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Die UNO

Aufgaben und Arbeitsweisen

UVK Verlag München

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ePub-ISBN 978-3-8463-5292-2

Inhalt

  1. Einführung: „Die UNO“ 1.1 Was ist „die UNO“? 1.2 Zu diesem Buch

  2. Bedingungen internationaler Kooperation 2.1 Dilemmata und Optionen 2.2 Multilateralismus 2.3 Internationale Organisationen 2.4 Völkerrecht

  3. Entstehung und Entwicklung der Organisation der „Vereinten Nationen“ 3.1 Internationale Organisation vor dem Zweiten Weltkrieg 3.2 Entstehung und Gründung im Zweiten Weltkrieg 3.3 Entwicklung seit 1945

  4. Das „Mandat“ der UNO: Ziele, Grundsätze und Aufgaben

  5. Struktur der UNO und des UN-„Systems“ 5.1 Die Hauptorgane … 5.2 … und deren untergeordnete Neben- und Spezialorgane … 5.3 … zusammen mit den selbständigen Sonderorganisationen … 5.4 … bilden das „System“ der UNO

 6. Arbeitsteilung und Machtverteilung in der UNO6.1 Aufgaben und Arbeitsteilung der Hauptorgane6.1.1 Generalversammlung (GV) / General Assembly (GA)6.1.2 Sicherheitsrat (SR) / Security Council (SC)6.1.3 Wirtschafts- und Sozialrat / Economic and Social Council (ECOSOC)6.1.4 Treuhandrat / Trusteeship Council6.1.5 Internationaler Gerichtshof (IGH) / International Court of Justice (ICJ)6.1.6 Sekretariat [bzw. Generalsekretär] / Secretariat [or Secretary General (SG)]6.2 Machtverteilung in der UNO

  7. Arbeitsweisen und Methoden 7.1 Rhetorik und Verhandlung 7.2 Resolutionen und Verträge 7.3 Berichte und Konferenzen 7.4 Gruppenbildung 7.5 Konsens und Ritualität 7.6 Inkrementelles „Durchwursteln“ 7.7 Einbeziehung der Zivilgesellschaft/NGOs 7.8 Öffentlichkeitsarbeit 7.9 Finanzierung, Personal, Verwaltung

 8. Arbeitsbereiche der UNO8.1 Frieden und Sicherheit (peace and security)8.1.1 Rüstungskontrolle und Abrüstung8.1.2 Konfliktbewältigung und Friedenssicherung8.1.3 „Humanitäre Intervention“ und „Schutzverantwortung“8.2 Menschenrechte (human rights)8.2.1 Anspruch der Menschenrechte8.2.2 Abkommen und Mechanismen8.2.3 Internationale Strafgerichtsbarkeit8.3 Weltwirtschaft (world economy)8.3.1 Stabilität der Währungen8.3.2 Freiheit und Regelung des internationalen Handels8.3.3 Globale Finanz- und Wirtschaftspolitik?8.4 Entwicklung (development)8.4.1 Wirtschaftliche, soziale und „menschliche“ Entwicklung8.4.2 Agenturen und Methoden multilateraler Entwicklungspolitik8.4.3 (Welt-)Ernährung8.5 Umwelt und Klima (environment)8.5.1 Probleme und Konflikte8.5.2 Institutionen und Verfahren8.5.3 Umwelt-, Natur-, Arten- und Ressourcenschutz8.5.4 Klima-Erwärmung8.6 diverse spezielle Aufgaben und Arbeitsbereiche …

  9. Der Wert der Vereinten Nationen 9.1 Kritik und Reform: Optionen 9.2 Synopse kritischer Vorwürfe und beliebter Reform-Vorschläge 9.3 Erwartungen und Hoffnungen

  10. Literatur

1. Einführung: „Die UNO“

Die UNO“ gibt es nicht!

Im Geist von des Sophisten Gorgias’ Essay Über das Nicht-Seiende ist über sie zu sagen:

1 die UNO existiert nicht;

2 wenn die UNO existieren würde, wäre sie nicht begreiflich;

3 wenn die UNO begreiflich wäre, würde sie nicht zu vermitteln sein;

4 wenn die UNO vermittelbar wäre, würden dies kein Fernsehsender und erst recht kein Blog bringen.

