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Sergio Bambaren

Das Licht auf der anderen Seite

des Flusses

Sergio Bambaren

Das Licht

auf der anderen Seite

des Flusses

Die Geschichte eines Träumers

für mutige Seelen

Aus dem Englischen übersetzt von

Kristine Ackermann

Giger Verlag

Originalausgabe: The Light at the other Side of the River.

Sergio Bambaren, 2017

1. Auflage 2018

© 2017 Sergio Bambaren Roggero

© der deutschen Übersetzung:

Giger Verlag GmbH, CH-8852 Altendorf

Telefon 0041 55 442 68 48

www.gigerverlag.ch

Lektorat: Monika Rohde

Umschlaggestaltung:

Hauptmann & Kompanie Werbeagentur, Zürich

Umschlagfoto: Ecaterina Leconte

Satz: Roland Poferl Print-Design, Köln

e-Book: mbassador GmbH, Basel

Printed in Germany

ISBN 978-3-906872-55-1

eISBN 978-3-906872-88-9

Inhalt

Widmungen

Ein paar einleitende Worte

Teil I

Das Gasthaus am Amazonas

Das Licht auf der anderen Seite des Flusses

Die Reise

Eine Zeit der Heilung

Teil II

Der auf einer Insel versteckte Himmel

Es ist so leicht, die Welt in etwas Besseres zu verwandeln

Teil III

Das Land der Berge und des Kiefernwaldes

Kristallklare blaue Gewässer

Teil IV

In den Karpaten

Die Zeit der sanften Seelen ist endlich angebrochen

Epilog

Über den Autor

Bibliografie

Diese Geschichte ist gewidmet Carlos Manuel, meinem Neffen, Inés, einem erstaunlichen Mädchen, das mehr sehen kann, als ihre wunderschönen Augen erlauben, sowie allen anderen, ihnen ähnlichen Kindern auf der ganzen Welt. Sie ist den Indigo-Menschen gewidmet: Amatami, dem Schamanen, der den Dschungel des Amazonasgebietes schützt; Sophia, die Wunder wirken und sich an ihr früheres Leben erinnern kann; Sylvia, dem erwachsenen Kind aus Österreich, dessen wahrer Name »Liebe« sein sollte und nicht Sylvia; meiner wundervollen Freundin Sabine aus Deutschland; Edmund, den ich in den rumänischen Karpaten getroffen habe, als er gerade achtzehn Jahre alt geworden war und der sich entschlossen hatte, seinen Geburtstag nicht zu feiern, weil er dachte, dass jeder Tag seines Lebens wie ein Geburtstag sein sollte; Elena, dem erstaunlichen, erwachsenen, italienischen Kind, das Träume wahr werden lässt; und auch Iris, der entzückenden Träumerin, die ich in Bukarest getroffen habe, die sich entschlossen hatte, ihr Leben in einer Welt zu verbringen, die viele Menschen niemals verstehen werden.

Doch vor allem ist diese Geschichte Sophia gewidmet, dem kleinen Indigo-Mädchen, das Wunder wirken und sich an ihr früheres Leben erinnern kann; und Amatami, dem Schamanen, der den Dschungel des Amazonasgebietes schützt. Sie haben mir geholfen zu verstehen, dass das, was ich in letzter Zeit auf meinen Reisen beobachtet hatte, wahr ist: Ein unaufhaltbarer Strom von Menschen, die beginnen, die Welt zu ihrem Besseren zu verändern, und zwar auf der Grundlage ihrer Aufgaben hier auf der Erde.

Ein paar einleitende Worte

Aus wahrem und demütigem Licht, ein Träumer …

Glückliche Menschen haben zumindest etwas gemeinsam: Sie geben niemals anderen die Schuld für ihre Probleme und Fehler. Sie vergessen, was falsch gelaufen ist. Sie haben gelernt, Ausdauer zu haben, bevor sie den richtigen Weg finden: ihren ureigenen und einmaligen Pfad.

