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Stefan Gämperle

Die Kiste Gottes

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Prolog

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

9.

10.

11.

12.

13.

14.

15.

16.

17.

18.

19.

20.

21.

22.

23.

24.

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34.

35.

36.

Impressum neobooks

Prolog

Die Kiste Gottes

von

Stefan Gämperle

Wie wird die Welt wohl in einem Jahr aussehen?

Ungläubig starrte er vor sich auf den Tisch. Es war sechs Uhr morgens. Draussen vor dem kleinen Zelt machte sich die Sonne schon daran einen weiteren klaren Tag zu erhellen. Die weisse, dreckige Zeltplane überspannte das spärliche Mobiliar. Vor einem improvisierten Schreibtisch stand der klapprige Stuhl. Er sass alleine in seinem kleinen Zelt, das abseits der Grabungsstätte stand, die er offiziell leitete.

Dies hatte nichts mit der eigentlichen Grabung zu tun. Denn so etwas gab es nicht. Es durfte nicht existieren.

Er versuchte sich der Tragweite seines Fundes bewusst zu werden. So sehr er sich auch anstrengte, er konnte nicht alles fassen was er in den letzten Tagen gefunden und zu Tage gefördert hatte. Zu unglaublich war alles.

Bereits nach den ersten Hinweisen, war ihm klargeworden, wenn sich die Indizien bestätigen, dies ein Beben auslöst, von dem kaum ein Zweig der Wissenschaft unberührt bleibt.

All die Theorien und Geschichten, die ihm immer so absurd und fantastisch vorgekommen waren, erschienen durch seinen Fund plötzlich in einem anderen Licht. Viele dieser Theorien und Geschichten, die er oft genug widerlegt hatte, fügten sich mit dem was vor ihm auf dem Tisch lag plötzlich zusammen und ergaben einen Sinn.

Erst jetzt bemerkte er die bleierne Müdigkeit, die auf ihm lastete. Seit 24 Stunden war er ununterbrochen auf den Beinen. Er hatte die halbe Nacht dafür gebraucht den Fund zu lokalisieren und zu bergen.

Alles lag ruhig und verlassen da. Noch wusste die Welt nicht was sie erwartete.

Der Tag brach an wie jeder andere davor.

Zufrieden legte er sich auf das kleine Feldbett, in der Ecke des Zeltes. Seine Gedanken kreisten wie wild. Er drehte sich gegen die Zelt Wand. Sanft wurde sie vom Wind geschaukelt. Er wollte noch ein wenig schlafen bevor das Grabungsteam ankam.

Doch ein Gedanke hielt ihn wach: Wie wird die Welt auf den Fund reagieren?

1.

Ulrich Friedrich Oberhofer fror. Er stand schon seit 10 Minuten in der Kälte des abgelegenen Parkplatzes, der ungefähr 20 Meter vom Waldrand entfernt lag und von der vorbeiführenden Strasse nicht eingesehen werden konnte. Keine Lampen erhellten den Parkplatz. Das Mondlicht, reflektiert auf der verschneiten Winterlandschaft ausserhalb des Waldes und drang nur spärlich bis zum Platz. Kein Laut war zu hören. Die Stille schien vollkommen und einzig die wenigen Autos, die auf der Strasse am Wald vorbei fuhren unterbrachen sie kurz.

Oberhofer war alleine. Die Spuren im Schnee verrieten allerdings, dass der Platz tagsüber rege benutzt wurde. Reifen-, Fuss- und Hundespuren liessen darauf schliessen, dass es sich um einen beliebten Ausgangspunkt für Spaziergänge handelte. Die meisten Spuren führten zu einem schmalen Weg, der sich bald im Dickicht der Bäume und Sträucher verlor. Um den Parkplatz standen hohe Tannen, mit Ästen, die erst einige Meter über dem Boden aus den Stämmen heraustraten. Wie Skelette umringten sie den weiten Platz, der unter dem Schnee mit Kies bedeckt war.