1.1 Was ist „die UNO“?

Was ist „die UNO“ – und was nicht? Erst einmal muss diese Frage geklärt werden.

Dabei helfen kann eine klassische Antwort auf die verwandte Frage: Wozu gibt es denn die Vereinten Nationen – in diesem Buch meist nur „UNO“ genannt – überhaupt?

This organization is created to prevent you from going to hell.

It isn’t created to take you to heaven.

Diese Organisation wurde geschaffen, um Euch davor zu bewahren, zur Hölle zu fahren.

Sie wurde nicht gemacht, um Euch in den Himmel zu bringen.

Henry Cabot Lodge Jr., amerikanischer Politiker und 1953-1960

Ständiger Vertreter der USA bei den Vereinten Nationen

Der Bezug auf Himmel und Hölle ist so abwegig nicht, wenn es um die Vereinten Nationen geht. Keine große politische Institution außer der katholischen Kirche wurde je mit so vielen Heilshoffnungen und Verwünschungen bedacht wie diese erste funktionierende „Weltorganisation“. Schon ihr erfolgloser Vorgänger, der Völkerbund, war an seinen realen Möglichkeiten und Machtmitteln gemessen völlig überfrachtet worden mit Erwartungen, die er von vornherein nicht erfüllen konnte.

Der Völkerbund war ein Produkt des Ersten Weltkrieges, die Vereinten Nationen sind im Zweiten Weltkrieg aus ihm heraus entstanden. Aus der verstörenden Erfahrung dieses Krieges wuchsen ihr früh als Garantin des Weltfriedens und Agentin des allgemeinen Fortschritts der Menschheit symbolpolitische Funktionen zu, die mehr zu einem Bittgottesdienst passen als zu einem kontrollierten Mechanismus zum Ausgleich nationaler Interessen oder zur zwischenstaatlichen Konfliktaustragung. Das mag zum einen in naiv idealistischer Friedenssehnsucht gründen oder zum andern scheinheilig zu frommen Ersatzhandlungen und zu zynischer Manipulation funktionalisiert worden sein – immer noch glauben viel mehr Menschen – auch Journalisten und Politiker – über die UNO als dass sie wissen.

Die gängigen Vorstellungen über „die UNO“ in der Öffentlichkeit schwanken zwischen

 der vagen, aber zählebigen Idee oder kontra-faktischen Meinung, sie sei eine Art „Weltregierung“, und

 der abgeklärt-skeptischen Einsicht, sie sei lediglich eine institutionalisierte „permanente Botschafterkonferenz“.

Oft werden überzogene Erwartungen an „die UNO“ zumindest implizit gehegt und gepflegt: Sie soll jedes irgendwie denkbare politische, soziale und kulturelle Problem erkennen, klären, aufgreifen und lösen. Weil das fast so oft nicht so recht funktioniert, erhebt sich leicht enttäuschte Pauschalkritik – und über das „Versagen der UNO“ wird in der Medien-Öffentlichkeit meist sehr undifferenziert und weit entfernt von der Materie schwadroniert und geleitartikelt; zum Beispiel

 wird „der UNO“ gerne vorgeworfen, sie sei untätig, unfähig und ineffizient – und das auch von denselben Leuten, die ungeachtet möglichen besseren Wissens irreale Erwartungen geschürt haben;

 ist häufig in den USA, aber auch bei uns der pauschale Vorwurf zu hören, „die UNO“ sei zu teuer und letztlich Verschwendung – dagegen hilft auch der Hinweis wenig, dass pro Kopf der Weltbevölkerung für das ganze UN-System jährlich weniger als 2 US-Dollar aufgewendet werden, für Rüstung aber weit über 150 US-Dollar;

 beschwören meinungsstarke Gegner multilateraler Politik, wieder besonders in den USA, gerne die Gefahren, die von „der UNO“ als einer Weltverschwörung oder gar einer sich Allmacht anmaßenden „Weltregierung“ ausgingen;

 versteht die bei uns gängigere weniger absurde Variante „die UNO“ als hoffnungsvolles Weltregierungs-Projekt, was aber als solches dann versagt und enttäuscht.

