Читать книгу: «Seal Team 9»
Sarah Glicker
Seal Team 9
Ryan & Kimberley
Dieses ebook wurde erstellt bei
Inhaltsverzeichnis
Titel
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
Impressum neobooks
1
Sarah Glicker
Seal Team 9
Ryan & Kimberley
Sarah Weber
Alter Postweg 31a
48477 Hörstel
Copyright by Sarah Weber
Alle Rechte vorbehalten!
Vervielfältigungen, auch auszugsweise, bedürfen der offiziellen schriftlichen Genehmigung der Autorin!
Ryan
Seufzend, und auch ein wenig augenverdrehend, fahre ich rechts ran, als ich das aufleuchtende Blinklicht einer Sirene in meinem Rückspiegel erkenne, der von einem schrillen Ton begleitet wird. Mir ist klar, dass ich etwas zu schnell gefahren bin. Genauso bin ich mir darüber bewusst, dass dieser Begriff sehr dehnbar ist. Das hängt wahrscheinlich auch sehr von der Sichtweise ab.
Zu meiner Verteidigung muss ich aber festhalten, dass ich dies jedoch nur gemacht, weil ich sonst zu spät zum Dienst komme und ich das in der nächsten Zeit eindeutig vermeiden will. Um genau zu sein habe ich erst gestern diesen Entschluss gefasst und muss ihn nun schon brechen, wenn ich es nicht schaffe, das den Beamten zu erklären. Und das ist wahrscheinlich nicht so einfach.
Mir ist klar, dass das keine Ausrede ist, mit der ich bei einem Polizisten durchkomme. An ihrer Stelle würde ich sie wahrscheinlich auch nicht gelten lassen. Er wird mir eine Standpauke halten, dass es kein Grund ist, die Verkehrssicherheit außer Acht zu lassen und hätte damit auch recht. Normalerweise halte ich mich auch an die Regeln, meistens zumindest. Das muss er aber nicht unbedingt wissen.
Allerdings habe ich so schnell keine andere zur Hand, daher kann ich nur hoffen, dass er beide Augen zu drückt und mich mit einem gehörigen Schrecken davon kommen lässt. Allerdings ist mir klar, dass die Chance dafür sehr gering ist.
Vor allem dann, wenn er schlechte Laune hat.
Angespannt fahre ich mir über den Nacken und werfe einen erneuten Blick in den Rückspiegel.
Ich beobachte, wie eine Polizistin aus dem Streifenwagen steigt, der dicht hinter meinem Truck steht, und sich mit sicheren Schritten meinem Auto nähert. Dabei fällt mir auf Anhieb auf, dass sie keine Uniform trägt, was eher ungewöhnlich ist. Ihre Jeans und das Shirt liegen eng an, sodass ich sogar durch den Spiegel hindurch sämtliche Kurven ihres Körpers erahnen kann. Und ich muss sagen, dass es wirklich heiße Kurven sind.
Allerdings ist mir auch bewusst, dass sie nicht irgendeine Streifenpolizistin ist.
Ihre blonden Haare, die sie offen trägt, wehen im Wind und unterstreichen ihr Äußeres noch.
Sie sieht eher so aus, als wäre sie gerade auf einer Shoppingtour und nicht im Dienst.
Als Nächstes werfe ich einen Blick auf ihren Kollegen, der ebenfalls den Wagen verlassen hat. Dieser sichert die andere Seite, wobei ich nicht gerade behaupten kann, dass man das als sichern bezeichnen kann. Ich habe zwar keine Ausbildung bei der Polizei gemacht und auch sonst nicht viel mit ihnen zu tun, aber sogar ich weiß, dass es eigentlich anders aussehen müsste und sie es definitiv auch anders lernen.
Er stellt sich zwar hinter meinen Wagen und sieht sich einmal kurz zu allen Seiten hin um, allerdings scheint ihn nichts zu interessieren, wenn man mal von seinem Handy absieht, welches er in der Hand hält. Immer wieder schaut er darauf und scheint etwas einzutippen. Allerdings kann ich das nicht genau erkennen.
Als ich wieder auf die Frau blicke, erkenne ich, dass sie anscheinend nicht sehr glücklich ist. Sie verzieht ihr Gesicht, als hätte sie gerade eine schlechte Nachricht bekommen. Mein Gefühl sagt mir jedoch, dass das nicht der Grund für ihre schlechte Laune ist.
