Читать книгу: «You belong to me», страница 2
Ich brauche nur den Bruchteil einer Sekunde, bis ich dort bin und erkenne, was hier los ist. Und dieser Anblick gefällt mir überhaupt nicht.
Der Typ, wegen dem ich hergekommen bin, geht auf Sofia los und versucht sie in seine Gewalt zu bekommen. Sie liegt unter ihm und versucht verzweifelt sich zu befreien.
Mehr brauche ich nicht zu sehen, sodass sämtliche Sicherungen in meinem Inneren durchknallen. Ich stelle mich hinter ihn, greife nach dem Kragen seines Shirts und reiße ihn von ihr herunter. Als er neben mir auf dem Boden landet, sehe ich rot.
Er ist eindeutig einen Schritt zu weit gegangen und das werde ich ihm auch begreiflich machen.
Erneut greife ich nach ihm, ziehe ihn auf die Beine und drücke ihn gegen die Wand neben der Tür. Dann schlage ich immer wieder auf ihn auf.
Ich brauche mir keine Gedanken zu machen, er weiß genau, wer ich bin. Schon ein paar Mal sind wir uns über den Weg gelaufen. Und schon ein paar Mal habe ich ihm klargemacht, dass man sich mit mir besser nicht anlegt. Dennoch hat er es gerade getan, als er auf Sofia losgegangen ist. Und ich werde dafür sorgen, dass er das bereut.
Als ich ein leises Stöhnen hinter mir höre, drehe ich mich kurz zu ihr herum, um zu überprüfen, dass es ihr gut geht. Doch er nutzt die Gelegenheit und befreit sich von mir. In der nächsten Sekunde ist er bereits verschwunden. Zu gerne würde ich ihm nachsetzen, doch ich bin mir sicher, dass ich noch die Gelegenheit dazu haben werde.
Stattdessen gehe ich zu Sofia und helfe ihr auf die Beine, damit sie sich auf die Bettkante setzen kann.
Einige Sekunden betrachte ich sie aufmerksam. Mein Blick gleitet über ihren Körper und merkt sich jede Wunde, die sie von dem Überfall bekommen hat.
„Sofia! Ist alles klar bei dir?“
Einige Sekunden schließt sie die Augen und versucht sich wieder zu sammeln. Doch dann hat sie sich so weit wieder im Griff, dass sie mir antworten kann.
„Mir tut jeder Knochen weh. Sogar die, von denen ich nicht einmal wusste, dass ich sie habe. Und mein Kopf fühlt sich an, als wäre gerade ein Zug über ihn hinweg gerollt. Aber soweit ich es beurteilen, ist nichts gebrochen“, antwortet sie.
Langsam sinke ich vor ihr auf die Knie. Meine rechte Hand umklammert ihre Finger. Auf diese Weise will ich ihr zeigen, dass ich bei ihr bin. Meine linke fährt vorsichtig über ihre Arme und ihren Hals. Schließlich lasse ich sie auf ihrer Wange liegen. Sanft streiche ich über die rote und leicht geschwollene Stelle.
„Kanntest du ihn?“
Ich will sie das nicht fragen, doch ich muss wissen, was sie weiß. Vor allem muss ich wissen, ob sie überhaupt etwas weiß. Denn das ist der Punkt, den ich leider nicht einschätzen kann.
„Nein … Ja … Ach, ich weiß es selbst nicht“, flüstert sie seufzend und lässt den Kopf ein wenig in den Nacken fallen.
Ich versuche herauszufinden, was sie mir damit sagen will. Daher werfe ich ihr einen fragenden Blick zu.
„Er hat mich bereits vor ein paar Tagen überfallen und bedroht. Dabei hat er ein paar Sachen gesagt, die ich nicht zuordnen kann. Allerdings habe ich auch nicht weiter darüber nachgedacht. Es war ein Zufall, dass ich verschwinden konnte. Seitdem hatte ich immer wieder das Gefühl, als würde mich jemanden beobachten.“
Bei ihren Worten spanne ich mich automatisch an. Schnell entspanne ich mich jedoch wieder, damit sie nichts bemerkt. Dies ist das Wochenende geschehen, bevor ich hergekommen bin. Ich hatte die Hoffnung, dass es sich nur als falscher Alarm herausstellt, aber leider ist dem nicht so gewesen.
„Hey, es wird alles gut werden. Er ist weg und kann dir nichts mehr antun. Aber wieso hast du es mir nicht sofort gesagt?“, frage ich sie, nachdem sie geendet hat.
