promo_banner

Реклама

Читать книгу: «Ricarda Huch: Deutsche Geschichte – Mittelalter – I. Römisches Reich Deutscher Nation –»

Шрифт:

Ricarda Huch

Ricarda Huch: Deutsche Geschichte – Mittelalter – I. Römisches Reich Deutscher Nation –

Band 178 in der gelben Reihe – bei Jürgen Ruszkowski

Dieses ebook wurde erstellt bei

Inhaltsverzeichnis

Titel

Vorwort des Herausgebers

Die Autorin Ricarda Huch

Deutsche Geschichte – Band I. – Römisches Reich Deutscher Nation

Bonifatius

Die ersten Karolinger und die Päpste

Karl der Große

Die Deutschen und das Christentum

Das Kloster

Der Adel

Die Ottomanen

Bischöfe

Frauen

Der Norden

Imperatoren

Heinrich IV. und Gregor VII.

Heinrich IV. und die Stände

Welfen und Staufer

Kaiser und Papst

Ausgang

Die Kreuzzüge

Die Kolonisation

Die letzten Hohenstaufer

Kaufleute

Städte

Die Juden

Die Juden und der Wucher

Ketzer

Die heilige Elisabeth und der Deutsche Orden

Geistiges Leben

Albert Magnus

Der Rheinische Bund

Stedinger, Friesen, Ditmarscher

Schlachten

Die Eidgenossenschaft

Der falsche Friedrich

Sprache und Nationalität

Die Mystiker

Karl IV.

Territorialfürsten

Österreich

Zunftkämpfe

Städtebünde

Das Konzil zu Konstanz

Die Hanse

Siegmund im Reich und im Osten

Die Reformation des Kaisers Siegmund

Gutenberg

Untergang des Deutschen Ordens

Die Auflösung

Die maritime gelbe Buchreihe

Weitere Informationen

Impressum neobooks

Vorwort des Herausgebers

Vorwort des Herausgebers


Von 1970 bis 1997 leitete ich das größte Seemannsheim in Deutschland am Krayenkamp am Fuße der Hamburger Michaeliskirche.


Dabei lernte ich Tausende Seeleute aus aller Welt kennen.

Im Februar 1992 entschloss ich mich, meine Erlebnisse mit den See­leuten und deren Berichte aus ihrem Leben in einem Buch zusammenzu­tragen. Es stieß auf großes Interesse. Mehrfach wurde in Leser-Reaktio­nen der Wunsch laut, es mögen noch mehr solcher Bände erscheinen. Deshalb folgten dem ersten Band der „Seemannsschicksale“ weitere.

Hamburg, 2021 Jürgen Ruszkowski


Ruhestands-Arbeitsplatz

Hier entstehen die Bücher und Webseiten des Herausgebers

* * *

Die Autorin Ricarda Huch

Die Autorin Ricarda Huch

https://www.projekt-gutenberg.org/autoren/namen/huchric.html


Ricarda Octavia Huch wurde am 18. Juli 1864 in Braunschweig geboren und starb am 17. November 1947 in Schönberg im Taunus. Sie war eine deutsche Schriftstellerin, Dichterin, Philosophin und Historikerin, die als eine der ersten Frauen im deutschsprachigen Raum im Fach Geschichte promoviert wurde. Sie schrieb Romane und historische Werke, die durch einen konservativen und gleichzeitig unkonventionellen Stil geprägt sind.

