Читать книгу: «Eisejuaz»

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Die argentinische Originalausgabe erschien 1971 unter dem Titel Eisejuaz bei Editorial Sudamericana in Buenos Aires.

Der Übersetzer dankt dem Deutschen Übersetzerfonds für die Förderung seiner Arbeit am vorliegenden Text.

Dieses Werk wurde im Rahmen des SUR-Programms zur Förderung von Übersetzungen des Außenministeriums der Republik Argentinien verlegt.

Obra editada en el marco del Programa SUR de Apoyo a las Traducciones del Ministerio de Relaciones Exteriores, Comercio Internacional y Culto de la Repùblica Argentina.

Die Übersetzung aus dem argentinischen Spanisch wurde mit Mitteln des Auswärtigen Amtes unterstützt durch die Gesellschaft zur Förderung der Literatur aus Afrika, Asien und Lateinamerika e.V. (litprom).

E-Book-Ausgabe 2020

© Herederos de Sara Gallardo

© 2017 für die deutsche Ausgabe:

Verlag Klaus Wagenbach, Emser Straße 40/41, 10719 Berlin

Covergestaltung Julie August.

Datenkonvertierung bei Zeilenwert, Rudolstadt.

Alle Rechte vorbehalten. Jede Vervielfältigung und Verwertung der Texte, auch auszugsweise, ist ohne schriftliche Zustimmung des Verlags urheberrechtswidrig und strafbar. Dies gilt insbesondere für das Herstellen und Verbreiten von Kopien auf Papier, Datenträgern oder im Internet sowie Übersetzungen.

ISBN: 978 3 8031 4298 6

Auch in gedruckter Form erhältlich: 978 3 8031 3285 7

www.wagenbach.de

Die Begegnung

Ich hab zu dem Paqui gesagt:

»Sieh zu, dass du nicht stirbst. Am Abend komm ich und helf dir.«

In den Tagen hatte es viel geregnet, und die Lastwagen kamen nicht bis ins Dorf. Die Fahrer haben geflucht wegen dem Regen, sie haben geflucht wegen dem vielen Wasser.

Den Paqui kannte ich nicht. Ich hab geglaubt, er ist tot, so wie er im Schlamm lag.

Aber er hat gesagt:

»Dir könnte es auch mal so gehen.«

Ich bin nach Hause gegangen, auf die andere Seite vom Sägewerk von Pedro López Segura, da war ich Maschinist, als ich die Träume gehabt hab. Ich hab den Dampfkessel bedient, in der Zeit der Träume, lang ist das her. Ich bin nach Haus und hab mir gesagt: ›Ob das der ist, auf den ich warte?‹

Darum bin ich zurück:

»Sieh zu, dass du nicht stirbst. Am Abend komm ich und helf dir.«

Da hat ein Lastwagenfahrer gesagt:

»Unkraut vergeht nicht.«

Von ihm kam nichts. Wie tot hat er dagelegen. In all dem Dreck. Und ich bin nach Hause gekommen und habe zum Herrn gesagt: »Wenn es der ist, lass es mich wissen.« Drei-, zehn-, zwanzigmal hab ich gesagt: »Bitte, wenn es der ist, dann will ich es wissen.« Aber nichts ist passiert. Und der Regen hat auch nicht aufgehört. Ich hab den Fisch in den Topf gelegt, und nichts ist passiert. Ich musste schnell eine Arbeit machen, das hab ich getan. Dann bin ich den Paqui holen gegangen.

Die Fahrer standen vor dem Laden von Gómez, haben gewartet, dass der Regen vergeht. »Da kommt der Vega.« Ein anderer: »Suchst du ’n Schatz?« Nichts hab ich gesagt. Die Hängematte hatte ich mitgenommen, um ihn einzuwickeln, denn er konnte nicht gehen.

»Lebst du noch? Ich bin gekommen, um dir zu helfen.«

Nichts hat er gesagt.

»Lebst du noch? Ich bin gekommen, wie ich gesagt hab.«

Nichts hat er gesagt. Da hab ich gedacht, ich hab mich getäuscht, das ist nicht der, den der Herr schickt. ›Umso besser‹, hab ich zu mir gesagt, ›ist mir recht so.‹ Ich wollt mich schon freuen. Aber da hab ich gesehen, dass er ein Auge aufmacht, und dann hat er es wieder geschlossen. Da hab ich ihn in die Matte gewickelt und mir auf den Rücken geladen.