Ich denke positiv über Misserfolg. Zeiten, in denen alles schiefläuft, sind Zeiten, in denen du unschätzbare Lektionen lernst. Es gab im Laufe der Jahre viele Gelegenheiten, bei denen ich ein bisschen zu nah am Wind gesegelt bin. Doch ich habe immer gesagt, dass der Schlüssel zu wirklichem Glücklich-Sein die Erfüllung unserer Aufgabe hier auf der Erde ist. Dich selbst, mit allem, was du bist, zu verstehen und zu lieben, bedeutet einen Weg einzuschlagen, den nicht viele Menschen gehen. Es bedeutet, dass wir Fehler machen, bis wir es schließlich richtig hinbekommen.

Wenn du bei dem, was du tust, nicht glücklich bist, dann gehe weiter! Du solltest niemals dein wirkliches Wesen verlieren, die Demut deiner Seele, die Stimme deines Herzens, den Respekt für dich selbst und deine Liebe für das Leben, und zwar an jedem einzelnen Tag. Das Leben ist ein wertvolles Geschenk. Bade darin. Wenn du das tust, dann wird dich der unberührte Pfad deiner eigenen Bestimmung dahin führen, wo auch immer du eine Spur im Sand hinterlassen möchtest. Das kann sogar in unseren Wäldern oder im Regenwald sein.

Es wird ein Weg sein, der dich an magische Orte führt und dich wunderbare Menschen treffen lässt, die dir zu treffen bestimmt waren, sogar schon bevor du geboren wurdest. Genauso wie ich Amatami, den Schamanen von der anderen Seite des Flusses, getroffen habe, mitten im Herzen des Dschungels des Amazonasgebietes. Vor langer Zeit schon sprach im Hause des Lichts, in der Nähe des Ozeans, den ich so liebe, durch das Bild eines kleinen Mädchens, das ich nie kennengelernt habe, mein Herz zu mir. Es sagte mir, dass ich in dieses grüne Labyrinth der Schönheit und der Gefahr reisen sollte, das viele Dschungel nennen. Ich jedoch nenne es die Essenz des Lebens. Darin sollte ein Prozess der Wiederentdeckung meines Selbst beginnen. Ich sollte den Schmerz fühlen, der mich schon seit so langer Zeit verfolgte, um eine Wandlung auf eine neue Ebene des Verstehens und der Spiritualität zu erfahren.


Der Dschungel! Hier ist das Reich aller möglichen Kreaturen und Bäume, die man sich nur in Märchen vorstellen kann. Hier werden die Lebenszyklen Tag und Nacht neu geboren. Manches ist weise eingerichtet und manches grausam. Dies ist ein Ort für jene, die stark genug sind, ihre Ängste im Griff zu haben, obwohl sie sich dessen voll bewusst sind, dass sich der Pfad, unmittelbar nachdem sie hindurchgegangen sind, wieder hinter ihnen schließt. Dies ist ein Reich, in dem man von den größten Moskitos gebissen wird, die man je gesehen hat, wo der Regen so stark schüttet, dass er dir die Kleidung vom Leibe reißen kann, ein Reich der Legenden und Mythen. Doch vor allem ist der Dschungel eine Welt, in der alles, was dich umgibt, echt ist, manchmal zu echt.

Doch was das Echte oder die Realität ist, das entscheiden wir selbst. Einem Menschen, der schon lange jegliche Spur der Angst vor der Angst selbst verloren hat, dessen Leben bereits ein Strom wundervoller Erinnerungen und schmerzlicher Momente ist, die zum Wachstum einer menschlichen Seele dazugehören, dem passiert etwas sehr Märchenhaftes, auch wenn er weiß, dass er sich mit der Angst konfrontieren muss, manchmal sogar mit dem Tod, nur um weiterhin zu lernen.

Hier geht es um Reisen zur Erlangung reiner Weisheit, für die sich ein demütiger Träumer vor so langer Zeit entschieden hat. Er war ein einsamer Träumer, dem das Schicksal die ganze Familie genommen hatte, einen nach dem anderen, bis niemand mehr übrig blieb, außer der Freundschaft und der Liebe einer jungen, erblühenden Knospe namens David, seinem Sohn, einem Sohn des Lebens.

Das Leben kann manchmal so hart sein und dir genau in dem Moment, in dem du entdeckst, aus welchem Holz es geschnitzt ist, sogar den stärksten Lebenswillen nehmen; mitunter in Momenten schwieriger Entscheidungen, in denen du darauf vertrauen und glauben musst, dass es immer besser ist, etwas zu fühlen als nichts zu fühlen. Und ich entschied mich vor langer Zeit dafür zu fühlen, was auch immer geschehen würde, bis zum letzten Tag meines Lebens hier auf diesem wundervollen Planeten, den wir Erde nennen.


