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Dr. Robin J. Malloy

FÜHRUNG - BILDUNG - GESUNDHEIT

Von der Bedeutung reflexiver,

emotionaler und spiritueller Kompetenzen


Vom Fachbereich Sozialwissenschaften

der Technischen Universität Kaiserslautern

genehmigte

D i s s e r t a t i o n

mit dem Titel:

Reflexion der Relevanz emotional-archetypischer Deutungsmuster

im Kontext der Erwachsenenbildung und

theoretische Entwicklung eines didaktischen Konzeptes

des „emotional-archetypischen Deutungslernens“

am Beispiel eines Führungskräfteseminars

zum Umgang mit affektiven Störungen

D 386

2013

1. Auflage 2016

Copyright © aetos Verlag, Paderborn

aetos Verlag GbR | Postfach 7149 | 33078 Paderborn

www.aetos-verlag.de | info@aetos-verlag.de

ISBN: 978-3-942064-07-1 (Printausgabe)

ISBN: 978-3-9420640-8-8 (ebook)

Umschlaggestaltung, Grafiken & Satz: Bernhard Cremer

E-Book-Herstellung: Zeilenwert GmbH 2016

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter http://dnb.dnb.de abrufbar.

Furcht ist nicht in der Liebe,

sondern die völlige Liebe treibt die Furcht aus.

1. Johannes 4,18

Für Margret

INHALT

Cover

Titel

Impressum

Widmung

1 Einleitung

[1.1] Einführung & sozioökonomischer Ausgangspunkt der Arbeit

[1.2] Ziel dieser Arbeit

[1.3] Theoretische Bezugspunkte & methodische Vorgehensweise

[1.4] Das Konzept emotional-archetypischen Deutungslernens im Kontext von Erwachsenenpädagogik, Professionalität und Kompetenz

[1.5] Erwachsenenbildung im Spannungsfeld zwischen Lehren und Heilen: Stand der Forschung

[1.6] Das Belastungs-Beanspruchungs-Modell

2 Theoretischer Ausgangspunkt I: Der Deutungsmusteransatz von Arnold

[2.1] Konstruktivismus & Identität als Grundannahmen des Deutungsmusteransatzes

[2.2] Definition des Begriffes „Deutungsmuster“

[2.3] Wie entstehen Deutungsmuster?

[2.4] Merkmale von Deutungsmustern

3 Theoretischer Ausgangspunkt II: Vom Deutungsmusteransatz zum Konzept des Deutungslernens von Schüßler

[3.1] Die drei Dimensionen des Deutungslernens nach Schüßler

[3.2] Das Deutungslernen in Lehr-/Lernprozessen

[3.3] Didaktische Ansätze für das Deutungslernen

[3.4] Ethische Fragestellungen im Zusammenhang mit dem Deutungslernen

[3.5] Zwischenstand: Nutzbarkeit des Deutungsmusteransatzes sowie des Modells des Deutungslernens für die Reflexion von psychischer Belastung & Bewältigungsstrategien

4 Theoretischer Ausgangspunkt III: Die emotionale Konstruktion der Wirklichkeit und Emotionslernen nach Arnold

[4.1] Definition von „Emotion“ bei Arnold

[4.2] Emotionaler Konstruktivismus

[4.3] Emotionales Lernen und emotionale Intelligenz

5 Theoretischer Ausgangspunkt IV: Reflexion in der pädagogischen Praxis

[5.1] Reflexion in der pädagogischen Praxis nach Dauber

[5.2] Reflexives Lernen zwischen Anpassung und Veränderung bei Schüßler

6 Das Konzept des emotional-archetypischen Deutungslernens

[6.1] Reflexion des „Ich“

[6.2] Reflexion des „Wir“

[6.3] Reflexion des „Es“

7 Auswahl des Beispielseminars und Begründung

[7.1] Begründung des Seminarcharakters mit dem Schwerpunkt depressive Störungen

[7.2] Begründung für die Auswahl von Führungskräften als Zielgruppe

[7.3] Strukturierung der Seminarinhalte nach dem Konzept emotional-archetypischen Deutungslernens