Die UNO“ muss entmystifziert werden gemäß der banalen Einsicht, dass sie weder himmlisch noch höllisch, sondern einfach weltlich, d.h. politisch funktioniert. Man muss unterscheiden – und sich entscheiden – zwischen

 der wohlfeilen Unart, ohne hemmende Rücksicht auf Sachverhalte über „die UNO“ zu reden, um Weltsichten und Projektionen auszudrücken, die mit der konkreten internationalen Organisation nichts oder nicht viel zu tun haben, und

 dem anspruchsvollen Versuch, die UNO als komplexes Phänomen und vielschichtigen Prozess zu betrachten und zu verstehen.

Beispiele von Missverständnissen: „Die UNO“ als Welt-Instanz oder Sündenbock?

Süddeutsche Zeitung vom 13.09.1999, Leserbrief zur Kirchensteuer (Hervorhebungen R.W.):

„Diese Situation ist so, als gäbe es für einige Bürger nicht die Gleichheit vor dem Gesetz und als existiere nicht die Rechtsschutzpflicht des Staates. Diese ist unter anderem auch in der UN-Charta festgelegt und damit höher im Rang als die entsprechenden Kirchenartikel des Grundgesetzes.“

 Ein Kämpfer gegen die Kirchenmacht ruft die Autorität der Charta der höheren Instanz UNO an.

Süddeutsche Zeitung vom 22.02.2018, Kommentar zum Syrien-Krieg:

Unter der Überschrift „Das brutale Versagen der Vereinten Nationen“ im Text: „Während Menschen von Bomben zerrissen werden, blockiert die Vetomacht Russland den UN-Sicherheitsrat. Doch die Weltgemeinschaft ist nicht so ohnmächtig wie sie tut.“

 Das passt nicht zusammen: der Vorwurf des „brutalen Versagen“ und die Feststellung der Verweigerung einer „Vetomacht“, die ja gerade dadurch definiert ist, dass sie „die UNO“ blockieren kann; die angesprochene nicht ohnmächtige Handlungsalternative ist fiktiv.

Was also ist die UNO?

Die UNO ist historisch gesehen ein mühsam und nur dank vieler fragwürdiger Kompromisse ausgehandeltes Kriegsergebnis; die schlimmsten Massenmörder des 20. Jahrhunderts waren auf ihre Weise Paten der Vereinten Nationen: Hitler als Kriegsfeind ihrer Allianz, Stalin als Alliierter und Mitgründer.

Der politische Prozess der Ausarbeitung und Aushandlung der Charta der Vereinten Nationen

 verarbeiteten die Erfahrungen mit dem machtlosen Völkerbund,

 spiegelten die internationale Machtstruktur der Zeit des endenden Krieges und deren Widersprüche wider,

 reagierten aber auch schon auf die sich herausbildende Machtkonstellation der Ost-West-Konfrontation („Kalter Krieg“).

Viele der heute auffälligen Eigentümlichkeiten der UNO werden aus widersprüchlichen Zwangslagen zur Zeit ihrer Gründung verständlicher, etwa das „Veto-Recht“ einiger wichtiger Staaten (siehe 3.2).

Die Struktur der modernen Staatenwelt seit dem 17. Jahrhundert produzierte weitere Zwänge wie den fundamentalen Widerspruch zwischen dem Prinzip der unantastbaren Souveränität des Staates und dem immer stärker gewordenen Anspruch auf ein Recht der „Staatengemeinschaft“ (oder gar der „Völkerfamilie“) auf Intervention in die politischen Verhältnisse eines Mitgliedstaates.

Von der Geschichte belehrt wird darzustellen sein,

 dass es „die [eine] UNO“ nicht gibt, sondern allenfalls ein komplex differenziertes und vielschichtig verflochtenes, aber auch widersprüchliches „System“ der Vereinten Nationen auf der Grundlage der vielfach veralteten, aber auf ihre Weise gut funktionierenden Charta der Vereinten Nationen;

 wer denn wer ist in dieser undurchsichtigen UNO und wer was zu sagen hat, also wer die in ihr und durch sie handelnden Akteure und welche die von ausschlaggebender Bedeutung sind – und wer allenfalls am Rande mitspielt oder lediglich als schmückendes Beiwerk dienen darf;

 was die UNO im Gegensatz zu manchen landläufigen Meinungen nicht sein darf und nicht leisten kann;

 als was sie jedoch analytisch zu konzipieren wie sie zu verstehen ist,

 was daraufhin zu Recht und realistisch von ihr zu erwarten ist

 und welche Arbeitsweise(n) und Methoden in der UNO konkret genutzt werden.