Das Gasthaus am Amazonas

Es lag ein Träumer entspannt in seiner bequemen Hängematte. Die leichte Nachmittagsbrise des Dschungels bewegte ihn sanft von einer Seite zur anderen. Ein großer Schirm schützte ihn vor der erbarmungslosen Sonne, als ein paar schwarze Wolken aufzogen und den Himmel bedeckten. Und das bedeutet im Dschungel des Amazonasgebietes nur eins: Der Himmel wird des Nachts buchstäblich herabfallen. Der Regen wird so stark sein, dass alle Geschöpfe, die diesen Teil der Welt bewohnen, sich, bevor der Regen ankommt, einen Unterschlupf suchen, und dort regungslos ausharren, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken, bis der Regen vorüberzieht.

Der Regenwald des Amazonasgebietes ist ein atemberaubender Ort. In diesem Teil der Welt regiert die Natur. Von den höchsten Blättern all der hohen Bäume, die einander bekämpfen, um einen Sonnenstrahl zu erhaschen, bis hinunter auf die nasse Erde und sogar noch darunter, existiert die verworrenste und komplexeste Kette des Überlebens derer, die stark sind. Kein anderer Ort der Welt hat eine größere Vielfalt an Bäumen, Tieren, Vögeln oder Insekten, die hier Seite an Seite leben, immer im Wettstreit ums Überleben.

In dem Gasthaus, in dem der Träumer wohnte, ist man sicher vor all den Gefahren, die der dichte Regenwald in jeder seiner einzelnen Nischen versteckt. Der Mensch ist in der Lage, sich in der Nähe des grünen Dschungels einen relativ sicheren Raum zu erschaffen. Doch wenn man es wagt, die Sicherheit dieses Raumes zu verlassen, dann ist man ganz auf sich selbst gestellt. Dies ist keine Gegend, in der markierte Wege dich sicher von einem Ort zum anderen führen. Das wäre weit gefehlt! Wenn man sich erst einmal aus dem Gasthaus herausgewagt hat und bei Tageslicht oder in der Dunkelheit des Regenwaldes zu gehen beginnt, einzig und allein mit der hilfreichen, verlässlichen Machete bewaffnet, und sich mit deren enormen Stahlklinge den Weg frei geschlagen hat, dann kann man sicher sein, das dieser Weg früher oder später wieder verschwunden und von dichtester Vegetation bedeckt ist.

So, und was macht also der Träumer der Ozeane, der Wellen, des Segelns, Tauchens und Surfens, der es liebt mit Walen und Delphinen zu spielen, so weit von seinem inneren Selbst entfernt?

Nun, diese Frage kann man auch dem Träumer stellen, der vor langer Zeit viele Monate in einem tibetischen Kloster verbrachte, der die Erde dreimal umkreist hat, der durch die Savannen Afrikas gewandert ist oder der auszog, um nach Orten zu suchen, von denen er nicht wusste, dass sie existieren, der eine verlorene Oase in der Mitte der Sahara und viele andere Plätze gefunden hat. Für alle diese Reisen, die der Träumer unternommen hat, während der er viele weit abgelegene Orte der Erde aufgesucht hat, gab es nur einen Grund: Wissen und Verständnis für die existierende Wahrheit zu finden. Es ist die Reise eines Lebens, in dem es wichtig ist, zu entdecken, worum es im Leben geht, um seinen Sinn und Zweck zu finden. Weiter nichts.


An einem sternklaren Abend begann er, durch die Gärten des Gasthauses zu gehen, was man ängstlichen Menschen nicht empfehlen kann. Taranteln aller Größen saßen auf der Außenwand der Gästezimmer. In den hohen Wipfeln der Bäume sah man schwarze Silhouetten von nachtaktiven Tieren, die herausgekommen waren, um Nahrung zu finden. Das konnten Affen sein, giftige Schlangen oder sogar Raubvögel.