„Was?“, kommt es ihr schließlich über die Lippen.
„Wieso hast du mich angelogen?“, wiederhole ich meine Frage.
„Wovon redest du?“ Auf ihrem Gesicht macht sich ein verwirrter Eindruck breit.
„Als ich dich gefragt habe, ob etwas Schönes in dem Brief stand.“
Langsam dämmert es ihr, was ich meine. Ein paar Minuten ist es ruhig zwischen uns. Wir lassen den jeweils anderen nicht aus den Augen.
„Entschuldige, dass ich meine Lebensgeschichte nicht gleich jedem anvertraue, den ich zum ersten Mal sehe. Nicht einmal meine Freundin weiß darüber Bescheid.“
Ich spüre, dass sie gerade wütend ist. Daher presse ich die Lippen zu einer dünnen Linie zusammen. Dies mache ich aber vor allem deswegen, weil sie sich anscheinend wirklich nicht mehr an mich erinnern kann und das tut weh. Schnell rufe ich mir zwar in Erinnerung, dass sie damals noch klein war, doch das macht es auch nicht unbedingt besser.
„Ich meine das nicht böse“, versuche ich die Wogen wieder zu glätten. „Es ist nur so, dass man viel hört. Und wenn ich dann erfahre, dass du ihm heute nicht zum ersten Mal über den Weg gelaufen bist, mache ich mir halt Sorgen.“
„Ich wollte dich nicht so anfahren“, entschuldigt sie sich bei mir.
„Kein Problem. Du hast ja recht, es geht mich nichts an.“
„So meine ich das nicht“, versucht sie die Situation zu retten.
„Da er es anscheinend auf dich abgesehen hat, hast du nun die Wahl“, fahre ich fort und reiße sie so aus ihren Gedanken, die anscheinend gerade ganz woanders sind.
„Die Wahl? Wozwischen denn?“ Überrascht sieht sie mich an.
„Entweder schlafe ich bei dir oder du bei mir.“ Meine Stimme lässt vielleicht den Eindruck aufkommen, als wäre es das Normalste auf der Welt für mich. Doch das ist nicht so. Allerdings will ich ihr nicht noch mehr Angst machen.
Doch ich weiß, wozu dieser Mann in der Lage ist. Und das reicht mir.
„Kann ich auch Nein sagen?“
„Eigentlich nicht“, gebe ich nach ein paar Sekunden zurück.
„Dann haben wir ein Problem. Ich werde sicherlich nicht bei dir schlafen und du nicht bei mir.“
Ich kann nicht verhindern, dass ich die Augen ein wenig zusammenkneife und mein Gesicht einen missbilligenden Ausdruck annimmt.
„Sofia“, stöhne ich.
„Ich bin dir dankbar, dass du mir geholfen hast. Aber vielleicht kannst du dir vorstellen, dass ich nach der Erfahrung gerade nicht die Nacht mit einem fremden Mann in einem Zimmer verbringen werde.“
Automatisch zucke ich zusammen, was ich auch nicht vor ihr verheimlichen kann. Doch ich habe mich schnell wieder im Griff, sodass ich mir sicher bin, dass sie nicht näher darauf eingehen wird.
„Ich werde dir mit Sicherheit nichts tun. Mein Mitbewohner ist das Wochenende ebenfalls nicht da. Du kannst sein Bett haben“, starte ich einen weiteren Versuch.
„Und sonst würden wir uns eines teilen?“
Ich spüre, dass sich ihr Körper langsam beruhigt und sie die gleiche Bissigkeit bekommt, die sie damals schon hatte. Doch so habe ich sie in Erinnerung. Sie ist noch nie von ihrem Standpunkt zurückgewichen und ehrlich gesagt bin ich froh, dass sich das nicht geändert hat. Auch, wenn es mir nun alles einfacher machen würde.
„Dann würde ich auf dem Boden schlafen“, erwidere ich ernst.
„Das ist lieb von dir und ich danke dir, dass du mir geholfen hast. Aber ich brauche Ruhe.“
„Okay“, flüstere ich. „Versprich mir aber, dass du dich bei mir meldet, falls etwas sein sollte.“
Während ich spreche, greife ich nach einem leeren Zettel und einem Stift und schreibe meine Handynummer darauf. Dann erhebe ich mich, was zur Folge hat, dass sie ebenfalls aufsteht. Da Sofia noch ein wenig wackelig auf den Beinen ist, stützt sie sich am Schrank ab.