Alles war voll Schlamm. Ich bin hingefallen. Da hat der Mann sich beschwert. Und ich bin noch mal hingefallen. Da hat er sich nochmal beschwert. Da war ich voll Schlamm, voller Dreck. Als wir vor dem Laden von Gómez vorbei sind, haben die Lastwagenfahrer gesagt: »Da ist der Vega. Er hat sein’ Schatz gefunden.« Und zu Paqui: »Du Aas, fährst dahin wie ’n feiner Herr.«

Ich hab einen großen Umweg gemacht, damit ich nicht durchs Sägewerk musste, ich bin nach Haus gekommen, hab den Paqui abgesetzt, in die Ecke gelegt, die Fischsuppe gewärmt und dann mit dem Herrn gesprochen. Ich hab nicht gewusst, was ich sagen soll, ich hab bloß gesagt: »Hier bin ich, hier bin ich.«

In den Nächten hat es viel geregnet, die ganzen Tage hat es geregnet, keine trockenen Kleider gab’s mehr, gar nichts mehr hat es gegeben.

Paqui war kaputt, lahm und krank. Wie er heißt, hab ich nicht gewusst. Die Kleider hab ich ihm ausgezogen und sie ans Feuer gelegt. Die Kleider hab ich mir ausgezogen und sie ans Feuer gelegt. Aber durch die Tür ist Wasser ins Haus geflossen.

Er hat gesagt:

»Dir könnte es auch mal so gehen.«

Ich hab gesagt:

»Schmutzig bin ich geworden, jetzt bin ich nackt. Was willst du noch?«

Er hat gesagt:

»Schmutzig und nackt seid ihr alle. Wegen mir kannst du stocksteif hier liegen und dich vollmachen, Hunger haben und Staub fressen und dir einbilden, du besteigst eine Frau. Hörst du? So kann’s dir von mir aus ruhig gehen. Ja, so will ich dich sehen.«

»Hier bin ich, hier bin ich.« Ich hab dem Mann die Suppe gegeben, dann hat er in seiner Ecke geschlafen. Geschlafen, in seiner Ecke.

Und ich hab zum Herrn gesagt: »Lass nicht zu, dass ich es mir anders überlege.«

Am nächsten Tag sind die Lastwagen ins Sägewerk gekommen. Sie haben Zedernstämme gebracht und Quebracho, Lapacho, Palo santo, Pacará, Palo amarillo, Palo blanco, Maulbeerbaum, Johannisbrotbaum und Weihrauchbaum. Sie haben Bretter geladen und sind nach Salta gefahren.

An dem Tag schien die Sonne, und Mauricia Suárez ist mit den anderen Frauen zur Wasserstelle gekommen. Ich war schon da, um meinen Krug zu füllen. Da hat sie zu mir gesagt:

»Schlecht steht’s bei uns. Wann kommst du zurück?«

»Ich komm nicht zurück, Mauricia, das weißt du. Sag deinem Mann, er soll sich kümmern.«

»Mein Mann, der taugt nichts. Wann kommst du zurück?«

»Du weißt, ich kann nicht zurück. In das Lager geh ich niemals zurück. In die Mission geh ich niemals zurück.«

»Mir sterben alle, wenn du nicht wiederkommst.«

Ich hab mir die Ohren zugehalten und bin mit dem Wasser davon. Die Frauen haben gelacht. Da hab ich zum Herrn gesagt: »So viel böses Blut, wie lang soll das gehen? Wie lang noch?« Das habe ich wegen meinen Leuten gesagt, wegen dem Elend und mir und dem Schmerz.

Und Paqui in seiner Ecke, der hat bloß geschlafen. Ich hab mich gefragt: ›Hab ich den nicht schon mal irgendwo gesehen?‹

Ich bin Eisejuaz, Dieser Hier Auch, der, den der Herr gekauft hat, der mit dem langen Weg. Als ich mit dem Bus nach Orán bin, hab ich rausgeguckt und ich hab mir gesagt: ›Hier haben wir Rast gemacht, hier haben wir geruht.‹ Mein Vater, der gute Mann, meine Mutter, die muntere Frau, das Kind auf dem Rücken, hier sind wir vorbei, viele Kilometer zu Fuß, vom Pilcomayo her, wegen dem, was der Missionar gesagt hat. Auch meine zwei Brüder. Und ich, Eisejuaz, Dieser Hier Auch, der Stärkste von allen. Ich seh raus und sage: ›Hier haben wir Rast gemacht, hier haben wir geruht.‹ Einen Namen hatten die Orte damals noch nicht.

