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1.2 Kommunikationstheoretische Modelle

Wissenschaftliche Modelle sind nicht frei von Metaphern. Da wissenschaftliche Begriffs- und Theoriebildungen in der Regel immer auf lebensweltlichen Annahmen beruhen und von diesen ihren Ausgang nehmen, sind die alltäglichen Leitvorstellungen und Metaphern auch für viele wissenschaftliche Konzeptualisierungsvorschläge bindend. Dies gilt in besonderem Maße für das erste bedeutende Kommunikationsmodell überhaupt. Es stammt bezeichnenderweise nicht aus der Feder von Sozialwissenschaftlern, sondern von Claude Shannon und Warren Weaver (1949), zwei Mathematikern und Ingenieuren, deren Absicht es war, ein technisches Modell für die Übertragung von Informationen zu entwickeln. Im Auftrag einer Telefongesellschaft suchten sie nach Möglichkeiten einer störungsfreien Übermittlung von Telefonaten. Dabei unterschieden sie drei Problemebenen:

 technisches Problem: Wie können Zeichen übertragen werden?

 semantisches Problem: Wie genau entsprechen die Zeichen der gewünschten Bedeutung?

 pragmatisches Problem: Wie effektiv beeinflusst die empfangene Nachricht das Verhalten?

Ausdrücklich bekundeten sie, sich nur mit dem technischen Problem der Kommunikation befassen zu wollen. Das von ihnen entworfene Modell hat lediglich den Anspruch, diese technische Problemebene zu verdeutlichen. Zu großen Missverständnissen führte aber, dass sie ihre Theorie als ›Informationstheorie‹ (und nicht etwa als ›Signaltheorie‹) der Kommunikation bezeichneten und damit den Eindruck erweckten, allgemeine und insbesondere die menschliche Kommunikation beschreiben zu wollen. ›Information‹ ist bei Shannon und Weaver eine rein mathematische Größe, die als ›mittlere Auftrittswahrscheinlichkeit von Zeichen‹ definiert wird. Sie soll gerade die für die Humankommunikation zentrale semantische Komponente der ›Bedeutung‹ ausschließen.


Abb. 1.1: Klassisches Konzept der Informationstheorie nach Shannon /Weaver

Eine Nachrichtenquelle gibt eine Nachricht ab, die von einem oder mehreren Sendern nach den Regeln eines konventionellen Codes in ein Signal umgeformt werden muss, welches dem Übertragungskanal angemessen sein kann. Der Übertragungskanal ist ein Mittel, um Signale von einem Sender zu einem Empfänger zu befördern. Der Empfänger muss dann in einer inversen Weise die Arbeitsschritte des Senders wiederholen und das empfangene Signal in eine Nachricht umwandeln. Damit hat die Nachricht ihr Ziel erreicht. Ein wesentlicher Faktor in diesem Übertragungsprozess kann die Störquelle einnehmen, die durch ein Rauschen, also Verzerrungen, Übertragungsfehler o. ä. den Empfang zu beeinträchtigen vermag. Diesem Modell ist es gleichgültig, was Nachrichtenquelle oder Nachrichtenziel, was Sender oder Empfänger ist. Es können Götter, Menschen oder technische Apparaturen sein. Ebenso ignoriert dieses Modell Fragen der Bedeutung oder des Sinns oder allgemein semantische Fragen. Von daher kann auch die Nachricht eine beliebige sein. Dieses Modell wurde in der darauf folgenden Forschung um die Aspekte der Codierung bzw. Decodierung erweitert:

Damit sich eine Nachricht von einem Sender zu einem Empfänger übermitteln lässt, muss sie zunächst von einem Sender mithilfe eines festen Codes in Signale gefasst, also encodiert werden. Der Empfänger muss den gleichen Code benutzen, um die Signale entsprechend decodieren und damit die ursprüngliche Nachricht rekonstruieren zu können. Unter einem Code wird dabei eine feste Menge von Zuordnungsregeln verstanden, die, wie z. B. bei Morsealphabeten, jedem sprachlichen Element ein festes technisches Signal in der Gestalt von elektrischen Impulsen oder Lichtsignalen zuordnen. Dieses ursprünglich für die Maschinenkommunikation entwickelte Modell kann jedoch auch für die Analyse menschlicher Kommunikation benutzt werden. In diesem Fall werden die Codes als feste Zuordnungsregeln zwischen subjektiven Intentionen und sprachlichen Zeichen verstanden. Der Sender besitzt aufgrund seiner Sprachkompetenzen ein Wissen darüber, welche sprachlichen Zeichen oder Elemente er benutzen muss, um seine gedanklichen Intentionen ausdrücken und formulieren zu können. Das Modell baut also auf der Vorstellung auf, es gebe ein vorsprachliches Reich von Gedanken, welches in sprachliche Bedeutungen überführt werden müsse. Und soll die Kommunikation erfolgreich sein, soll die Übertragung also gelingen, so muss der Empfänger oder Hörer den gleichen Code benutzen, also ebenfalls über die äquivalenten Kompetenzen verfügen, um aus den sprachlichen Äußerungen die subjektiven Bedeutungszuschreibungen zu decodieren. Das klassische Kommunikationsmodell geht demnach davon aus, dass vorsprachliche Gehalte durch feste Codes in ein sprachliches Medium überführt und dieses durch Kommunikation übertragen werden kann. Die Qualität der Kommunikation bemisst sich danach, ob diese Übertragung geräuschlos funktioniert, ob die Codierungen auf beiden Seiten dieselben sind und die Sprache ein reines, nicht störendes Medium bleibt.


Abb. 1.2: Erweiterteres klassisches Modell

In diesem Modell spielen Sender und Empfänger eine besondere Rolle, denn sie stellen die Schnittstelle zwischen der externen Nachricht und dem internen technischen System dar. Das Problem dieser Schnittstellen besteht darin, dass ein Ausgleich zwischen der Komplexität der Nachricht und der begrenzten Kapazität des Kanals geschaffen werden muss. Die Komplexität der Nachricht muss der Kapazität des Kanals angemessen sein. Hierbei lassen sich zwei mögliche Problemlösungen unterscheiden: analoge und digitale Kommunikation. Eine analoge Kommunikation liegt vor, wenn das vom Sender erzeugte und vom Empfänger rezipierte Signal zu der Nachricht in einem Verhältnis der Proportionalität steht, d. h. das Signal folgt der Nachricht in seinen Veränderungen im Raum und in der Zeit. Typische analoge Kommunikationsformen sind das Radio oder die Fotografie, der Film oder das Grammofon. Um digitale Kommunikation handelt es sich hingegen, wenn die Nachricht vor der Übertragung in spezifische Elemente ein und desselben Typs zerlegt wird, also z. B. in Buchstaben, in ganze Zahlen, in Pixel. Eine solche Form liegt in der Schrift oder in der elektronisch ermöglichten Kommunikation vor.

Eine weitere Konkretisierung hat Badura (vgl. Badura 1971) vorgenommen. Badura berücksichtigte mehrfache Encodierungs- und Decodierungsprozesse, nämlich in Anlehnung an die Semiotik syntaktische, semantische und pragmatische Prozesse. Und er sozialisierte Sender und Empfänger, indem er sie in soziale Kontexte einbettete:

Mit diesem Modell verwandt ist das etwa zur gleichen Zeit entwickelte, vornehmlich für die Untersuchung der Massenmedien wie der Werbung und der politischen Propaganda entworfene Konzept des Soziologen und Politikwissenschaftlers Harold Lasswell, welches sich auch heute noch in der Massenkommunikationsforschung großer Beliebtheit erfreut (Lasswell 1966: 178):

A convenient way to describe an act of communication is to answer the following questions:

 Who

 Says What

 In Which Channel

 To Whom

 With What Effect?


Abb. 1.3: Baduras Kommunikationsmodell (nach Badura 1971: 20, stark modifziert)

Die Kommunikationsforschung hat es dieser Konzeption zufolge mit den klassischen W-Fragen zu tun. Lasswell legte diesem Entwurf das behavioristische Stimulus-Response-Modell zugrunde: Massenmedien funktionieren so, dass sie bestimmte Stimuli mit bestimmten Reaktionen verknüpfen und dabei möglichst diejenigen Stimuli, die zu unerwünschten Reaktionen führen könnten, vermeiden (vgl. Lasswell 1927: 630).