Die UNO“ ist konkret vorhanden und aktiv immer nur jeweils als ein Gremium von Vertretern von Regierungen von Staaten – was nicht in jedem Fall gleichbedeutend ist mit Vertretern von Ländern und Völkern. Gegen zu blauäugigen Idealismus ist daran zu erinnern, dass in den meisten Mitgliedstaaten Politiker und Diplomaten nur erfolgreich Karriere machen, wenn sie persönliche Qualitäten wie Konfliktbereitschaft, Machtbewusstsein, Skrupellosigkeit oder gar Brutalität nutzen können – wieso sollten sie sich friedlich und hilfsbereit zeigen, nur weil sie für ihr Land in der UNO sitzen?

Ungeachtet der allgegenwärtigen „Globalisierung“ ist die UNO keine globale politische Institution, denn es gibt dafür keine tragende globale politische Struktur (eines Weltstaates?) oder gar eine globale Legitimation (durch eine Weltvolksversammlung?); aber die inter-gouvernementale UNO ist eine multilateral-universale Institution (siehe 2.2), da nun nahezu alle Staaten der Erde in ihr mitarbeiten.

Wenn die Charta der Vereinten Nationen nicht eine Verfassung eines Weltstaates, die Generalversammlung nicht ein Weltparlament, der Sicherheitsrat nicht eine Weltregierung oder der Generalsekretär nicht ein Weltpräsident ist, dann passiert in der UNO auch nicht eine Welt-Gesetzgebung: Keine weltverfassungsgebende Versammlung von Vertretern eines Weltvolkes, kein Weltparlament oder ein anderer legitimer Gesetzgeber sind irgendwo in Sicht, nicht einmal als virtuelles Netzwerk der Zivilgesellschaft zur Fundierung ihrer „global governance“. Weder „die UNO“ noch eines ihrer Organe hat die Legitimation für Legislativfunktionen; diese bleiben den (mehr oder weniger) legitimen Gesetzgebungs-Instanzen in den Mitgliedsländern vorbehalten.

Einer spezifischen Ausnahme könnte künftig größere Bedeutung zuwachsen: In bestimmten Situationen kann der UNO-Sicherheitsrat für die Regierungen aller Mitgliedstaaten rechtlich verbindliche Entscheidungen für den jeweiligen Einzelfall treffen; nach den Anschlägen vom 11.September 2001 hat er dies erstmals nicht nur auf einen Einzelfall beschränkt ausgeübt, sondern beansprucht, in einer Resolution abstrakte Normen als verbindlich zu formulieren (S/RES/1373 (2001)). Ob sich auf diese höchst indirekte Weise eine legitime globale Regelungskompetenz konstruieren lässt, ist stark zu bezweifeln – aber ein Ansatzpunkt scheint gegeben.

Sicherlich ist die UNO keine Ausgeburt des Weltgeistes mit ordnungsstiftendem Auftrag, aber wie wäre sie denn griffig zu charakterisieren? Sinnvoller als die Alternative Weltregierung versus Botschafterkonferenz ist eine Einordnung nach den möglichen Funktionen von internationalen Organisationen (vgl. 2.3); von der UNO wäre zu erwarten, dass sie

 als politisches Instrument der Interessendurchsetzung von Hegemonialmächten dient,

 das Gesprächs-Forum oder die Kampf-Arena für ein international-multilaterales Verhandlungssystem für die kooperative Bearbeitung globaler Probleme bietet,

 als ein entstehender welt(bundes)staatlicher Akteur der Souveränität der alten Nationalstaaten immer engere Grenzen zu setzt, um sie letztlich aufzulösen.

Diese Leistungen sind sinnvollerweise als emergent aufeinander aufbauende Schichten, nicht als sich ausschließende Alternativen zu verstehen.