Doch ich hab diese Orte gesehen, als ich mit dem Bus nach Orán bin, um zum ersten Mal Rat zu erbitten, in der Zeit der Träume. Eines Tages aber bin ich nirgends mehr hin, nicht nach Orán, nicht nach Tartagal und nicht nach Salta, und im Sägewerk hab ich nicht mehr gearbeitet. Ich hab mir aus Buntgras eine Hütte gebaut, auf der anderen Seite vom Bahngleis, und auf den Augenblick hab ich gewartet, den der Herr mir verkündet hat. Auf den hab ich gewartet, der zu mir gesandt werden sollte.

Paqui, in seiner Ecke:

»He, sag mal, wozu hast du mich hergebracht?«

Das Feuer hatte die Kleider noch nicht getrocknet. Ich hab ihm Zeitung unter den Leib geschoben und Zeitung auf ihn draufgelegt. ›Hab ich den nicht schon mal irgendwo gesehen?‹

»Was kannst du bewegen? Die Hände, die Beine, na sag schon: Was?«

Und er hat zu schreien begonnen:

»Hier bleib ich nicht, nein, hier bleib ich nicht, nein. Nicht hier.«

Ich hab ihm die Suppe gegeben und die Kleider in der Sonne gewendet. Und er hat geschrien:

»Du weißt ja nicht, du wildes Tier, wer ich bin.«

Da hab ich die Kleider in den Wind gehängt und bin ins Dorf gegangen.

An der Tür vom Hotel, Doña Eulalia. »Du Undankbarer«, hat sie gesagt. Ich hab sie begrüßt.

»Gestern war dein Geburtstag. Hast du denn daran gedacht?«

Ich hatte nicht daran gedacht.

»Fünfzehn bist du an dem Tag geworden, als ich dich im Hotel bei mir aufnahm. Fünfunddreißig bist du gestern geworden. Die Zeit vergeht.«

»Wir aus den Bergen, wir feiern Geburtstage nicht.«

Und sie hat gesagt:

»Sei nicht so grob, mein Sohn, immer schön dankbar soll man sein.«

Da hab ich gewusst, dass Paqui der ist, den der Herr mir gesandt hat, der, den ich erwarte, und dass ich ihn als meinen ansehen kann. Und ich habe gesagt:

»Zu der Zeit hat das zweite Stück begonnen, von meinem Weg, Señora. Und heute hat das letzte begonnen.«

Doña Eulalia hat gesagt, ich bin unverbesserlich.

»Du reichst bis zum Türstock und bist breit wie ein Pferd, armer Lisandro. Die Zeit vergeht. Hier, sieh mich an, alt und hinfällig bin ich. Doch der heilige Josef, der keusche Hirte, verlässt seine Schafe nicht.«

Ich hab gesagt: »Auf Wiedersehen.« Und Doña Eulalia: ob ich wieder im Sägewerk arbeite, ob ich wieder Maschinist bin, ob ich eine andere Arbeit mache. »Nein, nicht mehr.« »Es ist nicht schön, Lisandro, wenn man ein Faulpelz ist. Du bist ein guter Arbeiter gewesen.« Aber ich bin weiter, und als ich allein war, da hab ich zum Herrn gesagt: »Es ist der, den du gesandt hast, der, den du angekündigt hast. Gut. Ich halte Wort. So sei es.«

Ich bin durch den Wald zum Fluss, damit ich niemand begegne, keinen Leuten und auch keinen Lastwagen, und dort hab ich die Arme erhoben. Ich hab den Fluss begrüßt, weil er ein Bruder des Pilcomayo ist, und die Trauer hat mich zu Boden geworfen. Ich hab zum Herrn gesagt: »Woher hast du den, so schlecht wie er ist?« Wegen Paqui hab ich so geredet. »Wie hast du dir das gedacht? Ging es nicht anders? Warum löst du so dein Versprechen ein?«

Ich hab geweint. »Ging es nicht anders?«

Ich hab mir an die Stirn geschlagen und gerufen:

»Ging es nicht anders?«

Der Herr hat über dem Fluss geglänzt, aber er hat nicht zu mir gesprochen, den Bergwald hat er bewegt, aber zu mir hat er nicht gesprochen.

