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Suzanne Kapelari/Andrea Möller/

Philipp Schmiemann (Hrsg.)

Lehr- und Lernforschung in der Biologiedidaktik Band 9

Suzanne Kapelari/Andrea Möller/

Philipp Schmiemann (Hrsg.)

Lehr- und Lernforschung in der Biologiedidaktik

Band 9

„Naturwissenschaftliche Kompetenzen in der Gesellschaft von morgen“

Internationale Jahrestagung

der Fachsektion Didaktik der Biologie im VBIO und der Gesellschaft für Didaktik der Chemie und Physik Wien 2019


© 2021 by Studienverlag Ges.m.b.H., Erlerstraße 10, A-6020 Innsbruck

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Internet: www.studienverlag.at

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ISBN 978-3-7065-6159-4

Buchgestaltung nach Entwürfen von himmel. Studio für Design und Kommunikation, Innsbruck / Scheffau – www.himmel.co.at

Satz und Umschlag: Maria Strobl – gestro.at

Coverfotos: Kay Vollert, ARGUS/Das Foto, Sylke Hlawatsch, Klaus-Jürgen Hövener/Schering AG

Dieses Buch erhalten Sie auch in gedruckter Form mit hochwertiger Ausstattung in Ihrer Buchhandlung oder direkt unter www.studienverlag.at

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Theresa Heidenreich/Harald Gropengießer

Vorstellungen zum inhaltlichen Teil der Unterrichtsplanung – die Fachliche Klärung als Herausforderung für Lehramtsstudierende

Patricia Schöppner/Claudia Nerdel

Evaluation einer Lehrerfortbildung zum praktischen Einsatz von biotechnologischen Methoden im Unterricht

Emanuel Nestler/Carolin Retzlaff-Fürst

Die Förderung der Kompetenzentwicklung von Studierenden in Praxisphasen des Biologieunterrichts durch die Qualifizierung von Mentor*innen

Yvonne Rath/Annette Marohn

Stolpersteine im Lehrerhandeln: Aufbau eines Handlungsrepertoires durch videobasierte Reflexion

Kerstin Röllke/Norbert Grotjohann

Entwicklung der professionellen Kompetenz von Studierenden in einer nach dem Forschenden Lernen konzipierten Praxisphase im Schülerlabor

Friederike Vogt/Philipp Schmiemann

Entwicklung der selbst eingeschätzten Diagnosekompetenz und der Selbstwirksamkeitserwartung von Biologielehramtsstudierenden im Lehr-Lern-Labor

Katharina Düsing/Roman Asshoff/Marcus Hammann

Von Stoffe verfolgen zu einem kohärenten Verständnis der biochemischen Umwandlungen kohlenstoffhaltiger Verbindungen im Kohlenstoffkreislauf

Torsten Kreher/Carolin Retzlaff-Fürst

Forschungsinstrumente zur Erhebung von Vorstellungen von Schülerinnen und Schülern zum Wesen der Naturwissenschaften – Übersetzung und Pilotierung

Johannes C.S. Zang

Facilitating students’ understanding of causal complexity in genetics: the river dwarf model

Julia Arnold/Sarah Dannemann/Ilka Gropengießer/Benedikt Heuckmann/Lea Kahl/Sonja Schaal/Steffen Schaal/Kirsten Schlüter/Uwe Simon/Ulrike Spörhase

Gesundheitsbildung und -förderung als Aufgaben des Biologieunterrichts – Ergebnisse eines Round-Table-Gesprächs

Julia Holzer/Doris Elster

Einflussfaktoren für die Intention Jugendlicher zu einer Stammzellenspende

Christian Hörsch/Eva-Maria Waltner/Katja Scharenberg/Werner Rieß

Bildung für nachhaltige Entwicklung als fächerübergreifende Aufgabe – Merkmale von Lehrkräften und Unterrichtspraxis in verschiedenen Fachkulturen

Jürgen Paul/Yelva Larsen/Jorge Groß/Moritz Schneider

Warum digitale Lernspiele Vorstellungen zur Nachhaltigen Entwicklung fördern können

Autor*innenverzeichnis

Vorwort

Dieser Band ist der neunte in der Reihe „Lehr- und Lernforschung in der Biologiedidaktik“, in der die Fachsektion Didaktik der Biologie (FDdB) im Verband Biologie, Biowissenschaften & Biomedizin in Deutschland (VBIO) im zweijährlichen Rhythmus aktuelle Forschungsarbeiten veröffentlicht.