Die erste Möglichkeit ist unbefriedigend für Nicht-Supermächte, die dritte größtenteils schlechte Political-Science-Fiction; die interessante mittlere Schicht der Funktion des Verhandlungssystems kann noch differenziert werden: Internationale Organisationen

 besorgen und bewerten Informationen und beobachten und analysieren Entwicklungen,

 bündeln Einzelinteressen zu denen von Gruppen oder gar zum Gemeininteresse,

 verschaffen schwächeren Akteuren mehr Einfluss und stärkeren mehr Legitimität,

 organisieren Meinungsaustausch, Verhandlungen und Entscheidungen,

 entwickeln Standards, Regeln und Normen und damit das Völkerrecht fort,

 schaffen und mobilisieren Öffentlichkeit.

1.2 Zu diesem Buch

Was in diesem Buch beschrieben wird, ist alles auch irgendwo und irgendwie im Internet zu finden; Sachinformationen aller Art sind dort zahlreicher und umfänglicher, spezifischer und aktueller gespeichert und leicht zu finden – z.B. eine nach Beitrittsjahren geordnete Liste der Mitgliedstaaten (www.unric.org/de/aufbau-der-uno/89) oder generell Informationen der UNO über sich selbst (www.un.org) wie das große offizielle Organigramm der UNO, das kaum noch in ein Buch passt (www.un.org/depts/german/orgastruktur/dpi2470rev4-deu.pdf). Zu den Arbeitsgebieten der UNO (siehe 8) sind digital unübersehbar viele Informationen und Meinungen zu finden.

Damit kann ein schmaler Band, der sich auch nicht wie von selbst stetig auf den neuesten Stand bringt, nicht konkurrieren. Was aber hier geboten werden kann, ist so im Netz nicht zu finden, nämlich ein Versuch, dieses riesige Stoffgebiet mit seinen unübersehbaren Elementen und Regelungen

 nicht nur gewichtet zusammenfassend im Überblick darzustellen,

 sondern auch strukturierende Orientierung zu geben, wo und wie die Phänomene und Probleme, Institutionen und Prozesse eingeordnet werden können,

 und ferner Interpretationen anzubieten, wie dies alles verstanden und beurteilt werden könnte.

Was in der reißenden Informationsflut meist untergeht, ist ein vergleichsweise überschaubarer Text, der viel zu wenig gelesen wird – obwohl er als wichtigstes Dokument des geltenden Völkerrechts die UNO und ihre Arbeit begründet und regelt; seine rechtliche Verbindlichkeit ergibt sich daraus, dass er der internationale Vertrag ist, den inzwischen fast alle Staaten der Welt unterzeichnet und ratifiziert haben: die „Charta der Vereinten Nationen“ („United Nations Charter“), die gegenüber den Tausenden anderer Verträge zwischen Staaten vorrangig ist (siehe 4). Dieser zentrale Text wird hier zwar nicht wiedergegeben (zu finden unter www.unric.org/de/charta bzw. www.un.org/en/charter-united-nations), aber die Kapitel 4 bis 8 dieses Bandes sind in Aufbau und Darstellung eng an ihm orientiert; immer wieder werden die Bestimmungen der Charta zu beachten sein – gerade da, wo sich die reale Praxis an ihr vorbei entwickelt hat oder zu haben scheint.

Die folgenden Kapitel bieten:

1 Bedingungen internationaler Kooperation: Welcher Art von Problemen und Dilemmata stellen sich ihr, welche Optionen hat sie? Was ist Multilateralismus, wozu und wie funktionieren multilaterale internationale Organisationen? Was sind dafür wichtige Prinzipien des Völkerrechts?

2 Entstehung und Entwicklung der Organisation der „Vereinten Nationen“: frühere Ideen für eine internationale Friedensorganisation; internationale Organisation vor dem Zweiten Weltkrieg, besonders der Völkerbund; Entstehung und Gründung der UNO aus dem und im Zweiten Weltkrieg; ihre Entwicklung seit 1945.

3 Das „Mandat“ der UNO: Ziele und Grundsätze, Aufgaben und Instrumente gemäß der Charta der Vereinten Nationen; allgemeine Erläuterungen zu Struktur, Schwerpunkten und Dauerhaftigkeit der Charta.