»Hier ist Eisejuaz, Dieser Hier Auch, dein Diener. Sprichst du nicht mehr zu ihm? Das letzte Stück von seinem Weg hat begonnen, und du sprichst nicht mehr zu ihm? Aber Eisejuaz, Dieser Hier Auch, der wurde von deiner Hand gekauft. Beim Gläserspülen im Hotel, da hat er dein Wort gehört.«

So hab ich geweint. Und der Herr hat den Bergwald bewegt, und zugelächelt hat er mir auch.

Und ich bin ins Dorf zurück, ohne mir die Tränen abzuwischen.

Die Lastwagen sind an mir vorbei, sie haben Bretter nach Salta gebracht. »Wo ist denn dein Fahrrad, Vega?« Ich hab zum Abschied gewunken. »Das letzte Stück hat begonnen«, wollte ich sagen. Ich bin weitergegangen, und meine Schuhe sind vom Staub ganz weiß geworden.

Lauter Fliegen und der Geruch nach Paqui sind aus meiner Haustür gekommen. Aber es war nicht mehr die Tür von meinem Haus, es war die Tür von dem Haus von uns beiden. Ohne ein Wort hab ich die schmutzigen Zeitungen weg, hab Wasser über Paqui gekippt, mit Gras und Papier hab ich ihn getrocknet, ihm den Rest von dem Fisch gegeben, das Ende, das letzte Stück, das noch da war. Und dann war kein Fisch mehr da. Wieder hat er geschrien:

»Hier bleib ich nicht, nein, nicht hier. Du weißt ja nicht mal, wer ich bin.«

Ich hab draußen gegessen, vor dem Haus, eine Kartoffel, die ich noch hatte, und nachgedacht hab ich. Draußen vor dem Haus hab ich nachgedacht: ›Jetzt heißt’s arbeiten, Eisejuaz, für Essen sorgen, sich kümmern heißt’s jetzt.‹

Und dann bin ich aufgestanden.

»Wie heißt du?«

Er hat die Augen zugemacht.

»Wie heißt du?«

Er hat zu schreien angefangen:

»Hier bleib ich nicht, nein, hier nicht! Hier bleib ich nicht, nein, nicht hier!«

Ich hab die Hängematte geholt, sie über ihn geworfen, schmutzig wie sie war, und mir den Paqui auf den Rücken geladen.

Am Rand der Schlucht hab ich ihn auf den Boden gelegt.

»He, hilf mir, Spinner. Helft mir, lasst mich nicht sterben!«

Ich hab ihn liegenlassen, obwohl schon die Nacht kam.

Mauricia ist gekommen, und ich war zu Haus.

»Mauricia, was machst denn du hier?«

»Das weißt du. Du weißt doch, was ich hier mache.«

Genau wie ihre Schwester, dass es dir das Herz aufwühlt. So schön, dass es dir das Herz aufwühlt.

»Geh schon, verschwinde, dein Mann bringt dich um.«

»Hast du früher gesagt, dein Mann bringt dich um? Der Herr Pfarrer sagt, du sollst kommen. Er schickt mich.«

»Nichts schickt er dich, los, verschwinde. Ich sag es nicht zweimal.«

Da hat sich Mauricia auf den Boden gelegt, auf den Boden, genauso wie früher. Ich bin aus dem Haus und hab ihr gesagt:

»Verschwinde.«

Sie wollte mir das Gesicht zerkratzen. Da hab ich gesagt:

»Das letzte Stück von meinem Weg hat begonnen. Der, auf den ich gewartet hab, ist da.«

Sie: »Das wird dir noch leidtun.«

Sie hatte das Gesicht ihrer Schwester, und mein Herz hat sie aufgewühlt, denn ihre Schwester war meine Frau und meine Gefährtin und wusste über alles viel besser Bescheid. Aber auch das war vorbei. Und Mauricia, die Schöne, war immer neidisch auf uns gewesen.

Als es Nacht war, bin ich zur Schlucht. Und ich hab mich gesetzt, um zu hören, was dieser Paqui so allein für sich spricht, bis Mitternacht hab ich ihm zugehört, aber verstanden habe ich nichts. Besser so, nichts als Bosheiten sind aus seinem Mund gekommen. Und dann hat er mich gesehen, denn der Mond war aufgegangen. Und da hat er geschrien:

»Schon wieder!«

Nichts hab ich gesagt.