Neugierig lasse ich sie nicht aus den Augen, bis sie neben meinem Fahrzeug stehen geblieben ist. Erst dann fahre ich das Fenster hinunter und sehe sie demonstrativ an.
Mit einem frechen Grinsen auf den Lippen bedenke ich sie. Als sie mich ansieht, macht es im ersten Moment den Eindruck auf mich, als würde sie nicht mehr wissen, was sie überhaupt von mir will. Doch ich nutze die Chance, die sich mir gerade ergibt und grinse sie schief an.
Auf den ersten Blick erkenne ich, dass sie keine Ahnung hat, wie sie reagieren soll. Mein Gefühl sagt mir, dass es nicht sehr oft passiert, dass sie jemandem wie mir über den Weg läuft, der sofort in die Offensive geht. Dabei hatte sie sicherlich schon mit den unterschiedlichsten Typen zu tun.
Der Unterschied zwischen ihnen und mir ist allerdings, dass ich mich nicht aus der Ruhe bringen lasse. Ich bin ein Navy Seal, da war ich schon in ganz anderen Situationen. Schon alleine deswegen habe ich keinen Grund, wieso ich mich beunruhigt zeigen sollte.
Dann kommt noch die Tatsache hinzu, dass ich weiß, wie man eine Frau aus ihrem inneren Gleichgewicht zieht. Und ich gebe zu, dass ich das bei ihr wirklich gerne mache.
Langsam lasse ich meinen Blick über ihren Körper wandern, wobei ich beobachten kann, dass sie immer unsicherer wird. Ich habe keine Ahnung, mit was für Leuten sie normalerweise in ihrem Job zu tun hat, aber ich bin mir sicher, dass so offensichtlich noch keiner mit ihr geflirtet hat, ohne mit ihr zu sprechen. Und das gilt für ihr Privatleben, wie auch für ihren Beruf.
Sonst würde sie ganz anders reagieren.
„Allgemeine Verkehrskontrolle“, bringt sie schließlich heraus, nachdem sie sich anscheinend wieder etwas gefangen hat.
„Das habe ich mir schon gedacht.“ Mit einem frechen Grinsen bedenke ich sie.
Gleichzeitig kann ich aber auch nicht für mich behalten, dass ich ein wenig unter Zeitdruck stehe, als mein Blick zu der Uhr auf dem Display wandert, welches sich in der Mitte meines Fahrzeugs befindet.
„Sie wissen, dass Sie zu schnell gefahren sind?“, erkundigt sie sich und wirft mir einen skeptischen Blick zu.
In diesem Moment ist sie vollkommen in ihrem Element. Und ich gebe zu, dass sie dabei wirklich sexy aussieht. Hier und jetzt hat das aber nichts zu suchen.
„Sorry, mein Vorgesetzter ist nicht sehr froh darüber, wenn ich zu spät komme. Er hat gerade erst angefangen und da würde ich nur ungern direkt negativ auffallen.“
Ich verziehe ein wenig das Gesicht und hoffe inständig, dass sie mich einfach fahren lässt.
Es wird immer später und später. Bereits in einer halben Stunde muss ich zum Dienstbeginn da sein und das ist kaum noch zu schaffen. Dennoch bleibe ich ruhig und halte mir vor Augen, dass sie auch nur ihren Job macht. Obwohl ich zugeben muss, dass mir das gerade nur sehr schwerfällt.
„Und wo arbeiten Sie? Auf dem Stützpunkt?“, fragt sie mich nun, als ihr Blick auf die Flagge fällt, die sich an meinem grünen Shirt befindet.
An ihrer Stimme erkenne ich, dass sie mich eigentlich damit aufziehen will.
„Ich bin ein Navy Seal“, erkläre ich deswegen nur und zucke mit den Schultern.
Im ersten Moment sehe ich ihr an, dass sie keine Ahnung hat, wie sie darauf reagieren soll. Ein wenig unsicher betrachtet sie mich, sodass ich noch eines obendrauf setze.
Sanft lächle ich sie an. Noch in der gleichen Sekunde kann ich erkennen, dass sie unsicher wird. Im ersten Moment hat sie keine Ahnung, wie sie darauf reagieren soll. Doch dann erwidert sie es, wenn auch etwas zaghafter.