Besorgt sehe ich sie an. In diesem Moment bin ich mir nicht sicher, ob sie diese Nacht hier wirklich alleine aushält, oder ob sie nur so tut. Doch wenn ich sie danach frage, wird sie wahrscheinlich wieder sauer und ich habe keine Lust, mich mit ihr zu streiten.
„Schreib mir eine Nachricht, oder ruf mich an, sobald du wach bist“, weise ich sie an. Dann beuge ich mich ein Stück nach unten und küsse sanft die rote Stelle in ihrem Gesicht.
Ich spüre, dass sie die Luft einzieht, sich das jedoch nicht anmerken lassen will. Daher beschließe ich, dass ich auch nicht näher darauf eingehen werde.
„Gute Nacht, Aiden“, flüstert sie.
„Gute Nacht, Sofia. Schließe die Tür hinter mir ab.“
Mehr sage ich nicht, sondern verschwinde.
Doch in dieser Nacht werde ich nicht schlafen. Ich werde Colin eine Nachricht schreiben und dann wach bleiben, damit ich sicher gehen kann, dass nicht noch einmal etwas passiert.
4
Als am nächsten Morgen die Sonne aufgeht, atme ich erleichtert auf. Die letzten Stunden stand ich neben der Tür und habe angestrengt in den Flur gelauscht. Ich habe darauf gewartet, dass dieser Wichser noch einmal auftaucht.
Erst habe ich mir gewünscht, dass er ein zweites Mal auftaucht. Ich habe mir vor meinem inneren Auge vorgestellt, wie ich ihm den Schädel einschlage und so allen eine Warnung gebe, dass sie sich von meiner Familie fernhalten sollen. Doch dann war ich froh darüber, dass ich es nicht gemacht habe. Sofia sollte keinen Schreck bekommen und sich noch mehr Sorgen machen.
Und das ist der zweite Punkt, der mir nicht gefällt. Am liebsten hätte ich sie dazu gezwungen, dass sie in meinem Zimmer schläft. Doch ich wollte mich nicht mit ihr streiten und das war wirklich der einzige Grund, wieso ich das nicht getan habe.
Unzählige Male habe ich in der letzten Nacht auf mein Handy gesehen um zu kontrollieren, ob sie mir geschrieben hat und ich es nicht gesehen habe. Doch ich habe keine weitere Nachricht mehr von ihr bekommen.
Auch jetzt nehme ich es wieder in die Hand und überprüfe das Display. Schnell öffne ich meinen Messenger und schicke ihr eine Nachricht.
Hast du Lust, mir heute etwas von Dallas zu zeigen?
Ich schicke die Nachricht ab und warte ungeduldig darauf, dass sie mir antwortet. Ein wenig komme ich mir so vor, als würde ich irgendeinem Mädchen schreiben und sie um ein Date bitten.
Dabei ist es nicht irgendein Mädchen. Sofia ist mein Mädchen und das werde ich ihr beweisen. Bei unserer Vorgeschichte und allem, was gerade los ist, ist mir jedoch bewusst, dass ich das nicht einfach so machen kann.
Ich muss ihr zeigen, dass sie alles für mich war und es noch immer ist.
Hast du nichts Besseres zu tun?
Etwas Besseres, als das Wochenende mit einem hübschen Mädchen zu verbringen?
Es dauert einen Moment, bis sie mir schreibt. Doch dann lese ich ihre Nachricht, in der steht, dass sie sich schon freut und lächle.
Als ich nach Dallas gefahren bin, habe ich mir den Kopf darüber zerbrochen, wie ich mich ihr am besten nähere. Doch nun höre ich einfach auf mein Gefühl und hoffe, dass es mich nicht trügt.
Da ich nicht denke, dass er sich ihr am Tag nähern wird, wenn überall Leute um sie herum sind, gehe ich schnell duschen und ziehe mich dann an.
Um sie nicht zu verpassen, trete ich auf den Flur und lehne mich an der Wand an, der sich ihrer Tür gegenüber befindet.
Es dauert noch ein paar Minuten, bis sie endlich herauskommt. Mein Blick bleibt an ihrer Jeans und ihrem engen grünen Oberteil kleben. Sie überlassen wirklich nichts der Fantasie, sodass ich mir in letzter Sekunde gerade noch ein Seufzen verkneifen kann.