* * *

Deutsche Geschichte – Band I. – Römisches Reich Deutscher Nation

Deutsche Geschichte – Band I. – Römisches Reich Deutscher Nation

https://www.projekt-gutenberg.org/huchric/dtgesch1/chap001.html

Zuerst 1934 im Atlantis-Verlag Berlin erschienen

* * *


Das Römische Weltreich liegt in Trümmern, aber es ist nicht tot. Es lebt ein gesteigertes Leben, seit es nicht mehr Wirklichkeit ist; denn es ist Idee geworden. Einem Lied gleicht es, das in das Ohr eines Schlafenden dringt und ihm wunderbare Träume erzeugt. Nichts, das man am Tag hört, tönt so laut, so hinreißend; erinnert man sich wachend seiner auch nicht deutlich, so bleibt man doch seiner unvergleichlichen Schönheit bewusst, die ewige Sehnsucht erregt. Es hob das Herz wie ein Schlachtgesang, strahlend von Majestät und Triumph, es durchbohrte das Herz mit feierlicher Trauer wie ein Choral. Weltherrschaft und Christentum waren darin verschmolzen, Imperium sine fine dedi (Ich habe dir endlose Befehle gegeben) – Endlos daure das Reich, das ich gab. Die Verkündigung Jupiters, des Vaters der Götter und Menschen, durch die Virgil dem Römerreich unendliche Dauer verheißt, schlug in einen gewaltigen Akkord zusammen mit den Worten des Herrn, auf welche die Kirche ihren Anspruch auf Unvergänglichkeit gründet: Tu es Petrus – Du bist Petrus, und auf diesen Felsen will ich bauen meine Gemeinde, und die Pforten der Hölle sollen sie nicht überwältigen. Götterworte übten bindenden Zauber, beugten die siegreichen Söhne Germaniens unter Rom in Trümmern.

Manche von den Germanen hatten Rom gedient, manche hatten sich ihm unterworfen, andere es bekämpft, es besiegt, alle glaubten an das Römische Reich. Es war eine von Gott errichtete Ordnung, von Gott dadurch beglaubigt, dass er innerhalb dieses Reiches Fleisch geworden war, außerhalb dessen das Chaos der Heidenwelt brandete, und Rom war sein Haupt. Roma sancta, Roma aeterna (Heiliges Rom, ewiges Rom). Es war der Sitz der Cäsaren gewesen, es war jetzt der Sitz der Päpste, es konnte verfallen und veröden, es blieb der magische Punkt, durch den die Erde mit den Göttern verbunden war. Die Germanen waren reich an Gegenwart und Zukunft, aber Rom, wenn es auch darniederlag, besaß einen Schatz über alle Schätze, es besaß geformte Vergangenheit. Alte Kultur ist Schwerkraft, die den Menschen unwiderstehlich anzieht; je näher er der Natur steht, desto williger beugt er sich ihrem vergilbten Glanze. Verschiedene germanische Völker gründeten Reiche, die überraschend aufblühten, einige vergingen so rasch, wie sie entstanden waren, alle glaubten ohne Wurzel im Zufälligen der eigenen Kraft zu schweben, bis sie unvergänglich göttlichen Rechtsgrund im Römischen Weltreich fanden.