Das klassische Modell unterscheidet folgende Komponenten:

Kommunikation ist eine Relation zwischen mindestens zwei Kommunikatoren, einem Sender und einem Empfänger;

es liegen zwei kommunikative Handlungen vor, eine Mitteilung seitens eines Senders, eine Rezeption oder ein Empfangen dieser Mitteilung durch einen Empfänger;

Sender und Empfänger müssen über einen hinreichend ähnlichen, in ihrer Bedeutung weitgehend isomorphen Vorrat an Zeichen und Symbolen verfügen.

Ein Kanal stellt den materiellen Träger der Kommunikation dar.

Das klassische Modell von Shannon / Weaver wie auch die in dieser Tradition stehenden Erweiterungen und Modifikationen formalisieren die in der alltagsweltlichen Auffassung von der Kommunikation als einer Übertragung oder einem Transport von Gütern unterstellten Annahmen. Es kann als eine Kodifizierung dieser Auffassung gewertet werden. Das Modell war, wie schon erwähnt, ursprünglich zur Modellierung von technisch übertragener und gestützter Information vorgesehen. Es enthält allein physikalische Größen, keine semantischen oder, wie Soziologen sagen würden, sinnhaften Elemente. Leider wurde und wird es aber häufig entgegen der Absicht ihrer Urheber als ein allgemeines kommunikationstheoretisches Modell betrachtet, als ein Modell, welches ausreichend sei, um auch die menschliche Kommunikation beschreiben zu können. Von daher sah man sich sehr schnell vor die Notwendigkeit gestellt, dieses Modell weiter zu entwickeln. Neben dem Desiderat des ›Sinns‹ musste das Modell vor allem in einer zweiten Hinsicht erweitert werden. Shannon / Weaver konzeptualieren Kommunikation als einen linearen Prozess und vernachlässigen dabei zirkulare, rekursive und reziproke Momente.

In diesem Modell findet ein quantitativer oder syntaktischer Informationsbegriff Verwendung. Der Informationswert von Zeichen wird mit der Wahrscheinlichkeit ihres Vorkommens gleichgesetzt. Der syntaktische Informationsgehalt ist ein Maß für den Neuigkeitswert oder Überraschungsgrad eines Zeichens. Oder kurz: Information ist ein Maß für die Unwahrscheinlichkeit von Zeichen. Im Alltag und im sozialen Leben überhaupt verwenden wir einen qualitativen Informationsbegriff. Während sich der syntaktische Informationsbegriff allein auf die Kombination von Zeichen bezieht, umfasst der qualitative Informationsbegriff, so wie er in der Soziologie Verwendung findet, darüber hinaus aber noch andere Kontexte, wie etwa das Vorwissen der Kommunikatoren, ihr Interesse oder ihre Aufmerksamkeit. Er ist im Unterschied zum syntaktischen nicht formalisierbar. Kennzeichnend ist einerseits die pragmatische These, dass nur das Information ist, was Information erzeugen kann, und die semantische These andererseits, dass nur das Information sein kann, was als Information verstanden wird. Gemeinsam scheint beiden Varianten der Bezug auf die Unterscheidung von Varietät und Redundanz zu sein. Informationen beruhen auf Varietät, also auf codierten Unterscheidungen oder Differenzen. Varietäten, die nicht für ein oder von einem System codiert sind, stellen bloßes ›noise‹ dar. Redundanz heißt, dass mehr Zeichen oder Signale gesendet werden müssen, um Informationen darzustellen, als notwendig ist. Ob Informationen redundant sind, hängt davon ab, ob sie schon in den jeweiligen Kontexten enthalten sind, so dass die Informationen von Zeichen oder Signalen notfalls auch auf dem Umwege über den Gebrauchskontext erschlossen werden könnten. Natürliche Zahlen sind z. B. nicht redundant. Wenn Sie die Zahlenkombination 156?899 haben, dann können sie bei einem Verlust der vierten Ziffer aus dem Kontext nicht erschließen, um welche es sich handelt. Anders ist das z. B. in der Alltagssprache, bei der man eine Redundanz von 50 Prozent annimmt. Ähnlich dürfte es sich im Fall der Schrift verhalten, denn Sie k.nnen. anz g.wiß erschl..ssen, was ich Ihnen gerade sagen will. Auch in sozialen Beziehungen spielt die Redundanz des Mitgeteilten eine erhebliche Rolle. Nehmen wir ein Beispiel aus dem Leben unserer Eheleute Schmidt, die wir an dieser Stelle zum ersten Mal einführen, ein nunmehr seit 30 Jahren verheiratetes Ehepaar. Heute weiß Herr Schmidt sicherlich ganz genau, was das Naserümpfen seiner Frau zu bedeuten hat. Am Beginn ihrer Beziehung dürfte die Redundanz der Informationen wesentlich geringer gewesen sein – ein Naserümpfen hätte wohl kaum als Mitteilung genügt, um den gerüffelten Sachverhalt zu erschließen.