[7.4] Von der Reflexion zu neuem Denken und Handeln

8 Vertiefung der theoretischen Bezugspunkte

[8.1] Klassifikation depressiver Störungen

[8.2] Ätiologie depressiver Störungen

[8.3] Lerntheoretische, kognitive und psychosoziale Entstehungsmodelle

[8.4] Neurobiologische Korrelate depressiver Störungen

[8.5] Chronische Depressionen

[8.6] Behandlungsstrategien für depressive Erkrankungen

9 Pädagogisches Verhalten/Führungsverhalten & Cortisol

10 Vom Trias Kognition, Emotion & Motivation zur Kohärenz und Salutogenese

11 Von der Salutogenese zur emotionalen Intelligenz

12 Das Modell emotionaler Kompetenzen und effektiver Emotionsregulation

13 Vertiefung zum Thema Emotionale Selbstregulation

[13.1] Emotionale Regulation bei J. Gross

[13.2] Die Neuropsychologie der emotionalen Regulation

[13.3] Lernen im Spannungsfeld von Wachstum und Schutz

[13.4] Grenzen der Verantwortung/negative Unterstützung

14 Von der emotionalen Kompetenz/Intelligenz zum Weisheitsbegriff

15 Emotional-archetypisches Deutungslernen: „Reflective functioning“ und Archetypen

16 Persistenz früherer Erfahrungen, archetypischer Deutungsmuster (Mutter) und pädagogisches Handeln

17 Archetypische Deutungsmuster und Spiritualität

18 Emotional-archetypisches Lernen anhand einer spirituellen Deutungsmusterressource

[18.1] Begründung für die Psalmen als Deutungsmusterressource

[18.2] Vertiefende Begründung der Psalmen als Deutungsmusterressource/Reflexions- und Beratungsprozess nach Weintraub

19 Kompetenzen im Kontext einer emotional-archetypischen Didaktik

20 Praktische Umsetzung des emotional-archetypischen Führungskräfteseminars

[20.1] Das Forschungstagebuch als qualitative Forschungsmethode

[20.2] Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse der subjektiven Reflexion des Führungskräfteseminars anhand des Forschungstagebuches

21 Fallbeispiel 1 Die praktische Umsetzung des emotional- archetypischen Coachings im Anschluss eines Führungskräfteseminars

[21.1] Ausgangslage

[21.2] Gespräch mit der Mitarbeiterin

[21.3] Rückmeldegespräch mit der Vorgesetzten

22 Fallbeispiel 2 Umsetzung des emotional-archetypischen Coachings und die Nutzbarkeit von Transkriptionen

[22.1] Eine kurze Darstellung des affektiven Diktionärs Ulm

[22.2] Anwendung des ADU im Kontext des emotional-archetypischen Coachings

23 Möglichkeiten der Evaluation des Konzeptes emotional-archetypischen Deutungslernens am Beispiel des EMO-Checks nach Berking

24 Zusammenfassung

25 Wissenschaftstheoretische Einordnung

26 Schlussbetrachtung

D Danksagung

A Abbildungsverzeichnis

L Literaturverzeichnis

1 Einleitung

1.1 Einführung und sozioökonomischer Ausgangspunkt der Arbeit

Die sozioökonomischen Veränderungen seit Beginn der 1990er Jahre führten zu einer Bedeutungszunahme von psychosozialen Belastungsfaktoren am Arbeitsplatz, hervorgerufen u. a. durch einen Anstieg des Leistungs- und Konkurrenzdrucks, zunehmende Arbeitsplatzunsicherheit, die Forderung nach Flexibilität, ständiger Erreichbarkeit, Arbeitsintensivierung sowie längeren Arbeitszeiten (vgl. Lenhardt u. Priester 2005).

Als besondere Formen der psychischen Beeinträchtigung durch die o. g. Faktoren sind an dieser Stelle Angststörungen, depressive Störungen und Stress zu nennen, die zu eingeschränkter Leistung und sogar Arbeits- und Berufsunfähigkeit führen können und deren Behandlungen erhebliche Kosten für das Gesundheitswesen verursachen. Verschiedene Untersuchungen von Krankenkassen (so z. B. der DAK in 2005) zeigen einen rasanten Anstieg der ärztlich diagnostizierten Arbeitsunfähigkeit aufgrund von psychischen Störungen auf, wobei hier Stress am Arbeitsplatz, Depression sowie die Burn-out-Problematik (vgl. Hillert und Marwitz 2006) besonders im Vordergrund stehen.