* * *

Bonifatius

Bonifatius


Selten ist es den Menschen vergönnt, aus eigenem Geiste eine Tat von dauernder Bedeutung zu tun; ein dazu Auserwählter war Winfried Bonifatius, der die Kirche des Frankenreiches dem Papst unterwarf. Wieviel Umwälzendes die Jahrhunderte den britischen Inseln gebracht haben, der Angelsachse des 8. Jahrhunderts war dem Engländer der neuen Zeit ähnlich: tatkräftig, sachlich, streng kirchlich, ohne fromm zu sein, großartig in seinen Entwürfen, im Organisieren, so dass man den jungen Mönch des Klosters Nutscelle gern zu diplomatischen Geschäften verwendete. Es würde ihm an Ehren und Einfluss in der Heimat nicht gefehlt haben; aber ihn bewegten größere Gedanken. Er ging aus von dem Wunsche, die Friesen zu bekehren, nichts Fernliegendes für ihn, denn von den Iren und Angelsachsen war größtenteils die Mission unter den germanischen Stämmen des Festlandes ausgeführt worden. Die keltischen Iroschotten, die Ureinwohner der Inseln, gehörten der alten britischen Mönchskirche an, die den Verfall des Römischen Reiches überdauert hatte, die Angelsachsen der von Papst Gregor I. gepflanzten bischöflichen Kirche. In der britischen Mönchskirche bestanden allerlei von der Papstkirche abweichende Gebräuche, wie dass die Ehelosigkeit der Geistlichen bei ihnen kein Gebot war, hauptsächlich aber waren sie, wenn sie auch mit dem römischen Papst in Beziehung standen, doch unabhängig von ihm, indem der Begriff der Fortpflanzung der göttlichen Priesterweihe durch den römischen Bischof bei ihnen nicht galt. Die Geringschätzung, mit welcher die Angelsachsen auf die Mönchskirche herabsahen, hatte vermutlich ihren Grund mehr darin, dass sie überhaupt die unterworfene Rasse verachteten, als in den Eigenheiten ihrer Verfassung. Mangel an Bildung konnte man den Iroschotten kaum vorwerfen, die sogar Griechisch verstanden und lehrten; es war wohl mehr etwas Regelloses, Schweifendes, Phantastisches in ihrem Wesen, was die Angelsachsen abstieß. Der sächsische Stolz war bei den Angelsachsen noch gesteigert; Winfried war von vornehmer Abkunft, dazu persönlich durch das Machtgefühl eines überragenden Geistes und unbeugsamen Charakters gehoben. Die Bekehrung der Friesen war eine Aufgabe der Zeit, zuerst vom Erzbischof von York versucht, der bei einer Romreise an die friesische Küste verschlagen war, während der Frankenherrscher Pipin von Heristall (635 – 714) und dessen Sohn Karl sie mit dem Schwert zu unterwerfen trachteten. Der kriegerische Angriff verdoppelte die Widerspenstigkeit der Friesen gegen die Glaubensboten; denn der neue Gott stellte sich offensichtlich dar als der Gott von Feinden, die ihrer Freiheit nachstellten. Ein Sieg Pipins hatte zunächst Erfolg: der Friesenhäuptling musste einen Teil seines Landes abtreten und eine Tochter einem Sohn Pipins, Grimsald, zur Frau geben.


Willibrord

Der angelsächsische Missionar Willibrord war Pipin als Gehilfe willkommen, er gründete das Kloster Echternach, stellte sich dem römischen Papst vor und wurde von diesem zum Erzbischof von Utrecht geweiht, demselben Ort, wo Radbod, der Friesenhäuptling, seinen Sitz hatte.


Klosterkirche Echternach – Foto: © Raimond Spekking

Dieser rasche Erfolg war nicht von Dauer: Grimsald wurde auf der Reise zu seinem erkrankten Vater in der Kirche von Lüttich von einem Friesen ermordet, der, wie man glaubte, ein Beauftragter Radbods war. Als bald darauf Pipin starb, fiel das eroberte Gebiet ab. So war die Lage, als Winfried, etwa fünfunddreißig Jahre alt, sich dem verschütteten Werk zu weihen beschloss. Er fuhr nach Friesland hinüber und hatte eine Unterredung mit Radbod; dabei muss er den Eindruck unüberwindlichen Widerstandes empfangen haben, denn er kehrte bald in sein Kloster zurück, nicht um seinen Plan aufzugeben, sondern um ihn anders anzupacken. Winfried war nicht ein Glaubensbote, wie Columban, Gallus, Pirmin gewesen waren, die das Feuer ihres Glaubens auf die Heiden zu übertragen wussten, die Mensch und Tier durch die fremde Rede bezauberten, auch mit der Faust dreinschlugen, wenn das Wort nicht verfing; Winfried war ein Aristokrat, dem es mehr auf Kultur als Religion ankam, den das Ungeordnete mehr beleidigte als das Unchristliche. Als ein rechter Engländer sah er die Religion als Teil der staatlichen Ordnung an und beschloss, sein Bekehrungswerk nicht als ein Abenteurer gleichsam von unten aus im Herzen des Volkes, sondern von oben und außen her, als Organisation an die Hand zu nehmen, ausgehend von der Spitze der Kirche, dem römischen Papst. Nachdem er die eben erhaltene Abts-Würde niedergelegt hatte, ging er nach Rom, um sich vom Papst die Vollmacht zur Missionspredigt zu holen. Auch die Romreise war etwas Zeitgemäßes, sie wurde von den britischen Inseln aus mit Vorliebe unternommen. Geistliche und weltliche Personen, männliche und weibliche folgten dem Zug nach der Hauptstadt der Welt, nach dem heiligen Sonnenland. Dort war, wie in unseren Tagen, eine Kolonie von Fremden, dort machte man interessante Bekanntschaften, dort trank man, gelöst vom Alltag, aus einem Lebensstrom, der über fabelhaften Ruinen voller als anderswo rauschte. Die vier Päpste, die Bonifatius erlebte, Gregor II., Gregor III., Zacharias und Stephan III., waren ihm gegenüber die Lässigeren, wenn sie auch auf seinen Plan, die fränkische Kirchenhierarchie aufzubauen, willig eingingen. Als Haupt der Christenheit sich fühlend, mochten sie denken, die Barbarenreiche würden ihnen ohnehin einmal als zeitige Frucht in den Schoß fallen, zum Teil waren sie mittelmäßige Leute, die nicht den immertätigen Geist des großen Angelsachsen hatten. Die Eigenschaften und Zustände des Nordens waren ihnen wenig bekannt, die Schärfe der Abneigung Winfrieds gegen die irischen Mönche und ihre Mission, gegen die verweltlichten fränkischen Bischöfe fühlten sie nicht mit. Andererseits waren sie gewöhnt, von den germanischen Christen als Schiedsrichter und Wissende in unzähligen Fragen des Staates, der Kirche, der Sitte angerufen zu werden. Sie waren die Inhaber der Tradition, von ihnen glaubte man erfahren zu können, was gültig war.