Er blickte auf seine Uhr. Es waren schon 15 Minuten über der Zeit. Acht Uhr hatten sie ausgemacht. Hätte er seinem ersten Gefühl nachgeben und nicht zu diesem Treffen erscheinen sollen? Er erhielt immer wieder solche Anrufe. Bei den meisten handelte es sich um irgendwelche Spinner und Fanatiker, die ihm geheime oder spektakuläre Papiere zeigen wollten. Oft gehörten sie zu den Anhängern von Verschwörungstheorien, welche hofften mit ihren Ideen und Theorien einen Platz in seinen Büchern zu ergattern. Diese Treffen erwiesen sich meistens als Zeitverschwendung. Interessant und amüsant waren sie aber allemal. Nur schon, weil er dabei Menschen begegnete, die mit Leidenschaft an die wunderlichsten Dinge glaubten, für die es keine offiziellen Beweise gab. Es war auch bemerkenswert wie viel Zeit und Energie diese Leute darauf verwendeten ihre Beweise herzustellen. Bei einigen brauchte er oft Tage, um den Schwindel nachzuweisen. Irgendwie fühlte er sich verpflichtet die Leute ernst zu nehmen. Die meisten lasen seine Bücher und somit verdankte er ihnen seinen Wohlstand.

Deshalb stand er wohl jetzt hier in der Kälte. Aber auch, weil die Stimme am Telefon keine grossen Enthüllungen oder unglaubliche Vorkommnisse versprochen hatte, die man ihm zeigen wollte, sondern einfach sagte, er habe eine Lieferung. Punkt aus. Oberhofer konnte sich nicht vorstellen, um was es sich handelt, aber seine Neugierde war geweckt.

Erst heute war er aus den Ferien zurückgekehrt. Die letzten vier Wochen hatte er sich beim Golfspielen und Schwimmen entspannt. Seit seiner Pensionierung im Frühling reiste er viel. Dies war schon seine fünfte Reise innerhalb eines Jahres gewesen. Endlich konnte er sich seiner grossen Leidenschaft, dem Golf, widmen. Sein Handicap hatte er schon unter zehn gedrückt und darauf war er stolz. In die Schweiz kehrte er einzig und allein wegen seiner Tochter zurück, um mit ihr und ihren drei Kindern das Weihnachtsfest zu feiern. Für den Januar plante er bereits eine Reise nach Südafrika. Auf dieser Reise wollte er sich weniger dem Golf, als seinem Buch widmen. Seit er nicht mehr als Professor für Physik arbeitete, hatte er sich mehr dem Golf als dem Schreiben gewidmet. Sein zehntes Buch lag bereit, er musste es nur noch einmal überarbeiten. Sein Verleger wartete schon ungeduldig darauf, aber Oberhofer liess sich nicht gerne drängen. Es gab noch zwei, drei Dinge die er noch einmal nachprüfen wollte.

Er hörte wieder einen Wagen auf der Strasse. Doch er wurde nicht langsamer und fuhr an der Einfahrt zum Parkplatz vorbei.

Achtuhrzwanzig. Oberhofer beschloss nicht länger zu warten. Er fror und er fühlte sich unsagbar müde. Die Zeitverschiebung machte ihm mehr zu schaffen als in jungen Jahren. Er ging zu seinem Wagen. Als er die Tür öffnete, hörte er erneut Motorengeräusche. Das Geräusch kam näher und es klang, als ob der Wagen abbremse. Oberhofer schaute zur Einfahrt und sah, wie sich das Licht der Scheinwerfer in den Weg drehte. Er schloss die Tür und wartete. Langsam fuhr das Auto den Weg zum Parkplatz hinunter. Es bog auf den Platz ein und hielt ungefähr 10 Meter von Oberhofer entfernt und schaltete das Fernlicht ein. Oberhofer hob die Hand vor die Augen, um nicht vom Licht geblendet zu werden. Der Motor erstarb und die Fahrertür öffnete sich. Die Scheinwerfer blieben weiter an und machten es Oberhofer unmöglich zu erkennen wer aus dem Wagen stieg. Die Person trat gemächlich vor den Wagen. Der Statur nach musste es sich um einen Mann handeln. Er hielt ein Buch in der Hand. Es schien als ob er den Umschlag betrachtete und dann Oberhofer musterte.

„Ulrich Friedrich Oberhofer?“, fragte eine tiefe Stimme mit italienischem Akzent.

„Ja, und wer sind Sie?“, antwortete Oberhofer und versuchte mehr von seinem Gegenüber zu erkennen.