„Navy Seal?“, fragt sie beinahe vorsichtig nach.
Ich nicke nur.
Nachdenklich betrachtet sie mich einige Sekunden. Gerade würde ich gerne wissen, was in ihrem Kopf vor sich geht. Das würde es mir einfacher machen. Und unter normalen Umständen wüsste ich das auch. Sie hat sich allerdings so sehr verschlossen, dass ich es gerade nicht sagen kann.
„Okay“, gibt sie schließlich von sich, nachdem sie anscheinend darüber nachgedacht hat.
Sie spricht allerdings so leise, dass ich sie kaum verstehen kann. Kurz wandert ihr Blick zu ihrem Kollegen, der uns allerdings nicht zu beachten scheint. Noch immer blickt er auf sein Handy und scheint allgemein nichts von seiner Umwelt wahrzunehmen.
Wäre er ein Seal, wäre er schon längst aus dem Zug geschmissen worden. Hätte er dieses Verhalten bei seiner Ausbildung gezeigt, hätte er nicht einmal den ersten Tag überstanden.
Müsste ich sein Verhalten beurteilen, würde ich behaupten, dass er irgendwie gelangweilt aussieht. Beinahe so, als wäre er lieber irgendwo anders.
Zu gerne würde ich zu ihm gehen und ihm das Handy aus der Hand nehmen. Mir liegen die Worte auf der Zunge, dass das, was er macht, nicht gerade ungefährlich ist. Schließlich weiß man nie, wer sich in einem Fahrzeug befindet. Es gibt nämlich Gründe, wieso man zu zweit unterwegs ist.
Man gibt sich gegenseitig Deckung und unterstützt sich. Allerdings kann ich beides bei ihm nicht erkennen.
Diese Worte behalte ich allerdings für mich. Mein Gefühl sagt mir, dass es gerade nichts bringen würde. Allerdings nehme ich mir vor, dass ich mit seinem Vorgesetzten sprechen werde, sobald ich die Gelegenheit dazu habe.
Als ich mich wieder auf die Polizisten konzentriere, erkenne ich, dass sie mich nachdenklich ansieht.
„Na gut“, erklärt sie schließlich. „Sie können weiterfahren.“
Im ersten Moment kommt es mir so vor, als hätte ich mich verhört.
„Wirklich?“, frage ich, um sicherzugehen, dass ich sie richtig verstanden habe.
Dabei sagt mir mein Verstand, dass ich einfach Gas geben und von hier verschwinden soll, bevor sie es sich noch einmal anders überlegt. Doch genau das mache ich nicht.
„In gewisser Weise sind wir ja Kollegen“, stellt sie nun fest.
Vorhin war ich schon überrascht, doch nun bin ich es erst recht. Das lasse ich mir jedoch nicht anmerken.
„Ich bin mir sicher, dass wir uns bald wiedersehen werden“, flüstere ich mit verführerischer Stimme.
Noch während ich spreche, kann ich erkennen, dass sie zusammenzuckt und irgendwie unsicher aussieht.
Dabei bin ich mir sicher, dass sie das normalerweise nicht ist. Als Polizistin strahlt sie Selbstsicherheit aus. In ihrem Job weiß sie genau, was sie macht. Sie strahlt eine gewisse Selbstsicherheit aus, die mir zeigt, dass sie schon einiges gesehen hat. Doch auf mich macht es den Eindruck, als wäre das in ihrem Privatleben das komplette Gegenteil.
Jetzt habe ich aber keine Zeit, mich damit auseinanderzusetzen, sonst komme ich wirklich noch zu spät zur Arbeit, obwohl ich das gerne vermeiden würde.
Gleichzeitig würde ich aber auch gerne wissen, wie weit ich gehen kann, bis sie einknickt. Daher hoffe ich, dass meine Worte stimmen und wir uns wirklich bald wieder über den Weg laufen werden. Beim nächsten Mal werde ich sie nämlich nicht einfach gehen lassen.
Nun muss ich mich aber damit begnügen, sie ein letztes Mal anzulächeln, bevor ich mich auf den Weg zur Arbeit mache. Gerade kann ich nur noch hoffen, dass ich es noch pünktlich schaffe.