An ihren Armen kann ich ein paar blaue Flecke aufgrund des nächtlichen Überfalls erkennen. Und ich bin mir sicher, dass ihre Rippen und Beine nicht besser aussehen.
Wahrscheinlich ist es besser, dass ich das gerade nicht sehen kann, denke ich und spüre, wie die Wut wieder die Kontrolle über mich haben will.
Da sie mich anscheinend nicht bemerkt, stoße ich mich von der Wand ab und gehe auf sie zu.
„Du scheinst oft in Gedanken zu sein“, stelle ich fest, als sie kurz vor mir zum Stehen kommt.
An ihrer Gesichtsfarbe, die sich leicht rot färbt, erkenne ich, dass sie ein wenig verlegen ist, als sie mich in die Seite knufft.
„Es freut mich, dass es dir anscheinend wieder etwas besser geht.“
„Ich habe mir gerade nur überlegt, was ich dir zeigen könnte. Hast du irgendwelche Wünsche?“, erklärt sie mir, ohne auf meinen Kommentar einzugehen.
„Ich bin da ganz offen.“
Langsam hebt sie ihren Kopf und sieht an mir vorbei. Auf den ersten Blick erkenne ich, dass sie schüchtern ist. Dabei macht sie nicht den Eindruck auf mich, als wäre sie das normalerweise. Dies nehme ich als Hinweis darauf, dass sie die Anziehung zwischen uns auch spürt. Und das wiederum wird es mir wahrscheinlich alles ein wenig einfacher machen.
„Also gut“, murmelt sie schließlich.
Gemeinsam verlassen wir das Wohnhaus, wobei ich dicht neben ihr gehe. Alle paar Sekunden streicht meine Hand über ihre.
Ich führe sie zum Parkplatz und laufe dort zwischen den Autos entlang, bis wir den hintersten Teil erreichen.
„Warum parkst du nicht weiter vorne?“, fragt sie mich neugierig.
„Ich will nicht riskieren, dass mir jemand eine Delle in den Wagen fährt.“ Gleichgültig zucke ich mit den Schultern, während wir auf den schwarzen Ford Ranger zugehen.
Dass dies nicht die Wahrheit ist, behalte ich für mich. Die sieht nämlich so aus, dass ich nicht wollte, dass der Wagen sofort auffällt. Jetzt weiß er jedoch, dass ich da bin, daher ist es nun auch egal.
Sofia bleibt stehen und sieht ungläubig den Truck an, der sich vor ihr befindet.
„Das ist dein Auto?“
„Man gönnt sich ja sonst nichts.“
Während ich spreche, stelle ich mich neben die Tür der Beifahrerseite und öffne sie für Sofia.
„Danke“, murmelt sie verlegen und klettert in den großen Wagen.
Stumm schließe ich sie wieder und steige ebenfalls ein, nachdem ich ihn umrundet habe.
„Bereit?“
Ich schaue sie fragend an und wende den Blick erst nach vorne, nachdem sie genickt hat.
„Verrätst du mir, wo wir hinfahren?“, erkundige ich mich und starte den Motor.
Mit routinierten Bewegungen lenke ich ihn vom Parkplatz, bis wir die Straße erreicht haben.
„Ich werde dir sagen, wo es langgeht.“
Nachdenklich wende ich mich ihr zu und betrachte sie kurz. Doch in der nächsten Sekunde richte ich meinen Blick wieder auf die Straße.
Während wir uns unserem Ziel nähern, spüre ich die Nervosität, die von ihr ausgeht. Kurz frage ich mich, wieso das so ist. Doch dann beschließe ich, dass ich nicht weiter darüber nachdenken, sondern es einfach auf mich zukommen lassen werde.
„Wow“, entfährt es mir, als ich sehe, wo wir uns befinden.
Nachdem ich einen freien Platz gefunden habe, steige ich aus und gehe auf ihre Seite. Dort strecke ich ihr meine Hand entgegen, nachdem ich die Tür geöffnet habe. Mit einem Lächeln auf dem Gesicht greift sie danach, sodass ich ihr beim Aussteigen helfen kann. Dabei merke ich die Zweifel, die sie gerade hat. Doch das muss sie nicht haben. Aus diesem Grund bleibe ich dicht vor ihr stehen.
„Das ist ein super Ort. Mach dir nicht so viele Sorgen“, flüstere ich in ihr Ohr, nachdem ich mich ein Stück nach vorne gelehnt hat.