Diese Formen von psychischen Beeinträchtigungen spielen nicht nur eine wachsende Rolle in der beruflichen Aus- und Weiterbildung, sondern auch in der allgemeinen Weiterbildung, da sie nicht nur sozioökonomische, sondern auch soziokulturelle und gesamtgesellschaftliche Auswirkungen haben. So führen Depressionen z. B. zu einer Minderung der Lebensqualität und des Wohlbefindens, zu sozialem Rückzug und zu schweren körperlichen Erkrankungen, von denen dann auch die Familienangehörigen, Freunde und Bekannten betroffen sind. Um die gesamtgesellschaftlichen Auswirkungen der psychischen Beeinträchtigungen zu verdeutlichen, werden im Folgenden einige Daten und Fakten genannt (SBAA 2005):

 Jeder zehnte Deutsche erkrankt während seines Lebens einmal an einer schweren depressiven Episode.

 Die internationale Arbeitsorganisation (ILO) beziffert die unternehmerischen Kosten für Depression in Europa auf 3 - 4 % des Bruttoinlandsproduktes.

 Nach Angaben der ILO gehen 10,9 Millionen Arbeitstage durch krankheitsbedingte Abwesenheit aufgrund psychischer Erkrankungen verloren.

 Die direkten Kosten von psychiatrischen Erkrankungen von Erwerbstätigen belaufen sich europaweit auf 8.246 Millionen Euro und die Kosten durch Arbeitsausfall durch diese Erkrankungen auf 72.158 Millionen Euro.

 Einer Schätzung der WHO zufolge werden Depression und koronare Herzkrankheit bis zum Jahr 2020 weltweit die führenden Ursachen vorzeitigen Todes und durch Behinderung eingeschränkter Lebensjahre sein.

 Personen, die unter psychischen Beeinträchtigungen am Arbeitsplatz leiden, tragen ein 2,3-fach höheres Risiko der Herz-Kreislauf-Sterblichkeit in einem Zeitraum von 25 Jahren als jene ohne psychische Beeinträchtigungen.

 Besondere psychosoziale Arbeitsbelastungen, die das Depressionsrisiko erhöhen, sind: Rollenkonflikte, Aufgabenunklarheit, Innehaben von Leitungsfunktionen und Arbeitsplatzwechsel.

Entscheidende Faktoren für diese Entwicklung sind der durch die Globalisierung verschärfte internationale Wettbewerb sowie der Strukturwandel der Gesellschaft in ökonomischer und soziokultureller Hinsicht im Zuge der neuen Informations- und Kommunikationstechnologien. In fast allen Berufen ist eine steigende Komplexität im Bereich der neuen Medien zu verzeichnen, Mitarbeiter und Führungskräfte unterliegen einem immer stärkeren Konkurrenzdruck und müssen zur Verbesserung ihrer Konkurrenzsituation ständig an Erhalt- und Qualifizierungsmaßnahmen teilnehmen.

Ganz besondere Herausforderungen im Zuge der o. g. ökonomischen und soziokulturellen Entwicklungen liegen im Bereich der Arbeitsplatzgestaltung, des Gesundheitsmanagements sowie der Implementierung von Führungsphilosophien und Führungsstrukturen in Betrieben und Behörden, um den zuvor genannten Trends auch nur ansatzweise entgegentreten zu können.

Besonders diese neuen „zwischenmenschlichen“ Herausforderungen führen inhaltlich zu einer weiteren Akzentverschiebung innerhalb der Bildungsmaßnahmen sowohl im beruflichen als auch im allgemeinen Bereich, von den stark fachbezogenen Angeboten hin zu den sogenannten weichen oder informellen Angeboten, wie u. a. Führungsverhalten, Kommunikationstraining, Arbeitszeitmanagement oder Stress- und Konfliktbewältigung.