2
Kimberley
Ich weiß noch immer nicht, was ich von dieser Idee halten soll. Und das, obwohl ich die letzten Tage genug Zeit hatte, um mich mit dem Gedanken, dem Plan – oder wie man es auch immer nennen will - anzufreunden. Immer wieder habe ich mir aus diesem Grund die Vorteile vor Augen gehalten. Dennoch habe ich es nicht wirklich geschafft ihn für mich ins richtige Licht zu rücken.
Es ist eher so, dass ich noch immer der Meinung bin, dass es eine schwachsinnige Idee ist. Und ich kann wenigstens vor mir selber zugeben, dass diese Meinung sich immer mehr in mir festigt. Schließlich sind wir in der Vergangenheit besser damit gefahren, wenn so wenig Personen wie möglich Bescheid über das wussten, was wir gemacht haben. Und ausgerechnet jetzt will mein Chef ein komplettes zweites Team dazu holen.
Klar, sie sind Navy Seals und zählen daher zu den best ausgebildeten Einsatzkräften in den USA. Sie übernehmen Aufträge, die eigentlich unmöglich sind und schaffen sie. Das haben sie in der Vergangenheit mehrmals bewiesen, was natürlich auch an mir nicht vorbeigegangen ist.
Allerdings bin ich mir nicht sicher, ob sie auch wirklich die richtigen dafür sind. Schließlich fällt das nicht in ihren Aufgabenbereich. Es ist Polizeiarbeit und nicht die von Soldaten. Unsere Arbeit unterscheidet sich in großen Teilen. Alleine die Herangehensweisen sind komplett unterschiedlich.
Und obwohl ich das meinem Chef mehrmals versucht habe zu erklären, haben wir uns vor einer halben Stunde in zwei Autos gesetzt und sind auf dem Weg zum Stützpunkt.
Seufzend streiche ich mir eine Strähne aus dem Gesicht.
„Mir ist klar, dass du nicht begeistert davon bist. Allerdings willst du diesen Fall wohl auch irgendwann abschließen und dich mit etwas anderem beschäftigen. Mir hängt er zumindest schon aus den Ohren raus, weil wir uns ständig im Kreis bewegen und dabei keinen Schritt nach vorne machen“, zischt mir meine Kollegin Amelie wütend zu. „Also sollten wir das Gute daran sehen und hoffen, dass wir uns bald um etwas anderes kümmern können.“
Man könnte meinen, dass sie darauf achtet, dass sie sonst niemand hört. Doch ich brauche nur einen Blick in ihr Gesicht zu werfen, um zu wissen, dass es ihr eigentlich egal ist. Und so kenne ich sie auch.
Seitdem ich sie das erste Mal gesehen habe, hat sie irgendein Problem mit mir. Bis jetzt hat sie mir gegenüber aber noch kein Wort darüber verloren, was ihr verdammtes Problem ist. Daher habe ich beschlossen, dass es ihres ist und nicht meines.
Wir arbeiten schon seit ein paar Jahren in der gleichen Abteilung. Allerdings ist es das erste Mal, dass wir mit dem gleichen Fall betraut sind. Und wenn ich mir überlege, wie es die letzte Zeit zwischen uns lief, ist das wahrscheinlich auch besser so.
Ich kann nicht einmal ansatzweise sagen, was ihr Problem ist. Allerdings habe ich sie auch noch nie danach gefragt. Schließlich hat es mich nicht interessiert. Ich habe immer meinen Job gemacht und sie ihren. Dabei sind wir uns nicht in die Quere gekommen.
Und wenn ich ehrlich bin, ist es mir auch jetzt egal. Wenn sie es mir von sich aus nicht sagen will, hat sie Pech gehabt.
Seufzend lasse ich meine Stirn wieder gegen die kühle Scheibe sinken und schließe die Augen. Doch kaum habe ich das gemacht, habe ich wieder das Gesicht des Mannes vor Augen, der mir gestern durch Zufall über den Weg gelaufen ist. Und wenn wir es genau nehmen, war es nur ein Zufall. Schließlich bin ich nur für eine Kollegin eingesprungen, die dringend zu einem Notfall mit ihrem Kind musste. Ich hätte Feierabend gehabt, sie nicht. Da habe ich nicht lange überlegt und ihr angeboten, dass ich den Rest der Schicht für sie einspringen werde. Dabei habe ich aber nicht gedacht, was auf mich zukommen wird.