Welche Veränderungen erfährt dieses klassische Modell? Eine erste Modifikation wird an der Komponente des ›Codes‹ vorgenommen. Man geht davon aus, dass sowohl der Sprecher als auch der Adressat über eigene Zeichenrepertoires verfügen und eine Verständigung nur dann zustande kommt, wenn es eine genügend große Schnittmenge zwischen beiden Zeichenmengen gibt. Zeichen, die nur einem Repertoire angehören, können nicht zur Kommunikation benutzt werden. Dabei wird der Begriff ›Code‹ von den Kommunikationstheoretikern mehrdeutig verwendet. Er lässt sich auf zwei Wurzeln zurückführen, auf die juristische Terminologie, in welcher ein Code einen Gesetzestext bzw. eine Vorschrift darstellt (z. B. ›Code Napoléon‹), und auf die Kryptografie, in welcher ein Code eine Zuordnungsvorschrift für die Übertragung von Zeichenelementen einer natürlichen Sprache in die eine Geheimsprache darstellt. Kommunikationstheoretisch wird dieser Terminus in einer engeren und in einer weiteren Bedeutung verwendet. Er kann in einer zusätzlichen Bedeutung mit Zeichensystemen als solchen synonymisiert werden, und er kann in einer engeren Bedeutung als Zuordnungsregel zwischen Zeichensystemen benannt werden. Die Soziologie verwendet den Code-Begriff mit einer wesentlichen Ausnahme allgemein im Sinne einer Zuordnungsregel. Sie benutzt also den linguistischen Code-Begriff. Eine Ausnahme stellt die Systemtheorie dar, die einen kybernetischen Code-Begriff verwendet, der eine strikte Binarisierung der möglichen Werte des Codes beinhaltet und damit nicht Zuordnungen reguliert, sondern Unterscheidungen.

Eine zweite Modifikation an dem ursprünglichen Modell wird erreicht, wenn man Kommunikationskreisläufe oder Rückkopplungsschleifen einbezieht. Dabei konnten sich die Kommunikationstheoretiker an dem frühen Modell des Redekreislaufs von Ferdinand de Saussure orientieren, der Kommunikation als einen sich in zwei Richtungen vollziehenden Informationsfluss beschrieb: vom Sprecher zum Hörer und vom Hörer, der nun seinerseits zum Sprecher wird, zurück zum ersten Sprecher oder nunmehr dem Hörer. Von besonderer Bedeutung ist auch die Theorie des Feedbacks von Watzlawick, Beavin und Jackson (vgl. Watzlawick u. a. 1967). Wenn der Sprecher das eigene kommunikative Handeln, die eigene Zeichenproduktion und deren Wirkung auf den Rezipienten betrachtet und beurteilt, entsteht möglicherweise eine Rückkopplung, wodurch er selbst zum Rezipienten seiner eigenen Mitteilung wird und seine Folgemitteilungen entsprechend beeinflussen oder korrigieren kann. Dabei kann zwischen negativen und positiven Rückkopplungen unterschieden werden. Positive Rückkopplungen liegen vor, wenn Zeichen, mit denen bereits eine positive bzw. erstrebte Wirkung erzielt wurde, verstärkt und bestätigt werden. Negative Rückkopplungen hingegen können den Sprecher veranlassen, seine Mitteilungen zu korrigieren, um die als negativ beurteilten Wirkungen auszugleichen. Dabei können in dem Kommunikationssystem selbst wieder weitere verschiedene Rückkopplungsschleifen identifiziert werden.