„Wer ich bin ist nicht wichtig. Ich habe hier ein Paket für Sie.“

„Was ist in dem Paket?“

„Keine Ahnung. Ich habe nur den Auftrag es Ihnen persönlich zu übergeben.“

„Und von wem ist es?“

„Ich weiss nur von wem ich den Auftrag erhalten habe und diese Person würden Sie sicher nicht kennen.“ Der Mann ging zur Hintertür des Wagens, öffnete sie und nahm etwas vom Rücksitz. Dann schlenderte zurück vor den Wagen und stellte es auf den Boden.

„So. Damit ist mein Auftrag erledigt“, sagte der Mann und stieg ohne ein weiteres Wort in den Wagen. Der Motor wurde gestartet und sofort fuhr das Auto rückwärts durch die Auffahrt zur Strasse zurück.

Oberhofer hörte wie der PKW auf die Strasse einbog, beschleunigte und in der Nacht verschwand. Die Motorengeräusche erstarben und nach wenigen Sekunden umhüllte ihn wieder die Ruhe der kalten Winternacht.

Oberhofer stolperte irritiert auf das Paket zu. Dies alles erschien ihm mehr als merkwürdig, so irreal. Es war komplett anders verlaufen als bei seinen üblichen Treffen mit kuriosen Leuten, die ihm etwas zeigen oder verkaufen wollten.

Er spürte wie die Spannung in ihm wuchs. Wer immer das Packet geschickt hatte, er hatte es geschafft ihn neugierig zu machen. Sein Verstand begann auf Hochtouren zu arbeiten. In ihm stieg die Unruhe. Sie hatte ihn schon immer beflügelt, hatte ihn zum Forscher gemacht. Ihr hatte er seinen Erfolg zu verdanken. Denn wenn diese Unruhe in ihm wirkte, konnte sie nichts und niemand bremsen, bis das Rätsel oder das Problem gelöst war.

Seine Augen gewöhnten sich langsam wieder an die Dunkelheit. Vor ihm auf dem Boden lag ein kleines Paket im festgefahrenen Schnee. Schlichtes Packpapier ohne Schnur. Oben auf dem Paket lag ein Buch. Oberhofer hob es auf und betrachtete es. Es handelte sich um sein letztes Werk. Oberhofer legte es in den Schnee und schaute sich das Paket genauer an. Nichts war darauf geschrieben, keine Adresse, kein Absender, kein Stempel, nichts.

Als er die Autotür geöffnet hatte, setzte er sich mit dem Paket in den Wagen und lies die Türe offen. Im Schein der Innenbeleuchtung untersuchte er die Lieferung erneut. Er drehte es in alle Richtungen und betrachtete die Seiten genau. Doch er konnte nicht den geringsten Hinweis auf den Absender finden. Er riss das Papier herunter und zum Vorschein kam eine Holzkiste. Auch auf dieser Kiste konnte er keinen Hinweis auf den Absender oder den Herkunftsort entdecken. Es gab keine Scharniere an der Kiste. Den Deckel hatte man darauf genagelt. Schlichtes Holz, wie man es überall finden würde. Oberhofer überlegte ob er Werkzeug bei sich hatte, um die Kiste zu öffnen. Im Kofferraum fand er ausser dem Wagenheber und dem Wagenkreuz nichts Brauchbares und zum Öffnen der Kiste eignete sich beides nicht. Enttäuscht setzte er sich wieder auf den Fahrersitz und nahm die Kiste erneut in seine Hände. Alle Versuche die Kiste mit blossen Händen zu öffnen scheiterten. Es gab keinen Punkt an dem er hätte zupacken können, um den Deckel abzuheben. Schliesslich musste er sich eingestehen, dass es keinen Sinn macht, es weiter ohne geeignetes Werkzeug zu versuchen. Er legte das Paket auf den Boden vor dem Beifahrersitz, schnallte sich den Sicherheitsgurt an und startete den Motor seines BMWs. Aus den Lautsprechern des Autoradios erklang die Sinfonie Nr. 41 von Mozart. Langsam steuerte er den schweren Wagen die Zufahrtsstrasse hinauf. Es herrschte kein Verkehr und er bog nach links in Richtung Sumiswald auf die verlassene Strasse ein.

Er fuhr durch den malerischen Winterabend. Der Mond erhellte die mit Schnee bedeckten Wiesen und Hänge. Die Hänge erhoben sich in der Ferne zu Bergen. Auf den Bäumen und den Wäldern lag eine feine Schicht Schnee. Die Berge glänzten im Mondschein und hoben sich vom dunklen Himmel dahinter ab. Eine Landschaft wie aus einem Wintermärchen.