Ich habe keine Ahnung wieso, doch dieser Mann hatte es innerhalb weniger Sekunden geschafft, mich aus der Bahn zu ziehen. Und wenn wir es genau nehmen, hatte er das schon geschafft, bevor er überhaupt ein Wort von sich gegeben hat.
In meinem Privatleben könnte ich mir das sogar vorstellen. Da bin ich schüchtern und zurückhaltend. Das ist mir bewusst und bis jetzt habe ich noch nie etwas dagegen unternommen. Ich weiß nicht wieso, doch ich überlasse dem Mann die Führung und genieße es.
Vielleicht liegt es daran, dass ich das in meinem Job oft genug machen muss.
Dies ist noch ein Punkt, über den ich mir noch nie wirklich Gedanken gemacht habe.
Auch aus dem Grund, weil sobald ich die Marke an meinem Gürtel trage, ich selbstbewusster bin und es nichts mehr gibt, was mich überraschen könnte. Schon alleine deswegen weiß ich nicht, wieso er von einer Sekunde auf die andere diese Macht über mich hatte.
Am Rande höre ich, wie mein Kollege sich bei dem Soldaten anmeldet, der vor dem Tor steht und ein Klemmbrett in der Hand hält. Ich war so sehr in meine Gedanken vertieft, dass ich kaum noch wahrgenommen habe, wo wir uns befinden. Erst jetzt wird mir bewusst, dass wir bereits unser Ziel erreicht haben.
Unbewusst halte ich Ausschau nach ihm, schließlich weiß ich, dass er hier auch arbeitet. Doch schnell halte ich mir vor Augen, dass es mir egal sein kann.
Außerdem ist die Wahrscheinlichkeit ziemlich gering, dass wir uns hier tatsächlich sehen. Daher konzentriere ich mich auf etwas anderes. Beziehungsweise ich versuche es.
Es dauert einige Sekunden, doch schließlich setzt sich der Wagen wieder in Bewegung und beide fahren .
„Wenn wir eine Chance haben wollen, diese Drogen endlich von der Straße zu ziehen, brauchen wir die Hilfe der Seals. Anders wird das nichts werden. Auf jeden Fall nicht in der Kürze der Zeit, die wir uns dafür vorgenommen haben. Ich glaube, die letzten Wochen und Monate waren Beweis genug dafür, dass diese Männer uns an der Nase herumführen“, knurrt Damian, ein weiterer Kollege. „Wir sitzen schon viel zu lange an dieser Geschichte und sollten es endlich zum Abschluss bringen. So haben wir wenigstens noch die Chance, uns nicht komplett lächerlich zu machen.“
An seiner Stimme erkenne ich, dass er wütend ist. Und das passt perfekt zu seinem Verhalten in den letzten Tagen. Eigentlich passt es perfekt zu seinem Verhalten, welches er an den Tag gelegt hat, seitdem wir dazu verdonnert wurden, an diesem Fall zu arbeiten. Das behalte ich allerdings für mich. Doch ich habe mir schon vor Tagen vorgenommen, dass ich das nachholen werde, sobald alle im Gefängnis sitzen.
„Okay, gut“, stimme ich zu. Mir ist bewusst, dass er recht hat. Das bedeutet aber nicht, dass ich meine Meinung ändere. Und das mache ich auch mit meiner genervten Stimme deutlich. „Aber erklärt mir doch bitte, wieso wir alle dort auftauchen mussten.“
Da ich am meisten Zeit in diesen Fall investiert habe, hatten wir uns darauf geeinigt, dass ich alles erklären werde. Oder besser gesagt meine Kollegen sind zu diesem Entschluss gekommen. So wirklich ein Mitspracherecht hatte ich nicht dabei. Es wurde einfach über meinen Kopf hinweg entschieden, obwohl ich das nicht machen wollte.
„Die Seals sind eine geschlossene Einheit. Sie trainieren und arbeiten nicht nur zusammen, sondern sie halten auch privat zusammen. Mich würde es nicht einmal wundern, wenn die zusammen aufs Klo gehen. Daher sollten wir das auch besser zeigen. Es ist ja nicht so, als würden wir uns nicht schon seit Jahren kennen. Auch wir haben schon Fälle gelöst, wenn auch nicht in dieser Zusammenstellung. Die geschlossene Einheit meine ich, nicht, dass wir gemeinsam auf die Toilette gehen. Ganz davon abgesehen, wollten wir dich nicht hängen lassen.“
Amelie grinst mich hinterhältig an. Schon alleine aus diesem Grund gehe ich nicht weiter darauf ein. Ein anderer ist, dass mir ihr spitzer Ton durchaus nicht entgangen ist. Würde ich etwas darauf von mir geben, würde das wahrscheinlich in einem Streit enden, was ich gerade überhaupt nicht gebrauchen kann.