Papst Gregor II. – Foto: 3268zauber

Nachdem Winfried dem Papst Gregor II. förmlich gehuldigt und von ihm einen Kodex des kanonischen Rechtes empfangen hatte, unterwarf sich der stolze Sachse dem Urteil des römischen Bischofs mit erstaunlicher Selbstüberwindung. In den meisten Fällen waren die Entscheidungen der Päpste so verständig, dass sie ohne weiteres einleuchteten; aber in dem kanonischen Gesetz zum Beispiel, wonach geistliche Verwandtschaft, nämlich die Patenschaft bei demselben Kind, ein Ehehindernis bildet, konnte er, obwohl er sich Mühe gab, begreiflicherweise keinen Sinn finden. Wie sollte er denen, die unter dieser Bestimmung zu leiden hatten, den Grund ihres Leidens begreiflich machen? Da der Papst darauf bestand, schluckte er den Bissen ohne Sinn hinunter. Wenn es seinen Begriff von Religion anging, wenn er sah, wie in Rom heidnischer Aberglaube ungerügt sein Wesen trieb, konnte er aber auch die Unterwürfigkeit abwerfen und den Papst wegen seiner unzeitigen Duldsamkeit abkanzeln, wie wenn er der Herr wäre. Ausgestattet mit der Vollmacht des Papstes hat der Apostel in Thüringen und Hessen das heidnische Volk bekehrt, Klöster gegründet und mächtig die heiligen Eichen vor den entsetzten Augen ihrer Verehrer gefällt; aber die Organisation und die Belehrung der Gebildeten lagen ihm mehr. Für diese hatte seine Erscheinung etwas Blendendes, namentlich für die gebildete oder nach Bildung strebende Jugend. Als er auf seinen Reisen im Nonnenkloster Pfalzel bei Trier einkehrte, dessen Äbtissin eine Enkelin des Merowingerkönigs Dagobert II. war, bestand ihr fünfzehnjähriger Enkel Gregor darauf, dem Fremden zu folgen; ebenso schloss sich ihm der junge Bayer Sturm an. Die Jugend wusste sich nichts Schöneres, als diesem Mann, der unentwegt ein hohes Ziel verfolgte, der alles Niedrige verabscheute, und der durch Niedriges unberührbar zu sein schien, zu dienen. Am liebsten waren ihm als Mitarbeiter seine Landsleute, die auf seinen Wink begeistert aus den angelsächsischen Klöstern herbeiströmten. Unter ihnen war eine Verwandte, Lioba, deren Mutter, während sie schwanger war, geträumt hatte, sie trage eine Glocke unter dem Herzen, die zu läuten beginne. Da sie klug und begabt war, sich lieber mit Lesen, Schreiben und Dichten als mit Handarbeit beschäftigte, übergab man sie einem Kloster; Bonifatius machte sie zur Äbtissin des Klosters Tauberbischofsheim. Man liebte sie wegen ihrer zarten Lieblichkeit; doch ging sie festen Schrittes ihren einsamen Weg. Seinen Jüngern gegenüber war Winfried ein gütiger, wenn auch viel fordernder Herr, gegen die, welche sich ihm nicht unterwarfen oder die er als schädlich ansah, war er ein unnachgiebiger Verfolger. Er hasste die hohen Geistlichen, die, wie das bei den Franken nicht selten war, ein weltliches Leben führten, und diejenigen, die den römischen Kanon verwarfen oder irgendwie von ihm abwichen. Was für Kämpfe und Ränke stattfanden, ist uns nicht im Einzelnen überliefert; aber gewiss ist, dass seine Bestrebungen auf mancherlei Widerstand stießen. Es war leichter, in den noch heidnischen Gegenden Klöster zu gründen, dort geeignete Vorsteher einzusetzen, Kirchen zu bauen, als da, wo sich schon eigenartiges Leben in Kirchen und Klöstern entfaltet hatte, dies in eine einheitliche Ordnung einzubinden. Gewald, Erzbischof von Mainz, hatte Karlmann, den Bruder Pipins, der mit diesem gemeinschaftlich regierte, in den Sachsenkrieg begleitet und war gefallen. Dessen Sohn Gewilieb, beim Tode des Vaters Laie, empfing rasch die Weihen, um sein Nachfolger werden zu können; sein Leben änderte er deswegen nicht. Der neu ausbrechende Krieg gab ihm Gelegenheit, seinen Vater zu rächen: er forderte den Sachsen, der Gewald getötet hatte, zu einer Unterredung auf, und als der Gerufene erschien, brachte er ihn um. Winfried fand, dass Krieg und Mord kein Geschäft für christliche Bischöfe sei; aber die fränkischen Bischöfe waren gewohnt, ihre Würde als ein königliches Amt zu betrachten, dessen kirchliche Seite nur die zufällig Frommen pflegten. Schließlich setzte Winfrieds Eifer durch, dass Gewilieb auf einer Synode abgesetzt wurde; bestraft wurde er nicht, sondern setzte sein weltlich prächtiges Leben auf seinen Gütern fort. Auch die Gegner der Lehre und der Organisation warf Bonifatius nach langen Kämpfen mit Härte nieder, nur mäßig unterstützt vom Papst und von den fränkischen Herrschern.