Von all dieser Schönheit bekam Ulrich Friedrich Oberhofer nichts mit. Seine Gedanken kreisten allein um die Kiste. Auch die Übergabe im Wald liess ihn nicht los. Wer konnte ihm ein Paket unter so merkwürdigen Umständen zukommen lassen? Er versuchte sich an eine ähnliche Gegebenheit zu erinnern, aber es viel ihm nichts Vergleichbares ein. Noch nie hatte eine Übergabe auf so mysteriöse Weise stattgefunden. Die üblichen Treffen fanden meist in Restaurants oder bei ihm zu Hause statt. Noch nie hatte er sich mit einem Boten im Wald getroffen. Üblicherweise waren die Leute, die ihm etwas geben oder zeigen wollten ganz erpicht darauf erkannt zu werden. Ihre Entdeckungen sollten unbedingt mit ihnen in Verbindung gebracht werden. Zumindest wollten sie in seinen Büchern namentlich erwähnt werden. Heute war von alle dem nichts gewesen.

Er ging in Gedanken alle seine Projekte und Forschungen durch. Nichts. Auf keines dieser Vorhaben passte ein solches Verhalten. Es gab keine Lieferung die er aus einem seiner Unternehmungen erwartete. Noch fiel ihm irgendjemand ein, der ihm etwas auf diese Weise schicken könnte.

Was konnte es nur sein? Woher und von wem stammte diese Kiste?

Oberhofer erreichte Sumiswald. Im Dorf herrschte Totenstille. Die Strassen warteten menschenleer auf dem nächsten Morgen. Sein Haus lag nicht im Dorf, sondern etwas ausserhalb am Waldrand. Er hielt sich nicht viel im Dorf auf und beteiligte sich kaum am Dorfleben. Dies hatte ihm den Ruf eines merkwürdigen, alten Kauzes eingebracht. Darüber war er nicht traurig. So konnte er in Ruhe in seiner kleinen Villa arbeiten und musste sich nicht um irgendwelche gesellschaftlichen Verpflichtungen kümmern.

Er hatte das Dorf durchquert und bog in eine kleine Seitenstrasse ein, die zum Wald führte. Die Räummannschaften hatten den Weg noch nicht freigemacht. Vorsichtig fuhr er auf der rutschigen Strasse zu seinem Haus. Nach einer längeren ebenen Strecke entlang von Feldern, auf denen im Sommer Mais angebaut wurde, führte die Strasse leicht bergan hinauf zu seinem Haus, das dunkel und verlassen am Waldrand schlummerte. Majestätisch erhob es sich vor dem Wald. Ursprünglich als Jagdschlösschen gebaut, erwarb es sein Vater, als Oberhofer drei Jahre alt gewesen war.

Eigentlich war das Haus viel zu gross für ihn alleine. Es hatte 14 Zimmer, von denen er allerdings nur noch drei benutzte. Aber er liebte dieses Haus. Hier hatte er seine Kindheit verbracht. Nach seiner Zeit in Amerika, als er in die Schweiz zurückgekehrte, hatte er es von seinem Vater übernommen. Gerne dachte er an die Zeiten zurück, als er hier mit seiner Frau und seiner Tochter gelebt hatte. Die Erinnerungen, welche ihm das Haus immer wieder schenkte, hielten ihn als einziges davon ab, in eine kleinere Wohnung zu ziehen.

Als er auf die Einfahrt zur Garage einbog, schaltet sich der Scheinwerfer über der Garage automatisch ein. In der Garage stieg aus, ging auf die Beifahrerseite und hob die Kiste aus dem Wagen. Das Neonlicht strahlte kalt von der Decke. Oberhofer stellte die Kiste auf die kleine, saubere Werkbank am Kopfende, nahm einen Schraubendreher und einen Hammer von der Werkzeugwand, die fein säuberlich aufgeräumt über der Bank hingen.