Seufzend verdrehe ich die Augen, als sie sich von mir wegdreht.
Nacheinander verlassen wir den Wagen und bleiben daneben stehen. Neugierig blicke ich mich um. Ich war noch nie auf einem Stützpunkt und weiß daher nicht genau, was ich erwartet habe, doch hier sieht es nicht so aus, als würden wir uns an einem Ort befinden, an dem es massenhaft Panzer und Waffen gibt. Es macht auf mich eher den Eindruck, als wäre es eine kleine Stadt, die sich auf dieser Seite des Zaunes befindet.
Das einzige, was daran erinnert, dass wir uns auf einem Stützpunkt befinden, sind die Männer und Frauen, die in Uniform herumlaufen. Ich kann nicht verhindern, dass ich wieder Ausschau nach dem Mann halte. Doch auch jetzt kann ich ihn nirgends sehen. Wundern tut es mich aber nicht. Schließlich habe ich keine Ahnung, wo die Seals sich überhaupt aufhalten und ob sie nicht vielleicht andere Dinge zu tun haben, als über den Stützpunkt zu spazieren.
Ganz davon abgesehen ist das aber wahrscheinlich auch besser, denn ich habe keine Ahnung, wie ich mich dann verhalten würde.
„Ich danke Ihnen, dass Sie so kurzfristig Zeit für uns haben. Ich hätte mich nicht gemeldet, wenn es nicht wirklich dringend wäre“, erklärt mein Chef und sorgt so dafür, dass ich ihn wieder ansehe.
Ich war so auf meine Umgebung konzentriert, dass ich erst jetzt bemerke, wie er auf einen Mann zugegangen ist, der in der Tür zu einem der zahlreichen Gebäude steht und anscheinend auf uns wartet. Mit einem freundlichen Lächeln im Gesicht begrüßt er meinen Vorgesetzten und reicht ihm die Hand.
„Es passiert nicht oft, dass die Polizei sich meldet und um unsere Mitarbeit bittet. In der Vergangenheit waren wir nicht immer die besten Freunde“, erklärt dieser. „Dabei stehen wir alle auf der gleichen Seite.“
Er verzieht das Gesicht, als würde er darüber nachdenken, wie er es am besten ausdrücken soll. Gleichzeitig macht er den Eindruck auf mich, als wäre er nicht sehr froh darüber, wie es in der Vergangenheit gelaufen ist. Doch ich kenne ihn nicht gut genug, um einschätzen zu können, ob er seine Worte ernst meint, oder nicht.
Allerdings hat er nicht ganz Unrecht. Ich selber hatte zwar nie Kontakt zu dem Militär, aber ich kenne einige Kollegen, die mit ihnen zusammengearbeitet haben. Und diese waren nicht sehr begeistert davon. Ob das jedoch der Fall war, weil sie nicht die volle Kontrolle hatten oder das Militär ihnen wirklich ständig auf die Füße getreten ist, kann ich nicht sagen.
Doch ich hoffe, dass es bei uns nicht so laufen wird.
„Ich bin schon lange der Meinung, dass wir alle enger zusammenarbeiten sollten. So haben wir eine bessere Chance, um manche Leute zu schnappen, die dringend geschnappt werden müssen. Dennoch war ich ein wenig überrascht über den Anruf, da ich nicht damit gerechnet habe. Doch ich habe ein Team hier, welches gerade keine Einsätze hat und Ihnen sicherlich gerne hilft. Ich kann Ihnen garantieren, dass die Jungs genau wissen, was sie machen. Es gibt niemanden, der sich vor ihnen verstecken kann. Ich habe ein wenig über diesen Fall in den Nachrichten verfolgt. Daher bin ich mir sicher, dass es genau das ist, was Sie jetzt brauchen.“
Der Mann sieht jeden von uns nacheinander an und lächelt freundlich.
„Kommen Sie“, fordert er uns auf und dreht sich herum.