Karl Martell (Foto: J. Patrick Fischer) (* zwischen 688 und 691; † 15. Oktober oder 22. Oktober 741 in der Königspfalz Quierzy) war ein fränkischer Hausmeier. Er stieg als Sohn Pippins des Mittleren in dieses Amt auf, dessen Besetzung durch Nachfolgekämpfe geprägt war, auf die der merowingische König keinen Einfluss mehr hatte.

Karl Martells Großtat, die Zurückwerfung der Sarazenen nach Spanien, machte ihn zum Helden des germanisch-romanischen Abendlandes, die Kirche betrachtete ihn, der gewalttätig mit dem Kirchengut geschaltet hatte, um seine Gefolgsleute belohnen zu können, mit scheuer Abneigung. Winfried ließ sich einen Schutzbrief von ihm ausstellen, da er einsah, dass sich ein solcher in strahlenden Taten ausgeprägter Ruhm nicht übersehen ließ und dass es klüger sei, ihn zur Befestigung der eigenen Stellung zu benützen; aber die beiden Großen waren zu anders geartet und hatten zu verschiedene Wege vorgeschaut, als dass sie sich freundschaftlich hätten berühren können. Wenn Winfried den Hof mied, tat er es sicher nicht, um den Verführungen auszuweichen, die für ihn keine waren, sondern um als ein Herr nicht dem Herrscher begegnen zu müssen, der sich als den Höheren betrachtet hätte, und der sicher der Mächtigere war. Als lange nach Winfrieds Tod seine Freundin Lioba einer dringenden Einladung der Kaiserin Hildegard folgte, bat die Äbtissin ihre freundliche Gastgeberin, indem sie sie unter Tränen umarmte, sie sofort wieder zu entlassen; so sehr wirkte Winfrieds Verhältnis zu den fränkischen Herrschern im Herzen der ihm Ergebenen nach. Ausschalten ließ sich die Mitwirkung der Herrscher bei den kirchlichen Dingen nicht, sie beriefen die ersten großen Synoden, die auf Anregung des Bonifatius stattfanden. Als auf einer Synode des Jahres 747 die anwesenden Bischöfe und Geistlichen die Metropolitanverfassung annahmen, eine Urkunde über den orthodoxen Glauben ausstellten und sie dem Papst übersandten, konnte er sein Ziel als erreicht betrachten. Die Einheit der Kirche im Aufbau und im Glauben unter dem Papst war hergestellt.