Damit wird die Linearität des Kommunikationsmodells in Frage gestellt. Denn dieses Sender-Empfänger-Modell verteilt einseitig Aktivitäten und Passivitäten. Der Sender erhält den aktiven Part, der Empfänger den passiven Part. Kommunikation wird stattdessen von Watzlawick / Beavin 1966 als ein reziproker Prozess betrachtet, in welchem beide Beteiligten zugleich agieren und reagieren, handeln und erleben. Dabei lehnen sie sich an eine Beschreibung von Birdwhistell an, die die systemtheoretische Position schon früh vorwegnimmt: »Ein Individuum kommuniziert nicht, es lässt sich auf Kommunikation ein oder wird ein Teil derselben. Es bewegt sich, macht Geräusche […], aber es kommuniziert nicht. Genauso sieht, hört, riecht, schmeckt oder fühlt es – aber es kommuniziert nicht.« (Birdwhistell 1959: 104) Mit anderen Worten: Von den Kommunikatoren geht keine Kommunikation aus, sondern sie nehmen an der Kommunikation teil. Sie sind nicht die Urheber von Kommunikation.

Wenn man Rückkopplungsschleifen vorsieht, dann liegt der Gedanke nicht fern, dass jede Kommunikation die Fähigkeit oder die Notwendigkeit der Metakommunikation einschließt. Dieser Gedanke wird von Gregory Bateson entwickelt. Unter Metakommunikation versteht Bateson »die Fähigkeit, über Kommunikation zu kommunizieren und die Bedeutung der eigenen Handlungen und der Handlungen zu anderen zu kommentieren« (Bateson u. a. 1956b: 208). Kommunikationen sind auf sie begleitende Metakommunikationen angewiesen, weil nur so der Erfolg oder Misserfolg von kommunikativem Handeln festgestellt werden kann. Bateson interessiert sich besonders für die wechselseitigen Bezugnahmen von verbalen und nonverbalen Elementen in der normalen alltäglichen Interaktion. Diese können sich gleichsam wechselseitig kommentieren. Eine verbale Mitteilung kann eine nonverbale unterstützen oder konterkarieren, und dies gilt natürlich umgekehrt ebenso. Wenn beide nicht konkordant sind, dann besteht Anlass, darüber metakommunikativ zu kommunizieren.

Dieser Punkt wird in dem metakommunikativen Axiom von Watzlawick, Beavin und Jackson weitergeführt und radikalisiert. Es geht davon aus, dass jedes verbale Handeln in einen nonverbalen Kontext eingebettet ist, welcher metakommunikativ interpretiert wird, was zu dem berühmten Diktum führt, dass man sich nicht nicht verhalten kann bzw.: »Man kann nicht nicht kommunizieren.« (Watzlawick u. a. 1967: 49) So lautet das erste der fünf Axiome des kommunikationspragmatischen Kalküls. Alles, was wir tun, kann als kommunikativer Beitrag interpretiert werden. Es führt im zweiten Axiom zu der Unterscheidung verschiedener Ebenen der Kommunikation, einer Inhalts- und einer Beziehungsebene. Nicht allein das Gesagte, der sachliche Aspekt spielt in Kommunikationen eine Rolle, sondern die Beziehung zwischen den Kommunikationspartnern. Im dritten Axiom wird darauf aufmerksam gemacht, dass die Kommunikationspartner ihre Kommunikation interpunktieren, also in verschiedene Ereignisfolgen und Verhaltenssequenzen einordnen können. Diese Interpunktionen müssen durchaus nicht einvernehmlich gesetzt werden. Berühmt ist die Untersuchung der Interpunktionstriaden zwischen Eheleuten. Vielleicht ist dies auch der Fall bei unserer Familie Schmidt. Herr Schmidt zieht sich zurück, und Frau Schmidt nörgelt. Herr Schmidt begründet sein Verhalten mit dem Nörgeln seiner Frau, und Frau Schmidt das ihre mit dem Verhalten ihres Mannes. Beide sind in einem Circulus vitiosus gefangen, aus dem sie ohne Metakommunikation nicht entfliehen können.