Soziale Qualifikationen oder „Soft-Skills“, die auf eine Berücksichtigung der Gefühle, Meinungen und Kompromissfindung unter Berücksichtigung der betrieblichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen abzielen (vgl. Damm-Rüger u. Stiegler 1996), „überschwemmen“ den Markt der beruflichen und allgemeinen Weiterbildung. Ziel ist hierbei immer die Erweiterung der persönlichen sozialen Kompetenzen.

Fraglich ist jedoch im Hinblick auf diese Entwicklungen im Bereich sowohl der betrieblichen als auch der allgemeinen Erwachsenenbildung, welche Bildungstheorie/​welches Bildungsideal diesen Weiterbildungsangeboten explizit oder zumindest implizit zugrunde liegt. Grünewald (1997) konstatiert, dass das „zentrale Ziel der betrieblichen Weiterbildung (…) die Erhöhung der Arbeitsproduktivität der eigenen Mitarbeiter ist“. Wie lässt sich solch ein „materialistisch-ökonomisches“ Bildungsprinzip ethisch vertreten und dies unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die psychischen Belastungen am Arbeitsplatz immer stärker werden und die daraus resultierenden psychischen Beeinträchtigungen zu immer mehr krankheitsbedingten Ausfällen führen?

Kann die berufliche Erwachsenenbildung tatsächlich „Handlanger“ der wirtschaftlichen Interessen von Unternehmen sein? Die Antwort auf diese Frage hängt vom Blickwinkel des Betrachters ab. Aus emanzipatorisch-empathischer Sicht (vgl. Blankertz 1968) – orientiert an der Bildungsphilosophie der Aufklärungsidee – ist Bildung ein Prozess der Emanzipation und der Befreiung des Einzelnen aus den Zwängen tradierter Sozialstrukturen gemäß der „vocation commune“ (Jean Jacques Rousseau in Emile) und sollte nicht auf das Maß des jeweils ökonomisch Notwendigen beschränkt bleiben. Eine ausschließlich an den Bedürfnissen der Wirtschaft orientierte Entwicklung der Bildungsmaßnahmen wäre dementsprechend sehr kritisch zu betrachten. Maßnahmen der Erwachsenenbildung hätten hier im humanistischen Sinne die Aufgabe, die Teilnehmer aus den Zwängen des „Hamsterrades“ zu befreien.

1.2 Ziel dieser Arbeit

Ziel dieser Arbeit ist es, ein didaktisches Konzept der Bildung darzustellen und zu begründen, das dazu dienen soll, den Tätigen in der Erwachsenenbildung zu helfen, den o. g. besonderen psychosozialen Herausforderungen für sich selbst und für den Teilnehmer begegnen zu können.

Die o. g. Fakten verdeutlichen die gesamtgesellschaftliche Relevanz der psychischen Beeinträchtigungen und somit auch die Relevanz für die berufliche Aus- und Weiterbildung sowie für die Erwachsenenpädagogik allgemein. Es ist unschwer zu erkennen, dass Erwachsenenpädagogen die Kompetenz besitzen müssen, in Lehr- und Lernsettings die Phänomene der psychischen Belastung wahrnehmen und gebührend berücksichtigen zu können. Eine solche Form der Erwachsenenpädagogik würde also beinhalten, den Teilnehmern zu helfen, die psychischen Auswirkungen der Umwelt auf das Selbst sowie Reaktionsmechanismen zu reflektieren und Bewältigungsstrategien zu entwickeln, die es ermöglichen, den beruflichen und gesellschaftlichen Herausforderungen zu begegnen und dabei die seelische und körperliche Gesundheit zu bewahren.

In dieser Arbeit soll ein erwachsenenpädagogisches Konzept vorgestellt und begründet werden, anhand dessen Erwachsenenpädagogen psychosoziale Reflexionen sowie die Entwicklung von emotionalen Kompetenzen bei Teilnehmern, sowohl beruflicher als auch allgemeiner Maßnahmen der Erwachsenenbildung, ermöglichen können.