Trotzdem war der stolze Mann nicht befriedigt. Tiefe Traurigkeit lastete oft auf ihm wie ein körperlicher Schatten. Er fühlte sich im Bezirk seiner Wirksamkeit in der Fremde, angefeindet, nicht richtig gewertet. Sein Wunsch, das Erzbistum Köln zu erlangen, wo er den Friesen nahe gewesen wäre, wurde ihm nicht erfüllt, weil die dortige hohe Geistlichkeit ihn ablehnte, anstatt dessen bekam er Mainz, das er nicht gewollt hatte. Mehr hing sein Herz an dem Kloster Fulda, das er selbst gegründet und dem Papst unmittelbar unterstellt hatte, womit jede Möglichkeit königlicher Eingriffe ausgeschaltet war. In dieser Anstalt sollte die strenge Regel des heiligen Benedikt herrschen, nach welcher das Kloster einen selbständigen Wirtschaftsbezirk zu bilden hatte, wo alle erforderliche Arbeit von den Klosterbrüdern selbst, ohne Hilfe dienender Laien geleistet würde. Der Ort, wo später das Kloster Hersfeld entstand, den Winfrieds Schüler Sturm zuerst ausgewählt hatte, erschien ungeeignet, weil zu nah am heidnischen Gebiet gelegen; so wanderte der Abgesandte weiter durch sommerliche Buchenwälder, bis ihn eines Tages ein Tal von besonderer Lieblichkeit fesselte. Da war der Boden wie eine Wiege gestaltet, die den Menschen hegend umfassen will, und Hügel und sanfte Bergkuppen zogen einen schützenden Ring darum; da führte ein geselliger Fluss das klare Wasser herbei, das fast wie die Luft zur Erhaltung des Lebens notwendig ist, da gab es außer dem Holz der Wälder Basalt und Sandstein als Material zum Bau des Gotteshauses. Nachdem Karlmann, damals noch Regent in Oberhessen, das gewünschte Gebiet geschenkt hatte, wurde die Errichtung des Klosters in Angriff genommen.


Kloster Fulda

Von einem Hügel herab sah Winfried, alternd und zuweilen der unbequemen Reisen, der bitteren Kämpfe und der eigenen Leidenschaften müde geworden, den emsigen Männern zu und dem Erwachsen des kleinen Reiches, wo er für eine Zeitlang wenigstens Zuflucht und Heimat und bald vielleicht die ewige Ruhe finden würde. Von der alten Kirche und dem alten Kloster, die seine Augen sahen, ist nichts übriggeblieben, das festliche Barock des heutigen Doms ist unendlich fern von dem ernsten, glühenden, weltüberwindenden Geist der Stifter des ersten. Einzig die karolingische Rotunde der Michaeliskirche, einsamer Fremdling, der in unverständlicher Zunge redet, hat eine Spur davon erhalten.