Nacheinander folgen wir ihm in das Innere des Hauses und durch einen Flur, auf dem uns ein paar Soldaten entgegenkommen, die uns ebenfalls grüßen. Dabei stelle ich fest, dass es von außen definitiv nicht so groß aussieht. Es dauert ein wenig, bis wir schließlich in einem riesigen Besprechungszimmer stehen, welcher sich auf der anderen Seite des Hauses befindet.
Nachdem wir ihn betreten haben, erkenne ich, dass sechs Männer schon an dem riesigen Tisch sitzen und uns neugierig ansehen. Doch nur einer ist es, der meine Aufmerksamkeit auf sich zieht.
Um genau zu sein ist es der Mann, der mir seit gestern nicht mehr aus dem Kopf geht.
Im ersten Moment habe ich keine Ahnung, wie ich darauf reagieren soll, dass er sich hier befindet. Seit unserer Ankunft habe ich immer wieder nach ihm Ausschau gehalten. Doch ich habe nicht gedacht, dass er in dem Team ist, mit dem wir zusammenarbeiten werden. Und ehrlich gesagt weiß ich auch nicht, was ich davon halten soll.
Mit großen Augen sieht er mich ebenfalls für einige Sekunden überrascht an, während wir alle gegenseitig uns vorgestellt werden.
Aber wenigstens kenne ich jetzt seinen Namen.
Ich bin mir sicher, dass er im ersten Moment nicht weiß, wie er darauf reagieren soll, dass ich hier stehe. Das sagt mir mein Gefühl und sein Gesichtsausdruck.
Aber da sind wir eindeutig schon zu zweit.
Bevor ich mich jedoch wieder fangen kann, bildet sich ein sexy Grinsen auf seinen Lippen, welches dafür sorgt, dass mein Herz schneller schlägt. Mein Mund ist plötzlich trocken und mein Kopf wie leer gefegt.
Für einige Sekunden bin ich nicht mehr in der Lage etwas zu sagen, oder mich zu bewegen.
Die gleiche Reaktion hat er mir gestern schon entlockt. Und da habe ich mir vorgenommen, dass es mir kein zweites Mal passieren wird. Egal bei wem. Doch auch jetzt er nur wenige Sekunden gebraucht, um mich vom Gegenteil zu überzeugen.
Ich habe keine Ahnung, wieso er mich so gut im Griff hat. Doch mir ist klar, dass dies nicht der richtige Ort und auch nicht der richtige Zeitpunkt ist, um die Kontrolle zu verlieren.
Beinahe verzweifelt versuche ich mir in Erinnerung zu rufen, wo wir sind und wer sich um uns herum befindet. Dabei ist mir bewusst, dass mich gerade wahrscheinlich alle beobachten. Das ändert aber nichts daran, dass ich es nicht ändern kann.
Es dauert eindeutig zu lange, bis ich mich wenigstens so weit wieder beherrschen kann, dass ich mir nicht selber wie eine Idiotin vorkomme. Das ist mir bewusst, doch ich bin froh darüber, dass ich es irgendwann überhaupt wieder habe.
„Das sind die Kollegen vom siebten Revier“, verkündet der Colonel und zeigt auf meine Kollegen und mich. „Ich bin ja noch nicht so lange hier, aber wenn ich das richtig in Erfahrung gebracht habe, gab es hier noch keine Zusammenarbeit zwischen Seals und der Polizei. Man kann also sagen, dass es eine Premiere ist. Daher hoffe ich, dass es gut funktionieren wird.“
Bei seinen Worten frage ich mich automatisch, wie lange er erst an diesem Stützpunkt ist. Außerdem frage ich mich, was mit demjenigen passiert ist, der vor ihm diesen Job hatte. Doch genauso schnell stelle ich dieses Thema wieder nach hinten, da es gerade unwichtig ist. Obwohl ich zugeben muss, dass es eine schöne Abwechslung ist, da ich mich dann wenigstens einmal nicht mit dem Grund dafür befassen muss, wegen dem wir hier sind.
„Es geht um die internationale Drogenbande, von der man immer wieder hört. Ich bin mir sicher, dass ihr davon in den Nachrichten etwas mitbekommen habt.“
„Wie könnten wir nicht? Es wird ja groß ausgebreitet, was in den letzten Wochen alles geschehen beziehungsweise nicht geschehen ist.“
Der Mann, der neben Ryan sitzt, sieht erst seinen Vorgesetzten an, ehe er sich auf uns konzentriert.