Hier vereint finden Sie eine Auswahl von Beiträgen der internationalen FDdB-Tagung „Naturwissenschaftliche Kompetenzen in der Gesellschaft von morgen“, die im September 2019 gemeinsam mit der Gesellschaft für Didaktik der Chemie und Physik (GDCP) an der Universität Wien durchgeführt wurde. Für Biologielehrer*innen fand im Rahmen der Tagung zudem das Forum „Wissenschaft und Schule“ des AK Schulbiologie im VBIO statt, das der Information und dem Austausch über neue fachdidaktische Entwicklungen und guter Unterrichtspraxis gewidmet ist.

Lernende und Lehrende sowie Kompetenzmodelle, Kompetenzerfassung und die konkrete Umsetzung von Kompetenzorientierung wurden in Wien in den Blick genommen, reflektiert und weiterentwickelt. Die gemeinsame Tagung eröffnete nach über 10 Jahren wieder einmal Raum für einen intensiven interdisziplinären Austausch über Erkenntnisse und Erfahrungen sowie Ziele kompetenzorientierten Lehrens und Lernens in den Fächern Biologie, Chemie und Physik. Neben diesem Schwerpunkt wurden aber auch viele andere Themenfelder diskutiert. Diese Vielfalt spiegelt der hier vorliegende Forschungsband mit seinen Beiträgen wider.

Aufgrund der gemeinsamen Tagung mit der GDCP, die traditionell kein Peer-Review-Verfahren für Tagungsbeiträge durchführt, hat auch die FDdB in diesem Jahr auf ihr angestammtes Peer-Review-Verfahren verzichtet. Die in diesem Band publizierten Beiträge wurden jedoch wie bisher einem Begutachtungsverfahren unterzogen. An diesem Auswahlverfahren haben sich viele Kolleginnen und Kollegen beteiligt und so zur wissenschaftlichen Qualitätssicherung beigetragen. Insofern freuen wir uns, hier dreizehn Beiträge präsentieren zu können, die von den Gutachtenden nach kritischer Prüfung zur Veröffentlichung empfohlen wurden. Für die geleistete Arbeit bedanken wir uns sehr herzlich bei den folgenden Gutachtenden (in alphabetischer Reihenfolge):

• Dr.in Julia Arnold, Fachhochschule Nordwestschweiz

• Dr. Roman Asshoff, Westfälische Wilhelms-Universität Münster

• Dr.in Melanie Basten, Universität Bielefeld

• Dr.in Anna Beniermann, Humboldt-Universität zu Berlin

• Prof.in Dr.in Susanne Bögeholz, Georg-August-Universität Göttingen

• Prof. Dr. Franz X. Bogner, Universität Bayreuth

• Dr. Till Bruckermann, Leibniz Universität Hannover

• Dr.in Sarah Dannemann, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn

• Prof. Dr. Arne Dittmer, Universität Regensburg

• Prof.in Dr.in Doris Elster, Universität Bremen

• Prof. Dr. Michael Ewig, Universität Vechta

• Dr. Christian Förtsch, Ludwig-Maximilians-Universität München

• Dr.in Dagmar Frick, Ludwig-Maximilians-Universität München

• Prof. Dr. Dittmar Graf, Justus-Liebig-Universität Giessen

• Prof. Dr. Helge Gresch, Universität Trier

• Prof. Dr. Harald Gropengießer, Leibniz-Universität Hannover

• Prof. Dr. Jorge Groß, Otto-Friedrich-Universität Bamberg

• Prof. Dr. Jörg Großschedl, Universität zu Köln

• Prof. Dr. Norbert Grotjohann, Universität Bielefeld

• Prof. Dr. Marcus Hammann, Westfälische Wilhelms-Universität Münster

• Prof.in Dr.in Ute Harms, Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik (IPN)