4 Struktur und Organisation der UNO und des UN-„Systems“: Wie die Hauptorgane und deren untergeordnete Neben- und Spezialorgane zusammen mit den selbständigen Sonderorganisationen das „System“ der UNO bilden.

5 Arbeitsteilung und Machtverteilung in der UNO: Aufgaben und Arbeitsteilung der Hauptorgane bestimmen deren Einfluss und Möglichkeiten; Bedeutung der ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates.

6 Arbeitsweisen und Methoden der UNO: Diplomatische Arbeitsweisen und Instrumente von oft recht speziellem multilateralem Charakter (Rhetorik und Verhandlung, Resolutionen und Verträge, Berichte und Konferenzen, Gruppenbildung, Konsens und Ritualität, inkrementelles „Durchwursteln“, Einbeziehung der Zivilgesellschaft/NGOs, Öffentlichkeitsarbeit sowie Finanzierung/Personal/Verwaltung).

7 Arbeitsbereiche der UNO: Probleme (Interessen und Konflikte, Kooperation und Prinzipien) und Instrumente (Rechtsgrundlagen und Institutionen, Programme und Mechanismen) der stofflich kaum mehr überschaubaren Arbeitsfelder (Frieden und Sicherheit; Menschenrechte; Wirtschaft und Währung; Entwicklung; Umwelt und Klima; u.a.).

8 Der Wert der Vereinten Nationen: Leistungen und Erfolge, Kritik und Vorwürfe, Reform-Optionen – was sind realistische Erwartungen und gibt es begründete Hoffnungen?

Um die Chancen und Leistungen multilateraler Kooperation generell und speziell der UNO angemessen einschätzen zu können, ist es ratsam, sich frei zu machen von einfachen Antworten auf falsch gestellte Fragen und von eingängigen Vorausurteilen – in der internationalen Politik ist halt alles noch ein wenig komplizierter: (1) das Bemühen um sprachliche Exaktheit, (2) der Respekt vor völkerrechtlichen Regeln und (3) die Bereitschaft zu politischem Realitätsbewusstsein sind einfach nötig, wenn man „die UNO“ verstehen will.

Beispiel eines Missverständnisses: Der angebliche „UNO-Migrationspakt“

Als 2018 heftig über den angeblichen „UNO-Migrationspakt“ (siehe 8.2.2) gestritten wurde, ist das Thema sprachlich, politisch und völkerrechtlich meist weit verfehlt worden:

1 Die offizielle Bezeichnung in der Arbeitssprache Englisch ist „Global Compact for Safe, Orderly and Regular Migration“; das Wort „compact“ ist zwar nicht präzise, aber im internationalen Kontext im Sinne einer informellen Übereinkunft gemeint. Auf Deutsch schwirrten ungenaue Benennungen herum wie „UNO“-/ „UN“-‘/„VN-Migrationspakt“ oder sogar der doppelt irreführende „Weltmigrationsvertrag“. Laut dem Übersetzungsdienst der UNO heißt der Text ins Deutsche übersetzt „Globaler Pakt für sichere, geordnete und reguläre Migration“; sachlich falsch ist die Variante „Globaler Vertrag für […] Migration“, weil:

2 Anders als die Genfer Flüchtlingskonvention ist der sog. „Pakt“ kein verbindlich rechtsetzender Vertrag, sondern eine politische (Absichts-)Erklärung, mit der Staaten sich rhetorisch selbst verpflichten, durch die sie aber zu nichts gezwungen sind; das souveräne Recht jeden Staates, seine Migrationspolitik im Rahmen des geltenden Völkerrechts selbst zu bestimmen, wird im Text ausdrücklich betont.

3 Rechtsgerichtete populistische Propaganda oder andersartig motivierte Gegner internationaler Kooperation nützen das Fehlverständnis des „Pakts“ als gegenseitig bindenden Vertrag aus, indem sie unterstellen, „die UNO“ maße sich nun an, den Staaten vorzuschreiben, wie sie mit Migration umzugehen haben.