Als er den Schraubendreher unter den Deckel angesetzt hatte, holte er aus und schlug mit dem Hammer darauf. Die Kiste rutschte weg und Oberhofer glitt ab. Er schob die Kiste an die Wand und setzte erneut an. Diesmal drang der Schraubendreher unter den Deckel. Erneut schlug Oberhofer zu. Der flache Teil befand sich nun komplett zwischen Deckel und Kistenwand. Er musste alle Kraft aufwenden um das Werkzeug zu drehen und so die Öffnung zu vergrössern. Nachdem er es geschafft hatte, setzte er den Schraubendreher am anderen Ende der Kiste erneut an. Wieder drang er ein, gerieben von dem Schlag des Hammers und Oberhofer konnte ihn bewegen. Er nutzte die Hebelkraft und stemmte den Deckel hoch. Die Nägel quietschten als sie aus dem Holz gerissen wurden. Als er den Deckel halb abgehoben hatte, konnte er darin eine weitere Kiste erkennen, allerdings nicht aus Holz. Es handelte sich um eine Metallkiste mit einer seltsamen Farbe. Oder lag es nur am Licht?

Oberhofer nahm den Deckel ganz ab und versuchte die Metallkiste heraus zu heben. Er fand aber keinen Platz um mit den Fingern die Metallkiste greifen zu können. Auf der Oberseite gab es keinen Griff oder eine Erhebung, an der er die Kiste hätte herausziehen können. Oberhofer hob die Holzkiste und drehte sie vorsichtig um. Die Metallkiste regte sich nicht. Erst nach mehrmaligem Schütteln begann sich der Inhalt zu bewegen. Nach einiger Zeit und mehrmaligem Rütteln, ragten etwa 10 Zentimeter heraus. Oberhofer drehte die Kiste vorsichtig um und begann an der Metallkiste zu ziehen. Das Metall fühlte sich komisch an, warm. Er glaubte, eine leichte, elektrische Ladung zu spüren. Irritiert trat Oberhofer einen Schritt zurück und betrachtete die Metallkiste.

Was war das nur? Wer schickte ihm eine solche Kiste?

Nachdem sein erstes Erstaunen schwand, trat er wieder zu dem Behälter, um ihn ganz herauszuholen. Vorsichtig, als ob er sich vor der Berührung mit dem Metall fürchtete, nahm er die Metallkiste wieder in beide Hände und zog sie weiter aus der Verpackung. Als sie komplett aus der Holzkiste gelöst war, hob er sie gegen das Licht, um sie zu betrachten. Auf einer Seite konnte er Zeichen erkennen.

Das Metall faszinierte ihn. Er konnte es nicht einordnen. Er stellte die Kiste wieder auf die Werkbank, trat einen Schritt zurück und betrachtet seinen neusten Besitz. Das Metall glänzte im Licht der Neonröhre. Oberhofer sah sein Spiegelbild komisch verzerrt auf der glatten Oberfläche. Die Kiste war nicht viel grösser als ein Schuhkarton. Sie schien zu strahlen. Das lag aber bestimmt am Licht. Ausser den Zeichen konnte Oberhofer nichts auf der Kiste entdecken. Keine Scharniere, keine Halterungen, alles glatt und aufs feinste verarbeitet. Die Kiste schien aus einem Stück Metall gefertigt zu sein. Er fand keine Schweissnähte, Schrauben oder Nieten, die das Behältnis zusammenhielten.

Er riss sich von seinen Gedanken los und suchte nach einem Weg die Kiste zu öffnen. Scheinbar gab es oben drauf so etwas wie einen Deckel, aber nirgends konnte er eine Möglichkeit entdecken, ihn zu öffnen. Zehn Minuten lang untersuchte er die Kiste ohne einen Lösungsweg gefunden zu haben. Er beschloss die Kiste ins Arbeitszimmer zu bringen und es dort weiter zu versuchen.

Oberhofer nahm die Kiste unter den Arm und verliess die Garage. Langsam stieg er die Stufen zu seinem Arbeitszimmer hoch, welches in einem der zwei Türme lag, die an beiden Seiten des Hauses über das Dach des Wohnteils herausragten. Oberhofer hatte sein Arbeitszimmer wegen der Aussicht hier oben eingerichtet. Als er es jetzt in der Dunkelheit betrat und durch die Fenster blickte, die vier Seiten des sechseckigen Turmes einnahmen, beeindruckte ihn die Winterlandschaft, welche sich im Mondlicht vor ihm ausbreitete. An seinem grossen, hölzernen Schreibtisch angekommen, schaltete er die Schreibtischlampe ein und stelle die Kiste darunter. Er ging zum Bücherregal und legte Wagner in den CD-Spieler ein. Ihn gelüstete es nach etwas Dramatischem. Oberhofer setzte sich in den bequemen Bürosessel und begann die Kiste erneut zu untersuchen.