Wie weiter unten aufgeführt, wird eine psychische Belastung erst dann zu einer psychischen Beeinträchtigung (mit dem Risiko seelischer und körperlichen Erkrankungen), wenn die eingehenden Reize subjektiv als bedrohlich oder unangemessen eingestuft werden. Diese Interpretation der eingehenden Reize beruht auf den sogenannten Deutungs- und Gefühlsprogrammen (DGPs) (vgl. Arnold 2008) eines jeweiligen Menschen, auch als kognitive und emotionale Deutungsmuster bezeichnet. Das erwachsenenpädagogische Konzept, welches in dieser Arbeit hermeneutisch begründet werden soll, basiert auf der Annahme, dass die Reflexion der eigenen DGPs dazu führen kann, besser zu verstehen, warum der Einzelne bestimmte Situationen als Bedrohung empfindet und wie somit diese Situationen zu einer psychischen Belastung führen können.

Dieses Verstehen wiederum eröffnet Chancen, geeignete Bewältigungsstrategien zu entwickeln. Ein erwachsenenpädagogisches Konzept müsste eine stufenweise Reflexion der bewussten und unbewussten DGPs vorsehen, wobei der Erwachsenenbildner als Coach fungiert, dem Teilnehmer bei dem Reflexionsprozess quasi als „Geburtshelfer“ beisteht und aufgrund seines umfangreichen Wissens über neuropsychologische Prozesse helfen kann, die geeigneten Bewältigungsstrategien zu entwickeln.

Dabei sollten nicht nur kognitive und emotionale Deutungsmuster, sondern als Besonderheit zusätzlich die sogenannten archetypischen Deutungsmuster, d. h. kollektive psychische Dynamiken und Strategien, die entweder genetisch, epigenetisch oder im Sinne eines kulturellen kollektiven Gedächtnisses vermittelt worden sind (vgl. Kapitel 16), berücksichtigt werden.

Diese Arbeit wird sich exemplarisch mit dem Umgang von Erwachsenenpädagogen mit Führungskräften als Teilnehmer an einer Bildungsmaßnahme beschäftigen, da diese a) zu der Gruppe der besonderen Risikoträger psychischer Beeinträchtigungen gehören und b) diese Gruppe einen maßgeblichen Einfluss auf den Arbeitsschutz hat und daher ein transformativer Reflexionsprozess nicht nur Auswirkungen auf die Betreffenden selbst hat, sondern noch für diejenigen haben könnte, die den jeweiligen Führungskräften „anvertraut“ worden sind (vgl. Kapitel 7).

Nach einer theoretischen Darstellung und Begründung der Bezugstheorien des erwachsenenpädagogischen Konzeptes sollen mehrere Feldbeobachtungen beschrieben werden. Wobei konkrete Führungskräftetrainings, die anhand des hier dargestellten möglichen erwachsenenpädagogischen Konzeptes durchgeführt wurden, auf die Fragestellung hin evaluiert werden, inwiefern die Teilnehmer „befähigt“ wurden, besser mit psychosozialen Herausforderungen umgehen zu können.

1.3 Theoretische Bezugspunkte und methodische Vorgehensweise

Die in der Einführung dargestellten sozioökonomischen Entwicklungen und das Ausmaß der psychischen Belastungen und Beeinträchtigungen sollen die Relevanz dieser Herausforderungen für die Erwachsenenpädagogik verdeutlichen. Eine Erwachsenenbildung, will sie professionell sein, kann im Hinblick auf die gesellschaftlichen Entwicklungen an den psychopathologisch wichtigen Themenfeldern nicht vorbeigehen, zumal die aktuellen Statistiken von einem immensen Dunkelfeld ausgehen.

Eine Untersuchung von Jacobi, Klose u. Wittchen (2004) der 12-Monats-Prävalenz psychischer Störungen in Deutschland ergab, dass jeder Dritte im Alter von 18 bis 65 Jahren betroffen ist (31 %). Die häufigste Gruppe bilden die Angststörungen (Frauen 20 %, Männer 9 %), gefolgt von den depressiven Störungen (Frauen 14 %, Männer 8 %).