»Ich hab Hunger! Mir ist kalt!«

Nichts hab ich geredet. Hab ihn angesehen, und gesagt hab ich nichts.

»Also gut, bringt mich um. Bring du mich doch um, du weißt ja nicht mal, wer ich bin.«

»Wie heißt du?«

»Paqui heiß ich.«

»Und was willst du?«

»Sterben will ich.«

»Dann bring ich dich jetzt also um.«

»Wozu?« Erschrocken. »Du kannst mich nicht essen.«

»Wir essen keine Leut, aber wie man Leute umbringt, das wissen wir schon.«

»Ich gehör nicht zu den Leuten.«

»Das weiß ich.«

»Ein Aas bin ich.«

»Das weiß ich auch. Und was willst du?«

»Was willst du denn, so nahe bei mir?«

So hab ich mit Paqui in der Nacht gesprochen.

Eisejuaz sagt:

»Ich hab dem Herrn meine Hände überlassen, denn einmal hat er zu mir gesprochen. Er hatte schon mehrmals zu mir gesprochen, davor, aber durch seine Boten. Am Pilcomayo hat er durch seine Boten gesprochen, ich war ein Junge und hab mit den Frauen im Wald Tiere gesammelt. Und in der Mission hat er durch seine Boten zu mir gesprochen, und der Missionar hat mir sieben Tage Buße auferlegt. Aber beim Gläserspülen im Hotel hat Er selbst zu mir gesprochen. Ich war sechzehn und gerade verheiratet. Das Wasser ist im Abfluss verschwunden, ein richtiger Strudel. Und auf einmal war da der Herr in dem Strudel. ›Lisandro, Eisejuaz, deine Hände gehören mir, gib sie mir, mir gehören deine Hände.‹ Ich hab die Gläser Gläser sein lassen. ›Herr, was soll ich tun?‹ ›Vor dem letzten Stück Weg werde ich um deine Hände dich bitten.‹ ›Jetzt gleich geb ich sie dir, sie gehören dir, Herr. Ich geb sie dir gleich.‹ Da war der Herr wieder fort. Nur der Strudel war da, und der Seifenschaum hat noch geglänzt. Gómez, der heute den Laden hat, war damals dort Kellner. Er hat gesehen, dass die Gläser noch nicht trocken waren. Er hat sie selbst getrocknet und mitgenommen, ohne mir etwas zu sagen. Er hatte immer schon Angst vor mir gehabt. Weil ich, Eisejuaz, Dieser Hier Auch, den zweiten Balken allein vom Lastwagen in den Speisesaal geschleppt hab. Den zweiten Quebracho-Balken. Der war groß wie vier Männer. Und ich ganz allein, als damals angebaut wurde. Den ersten Balken hatten fünf Knechte geschleppt, von Doña Eulalia, vor dreißig Jahren. Darum hat Gómez zu mir nichts gesagt. Wegen meiner Kraft. Und es lügt, wer sagt, dass mehrere Männer den zweiten Balken trugen. Nichts hat Gómez gesagt. Ich bin aus dem Hotel, und tagelang hab ich nicht gesprochen, niemanden angesehen und nichts gegessen. Meine Frau hat gesagt:

›Wie siehst du denn aus? Ich kenn dich nicht mehr.‹

Sie ist ins Hotel. ›Mein Mann ist krank, er spricht nicht, er sieht niemanden an, er isst nichts.‹ ›Bring ihn zum Arzt.‹ Aber ich bin nicht hin. Nichts habe ich gesagt. Das war der vierte Tag.«

Doña Eulalia bei uns zu Haus hat gesagt: »Wie wollt ihr jemals zivilisierte Menschen werden? Im Krankenhaus isst euch doch keiner! Es ist immer das Gleiche mit euch. Wenn ihr nicht hingeht, zahl ich für die Fehltage nichts.« Nichts hab ich gesagt. Meine Frau war ein guter Mensch, über alles hat sie Bescheid gewusst, und sie hat geweint. Auch in der Nacht hab ich nichts gesagt, und nichts hab ich gegessen.

Am fünften Tag hab ich zu ihr gesagt:

»Gibt’s Wasser? Bring Wasser.«

Sie hat mir Wasser gebracht. Es war wenig.