2.

Alfons Carpaun nahm das Fernglas von den Augen. Er glaubte erkannt zu haben, dass Oberhofer selber am Steuer gesessen hatte. Nachdem der Wagen in der Garage verschwunden war, hatte er nichts mehr sehen können. Als das Licht in der Garage nicht erlosch, hatte er sich überlegt, ob er zum Haus hochfahren und versuchen soll Einblick in die Garage zu erhalten. Doch es gab einzig oberhalb der Tür eine Reihe schmaler Fenster und an die hätte er nur schwer unbemerkt gelangen können.

Deshalb verharrte er auf seinem Posten. Er versuchte zu erkennen, was in dem Turmzimmer vor sich ging, konnte allerdings nur einen Mann ausmachen, bei dem es sich wohl um Oberhofer handelte. Aber Carpaun vermochte nicht fest zu stellen, womit sich Oberhofer beschäftigte, nachdem er die Garage verlassen hatte.

Carpaun überlegte sich, wie er weiter vorgehen sollte. Lohnt es sich die ganze Nacht im kalten Auto zu warten? überlegte er sich. Er glaubte nicht, dass sich noch viel Interessantes zutragen würde. Der Alte war heute aus den Ferien heimgekommen. Nach einem kurzen Besuch in seinem Haus fuhr Oberhofer mit seinem Wagen gleich wieder weg. Carpaun hatte sich an ihn gehängt, bis er ihm an einer Einfahrt zur Hauptstrasse, aufgrund des starken Verkehrs, nicht mehr folgen konnte und deshalb das Fahrzeug aus den Augen verloren hatte. Sicher keine Meisterleistung, das wusste Carpaun selber, aber es war ja auch nicht sein Job, Leute zu beschatten.

Nachdem er Oberhofer verloren hatte, fuhr Carpaun zurück nach Sumiswald und suchte sich einen günstigen Platz, um Oberhofer abpassen zu können, ohne aufzufallen. Er fand eine geeignete Stelle, von der er einen guten Blick auf den Zufahrtsweg, wie auch auf das Haus Oberhofers selber hatte.

Hier wartete er nun seit fast drei Stunden und fror. Es hätte keinen Sinn gemacht den Wagen laufen zu lassen, denn die Heizung in seinem weissen Honda Civic funktionierte schon seit Jahren nicht mehr. Der Parkplatz, auf dem er stand, lag leer und verlassen da. Vereinzelt gingen Leute auf der Strasse am Parkplatz vorbei, doch niemand beachtete den klapprigen Wagen. Alle eilten zurück in die schützende Wärme ihrer Häuser.

Carpaun tat das alles aus Überzeugung und weil er, wenn er hier erfolgreich sein sollte, innerhalb der Organisation sicher einige Stufen aufsteigen könnte. So wurde es ihm vom Obersten jedenfalls versprochen. Würde er seine Mission erfolgreich beenden, dann hätten sie wieder alles in der Hand, was sich seit Tausenden von Jahren in ihrem Besitz befunden hatte und zu dessen Schutz sie bestimmt worden waren.

Carpaun selber gehörte noch nicht lange dem erlesenen Kreis an. Doch seit er aufgenommen worden war, hatte sein Leben wieder einen Sinn.

Es hatte lange gedauert bis er Zugang zur Gruppe gefunden hatte. Nach den ersten Gerüchten, die er über das Internet aufgeschnappt hatte, war er fast jede freie Minute damit beschäftigt gewesen, einen Weg zu finden um Kontakt mit ihnen herzustellen. In einem Chatraum gelang es ihm schliesslich mit einem Mitglied der Gruppe zu sprechen. Was er dort erfuhr, elektrisierte Carpaun geradezu. Alles was er dachte und woran er immer geglaubt hatte, schien von der Organisation vertreten zu werden. Endlich hatte er Leute gefunden mit denen er über seine Ideen sprechen konnte, ohne gleich als Spinner abgetan zu werden. Carpaun brannte darauf direkt mit den Gruppenmitgliedern in Kontakt treten zu dürfen. Doch von den Chatgesprächen bis zum ersten Treffen dauerte es Monate. Die Organisation legte grössten Wert auf Diskretion. Sie operierte im Verborgenen – noch.