• Prof.in Dr.in Lissy Jäkel, Pädagogische Hochschule Heidelberg

• Prof.in Dr.in Suzanne Kapelari, Universität Innsbruck

• Ass.-Prof.in Dr.in Lena von Kotzebue, Paris-Lodron-Universität Salzburg

• Prof.in Dr.in Kerstin Kremer, Leibniz-Universität Hannover

• Prof. Dr. Dirk Krüger, Freie Universität Berlin

• Dr. Hagen Kunz, Universität Siegen

• Dr.in Yelva Larsen, Otto-Friedrich-Universität Bamberg

• Prof. Dr. Martin Lindner, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

• Prof.in Dr.in Maike Looß, Technische Universität Braunschweig

• Prof. Dr. Armin Lude, Pädagogische Hochschule Ludwigsburg

• Prof. Dr. Jürgen Mayer, Universität Kassel

• Prof.in Dr.in Anke Meisert, Stiftung Universität Hildesheim

• Prof.in Dr.in Andrea Möller, Universität Wien

• Prof.in Dr.in Claudia Nerdel, Technische Universität München

• Prof. Dr. Kai Niebert, Universität Zürich

• Prof.in Dr.in Sandra Nitz, Universität Koblenz-Landau

• Prof. Dr. Christoph Randler, Eberhard Karls Universität Tübingen

• Prof.in Dr.in Carolin Retzlaff-Fürst, Universität Rostock

• Prof. Dr. Werner Rieß, Pädagogische Hochschule Freiburg

• Prof.in Dr.in Angela Sandmann, Universität Duisburg-Essen

• Dr.in Sonja Schaal, Pädagogische Hochschule Ludwigsburg

• Prof. Dr. Steffen Schaal, Pädagogische Hochschule Ludwigsburg

• Dr. Franz-Josef Scharfenberg, Universität Bayreuth

• Prof.in Dr.in Annette Scheersoi, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn

• Prof. Dr. Martin Scheuch, Hochschule für Agrar- & Umweltpädagogik Wien

• Prof.in Dr.in Kirsten Schlüter, Universität zu Köln

• Prof. Dr. Philipp Schmiemann, Universität Duisburg-Essen

• Dr.in Mona Schönfelder-Beer, Universität Bayreuth

• Prof. Dr. Uwe K. Simon, Karl-Franzens-Universität Graz

• Prof.in Dr.in Ulrike Spörhase, Pädagogische Hochschule Freiburg

• Prof. Dr. Holger Weitzel, Pädagogische Hochschule Weingarten

• Prof. Dr. Matthias Wilde, Universität Bielefeld

• Prof. Dr. Jörg Zabel, Universität Leipzig

Die Herausgeber*innen:


Univ. Prof.in Dr.in Suzanne Kapelari, Leopold-Franzens-Universität InnsbruckUniv. Prof.in Dr.in Andrea Möller, Universität WienUniv. Prof. Dr.Philipp Schmiemann, Universität Duisburg Essen

Theresa Heidenreich & Harald Gropengießer

Vorstellungen zum inhaltlichen Teil der Unterrichtsplanung – die Fachliche Klärung als Herausforderung für Lehramtsstudierende
Zusammenfassung

Das Modell der Didaktischen Rekonstruktion ist als Rahmen für fachdidaktische Forschung und Unterrichtsplanung konzipiert. Die Aufgabe der Fachlichen Klärung als Teil der Didaktischen Rekonstruktion können Lehramtsstudierende für eigene Forschungsarbeiten lösen, wie sich in Bachelor- und Masterarbeiten zeigt. Für die berufspraktische Unterrichtsplanung, für die im Alltag eher wenig Zeit zur Verfügung steht, zeigt sich jedoch ein Lernbedarf: Lehramtsstudierende sollten es lernen, Inhalte für den Unterricht fachlich zu klären und didaktisch zu rekonstruieren. Zudem besteht ein Forschungsbedarf: Die Fachliche Klärung ist fachlich zu klären und für Lehramtsstudierende verständlich aufzuarbeiten. Dafür werden in einer Teilstudie Vorstellungen von Lehramtsstudierenden zum inhaltlichen Teil der Unterrichtsplanung und zur Fachlichen Klärung untersucht. In diesem Beitrag werden zentrale Ergebnisse dieser Teilstudie vorgestellt. Diese dienen als Lernausgangslagen für die Formulierung von Leitlinien zu einer Seminarkonzeption für die universitäre Vermittlung der Fachlichen Klärung an Lehramtsstudierende.