Überrascht hebt sie ihren Kopf und sieht mich an. Ich habe für mich beschlossen, dass ich sie spüren lassen werde, was sich zwischen uns befindet. Ich werde mich nicht mehr dagegen wehren. Von dieser Chance habe ich in den letzten Jahren geträumt und nun werde ich sie ergreifen.
Aufmunternd lächle ich sie an und führe sie auf die lange Schlange zu, die sich vor dem Eingang befindet. Während ich mich umsehe, erkenne ich aus dem Augenwinkel, dass sie mich beobachtet.
Es dauert einige Minuten, doch schließlich sind wir an der Reihe.
„Seit wann bezahlt die Frau selbst? Ich hatte zwar schon länger kein Date mehr, aber ich meine, dass sich gewisse Regeln nicht geändert haben“, flüstere ich, als ich sehe, dass sie ihre Geldbörse aus der Tasche ziehen will.
Ruckartig dreht sie ihren Kopf zu mir, aber ich gehe nicht weiter darauf ein. Schweigend gebe ich der Angestellten das Geld, während ich weiß, dass sich in ihrem Kopf die Gedanken überschlagen.
Mir ist bewusst, dass sie über dieses eine Wort nachdenkt. Daher überlasse ich sie nun auch ihren Gedanken. Sie soll ruhig wissen, was das hier für mich ist.
„Kommst du oft her?“, frage ich sie und lenke so ihre Aufmerksamkeit wieder auf mich, als ich die Eintrittskarten erhalten habe.
„Ich versuche es.“
Ich nicke, da mir in diesem Moment bewusst wird, dass das hier ein sentimentaler Ort für sie ist.
Gemeinsam gehen wir auf den Eingang zu, wo ich die Karten durch den Scanner ziehe. Auf der anderen Seite befinden sich ein paar tropische Bäume und das Plätschern von Wasser ist zu hören. Bunte Blumen befinden sich in Töpfen und Beeten, die auch nicht aus diesen Breitengraden stammen.
Ein paar Schritte weiter befindet sich ein kleiner Springbrunnen, neben dem wir stehen bleiben. Ich befinde mich dicht neben ihr und lasse sie so meine Anwesenheit spüren.
„Ich gebe zu, dass hier habe ich nicht erwartet.“
Aufmerksam beobachtet sie mich dabei, wie mein Blick von rechts nach links wandert. Als Kinder waren Colin und ich einmal mit, als sie mit ihrer Mutter hergefahren ist, allerdings in Los Angeles.
„Was hast du denn erwartet?“
„Ein paar Fische, die in Aquarien herumschwimmen.“
Ihr leises Lachen dringt an meine Ohren. Ich bin froh darüber, dass ich sie zum Lachen bringen konnte. Es kommt mir so vor, als wäre sie traurig.
Gemeinsam gehen wir weiter hinein.
Es dauert nicht lange, bis wir eine kleine Bank erreichen, die an einem künstlich angelegten Fluss steht. Ich weiß nicht wieso, doch mein Blick bleibt an ihr hängen. Ein merkwürdiges Gefühl macht sich in mir breit, welches ich nicht verdrängen kann.
Als ich mich wieder auf Sofia konzentriere und sie mit einem liebevollen Blick ansehe, bemerke ich, dass ihre gute Laune schlagartig verschwunden ist.
„Was ist los? Und jetzt sage mir nicht nichts. Ich spüre, dass du etwas hast.“
Gemeinsam setzen wir uns auf die Bank. Doch ich lasse mich so neben ihr nieder, dass ich sie nicht eine Sekunde aus den Augen lassen muss. Meine linke Hand befindet sich auf ihrem Oberschenkel, während meine rechte über ihren Rücken streicht.
Eine Ewigkeit sitzen wir hier so.
„Hey, nicht weinen“, stelle ich fest, als sich eine einzelne Träne aus ihrem Augenwinkel löst.
Bereits in der nächsten Sekunde hebt sie ihre Hand und wischt sie weg. Sie will sich von mir wegdrehen, doch ich bin schneller. Sanft berühre ich ihr Kinn und bewege ihren Kopf zu mir, sodass ich sie richtig betrachten kann.