Das vierte Axiom von Watzlawick, Beavin und Jackson besteht in der Beschreibung der menschlichen Kommunikation als einer solchen, die analoge und digitale Modalitäten miteinander verbindet. Analog ist eine Beziehung zwischen einem Repräsentant und einem Repräsentierten dann, wenn zwischen beiden Ähnlichkeitsbeziehungen vorhanden sind. Ein Beispiel für analoge Kommunikationsformen ist die nonverbale Kommunikation. Tränen können Schmerz oder Trauer ausdrücken. Digital ist hingegen die verbale Kommunikation. Die Buchstabenfolge B-u-c-h weist keinerlei Ähnlichkeit mit dem entsprechenden Gegenstand auf. Der Beziehungsaspekt in Kommunikation ist nach Watzlawick, Beavin und Jackson analog, der inhaltliche Aspekt digital strukturiert. Da die menschliche Kommunikation beide Ebenen umfasst, kann es zu entsprechenden Übersetzungsproblemen kommen. Und schließlich das fünfte Axiom: Es besagt, dass die menschliche Kommunikation entweder symmetrisch oder komplementär organisiert ist. Komplementär ist sie dann, wenn sich die entsprechenden Kommunikationsakte komplementieren, so wie es sich zwischen Lehrer und Schüler, Arzt und Patient, Autor und Leser verhält. Um symmetrische Kommunikation handelt es sich, wenn sie von dem Streben nach Gleichheit geprägt ist.

Schließlich gibt es noch einen allgemeinen Grund, weshalb heutzutage in der Soziologie das klassische Modell als inadäquat für die Beschreibung von Kommunikationsprozessen zurückwiesen wird. Es geht davon aus, dass Kommunikation eigentlich nur durch äußere Gefahren und Störungen, durch ein »Rauschen« gefährdet werden kann. Wenn die Umwelt genügend abgeschottet ist, dann findet die Kommunikation ihr Ziel, und die Gedanken des einen gehen in den Gedanken des anderen auf. Aber ist der Kommunikationsprozess als solcher wirklich derartig risikolos? Ist es nicht der Normalfall, dass Kommunikation versandet, scheitert, dass unsere Vorstellungen und Intentionen nicht verstanden werden? Liegen die Störquellen nicht in den Prozessen und Komponenten von Kommunikation selbst? Und liegen sie vielleicht deshalb im Kommunikationsprozess selbst, weil Kommunikation etwas grundsätzlich anderes ist als der Transport von Gedanken und Sinn von A nach B?

1.3 Ausdruck und Eindruck

Das Alltagsmodell wie auch das wissenschaftliche Informationsmodell der Kommunikation werden einer Kritik in den Arbeiten des Kommunikationswissenschaftlers Gerold Ungeheuer (vgl. Ungeheuer 1987a u. 1990) unterzogen. Diese Modelle stellen das Ausdrucksprinzip in den Vordergrund. Ungeheuer macht hingegen darauf aufmerksam, dass Kommunikation darauf angelegt ist, Eindrücke herzustellen.

Ausgangspunkt der Überlegungen Ungeheuers ist das Urphänomen der Zweiteilung der menschlichen Erfahrung in einen Bereich der inneren Erfahrungen und Handlungen einerseits sowie einen Bereich der äußeren Erfahrungen und Handlungen andererseits. Innere Erfahrungen sind solche, die nur dem erfahrenden Individuum zugänglich sind. Dies trifft auch auf die inneren Handlungen wie das Fühlen, das Denken und das Vorstellen zu. Äußere Erfahrungen können hingegen auch andere Menschen machen, äußere Handlungen lassen sich auch von anderen beobachten, wie etwa Körperbewegungen oder die Manipulation von Gegenständen. Diese Zweiteilung in einen inneren und einen äußeren Bereich ist nach Ungeheuer Veranlassung und Ausgangspunkt von Kommunikation. Grund und Ursache von Kommunikation ist die unaufhebbare Innerlichkeit der Menschen und deren Intransparenz für die anderen. Aber die Zweiteilung stellt jede Kommunikation immer vor das neue Problem, ob und wie man verstanden wird. Kommunikation hat die Aufgabe, zwischen dem Innen und dem Außen zu vermitteln und diese Dichotomie zwar nicht zu beseitigen, aber zu vermitteln. Eine solche Funktion kann die Kommunikation nur erfüllen, wenn sie etwas, was immer nur innerlich ist und nur innerlich bleiben kann, durch äußere Zeichen darstellbar macht. Ein Sprecher muss dabei seine Aussagen so anlegen und planen, dass sie für einen anderen nachvollziehbar werden. Jede Kommunikation ist also auch eine Handlung, ein Versuch, auf andere Einfluss zu nehmen (vgl. Lenke u. a. 1995: 68–90).