Abstract

The Model of Educational Reconstruction (short: MER) provides a frame for science teacher education research, like this study, and for lesson content planning. The scientific clarification as a part of the MER is a key feature but there is still a need for research: The scientific clarification needs to be scientifically clarified. Thus, conceptions of preservice science teachers about the lesson content planning and the scientific clarification have to be examined as one part of applying the MER. This article presents the results of this partial study, which is one step along the way to formulate empirically based guidelines for the university instruction of the scientific clarification for preservice science teachers.

1 Einleitung

Lehrpersonen sind „Fachleute für das Lehren und Lernen“ und es gehört zu ihrer „Kernaufgabe“, Unterrichtsinhalte für ihre Lerngruppen „fach- und sachgerecht“ zu planen (KMK, 2004), auch wenn in der Praxis oft nur wenig Zeit dafür zur Verfügung steht. Lehramtsstudierende sollten ebenso „wissen, was bei der Planung von Unterrichtseinheiten beachtet werden muss“ (KMK, 2004). Eine besondere Bedeutung kommt dem inhaltlichen Teil der Unterrichtsplanung zu. Dazu wird Folgendes postuliert: „ein fachlicher Inhalt [muss] mit dem Ziel einer nachhaltigen Erlernbarkeit neu konstruiert, neu strukturiert werden, sodass eine Sachstruktur für den Unterricht entsteht“ (Komorek, Fischer & Moschner, 2013, S. 43). Lehramtsstudierende müssen deshalb lernen, sich kritisch in Vermittlungsabsicht mit fachwissenschaftlichen Inhalten auseinanderzusetzen, um Inhalte für den Unterricht zu erarbeiten. Dies ist u.a. wichtig, weil Fach- und Schulbücher oftmals fachliche Fehler oder missverständliche Darstellungen enthalten und das fachliche Vorwissen der Lernenden nicht immer einbeziehen (z.B. King, 2010; Staub & Stern, 2004). Inhalte sind für den Unterricht daher fachlich zu klären und didaktisch zu rekonstruieren (Kattmann et al., 1997). Der Fachlichen Klärung (kurz: FK) als eine Untersuchungsaufgabe der Didaktischen Rekonstruktion kommt dabei eine Schlüsselrolle zu (Duit et al., 2012), denn damit werden fachlich geklärte Konzepte erarbeitet, welche als thematische Zielvorstellungen für den Unterricht dienen.

Empirische Befunde zeigen jedoch, dass eine Auseinandersetzung mit Fachinhalten im Rahmen der Unterrichtsplanung für Lehramtsstudierende diverser Fächer eine Herausforderung darstellt (z.B. Gassmann, 2013). Obwohl es Lehramtsstudierenden in eigenen empirischen Abschlussarbeiten meistens gelingt Fachliche Klärungen durchzuführen, ist für sie eine FK im Kontext der inhaltlichen Unterrichtsplanung schwierig. Eine „unzureichende Fachliche Klärung“ erschwert die inhaltliche Unterrichtsplanung (Dannemann, Heeg & Schanze, 2019, S. 9).

Um im Sinne einer „Didaktik der Fachdidaktik“ lernförderliche universitäre Vermittlungsangebote für Lehramtsstudierende zu entwickeln, wird eine systematische Forschung in der Lehrerbildung gefordert, die die Vorstellungen von