Der Dschungel schläft niemals. Tag und Nacht beleben Flussotter, elektrische Anguilla und sogar riesige, reglos lauernde Krokodile die Flüsse, die wie Ozeane erscheinen und sich langsam in Richtung des Amazonasbeckens, des atlantischen Ozeans dahinschlängeln. In manche Flüsse sind Piranhas vorgedrungen oder sogar Amazonasdelphine, die in diese Gewässer kommen, um sich zu ernähren, zu verstecken, zu paaren, zu leben und die hier versuchen zu überleben. Dies ist ein vollkommen unberührtes Land, in dem die Natur uneingeschränkt herrschen kann.

Der Träumer trug spezielle Plastikstiefel, die den größten Teil seiner Beine bedeckten und die ihn vor gefährlichen Insekten und kleinen Schlangen schützten, als er in der Nähe des Gasthauses, in dem er Quartier genommen hatte, am Ufer des Flusses entlangspazierte und es plötzlich zum ersten Mal, nur eine Sekunde lang, sah …

Das Licht auf der anderen Seite des Flusses

Der Träumer ging gefährlich nah am Ufer des Flusses entlang, wo ihn ein Krokodil oder eine riesige Anakonda jederzeit hätte in die Strömung ziehen können, oder er hätte ausrutschen und von dem starken Strom braunen Schlamms verschluckt werden können, der manchmal eher wie ein Ozean zu sein schien. Weit weg, auf der anderen Seite des Flusses, vielleicht 400 Meter entfernt, glaubte er ein Licht zu sehen, das zuweilen erschien und wieder verschwand, da sich die riesigen Bäume im Wind und im strömenden Regen hin und her bewegten. Rundherum in wasserdichte Regenkleidung gehüllt, mit schwarzen Gummistiefeln, die ihm bis weit über die Knie reichten, blieb seine Aufmerksamkeit auf das schwache Licht gerichtet, das irgendwie versuchte, ihm etwas zu sagen.

»Seien Sie vorsichtig, Sir!«, sagte da ein junger Mann, der in dem Gasthaus arbeitete und der bemerkt hatte, dass einer seiner Gäste nicht in seinem Zimmer war, wie all die anderen Gäste, denen gesagt wurde, dass sie, wenn die Nacht einfiel, in ihren Zimmern bleiben sollten.

»Wissen Sie, was das für ein Licht ist, auf der anderen Seite des Flusses?«

Doch der junge Wirt war mehr daran interessiert, seinen Gast in dessen Zimmer zu führen, als zu antworten, damit auch er selbst in sein eigenes Zimmer gehen konnte, um vor all den Gefahren geschützt zu sein, die im Dschungel des Amazonasgebietes des Nachts auf der Lauer liegen.

»Wissen Sie, was das für ein Licht ist, auf der anderen Seite des Flusses?«

»Welches Licht, Sir?«, fragte der Wirt mit seiner großen Machete in der Hand – nur für alle Fälle.

»Das Licht nahe des Ufers auf der anderen Seite des Flusses, das zu erscheinen und wieder zu verschwinden scheint.«

»Ich sehe kein Licht«, antwortete der.

Jetzt begann es, in Strömen zu regnen, so, als ob jemand Eimer voll Wasser über beide ergießen würde, womit er sie nötigen wollte zu gehen, während die Blitze des Gewitters den Himmel erleuchteten.

»Sir, ich bitte Sie! Lassen Sie uns zu Ihrem Zimmer zurückgehen. Der Fluss kann jetzt jeden Moment über die Ufer treten.«

Dann sah der Träumer das Licht zum letzten Mal und drehte sich um. Doch plötzlich war der Himmel durch einen Blitzeinschlag wieder hell erleuchtet. Er wandte sich noch einmal dem Fluss zu und sah etwas, wenn auch nur für eine Sekunde, das eine menschliche Silhouette zu sein schien. Dann war alles wieder stockdunkel. Und als sie die Räume des Gasthauses schließlich erreichten, war es, als ob der ganze Himmel herabfallen würde.

Die Reise

In dieser Nacht konnte der Träumer nicht schlafen. Das Donnern des Gewitters und der stärker und stärker werdende Regen hielten ihn wach.