Alles lief geheimnisvoll und anonym ab. Nachdem die Person im Chat offenbar zur Ansicht gelangt war, dass er in die Organisation passt, musste ihm Carpaun alles über sich erzählen. Danach hörte er fast einen Monat nichts mehr. Weder im Chat, noch sonst auf eine Art und Weise konnte er mit der Person in Kontakt treten. Bis er an einem Abend einen roten, unbeschrifteten Umschlag im Briefkasten vorfand. Goldene Lettern prangten auf dem ebenfalls roten Papier im Umschlag. Darauf wurde ihm angekündigt, dass er am selben Tag um 19.00 Uhr zu einer Anhörung abgeholt werde. Es wurde ihm mitgeteilt, wann und wo er zu warten habe. Wie aufgetragen verbrannte er den Brief, nachdem er sich alles eingeprägt hatte.

Carpaun konnte sein Glück kaum fassen. Weil er es kaum erwarten konnte, stand er schon dreissig Minuten früher am vereinbarten Treffpunkt. Pünktlich um 19.00 Uhr fuhr dann ein schwarzer Mercedes mit getönten Scheiben vor. Das Fenster auf der Beifahrerseite öffnete sich einen Spalt und eine Hand deutete auf die Hintertür. Carpaun ging zum Wagen, öffnet die Hintertür und stieg ein. Die Rückbank war leer. Nur ein rotes Tuch und eine Karte lagen auf der hellbeigen Rückbank. Der Fahrerbereich war durch eine undurchsichtige Scheibe abgetrennt, so dass er nicht erkennen konnte, wer vorne sass. Er nahm das Tuch und verband sich damit die Augen, so wie es ihm auf der Karte befohlen wurde. Als er diesen Befehl ausgeführt hatte, setzte sich der Mercedes in Bewegung.

Die Fahrt dauerte lange. So kam es Carpaun jedenfalls vor.

Nachdem der Wagen endlich wieder zum Stehen kam, blieb Carpaun sitzen. Die Tür öffnete sich und eine Hand packte seinen rechten Oberarm. Mit verbunden Augen führten sie ihn in ein Haus und dann zwei Stockwerke nach unten. Sie blieben stehen und sein Begleiter klopfte dreimal kurz hintereinander an die Tür und nach einer kurzen Pause nochmals viermal mit längeren Abständen. Hinter der Tür fragte eine Stimme etwas in einer Sprache, die Carpaun nicht verstand, worauf sein Begleiter eine Antwort murmelte, scheinbar ebenfalls in derselben, fremden Sprache.

Quietschend öffnete sich die Tür. Carpaun wurde hindurch geschoben. Im Raum konnte er Stimmen hören, die alle durcheinander sprachen. Sein Begleiter und auch die Person von der Tür geleiteten ihn in durch den Raum und setzten ihn auf einen Stuhl. Als sie ihm die Augenbinde abgenommen hatten, blickte sich Carpaun um. Er sass in der Mitte eines grossen Gewölbekellers, dessen Decke von Scheinwerfern angestrahlt wurde. An den Wänden ruhten riesige Kerzenständer auf denen viele grosse Kerzen brannten. Es gab keine Fenster und die Tür, durch die er gerade gekommen war, bildete scheinbar den einzigen Zugang zu dem grossen Gewölbe, das wie eine fensterlose Kirch auf ihn wirkte. Die Wände aus nackten, grob behauenen Steinen erhoben sich hinauf zu der gewölbten Decke und trugen keine Verzierungen.

Hinter ihm sassen auf einfachen Holzstühlen ungefähr fünfzig vermummte Personen. Sie trugen alle rot-schwarze Roben und ihre Gesichter steckten in roten Kapuzen, die nur zwei Öffnungen für die Augen enthielten.

Vor ihm, an einem langen schweren Holztisch der mit feinen Schnitzereien verziert war, sassen sieben weitere Leute. Sechs trugen leuchtend rote Roben mit einer schwarzen Kapuze, während die Person in der Mitte eine sonnengelbe Robe trug. Als einziger trug er keine Kapuze, sondern eine Maske, die der des Tutanchamun sehr ähnlich sah. Wie Carpaun bald erfahren würde, war er der Oberpriester der Organisation. Er sass auf einem geschnitzten Thron aus dunklem Holz und goldenen Verzierungen.