Das Ausdrucksprinzip besagt nun, dass in der Kommunikation das, was ein Sprecher ausdrücken möchte, das dominante Element darstellt. Sprechen wird als ein Sich-Ausdrücken verstanden und Zuhören als ein passives Verstehen der ausgedrückten Mitteilung. Der Sprecher ist der aktive, der Zuhörer der passive Partner, das Sprechen ist alleinige Angelegenheit des Sprechers, das Zuhören eine passive Reproduktion. Dieses alltägliche wie auch wissenschaftliche Leitbild suggeriert, so Ungeheuer, dass die Kommunikation in zwei Handlungen zerfällt, in die des Sprechens und des Zuhörens, und es suggeriert zweitens, dass sich diese beiden Handlungen wie Ursache und Wirkung verhalten.

Der sprachliche Ausdruck ist vollkommen Sache des Sprechers; der Hörer hat ihn, wenn er will, aufzugreifen und zu verstehen. Dementsprechend zerfällt die kommunikative Sozialhandlung in zwei partielle Individualhandlungen, und, da der Sprecher den sprachlichen Ausdruck verursacht, rückt er in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit, eine Konstellation, die aus wissenschaftlichen Traktaten nicht unbekannt ist (vgl. Ungeheuer 1987b: 294).

Ungeheuer schlägt eine Alternative vor, welche den Aspekt des Eindrucks stärkt. Nicht der Sprecher, sondern der aktive Zuhörer steht im Mittelpunkt der Kommunikation, und es ist das kommunikative Ziel des Sprechens, Eindrücke bei einem Zuhörer zu erreichen oder, genauer noch, etwas hervorzubringen, welches der Zuhörer selbst zu seinem Eindruck machen kann.

Es ist jedoch deutlich, dass im Modell der Eindrucks-Kommunikation der Hörer in den Vordergrund rückt, er mindestens aber in seiner kommunikativen Tätigkeit gleichrangig mit dem Sprecher behandelt werden muss. Denn hier handelt der Sprecher kommunikativ, indem er einen ›Eindruck‹ beim oder im oder für den Hörer hervorbringt. Dieser ›Eindruck‹ aber kann nur entstehen, wenn der Hörer das vom Sprecher Hervorgebrachte durch eigene Tätigkeit zu seinem ›Eindruck‹ gemacht hat. So bleibt schon im Ansatz die kommunikative Sozialhandlung erhalten und zerfällt nicht wie von selbst in personenbezogene Partialhandlungen (vgl. Ungeheuer 1987b: 294 f.).

Das Modell der Eindrucks-Kommunikation stellt den Zuhörer in den Vordergrund. Ungeheuer hinterfragt auch das additive oder das Aggregationsmodell der Kommunikation, wie es sich häufig noch in soziologischen Auffassungen findet. Demnach ist Kommunikation in Einzelhandlungen dekomponierbar, die sich wie Ursache und Wirkung verhalten. Damit nimmt Ungeheuer eine Position vorweg, wie sie durch die Systemtheorie (vgl. Kap. 9) vertreten wird. Aber im Unterschied zur Systemtheorie, die dies an der funktionalen Synthese von Unterscheidungen festmacht, steht für Ungeheuer der Kommunikator als ein Erfahrungswesen im Zentrum.

Kommunikationen, so definiert Ungeheuer, »sind Veranstaltungen von Sprechern, die beabsichtigen, Hörer bestimmte innere Erfahrungen, Erfahrungen des Verstehens, vollziehen zu lassen« (Ungeheuer 1987b: 316). Kommunikation hat das Ziel, dass der Hörende bestimmte innere Erfahrungen, bestimmte Verstehensakte machen kann. Der Sprecher muss diese Akte antizipieren und er muss die richtigen Zeichen, die adäquaten Mittel benutzen, um diese Verstehensakte evozieren zu können. Sprachliche Zeichen haben in erster Linie eine pragmatische Dimension. Sie stellen Anweisungen dafür dar, wie und welche inneren Erfahrungen ein Hörer vollziehen soll. Sprachliche Zeichen sind Instruktionen, keine Abbildungen. Wenn ein Sprecher die Formulierung »ein alter Mann« wählt, dann stellt dies an den Hörer die Anweisung dar, mit einer Konkretisierung dieser Vorstellung so lange zu warten, bis der Sprecher sie vollzieht. Wenn die Formulierung »der alte Mann« gewählt wird, so ist dies die Instruktion, den Bezug zu einer bestimmten Person herzustellen (vgl. Loenhoff 2002: 168).

