ihr sehr. War sie noch bei Sinnen?

»Nicht mehr ganz so blutjung? Was denken Sie dann über jemanden, der so wie ich, achtunddreißig ist? Steinalt?« Er neigte den Kopf und eine schwarze Strähne fiel verwegen in seine gerade Stirn.

Verdammt, ich tappe von einem Fettnäpfchen in das andere. »Ich wollte damit sagen, dass ich mich eben nicht für blutjung halte.« Verflixt, was war nur los mit ihr? Kate Hamilton, nun nimm dich zusammen, dachte sie ungehalten.

»Sie müssen müde sein und ich möchte Sie nicht länger quälen. Ich bin voller Zuversicht, dass meine Gemälde unter Ihren Händen in neuem Glanz erstrahlen werden. Es ist längst nötig, sie zu restaurieren. Sie sehen nicht mehr so aus, wie sie sollten. Odette wird Ihnen Ihr Zimmer zeigen, und ich werde Ihnen morgen die Gemäldegalerie und Ihren Arbeitsraum präsentieren. Ihr zukünftiger Arbeitsplatz ist übrigens hervorragend ausgestattet. Sie können jedoch alles ordern, was Sie für Ihre Arbeit benötigen. Haben Sie noch Fragen?«

»Nein, vorerst nicht.«

»Gut, dann wünsche ich Ihnen eine angenehme Nacht. Odette wird Ihnen einen kleinen Imbiss bereiten.«

Als sie sich erhob, kam er näher und stand nun kaum eine Armlänge vor ihr. Kate blickte in diese unergründlichen, blitzenden Augen. »Bonne nuit, Monsieur. Ich werde mein Bestes geben und versuchen Ihre Erwartungen zu erfüllen.« Sie würde tatsächlich ihr Bestes geben, obwohl sie aus einem ganz anderen Grund hier war. Warum hatte sie das vor? Um ihm zu gefallen? André Bergerac erwartete, dass sie ihr Bestes gab, aber als Frau würde sie sich kaum interessant machen können. Das will ich doch auch gar nicht und lege auch gar keinen Wert darauf.

382,08 ₽
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Дата выхода на Литрес:
25 мая 2021
Объем:
161 стр. 2 иллюстрации
ISBN:
9783967526653
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