Schließlich sind noch sprachliche und technische Erläuterungen nötig:

 Zur Verwendung englischer Bezeichnungen und Abkürzungen: Die Sprache internationaler Organisation (siehe 7.1) ist inzwischen praktisch fast ausschließlich Englisch; die meisten Dokumente und wichtige Texte zirkulieren nur noch in der englischen Version, auch wenn sie in eine andere offizielle Arbeitssprache der UNO (Arabisch, Chinesisch, Französisch, Russisch, Spanisch) übersetzt sind – unsere „Globalisierung“ zeigte sich rasch in der Sprache. Um zu viel „Denglisch“ zu vermeiden, werden hier die deutschen Bezeichnungen verwendet, sofern sie allgemein eingeführt und verständlich sind; die englischen Bezeichnungen und Termini werden meist angefügt. Deutsche Abkürzungen werden immer seltener gebraucht, sofern sie es denn überhaupt gibt. Keine adäquate deutsche Abkürzung gibt es z.B. für die Internationale Arbeitsorganisation (International Labor Organisation, ILO); der Internationale Währungsfond (International Monetary Fund, IMF) wird oft noch mit „IWF“ abgekürzt; die Internationale Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (International Bank for Reconstruction and Development, IBRD) ist unter dem Kürzel „Weltbank“ bekannt, ähnlich setzte sich im Englischen „World Bank“ statt „International Bank“ durch.

 Viele nötige Fachtermini sind nicht eindeutig definiert, was besonders verwirren kann, wenn es sich auch um ein Wort unserer Alltagssprache handelt; die Bedeutung wird dann möglichst im Kontext erläutert. Schon das gängige Wort „international“ führt zu Missverständnissen; im engeren Sinne bedeutet es zwischenstaatlich, gemeint ist aber oft nur intergouvernemental (zwischen Regierungen); im weiteren Sinne ist es zu verstehen als grenzübergreifend oder grenzüberschreitend. Mit „transnational“ sind Aktivitäten gemeint, die durch Staatsgrenzen von diesseits nach jenseits hindurch gehen wie z.B. wirtschaftlicher Verkehr oder das Surfen im Internet. Mit „supernational“ oder auch „supranational“ dagegen sind Instanzen und Mechanismen gemeint, die über der Ebene der Nationalstaaten funktionieren und auf diese zugreifen und auch in diese eingreifen können. Hier soll „Internationale Organisationen“ nur die intergouvernementalen Staaten-Organisationen bezeichnen, wenn nicht ausdrücklich anders vermerkt. Für „Non-governmental Organizations“ (NGOs)“ hat sich die direkte Übersetzung „Nicht-Regierungsorganisationen“ eingeschlichen, obwohl eigentlich eher „nichtstaatliche Organisationen“ gemeint sind; das englische „governmental“ bezeichnet nicht nur die Regierung, sondern den staatlichen Bereich insgesamt, so wie „intergovernmental“ auch Beziehungen zwischen staatlichen Institutionen meint.

 Offizielle Dokumente aus dem UN-System werden nach dessen Regeln zitiert, z.B. die erwähnte Resolution S/RES/1373 (2001) = Sicherheitsrat/Resolution/laufende Nr./(Jahr) oder die „Uniting for Peace“-Resolution A/RES/377(V) = Generalversammlung/Resolution/laufende Nr./(Sitzungsperiode).

 Und zuletzt noch zu Zitaten und Literaturangaben: Bücher und Aufsätze, die der Darstellung zugrunde liegen oder Belegstellen bieten, sind in der Bibliographie am Ende des Bandes (siehe 10) zu finden. Nach den einzelnen Kapiteln oder größeren Abschnitten wird zum jeweiligen Thema auf die wichtigste Literatur hingewiesen, zwangsläufig nur in einer überschaubaren Auswahl.

Literaturverweis zu 1.: Allgemeine (und „klassische“) Einführungen zur UNO

Berridge/Jennings 1985; Boyd 1967; Brühl/Rosert 2014; Claude 1956/1971; Gareis/Varwick 2014; Hüfner 1991/1992; Karns/Mingst 2018; Opitz 2002; Rittberger/Mogler/Zangl 1997; Schaepler 1994; Scheuermann 2014; Smith 2006; Unser 2004; Volger 2007, 2010; Wesel 2012; Wolf 2010; Varwick 2014

2 629,89 ₽
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469 стр. 83 иллюстрации
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9783846352922
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