Lehramtsstudierenden einbezieht (Lohmann, 2006, S. 66). Das Forschungsprogramm der Didaktischen Rekonstruktion (kurz: DR) kommt dieser Forderung nach, denn es zielt „auf eine Verbesserung von Unterrichtspraxis und Lehrerausbildung“ (Komorek, Fischer & Moschner, 2013, S. 46) ab. Die DR wurde zwar als Rahmen für fachdidaktische Lehr-Lernforschung entwickelt, sie soll darüber hinaus aber auch Orientierung für die berufspraktische Erarbeitung von Inhalten für den Unterricht bieten (Duit et al., 2012). Jedoch konstatieren Labudde & Möller (2012) noch Forschungsbedarfe im Hinblick auf die DR. Strömdahl (2012) fordert zudem eine Fachliche Klärung von (fach-) wissenschaftlichen Termini und Vorstellungen für den Unterricht. Zur Fachlichen Klärung besteht somit ein Forschungsbedarf: Inwiefern kann die Fachliche Klärung aus dem Forschungskontext für die inhaltliche Unterrichtsplanung praxistauglich adoptiert werden? Das zentrale Ziel dieser Studie ist es demnach, die FK zu untersuchen, um sie verständlich für Lehramtsstudierende aufzuarbeiten. Dazu sollen Vorstellungen von Lehramtsstudierenden zum inhaltlichen Teil der Unterrichtsplanung und zur FK untersucht werden, um Lernausgangslagen zu identifizieren. Hierzu werden in diesem Beitrag die zentralen Ergebnisse vorgestellt. Dies ist ein Schritt, um nach der DR – unter Einbezug der entsprechenden Vorstellungen von FachdidaktikerInnen – empirisch basierte Leitlinien für die universitäre Vermittlung einer FK zu formulieren. Darauf basierend wird ein hochschuldidaktisches Seminar konzipiert und evaluiert.

2 Theoretischer Rahmen

Im Folgenden werden nun zwei Theorien dargestellt, die für die Erhebung und Analyse von Vorstellungen und ebenso für ein Verständnis der Fachlichen Klärung zentral sind.

2.1 Die konstruktivistische Sicht auf Fachinhalte und Lernen

Aus erkenntnistheoretischer Sicht sind alle Vorstellungen individuell konstruiert (z.B. Duit, 1995). Fachwissenschaftliche Erkenntnisse sind somit genauso konstruiert wie Alltagsvorstellungen, mit dem Unterschied, dass wissenschaftliche Vorstellungen einer breiteren, systematischen Erfahrungsbasis entstammen und ihnen daher eine (zumindest zeitweise) operationale Gültigkeit und Erklärungsmacht zugesprochen wird (Duit et al., 2012), d.h. sie sind viabel. In der Fachliteratur sind daher keine ‚wahren‘ Sachstrukturen zu finden, sondern begutachtete individuelle Darstellungsweisen fachwissenschaftlicher Inhalte eines Themas, die auf einem Konsens einer WissenschaftlerInnengemeinschaft beruhen. Dies kann fachlich adäquat, aber auch missverständlich repräsentiert werden. Fachliteratur ist für eine bestimmte Zielgruppe, i.d.R. ExpertInnen geschrieben. Als Konsequenz kann eine fachwissenschaftliche Sachstruktur nicht direkt als eine Sachstruktur für den Unterricht übernommen werden, sondern ist von Lehrpersonen für ihre Lernenden fachlich zu klären und didaktisch zu rekonstruieren – Unterrichtsinhalte sind ebenfalls Konstrukte.

Auch wenn Lernende üblicher Weise über eine weniger differenzierte Erfahrungsbasis als WissenschaftlerInnen verfügen, sind sie eigenständige Konstrukteure ihrer Vorstellungen. Folglich ist es aus konstruktivistischer Sicht mit Blick auf Lehr-Lernprozesse eine „Illusion, daß Sprache an und für sich die Fähigkeit habe, Begriffe und somit Wissen von einer Person zu einer anderen zu übermitteln“ (Glasersfeld, 1995). Wissen oder Vorstellungen können nicht direkt an andere Personen weitergegeben werden. Dennoch ist Sprache ein wichtiges Werkzeug für fachliches, fachdidaktisches und verstehendes Lernen (Gropengießer, 2010). Sprache kann Vorstellungen bezeichnen und ähnliche Vorstellungen hervorrufen.

2.2 Erfahrungsbasiertes Verstehen

Die Theorie des erfahrungsbasierten Verstehens (kurz: TeV) beschreibt den Zusammenhang zwischen Sprache und Denken sowie die Entstehung unseres kognitiven Systems aus unseren Erfahrungen mit der Umwelt (Gropengießer, 2007). Unsere Erfahrungen bewirken die Bildung der grundlegenden Strukturen unserer Kognition, die für uns direkt verständlich sind. Diese sogenannten verkörperten Vorstellungen nutzen wir dann, um abstrakte Sachverhalte imaginativ zu verstehen (Lakoff & Johnson, 1980). Imagination meint dabei die Übertragung der Struktur von Basisbegriffen und Schemata auf den zu verstehenden Zielbereich. Dies ermöglicht das Verstehen abstrakter Bereiche mit Hilfe der kognitiven Strukturen eines konkreten Bereiches. Daher können sprachliche Äußerungen untersucht werden, um auf Vorstellungen und Metaphern zu schließen. Wichtig ist hierbei zwischen der Ebene der Sprache und der Ebene der Vorstellungen zu unterscheiden.