»Hier ist das Wasser knapp. Hier gibt es kein Wasser. Das weißt du.«

Es war nur ein ganz kleiner Krug. Ich bin aufgestanden und hab mir das Wasser über den Kopf und die Hände geschüttet. Mehr gab’s nicht.

»Mach was zu essen.«

»Es gibt nur Kuchen und zwei Süßkartoffeln.«

»Das reicht.«

Wir haben den Kuchen und die Kartoffeln gegessen. Und zu meiner Frau hab ich gesagt:

»Der Herr hat zu mir gesprochen, beim Gläserspülen.«

»Und jetzt?«, hat meine Frau gesagt, »was machen wir jetzt?«

»Was machen wir jetzt?«, hat sie gesagt.

Zweimal hatte der Herr durch seine Boten zu mir gesprochen. Ich war im Wald unterwegs, hab mit den Frauen Tiere gesammelt. Heuschrecken, Ameisen, Eidechsen. Meine Mutter hat zu mir gesagt: »Du bist groß, bald wirst du mit den Männern auf Jagd gehen, auch wenn du nicht alt genug bist. Eines Tages wirst du der Anführer sein.« Eine Frau, sie hat mehrere Jungen gehabt, hat meine Mutter gehört, und sie hat angefangen zu schreien, sie hat sie geschlagen, an den Haaren haben sie sich gezogen. Meine Mutter war stark, vier Zähne hat sie ihr ausgeschlagen. Da ist der Anführer zu uns gekommen, wir waren noch nicht tief im Wald, er ist gekommen und hat laut geschrien, aber sie haben nicht auf ihn gehört. Da hat er den Stock erhoben und der Frau den Arm gebrochen, die meine Mutter geschlagen hatte. Ein Teil vom Knochen sah unten heraus, den anderen hat man oben gesehen. Da haben alle Frauen angefangen zu weinen und zu schreien, und zwei Alte haben versucht, den Arm in Ordnung zu bringen. »Sie will dich tot sehen!«, hat die Frau geschrien. »Sie will, dass ihr Sohn der Anführer wird!« Und dann ist sie umgefallen, wie tot hat sie dagelegen. Krick, krack hat der Arm gemacht. Ihre Zähne haben ringsum auf dem Boden gelegen. Da hat der Anführer mich angesehen. Nichts hat er gesagt. Die Frauen haben geweint. Er hat den Stock erhoben, um auch meine Mutter zu schlagen, und meine Mutter ist nicht fort, sie ist nicht geflohen, sie ist nicht entwischt. Und er hat sie doch nicht geschlagen. Er hat nur gesagt: »Gerade erst sind dir die Milchzähne ausgefallen, und schon willst du Anführer sein?« Nichts hab ich gesagt. Und die, die geweint haben, hat er angeschrien: »Ruhe!« Eine Alte, seine Mutter, hat da die Stimme erhoben: »Einer Frau brichst du die Knochen, und wir sollen nicht weinen?« Wieder hat er den Stock erhoben. »Ja, schlag deine Mutter, brich ihr die Knochen«, hat seine alte Mutter geschrien, »und nicht der, die dir den Tod wünscht!« Da hat er gesagt: »Ihrem Kleinen sind gerade erst die Milchzähne ausgefallen. Ihr Küken hat noch nicht mal alle Federn.«

Da kam ein Bote des Herrn, um zu mir zu sprechen. Eine Eidechse war’s. Aber ihre Farbe war wie die Sonne. Ich bin hinter ihr her, ich hab sie gejagt. Da bin ich auf eine Lichtung gekommen. Auf der Lichtung hab ich sie nicht gefunden. Ich hab sie gesucht, aber ich konnt sie nicht finden.