Aber nicht nur das. Es waren auch das Licht und die Silhouette auf der anderen Seite des Flusses, die er gesehen hatte. Er sah sie nur einen Augenblick lang. Doch er wusste, dass das ein Zeichen war, die Art von Zeichen, die er schon sein ganzes Leben lang kannte. Es ging um Einzelheiten, die vielen Menschen unwichtig erscheinen, die letztendlich jedoch unsere Verschiedenheit ausmachen. Er wusste, was ihm sein Herz sagte. Er musste den Fluss überqueren.

Aber wie?


Die Stimme des Herzens verlässt sich niemals auf die Logik oder auf Informationen, die der Verstand zu vermitteln versucht. Sie spricht zu jedem, so ist es schon immer gewesen. Durch diesen »Instinkt«, wenn man das einmal so nennen darf, unterscheiden sich viele Menschen, wie sie dem Leben begegnen, manchmal sogar dem Tod.

Einen so breiten Fluss gegen die Strömung zu überqueren, der womöglich von Piranhas und weiß Gott von welchen anderen gefährlichen Kreaturen besiedelt ist, würde sich für viele Menschen vermutlich wie ein Todesurteil anhören. Aber nicht für den Träumer. Er hatte bemerkt, dass die Piranhas, die in diesem speziellen Fluss leben, anders waren als die, von denen Legenden und andere Horrorgeschichten erzählen. Es gibt im Dschungel des Amazonasgebietes nur eine Spezies von gefährlichen Piranhas. Und um ihr mörderisches Verhalten zu provozieren, muss Blut vorhanden sein. Alles Übrige gehört in die Welt des Kintopps, nach Hollywood und zu der Angst vor der Angst selbst. Es beruht auf Unwissenheit und sonst nichts.


Geplant war, dass er das Gasthaus am nächsten Tag verlassen würde. Also schmiedete er einen Plan.

Jetzt, dachte er, er wird das Gasthaus verlassen, ohne irgendjemandem von seinen Plänen zu erzählen. Man würde vermuten, dass er nur einer von vielen Touristen war, die den Regenwald verlassen haben, um in die Sicherheit des städtischen Lebens zurückzukehren. Also packte er seine Taschen, bezahlte die Rechnung und gab Carlos, der guten Seele des Gasthauses, ein üppiges Trinkgeld. Dann bat er ihn sehr freundlich, seine Taschen für ihn im Gasthaus aufzubewahren, denn er würde in einer Woche zurückkommen.

Und Carlos tat, worum der Gast ihn gebeten hatte.


Entgegen der wohl allgemein verbreiteten Annahme ist es sicherer, einen Fluss im Dschungel des Nachts zu durchqueren als am Tag. Die meisten gefährlichen Tiere leben im Regenwald und würden es nicht wagen, den Fluss in der Nacht zu durchqueren. Das gilt auch für die elektrischen Aale. Sie jagen während des Tages und nicht in der Nacht. Der Träumer wusste, dass er ein guter Schwimmer war.

Er hatte sich vor Jahren mit den größten Wellen des Ozeans konfrontiert und seine Tauchübungen, die Luft unter Wasser lange Zeit anzuhalten, hatten ihm die Stärke gegeben, sich selbst zu vertrauen. Er hatte nicht das Gefühl, dass er ein Supermann war, doch dieses Risiko würde sich lohnen. Jedenfalls für ihn.


Die Strömungen des Flusses verhalten sich den unterschiedlichen Phasen des Mondes entsprechend. Es war kein Neumond und kein Vollmond, also würden die Strömungen nicht zu stark sein.

In dieser Nacht war der Himmel kristallklar mit Zigtausenden von Sternen am Himmelszelt. »Das ist gut!«, sagte er zu sich selbst. Und nachdem er so viele frische Früchte gegessen hatte wie er konnte und literweise Wasser getrunken hatte, ging er in seiner kompletten Taucherausrüstung zum Fluss. Er hatte sie mitgebracht, um mit den Delphinen des Amazonasdschungels zu schwimmen, hatte seinen Neoprenanzug übergezogen und einen Schnorchel angelegt. Sein verlässliches Schweizer Messer und zwei besonders starke, wasserdichte Taschenlampen hatte er fest an sich gebunden. Das war alles, was er brauchte, und eine riesige Portion Mut, absolut ohne Angstgefühle.