Somit kann konstatiert werden: Jede Maßnahme der Erwachsenenbildung wird mit Teilnehmern zu tun haben, die unter Angststörungen oder Depressionen leiden (und wenn nicht im pathologischen Ausmaß, dann doch in sub-pathologischer Hinsicht), d. h. mit Menschen, die aus sozioökonomischer Hinsicht Einflüssen ausgesetzt sind, die zu einer psychischen Beeinträchtigung jedweder Art führen können. Eine professionelle Erwachsenenpädagogik muss also immer auch psychologische, biologische und medizinische Kenntnisse einbeziehen, soll sie tatsächliches Verstehen des Selbst, der Gesellschaft sowie der Welt ermöglichen können.

Zu verschiedenen Zeiten wurde die Frage nach dem Verstehen des Selbst und der Welt von unterschiedlichen Disziplinen beantwortet: von der Theologie (Verstehen durch Offenbarung), zur Philosophie (Verstehen durch Erkenntnis), zur Psychologie (Verstehen durch Beobachtung des Verhaltens), hin zu den modernen Wissenschaften der Neurobiologie, der Neuropsychologie sowie der Bewusstseinsforschung, zusammengefasst als Sciences of Mind (Verstehen des Selbst durch Erforschung des Gehirns). Die Pädagogik und die Erwachsenenbildungswissenschaft können sich den „neuen“ Erkenntnissen der o. g. Sciences of Mind nicht entziehen, wie man an der Entwicklung von Disziplinen wie der Neurodidaktik oder der Neuropädagogik erkennen kann. Im Hinblick auf die Erwachsenenpädagogik sei im Rahmen dieser Arbeit ganz besonders der systemkonstruktivistische Ansatz genannt, der weitestgehend auf neurobiologischen Erkenntnissen fußt, welche die Philosophie des Konstruktivismus, d. h. der subjektiven Konstruktivität der Wirklichkeit auf der Grundlage der individuellen neuronalen Muster bestätigen.

Will eine Erwachsenenpädagogik in der heutigen Zeit relevant sein, muss sie psychische Dynamiken kennen, erkennen, verstehen und ggf. auf Bewältigungsstrategien und Hilfen hinweisen können. Damit steht sie an der Grenze zur Psychotherapie, eine Grenze, die wiederum nicht überschritten werden darf, soll das pädagogische Personal in den jeweiligen „institutionellen Begrenztheiten“ nicht überfordert werden. Das in dieser Arbeit dargestellte Konzept soll diese Grenze zur Psychotherapie respektieren und sollte sich daher als genuin pädagogisches Modell verstehen. Theoretische Grundlagen für das hier zu entwickelnde Konzept sind die Arbeiten zur emotional-konstruktivistischer Erwachsenenbildung von Arnold sowie Erkenntnisse der Neuropsychologie und Psychotherapie zur Entstehung und zum Umgang mit psychischen Belastungen und Beeinträchtigungen.

Methodisch soll in dieser Arbeit daher so vorgegangen werden, dass erstens eine hermeneutische Auseinandersetzung mit pädagogischen Theorien als Grundlagen eines erwachsenenpädagogischen Konzeptes anschließend Erkenntnisse zu der Differenzierung zwischen Kognition und Emotion dargestellt und diese mit neuen Erkenntnissen der Neurobiologie/​Neuropsychologie verbunden werden, um daraus inhaltliche und methodische Bausteine für das Konzept zu ermitteln. Weitere für ein erwachsenenpädagogisches Handeln relevante theoretische Bezugspunkte sollen erörtert und in dem Konzept zusammengefasst werden. Letztlich sollte ein auf diesen Theorien basierendes Konzept exemplarisch anhand einer oder mehrerer Erwachsenenbildungsmaßnahmen beobachtet und bewertet werden. Insgesamt soll am Ende ein erwachsenenpädagogisches Konzept stehen, das sowohl zu behandelnde Inhalte, Wissen, Kompetenzen als auch konkrete „Tools“ für Erwachsenenpädagogen beschreiben kann.

2 105,74 ₽
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Возрастное ограничение:
0+
Дата выхода на Литрес:
22 декабря 2023
Объем:
420 стр. 35 иллюстраций
ISBN:
9783942064088
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