Zur Essenszeit waren alle voll Ärger. Die Männer sind ohne Beute gekommen, und die Frau mit dem gebrochenen Arm hat geschrien: »Uuh, uuh.« Und meiner Mutter haben sie gedroht, doch sie hatte der Frau den Arm nicht gebrochen. »Wir bringen dich um.« Auch mein Vater wollte sie schlagen, und sie hat sich nicht von der Stelle gerührt und ist nicht geflohen. Viel Rauch gab’s rings um die verletzte Frau und auch über den Feuerstellen, denn das Holz war noch grün. Und die Leute waren böse, und zu essen gab’s nur, was wir und die Frauen gesammelt hatten: Heuschrecken und Eidechsen. Die haben wir ins Feuer geworfen, sie haben gezuckt, sich gekrümmt, und wir haben sie alle gegessen. Da ist mir der Bote des Herrn eingefallen, der am Nachmittag da war, um zu mir zu sprechen. Nacht war es schon. Früh bricht die Nacht in den Bergen dort an. Da bin ich losgelaufen, um den Boten zu suchen. Auf einem Yopobaum saß er und glänzte. Nichts hab ich gesagt, hab mich nicht gerührt. Und die Eidechse hat sich auch nicht gerührt. »Der Herr wird dich kaufen«, hat sie gesagt, »du wirst ihm deine Hände überlassen.« Nichts hab ich gesagt. »Einzigartig ist der Herr, unvergleichlich – nie geboren, wird er auch niemals sterben.« Ich hab zugehört. Die Eidechse glänzte. Und dann hat sie gesagt: »Jetzt sprich du.« Und ich hab gesagt: »Ja. Gut.«

Aber da waren alle schon losgezogen, um nach mir zu suchen, lärmend und mit Fackeln, aus Angst vor dem Jaguar. Ich bin durch den Wald, und dann bin ich schnell gelaufen, und als ich zu den anderen gekommen bin, da sind sie böse gewesen. Mein Vater: was ich gemacht hab. Meine Mutter auch. Nichts hab ich gesagt.

Am nächsten Morgen haben sie mich in den Wald geführt, um die Spuren von mir anzusehen. Wir sind zu dem Yopobaum gekommen, und da hab ich die Spuren meiner Füße gesehen. Und die Spuren des Jaguars haben viermal um meine Spuren herumgeführt, und auch, wo ich gegangen und gelaufen war, sind mir seine Spuren gefolgt.

Gesehen hatte ich ihn nicht. Und angerührt hat er mich auch nicht.

Seit dem Tag haben sie mich nichts mehr gefragt.

Ich bin Eisejuaz, Dieser Hier Auch, der mit dem langen Weg, der, den der Herr gekauft hat. Paqui ist hier. Die Sonne geht auf. Der Zug fährt ab. Seine Glocke läutet, und die Glocke vom Franziskanerkloster auch. Das letzte Stück von Eisejuaz’ Weg hat begonnen. Das Auto des Pfarrers fährt los nach Salta, heute feiern die norwegischen Missionare ihr Fest. Ihre Söhne tragen Fliegen, sie sehen aus wie Küken. »Heut ist dein Geburtstag, Lisandro«, haben sie gesagt, »und übermorgen ist das Norwegerfest.« Aber Eisejuaz kann nicht zu den Norwegern zurück. Das zweite und dritte Stück seines Wegs ist beendet.

Da kommt der Traktor des englischen Missionars, er ist auf dem Weg zum Sägewerk. Da kommen die Lastwagen, früh schon am Morgen, sie fahren durch die brüllende Hitze. Und Paqui hat gesagt:

»Ich hab Hunger und Durst. Was willst du von mir, dreckiger Indio? Warum bringst du mich nicht endlich um?«

Ich kann machen mit ihm, was ich will, er gehört mir, zu mir hat der Herr ihn gesandt. Darum werfe ich ihn in den Bach in der Schlucht. Da baden am Mittag die Frauen aus dem Lager. Ihre Kleider blähen sich auf. Meine Frau hat auch dort gebadet. Das Baden, das hat ihr Spaß gemacht. Sie hat mit den anderen Frauen und den Kindern gespielt. Mauricia badet. Meine Frau ist tot, aber die anderen Frauen, die baden. Unter Wasser macht Paqui den Mund auf. Er wird schon bald sterben.

Eisejuaz, der den Balken ins Hotel geschleppt hat, hat dem Herrn seine Hände geschenkt. Der Herr hat sie Paqui geschenkt, dem Lahmen, dem Krüppel, dem Kranken, einem solchen Stück Dreck. Paqui, dem Aas. »Gut, Herr. Aber lasse nicht zu, dass ich es mir anders überlege.« Ich hab ihn in die Matte gewickelt, bin zu Eisejuaz’ Haus gegangen. Zu dem Haus, das nicht mehr nur Eisejuaz gehört. Um ihn zu trocknen, zu kleiden, ihm zu essen zu geben.

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9783803142986
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