Im Mittelpunkt der Kommunikationstheorie von Ungeheuer steht also die Analyse der Prozesse und Methoden, mithilfe derer ein Hörer zu spezifischen Verstehensakten veranlasst werden kann. Dazu ist es aber nötig, dass ein Hörer in dieser kommunikativen Situation eine asymmetrische Rollenverteilung hinnimmt, denn er lässt es zu, dass die Kommunikation bzw. der Sprecher ihn in diesem Moment steuert. Dieses wichtige Moment einer jeden Kommunikation wird von Ungeheuer als »kommunikative Subjektion« (Ungeheuer 1987b: 317) bezeichnet. Kommunikative Subjektion besteht in der Subjektion, der Unterordnung des Hörers unter den Sprecher, in der »vom Hörer zum Zwecke der Kommunikation zugelassene(n) Steuerung seiner verstehensrelevanten inneren Erfahrungsakte durch die sprachlichen Formulierungen des Sprechers« (ebd.). Jede Kommunikation ist notwendigerweise asymmetrisch, aber die Asymmetrie wechselt mit jedem Sprecherwechsel. Die Subjektion des Hörers korrespondiert mit der Suggestion des Sprechers, der den Hörer in einer spezifischen Weise zu beeindrucken sucht.

1.4 Ergon und Energeia

Wilhelm von Humboldt unterscheidet drei Aspekte von Sprache: das individuelle Sprechen, die einzelnen bestimmten Sprachen, wie sie für ihn maßgeblich nationale Sprachen darstellen, und schließlich die anthropologische Bestimmung der Idee der Sprache als dem Allgemeinen aller Sprachen. Jedes Sprechen bedeutet eine Aktualisierung der Mittel und Möglichkeiten einer bestimmten Sprache, Gedanken zu versinnlichen, ihnen im Sprechen einen sinnlichen, für andere und sich selbst wahrnehmbaren Ausdruck zu verleihen. Jedes individuelle Sprechen ist auf ein konkretes Gegenüber, auf einen Mitsprechenden angewiesen, denn nur im Sprechen, im Hören und im Erwidern ist die Sprache als solche erfahrbar. In der heutigen Terminologie formuliert: Nur im kommunikativen Sprechen aktualisiert sich eine Sprache, nur in der konkreten Sprechtätigkeit lassen sich die Sprachen als besondere Sprachen bestimmen. Im konkreten Sprechen gewinnt eine doppelte Individualität ihre Gestalt: Die Individualität der je verwendeten Sprache und die Individualität des Sprechers, das, was dieser in die Sprechhandlung einbringt. Jede philosophische und wissenschaftliche Analyse muss von daher ihren Ausgangspunkt im Sprechen oder, besser noch, im Miteinander-Sprechen nehmen. Die Sprache, so Humboldt, ist kein Werk (ergon), sondern eine Tätigkeit (energeia). Das Sprechen ist ein produktiver Akt, der nicht in der bloßen Übernahme und Replikation von Regeln, nicht im normativen Handeln aufgeht. Weder das Wort noch der Satz, sondern nur die Sprechhandlung in ihrem Vollzug als Rede und Widerrede und als Hervorbringung eines sinnlich wahrnehmbaren wie auch sinnhaften Ganzen eröffnen den Blick auf das Wesen der Sprache. Jedes Sprechen ist zugleich ein Verwenden wie auch ein Erzeugen der Sprache.

Erst im Individuum erhält die Sprache ihre letzte Bestimmtheit. Keiner denkt bei einem Wort genau das, was der andere denkt, und die noch so kleine Verschiedenheit zittert, wie ein Kreis im Wasser, durch die ganze Sprache fort. Alles Verstehen ist daher immer zugleich ein Nicht-Verstehen, alle Übereinstimmung in Gedanken und Gefühlen zugleich ein Auseinandergehen (vgl. v. Humboldt 1835 / 1994: 439).

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9783846344699
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