Als Winfried etwa siebzig Jahre alt war, körperlich sehr hinfällig, mit schneeweißem Haar, so schildert ihn einer, der ihn damals sah, ergriff ihn wieder der Wunsch seiner Jugend, den Friesen das Wort Gottes zu predigen. Er hatte damals den Plan zugunsten eines anderen aufgegeben, aber es scheint, dass er ihn nie aus den Augen verloren hatte. Vielleicht betrachtete er die Friesen als einen besonders nahverwandten Stamm und ihr Land als seinem Volk besonders zugehörig; denn von dort sollen die Angelsachsen ausgezogen sein, um Britannien zu erobern, worauf die Friesen in das verlassene Gebiet eindrangen. Damals hatte er eben das Mannesalter erreicht, und sein Werk lag vor ihm, er wollte das Leben erhalten, das seinem Werke geweiht war; jetzt war es anders. Sein Werk war getan und sollte gekrönt werden durch den Märtyrertod. Die, welche die Nachfolge des Herrn gelobt hatten, sehnten sich danach, zu sterben wie er, gleichsam mit ihm, wie Gefolgsleute mit ihrem Herzog. Trotzdem zog er nicht aus wie ein einfacher Glaubensbote, der mit keinem anderen Schild als seinem Glauben sich in den Rachen der Hölle wagt; sondern er reiste als der Kirchenfürst, der Legat des Papstes, umgeben von einem zahlreichen bewaffneten Gefolge, mit allerlei Reisegepäck, auch Büchern, als der höchste Geistliche Germaniens, der sich einer entfernten, noch unsicheren Gemeinde zeigen will. Zugleich aber, entsprechend der zwiefachen Richtung seines Geistes, schickte er sich an wie zum gewissen Tode, als wisse er, dass der Tod seit dem Anfang seines Lebens dort an der friesischen Küste stände und ihn erwartete. Bevor er abreiste, nahm er in Mainz Abschied von seinen Getreuen und ließ auch Lioba kommen, um sie noch einmal zu sehen und seinen Freunden zu empfehlen. Er traf die Bestimmung, dass er in Fulda bestattet sein wolle, und dass, wenn Lioba einst gestorben sein würde, ihr Leichnam zu dem seinigen in seinen Sarg gelegt werde. Die er im Leben sich ferngehalten hatte, getreu dem strengen Gebot, dem er sich unterstellt hatte, riss er im Tode an sich, in seinem herrischen Sinn sicher, dass sie so oder so die Seine war, ihm folgend in der Entsagung, ihm folgend im besten Eins werden der Liebe. Dies Hervorflammen einer ein Leben lang zurückgehaltenen Leidenschaft mochte für die Jünger des alten Mannes etwas Erschreckendes haben; sie schwiegen, aber sie getrauten sich nicht, als Lioba gestorben war, seinen Befehl auszuführen. Jedoch hielten sie die zarte Freundin des Heiligen so hoch, dass ihr als der einzigen Frau gestattet wurde, im Kloster Fulda als Gast empfangen zu werden. Sie wurde auf dem Petersberg beigesetzt; während Winfrieds Leiche, wie ungern auch Mainz auf die Überreste seines großen Erzbischofs verzichtete, seinem Willen entsprechend nach Fulda überführt und in der Kirche des Klosters bestattet wurde. Die Bibliothek bewahrt das aus dem Domschatz übernommene Buch auf, mit dem Bonifatius in unwillkürlicher Bewegung wie mit einem Schild den Streich des Mörders abzuwehren suchte, und das die Spuren des ihm geltenden Schwerthiebes trägt.

Denn der Erzbischof fand mit 52 Begleitern den ersehnten Tod; es war, als wenn der Himmel, der dem ordnenden Herrscher beigestanden hatte, auch seinen Opfermut bestätigen wollte.


Die Sonne eines heiteren Sommermorgens war eben aufgegangen, und Bonifatius erwartete bei seinen Zelten friesische Christen zur Firmung, als eine Schar friesischer Männer die Fremden überfiel, wahrscheinlich mehr von Raublust als von Glaubenshass angetrieben. Eine Frau berichtete später, dass sie gesehen habe, wie der Erzbischof, den Arm mit dem Buch erhoben, den Todesstreich empfing.

* * *

Возрастное ограничение:
0+
Объем:
766 стр. 277 иллюстраций
ISBN:
9783754178966
Издатель:
Правообладатель:
Bookwire
Формат скачивания:
epub, fb2, fb3, ios.epub, mobi, pdf, txt, zip

С этой книгой читают