„Früher war ich oft mit meiner Mutter hier“, erklärt sie endlich. „Sie war Biologin und hat mir alles über die Tiere erzählt. Es gab für uns nichts Schöneres, als hier die Tage zu verbringen. So glücklich, wie sie hier war, habe ich sie sonst nur selten gesehen. Irgendwann habe ich sie beobachtet. Sie saß genau hier und hatte ein Bild in der Hand. Nachdem ich mich angeschlichen habe, erkannte ich einen Mann. Aber bevor ich ihn mir genauer ansehen konnte, hat sie mich bemerkt und das Foto in ihrer Handtasche verschwinden lassen.“
Ich wusste, dass es nie für Colin, mich und unsere Familien einfach war. Doch es ist das erste Mal, dass ich ein Gefühl dafür bekomme, wie es ihr damals erging und wahrscheinlich noch immer geht.
„Deine Mutter ist auch Biologin? Dann ist sie sicherlich stolz auf dich.“
Ich kenne bereits die Antwort auf diese Frage. Dennoch stelle ich sie, um mehr zu erfahren.
„Ich weiß es nicht und ich werde es auch nie erfahren. Sie starb vor Jahren bei einem Autounfall. Der andere Fahrer verschwand, ohne dass ihn jemand sehen konnte. Die Spuren an ihrem Auto ließen aber keinen Zweifel daran, dass noch ein zweiter Wagen in den Unfall verwickelt war. Es wurde nie aufgeklärt.“
Ich schlucke und versuche mir die Wut, die ich schon wieder empfinde, nicht anmerken zu lassen. Sie richtet sich nicht nur gegen diesen Idioten, sondern auch gegen unsere Eltern. Auch jetzt kann ich noch immer nicht nachvollziehen, wie ihr Vater zulassen konnte, dass ihre Mutter diesen Schritt ging.
Meine Muskeln wollen sich anspannen, doch ich versuche mich wieder unter Kontrolle zu bekommen, damit sie nichts merkt. Diese Gefühle haben hier und jetzt nichts zu suchen. Jetzt geht es um Sofia und nicht um mich. Ich bin mir sicher, dass ich irgendwann die Gelegenheit bekommen werde, um mich zu rächen.
„Und dein Vater?“, frage ich sie nun.
„Ich kenne ihn nicht. Meine Mutter hat niemandem gesagt, wer er ist oder wo er wohnt. Ich weiß von meiner Vergangenheit nur, dass wir nach meiner Geburt ein paar Jahre in Los Angeles gelebt haben, bevor wir nach Dallas gekommen sind.“
Sofia zuckt mit den Schultern. Auf diese Weise will sie den Eindruck bei mir erwecken, dass es nicht schlimm für sie ist. In den letzten Minuten habe ich jedoch das Gegenteil bei ihr bemerkt.
„Ich bin mir sicher, wenn dein Vater wüsste, was für eine wundervolle Tochter er hat, würde er sich in den Hintern treten.“
Vor allem werde ich das aber bei der nächsten Gelegenheit machen, denke ich.
In diesem Moment bin ich mir sicher, dass er keine Ahnung hat, was er Sofia angetan hat. Unsere Väter haben nur ihren bescheuerten Plan verfolgt und alles andere verdrängt.
Vorsichtig wische ich ihr noch eine Träne aus dem Gesicht und lächle sie dabei an.
„Ich weiß es nicht. Als mir klar wurde, dass meine Mutter nicht mehr zurückkommen wird, habe ich mich danach gesehnt, dass ich zu einer richtigen Familie gehöre. Zu Weihnachten haben alle Kinder ihren Wunschzettel geschrieben. Sie waren so lang. Auf meinem stand nur das Wort Papa. Nachts habe ich sogar zu Gott gebetet, dass er mich nach Hause bringt. Aber mit den Jahren habe ich gelernt, damit umzugehen.“
Um mir nicht anmerken zu lassen, was ich gerade am liebsten mit ihrem Vater machen würde, nicke ich nur. Allerdings nehme ich mir vor, dass ich ihm bei der nächsten Gelegenheit eine nicht so freundliche Nachricht schreiben werde.
Ich nicke, da ich gerade sehr gut verstehen kann, wie es ihr geht. Aus einem Reflex heraus schließe ich sie in meine Arme und ziehe sie näher zu mir. In diesem Moment will ich ihr nah sein und ihr zeigen, dass nicht alle Männer aus ihrer Vergangenheit solche Idioten sind, wie unsere Väter.
Die nächsten Minuten ist es ruhig zwischen uns. Die Unterhaltungen der anderen Besucher dringen zu uns heran. Doch all das ist unwichtig. Jetzt gibt es nur uns. Ich versuche ihr Kraft zu geben und sie so wieder ein wenig aufzubauen.
„Na komm, zeig mir alles“, fordere ich sie schließlich auf und ziehe sie auf die Füße.