Sein Blick ist beinahe ausdruckslos, sodass ich nicht genau weiß, was in seinem Kopf vor sich geht. Allerdings verzieht er das Gesicht, als würde er bereits darüber nachdenken, wie sie die Hintermänner am besten ergreifen können.
Auf jeden Fall hoffe ich, dass er sich darüber den Kopf zerbricht. Denn ich gebe zu, dass ich es langsam nicht mehr weiß, was ich machen soll. Und wenn ich die Blicke meiner Kollegen richtig deute, geht es ihnen auch so.
Das ist auch der Grund dafür, wieso wir hier sind.
„Kimberley wird Sie nun auf den neusten Stand bringen“, verkündet mein Chef und bedeutet mir, dass ich einen Schritt nach vorne machen soll.
Ein letztes Mal atme ich tief durch, ehe ich mich neben ihn stelle. Dabei kann ich jedoch nicht für mich behalten, dass ich nervös bin.
Ich hasse es, Vorträge halten zu müssen. Und wenn man es genau nimmt, ist es das. Schon in der Schule wollte ich mich am liebsten jedes Mal davor drücken und habe es so oft es nur ging, den anderen überlassen, Referate vorzutragen. Und auch jetzt ist genau das wieder der Fall.
Mir ist allerdings klar, dass keiner meiner Kollegen das übernehmen wird. Und genauso schlagartig wird mir klar, wieso sie wollten, dass ich das übernehme. Ihnen ging es nicht darum, dass ich zu denen gehöre, die am längsten daran sitze und nach ihrer Meinung am meisten darüber weiß. Auf jeden Fall nicht allen. Bei Amelie und Damian kann ich mit Gewissheit sagen, dass sie wollten, dass ich mich blamiere. Schließlich ist es kein Geheimnis, dass ich das nicht gerne mache.
Als ich nun Amelies Blick begegne, erkenne ich das herausfordernde Glitzern darin. Um ihr zu signalisieren, dass mir durchaus klar ist, was sie vorhat, ziehe ich meine Augenbrauen ein Stück nach oben, bevor ich mich auf die Männer konzentriere.
„Wir sind einem internationalen Drogenring auf der Spur. Dieser kommt aus Mexiko, Kuba und dem Nahen Osten. Ein paar Mal hatten wir nun schon die Chance, sie zu schnappen. Allerdings konnten sie sich kurz vorher jedes Mal wieder ins Ausland absetzen“, erkläre ich den Männern souverän und lasse mir dabei nichts anmerken. „Vor drei Wochen haben wir nur noch das bereits startende Flugzeug gesehen und hatten keine Chance mehr, noch einzugreifen. Man kann behaupten, dass es das einzige Mal war, dass wir uns ihnen bis auf wenige Meter nähern konnten. So nah waren wir ihnen bis jetzt noch nie gekommen.“
Ich kann nicht für mich behalten, dass ich nicht sehr froh darüber bin. Allerdings bin ich der Meinung, dass es den meisten so geht. Schließlich haben wir schon viel Zeit in diese Ermittlungen investiert und sind noch keinen Schritt weiter.
Zumindest keinen großen.
Während ich von unseren Fehlschlägen berichte, versuche ich so sachlich wie möglich zu klingen. Dies gelingt mir allerdings nicht so gut, wie ich es gerne hätte. Und das vor allem aus dem Grund, weil Ryan mich keine Sekunde aus den Augen lässt.
Dieser Mann hat eine Wirkung auf mich, die es mir schwermacht, mich auf meine Arbeit zu konzentrieren. Ich kann mich ihm nicht entziehen, egal wie sehr ich es versuche. Ich muss aber auch zugeben, dass ich gerade nicht die nötige Kraft dazu habe.
Bereits jetzt kann ich erahnen, dass die nächste Zeit nicht leicht für mich werden wird. Dennoch werde ich versuchen, es so professionell wie möglich zu halten. Auch wenn mein Gefühl mir sagt, dass es nur ein Versuch bleiben wird. Eine leise Stimme in meinem Kopf flüstert nämlich, dass er es mir nicht leicht machen wird.
Woher ich diese Gewissheit nehme, weiß ich nicht. Doch sie ist da und hält sich beharrlich.