Das heben seiner Hand liess alle Anwesenden sofort verstummen. Dann sprach er zu Carpaun. Mit deutlichen Worten machte er ihm unmissverständlich klar, dass alles was er hier sehen und hören würde auf keinen Fall nach aussen dringen dürfe. Dies sei das oberste Gebot der Gruppe und wer dagegen verstosse, werde mit dem Tode bestraft.

Nachdem Carpaun geschworen hatte, dass er sich daran halten werde, stellten sie ihm unzählige Fragen. Alle beteiligten sich an dem Verhör, nicht nur der Rat der Priester. Durch die Stimmen konnte Carpaun erkennen, dass es auch Frauen in der Gruppe gab. Eine sass sogar im Priesterrat.

Die Befragung dauerte ungefähr eine Stunde. Er wurden alle Aspekte seines Lebens ausgeleuchtet, von der Kindheit über seine Eltern, den Glauben, seine Haltung zu den Religionen allgemein, bis zu seiner momentanen politischen Einstellung.

Schliesslich verbanden ihm wieder zwei Männer die Augen. Der Oberste erklärte ihm, dass er, falls er aufgenommen werden sollte, wieder von der Gruppe hören werde. Er dürfe bis zur Entscheidung keine Versuche unternehmen mit der Gruppe in Kontakt zu treten. Sollte er dagegen verstossen, hätte dies zur Folge, dass die Aufnahme automatisch abgelehnt werde. Bei einer Ablehnung sei es ihm untersagt, weitere Nachforschungen über die Organisation anzustellen. Solche Aktivitäten würden unter keinen Umständen geduldet.

Carpaun erklärte bereitwillig, dass er die Regeln einhalten werde. Damit endete die erste Sitzung für ihn und sie brachten ihn an die Stelle zurück, wo sie ihn abgeholt hatten. Nachdem er mit verbunden Augen aussteigen musste und die Tür geschlossen hatte, jagte der Wagen sofort davon und verschwand in der Nacht.

Es dauerte zwei lange Monate bis er endlich wieder etwas von der Gruppe hörte. Er hatte die Hoffnung schon fast aufgegeben, als er eines Abends in seine kleine, muffige Zweizimmerwohnung neben den Bahngleisen zurückkehrte und auf dem Sofa im Wohnzimmer ein rotes Paket vorfand. Schnell riss er die Schnur und das Papier herunter. Darin fand er einen Brief und eine rot-schwarze Robe mit einer roten Kapuze.

Vor Freude schrie Carpaun und sprang im Zimmer herum.

Der Brief enthielt lediglich Informationen darüber, wann und wo das nächste Treffen der Organisation stattfinden würde. Die Robe symbolisierte, dass er jetzt dazugehörte. Carpaun hatte eine Familie gefunden, einen Ort an dem er sich selber sein durfte und an dem man ihn achtete.

All das lag nun schon drei Monate zurück und dieser Auftrag war sein erster. Er hatte sich sofort freiwillig gemeldet, als der Rat jemanden dafür suchte. Seine Erfahrungen als Bodyguard sollten ihm helfen auch in schwierigen Situationen auf sich selber aufpassen zu können. Sein Ehrgeiz liess ihn nicht warten bis er an der Reihe war in der Organisation aufzusteigen. Er wollte schneller empor. Auch lohnte es sich finanziell. Die untersten Schichten, in der er sich derzeit befand, erhielten keine Zuwendungen von der Organisation. Dies galt als eine Prüfung der Loyalität. Bei höheren Rängen erhielt man Vergünstigungen und auch einen Lohn. Carpaun wollte seinen momentanen Job als Nachtwächter so schnell wie möglich loswerden und ganz den Zielen der Gruppe dienen.

Carpaun zog das Handy aus der Tasche und wählte die Nummer des Obersten. Nach zweimaligem Klingeln meldete sich eine dunkle, warme Männerstimme.

„Was gibt es Neues?“, fragte der Oberste ohne Umschweife. Es konnte sich nur um Carpaun handeln. Die Nummer, die Carpaun gewählt hatte, war speziell für diese Operation eingerichtet worden, genauso wie das Handy das Carpaun benutze nur dieses eine Mal verwendet wurde. Am Ende der Mission würden beide Handys zerstört werden. Dadurch sollte es Verfolgern unmöglich gemacht werden, die Personen zu identifizieren, welche die Telefone benutzten. Die Gruppe verfügte über genügend Verbindungen sich eine Telefonnummer unter Angaben von falschen Daten einrichten zu lassen.

812,99 ₽
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9783738081503
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