3 Stand der Forschung

Insgesamt ist der Forschungsstand zu Vorstellungen über die inhaltliche Unterrichtsplanung von Lehramtsstudierenden der Biologie eher fragmentiert. Es gibt jedoch empirische Befunde, die zeigen, dass die Auseinandersetzung mit Fachinhalt in Vermittlungsabsicht für Lehramtsstudierende diverser Fächer eine Herausforderung darstellt. Die nachfolgende Tabelle 1 gibt einen Überblick über Vorgehensweisen bei der inhaltlichen Planung von Lehramtsstudierenden und listet die empirischen Studien, die dies jeweils zeigen.

Tabelle 1: Übersicht über Vorgehensweisen von Lehramtsstudierenden diverser Fächer beim inhaltlichen Planen und über empirische Studien, die den jeweiligen Befund zeigen.


Vorgehensweisen von Lehramtsstudierenden beim inhaltlichen Planen Empirische Studien
Als Kern der inhaltlichen Planung erfolgen kurze und knappe Sachanalysen. Gassmann (2013)
Übernehmen von – aus studentischer Sicht – korrekten Fachinhalten als Unterrichtsinhalte. Dannemann (2018); Hunger (2013)
Curriculare Planungsrichtlinien werden wörtlich als Zielvorgaben des inhaltlichen Planens verstanden. Weingarten (2019); Tänzer (2011); Westermann (1991)
Schülervorstellungen werden beim inhaltlichen Planen kaum oder nicht berücksichtigt. Weitzel & Blank (2019)
Im Vordergrund der inhaltlichen Planung steht die geplante Lehrtätigkeit (Lehrerzentrierung). Weingarten (2019); Dannemann (2018); John (1991)
Primärer Fokus liegt auf der Auswahl und teils Entwicklung von Unterrichtsmaterialien. Weitzel & Blank (2019); Tänzer (2011); Nilssen (2010); John (1991)

Die Befunde in der Tabelle 1 kennzeichnen Vorgehensweisen, die der Komplexität der Aufgabe nicht gerecht werden. Die Erarbeitung und Gestaltung von fachspezifischen Inhalten für den Unterricht stellt somit eine Herausforderung für Lehramtsstudierende diverser Fächer dar. Unterrichtinhalte werden primär aus dem Curriculum abgeleitet, aus gängiger Literatur übernommen und dabei kaum auf Schülervorstellungen bezogen (s. Tabelle 1). Es werden kurze und knappe Sachanalysen erstellt, jedoch liegt der Fokus innerhalb der Unterrichtsplanung vielmehr auf Überlegungen zur Auswahl von Unterrichtsmaterialien und -methoden (z.B. Weitzel & Blank, 2019). Anstatt fachwissenschaftliche Inhalte für den Unterricht fachlich zu klären und didaktisch zu rekonstruieren, werden inhaltliche Überlegungen insgesamt vernachlässigt (Nilssen, 2010). Die Planungen erfolgen zudem meistens lehrerzentriert, d.h. Überlegungen zur eigenen Lehrtätigkeit stehen im Fokus des Planens.

Lehramtsstudierende der Fächer Mathematik, Geografie, Sachunterricht, Musik, Politik und Sport zeigen insgesamt ähnliche Vorgehensweisen. Für das Schulfach Biologie gibt es vergleichsweise jedoch wenige bis keine empirischen Befunde zur inhaltlichen Unterrichtsplanung von Lehramtsstudierenden und auch die gymnasiale Schulform wird in bisherigen Studien meistens vernachlässigt. Hier besteht ein Desiderat.

2 680,29 ₽
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315 стр. 43 иллюстрации
ISBN:
9783706561594
Издатель:
Правообладатель:
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