„Es tut mir leid. Ich wollte dir mit meiner Lebensgeschichte nicht den Tag versauen.“
„Das braucht es nicht. Was du erlebt hast, sollte kein Kind erleben. Du brauchst dich deswegen nicht bei mir zu entschuldigen, nur weil die Nerven mit dir durchgegangen sind. Ich bin sogar froh darüber, weil du mich an einen Ort gebracht hast, der dir so viel bedeutet.“
Ich lasse keinen Zweifel daran, dass ich es genauso meine, wie ich es sage. Und eigentlich noch viel mehr. In erster Linie meine ich damit, dass sie von ihrer Familie getrennt wurde, als sie diese Entscheidung noch nicht einmal selber treffen konnte.
Während wir durch das Innere gehen, scheint sie wie ausgewechselt zu sein. Und ich bin mir sicher, dass ich meinen Teil dazu beitrage.
Ich zeige ihr, dass es gerade keinen anderen Ort gibt, an dem ich lieber wäre, als hier mit ihr. Keine Sekunde weiche ich von ihrer Seite. Als wir gemeinsam in dem langen Tunnel stehen, der durch das Wasser hindurchführt, stelle ich mich hinter sie und schlinge meine Arme um ihren Körper. Langsam hebe ich meinen Kopf und sehe nach oben, wo gerade ein Hai schwimmt.
„Hast du Hunger?“, frage ich sie und reiße sie so aus ihren Gedanken heraus.
„Reicht dir das als Antwort?“, gibt sie mit einem frechen Grinsen zurück, nachdem ihr Magen geknurrt hat.
Ich kann ein Lachen nicht für mich behalten. In der nächsten Sekunden lege ich meine Hand auf ihren Rücken. Dabei versuche ich so sanft wie möglich zu sein. Dennoch spüre ich, wie sie bei dieser Berührung zusammenzuckt.
„Ich hätte den Arsch umbringen sollen“, zische ich zwischen den Zähnen wütend hervor.
„Mir geht’s schon viel besser. Aber wahrscheinlich hätte ich zur Polizei gehen sollen.“
„Die werden das nur aufnehmen, aber auch nicht dagegen tun“, stelle ich unbeirrt fest.
Kaum habe ich ausgesprochen, spüre ich ihren verwirrten Blick auf mir.
„Woher willst du das wissen?“
„Erfahrung“, antworte ich nur.
Bevor sie noch mehr zu diesem Thema von sich geben kann, schiebe ich sie bereits vor mir her. Ich kann mir vorstellen, dass sie darüber nachdenkt, was genau ich damit meine. Daher muss ich schnell etwas finden, womit ich sie ablenken kann.
„Hast du da schon mal gegessen?“, erkundige ich mich also und nicke in die Richtung eines Restaurants, welches sich auf unserem Weg befindet.
„Ist richtig lecker.“
Kaum hat sie den Satz beendet, ziehe ich sie hinterher, bis wir einen freien Tisch erreicht haben. Ich bedeute ihr, dass sie sich setzen soll, während ich uns etwas zu essen holen.
„Ich hoffe, du träumst von etwas Schönem“, stelle ich fest, als ich zurückkomme.
„Ich habe nicht geträumt.“
Prüfend sehe ich sie an. So ganz glaube ich ihr nicht. Doch ich weiß auch nicht, woran sie sonst denkt. Stattdessen stelle ich das Tablett ab und reiche ihr einen Teller mit einem Sandwich und eine Flasche Wasser.
„Du scheinst hier ein paar Angestellte zu kennen.“
„Was?“ Verwirrt blickt sie mich an.
„Die Dame da vorne zum Beispiel. Sie hat mir gesagt, dass sie mir gehörig auf die Füße treten wird, falls ich es nicht ernst mit dir meine.“
Um ihr zu verdeutlichen, von wem ich spreche, zeige ich in die entsprechende Richtung. Es dauert einen kleinen Augenblick, doch schließlich beginnt Sofia zu lachen. Die Bedienung sieht mich noch immer finster an.
„Das ist Maria. Sie arbeitet seit Jahren hier. Nachdem sie ein paar Mal beobachtet hat, dass ich alleine hier war, hat sie mich nach dem Grund gefragt“, erklärt Sofia.
„In all der Zeit warst du immer alleine hier? Den Grund würde ich auch gerne erfahren.“
Meine Stimme klingt ungläubig und genau das bin ich auch.