Denn wenn jemand so viele wunderbare Erinnerungen aus seinem Leben hat, das sich anfühlt wie hundert Leben und jedes neue Abenteuer ein Geschenk des Universums ist, dann ist das Wort »Tod« nur eines von vielen, das in dem Herzen eines Menschen, der schon mehr erreicht hat, als er sich je erträumte, keine Rolle mehr spielt.


Die Ströme des Amazonasdschungels sind trübe und braun. Sie bringen immer viel Schlamm mit sich, der in ihren Gewässern endet. Der Schlamm wird vom Regen in die Flüsse gespült.

Der Träumer ging in seinen zur Taucherausrüstung gehörenden Stiefeln etwa zweihundert Meter stromaufwärts am Ufer des Flusses entlang, in der Hoffnung, dass er die Durchquerung des Flusses bis zum gegenüberliegenden Ufer schaffen würde. Er wollte in der Nähe der Stelle ankommen, wo er das Licht gesehen hatte.

Trotz seiner vollständigen Taucherausrüstung mit Schwimmflossen, Neoprenhandschuhen und Maske wusste er, dass er schnell handeln musste, bevor ein Tier des Dschungels das Fleisch unter dem Anzug riechen würde.

Halt inne, meditiere! Sei hellwach und überlebe.

Es dauerte nur ein paar Minuten, sein Herz und seine Seele von den falschen Gefühlen zu befreien, die versucht hatten, seinen Geist zu vernebeln: die Angst vor der Angst selbst. Dann tauchte er unmittelbar in den Fluss ein und hoffte das Beste.

Der starke Fluss trug Baumstämme mit sich und Geröll. Aber er schwamm so kraftvoll, wie er nur konnte, in die Richtung des anderen Ufers gegen den Strom. Doch die starke Strömung behielt immer die Oberhand. Er entschied sich, seinen Verstand auszuschalten, zu meditieren, die Angst unter Kontrolle zu halten, nur mit dem einen Ziel im Kopf: das Ufer auf der anderen Seite des Flusses zu erreichen.


Nach schätzungsweise fünfzehn Minuten hatte er bereits den Punkt überschritten, von dem aus es kein Zurück mehr gab. Abgekämpft, aber in absoluter Kontrolle, mit Prellungen von ein paar Baumstämmen und von Kreaturen beschnüffelt, mit denen sich niemand anlegen möchte, fixierte er seine Augen auf das Ufer, das näher und näher zu kommen schien.

Doch wir sind Menschen und keine Roboter. Und früher oder später beginnen wir uns müde zu fühlen. Innezuhalten war keine Lösung, sondern der sichere Tod. Heimtückische Wirbel würden jegliches sterbliche Wesen in die Tiefe des Flusses reißen. Eine Sekunde lang fragte ihn sein Verstand: »Was zum Teufel machst du hier, du verrückter Träumer?«

Und sein Herz sagte zu seinem Verstand: »Ich träume einfach nur wieder.«


Entgegen jeglicher Art von Logik oder eines Überlebensinstinktes erreichte er schließlich die andere Seite des Flusses, wo das Licht war. Er setzte sich neben einen hohen Baum, bettete sich auf ein paar Palmenblätter, ließ die Taschenlampe an und schlief ein. Er war so erschöpft und müde.


Ein starker Arm zog ihn hoch. Noch halb im Schlaf sah er einen Menschen, der ihn anlächelte. Ohne Worte gab der ihm ein mit Wasser gefülltes Palmenblatt. Er trank es in einem Zug vollkommen aus.

»Komm mit mir«, sagte der Mensch. Er begann mit seiner Machete in der einen Hand durch die dunkle Nacht zu gehen.

»Nimm diese«, sagte er und reichte ihm eine andere, etwas kleinere Machete.

In dieser Nacht, inmitten des Regenwaldes des Amazonas vollkommen verloren, hatte er keine Ahnung, was er hier tun sollte. Das Einzige, wozu er in der Lage war, war seine Machete zu halten und diesem Mann zu folgen, wohin auch immer er gehen würde.

Der Träumer hatte vor langer Zeit schon gelernt, dass man manchmal einem vollkommen Fremden vertrauen muss, insbesondere, wenn man so weit von dem eigenen Universum entfernt ist.

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9783906872889
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