„Ich hatte nie das Bedürfnis, jemanden hier herzubringen. Es war immer der Platz, an dem ich mich meiner Mutter nahe gefühlt habe“, gibt sie zu, nachdem sie kurz darüber nachgedacht hat.
„Ich freue mich darüber, dass du mich hergebracht hast. Es ist wirklich cool hier. Aber das hättest du nicht machen müssen.“
Ich kann nicht verhindern, dass ich ein schlechtes Gewissen bekommen habe.
„Und wenn ich es wollte?“
„Dann ist es etwas anderes.“
Ich pfeife einmal kurz leise, gehe jedoch nicht näher darauf ein.
„Es ist schon spät“, stellt Sofia fest, nachdem wir aufgegessen haben.
Erst jetzt wird mir bewusst, dass wir den ganzen Tag hier waren. Doch noch will ich ihn nicht enden lassen.
„Wollen wir noch irgendwo ein Stück spazieren gehen?“
„Gerne.“
Ein letztes Mal sehe ich sie an und versuche so herauszufinden, ob sie das wirklich will, oder einfach nur sagt, um mir einen Gefallen zu tun. Da ich jedoch nichts in ihrem Gesicht finden kann, was auf letzteres hindeutet, bringe ich die Tabletts weg. Kaum habe ich sie erreicht nehme ich ihre Hand in meine und gemeinsam verlassen wir das Gebäude.
„Wir können zum Fair Park fahren“, überlegt Sofia, nachdem wir wieder in den Wagen gestiegen sind.
„Das hört sich gut an. Wo muss ich lang?“
Geschickt leitet sie mich durch den Verkehr. Immer wieder schaue ich dabei in den Rückspiegel und gehe so sicher, dass uns niemand folgt. Allerdings kann ich weit und breit niemanden entdecken.
Als wir unser Ziel endlich erreichen, bleibe ich an einer Stelle stehen, von der aus man das gesamte Gelände überblicken kann.
„Kein Wunder, dass deine Mutter unbedingt nach Dallas wollte. Es ist wirklich schön hier.“
„Warst du noch nie hier?“
„Man könnte fast sagen, dass ich einen Pfeil auf die Karte geworfen habe.“
„Das war aber ziemlich mutig von dir. Es hätte ja auch sein können, dass du in irgendeinem Kaff landest, dass nicht einmal ein College hat.“
„In dem Fall hätte ich das nächstgelegene genommen. Zwischendurch gehe ich solche Risiken ein.“
Ich zwinkere ihr zu, während ich die Tür öffne und aussteige.
„Da lang.“ Sofia zeigt zu dem See, der ein paar Meter von uns entfernt ist.
„Ich folge dir unauffällig.“
Ich gehe dicht hinter ihr, während sie durch die Menschenmenge geht. Nach einigen Metern bleibt sie jedoch stehen.
„Was ist das?“
Neugierig schaue ich auf den See. Im Wasser befinden sich mehrere Wege, die sich überschneiden. Teilweise sind sie sogar bis zu dreißig Zentimeter unter Wasser.
„Cool, oder?“
Sofia zieht ihre Schuhe und Socken aus. Sie wirft die Sachen einfach zur Seite und geht auf das Wasser zu.
„Was hast du vor?“
Ich schaue ihr irritiert dabei zu, doch das scheint sie nicht zu interessieren.
Langsam geht sie ein Stück auf dem trockenen Teil entlang, bevor sie mit beiden Füßen im Wasser steht. Unbeeindruckt geht sie weiter, als würde sie das jeden Tag machen. Bevor sie die andere Seite erreicht, bleibt sie in einer Vertiefung stehen und dreht sich zu mir.
„Komm“, ruft sie mir zu und streckt ihre Hand nach mir aus.
Schnell ziehe ich meine Schuhe und Socken ebenfalls aus.
„Das ist echt cool. So etwas sollte es auch in Los Angeles geben.“
Ich nehme Anlauf und überspringe ein kurzes Stück, welches sich im Wasser befindet. Mit langsamen und geschmeidigen Schritten nähere ich mich ihr. Sofia weicht ein Stück zurück, doch ich bin schneller.
In der nächsten Sekunde stehe ich so dicht vor ihr, dass meine Brust bei jedem Atemzug ihr streift. Ich blicke zu ihr hinunter und streiche eine Strähne aus ihrem Gesicht.
„Du brauchst vor mir keine Angst zu haben. Ich werde dir nichts tun“, flüstere ich.
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