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PETER DAXER

Die Kraft der

Pferd-Mensch-Beziehung

Schritt für Schritt von der reinen Erziehung zur inneren Einheit

Haftungsausschluss

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Gestaltung und Satz: jb:design, Johanna Böhm, Dassendorf

Titelfoto: Maresa Mader

Fotos im Innenteil: Fotolia/callipso88 (S. 10), Christiane Slawik (S. 12, S. 16, S. 20, S. 26, S. 30, S. 38, S. 48, S. 49, S. 69, S. 71, S. 75, S. 76, S. 78/79) Privat (S. 72) Mic Penquitt (S. 73) www.zugpferdemuseum.de/Jürgen und Uta-Marina Hagenkötter (S. 14) alle anderen Fotos Maresa Mader Texte: Peter Daxer Lektorat: Martina Kiss Druck: Westermann Druck, Zwickau

Deutsche Nationalbibliothek – CIP-Einheitsaufnahme

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten.

Abdruck oder Speicherung in elektronischen Medien nur nach vorheriger schriftlicher Genehmigung durch den Verlag.

Printed in Germany

ISBN: 978-3-95847-020-0

eISBN: 978-3-95847-720-9

Inhalt

Einige Gedanken zu Beginn

Vorwort

Pferd und Mensch – kurze Geschichte einer langen Beziehung

Das Pferd als Freizeitpartner – neue Aufgaben, neue Lasten

Beziehung statt Erziehung

Weg mit alten Gewohnheiten

Vertauen statt Kontrolle

Übungsteil

1.Was sagt mir mein Pferd wirklich?

2.Beobachte dein Gegenüber und dich selbst

Tipp: So schulen Sie Ihre Selbstwahrnehmung

Info: Was ist nonverbale Kommunikation?

Info: Wie groß ist der Wohlfühlabstand?

3.Spielend entspannen

4.Pferd aus der Herde holen – Was ist Zeit?

5.Gefühl für Druck entwickeln – die HHMK-Methode

Info: Wie funktioniert Konditionierung?

6.Führe das Pferd – Wer hat einen Plan?

Tipp: Schneller entspannen

Info: Kluger-Hans-Effekt

7.Die fünf Zonen des Pferdes und wie man sie für sich nutzt

8.Führe deinen Mitmenschen

9.Führe deinen Mitmenschen aus der Ferne

10.Ferndiagnose – Führe das Pferd mit Feedback

11.Atme dich frei

Tipp: Schnelle Hilfe in der Not

12.Stressbewältigung mit dem Pferd

13.Das Herdenspiel

Danke

Register

Lesetipps

„ Wer ein sanftes und achtsames Pferd haben will, muss sanft und achtsam mit ihm umgehen.

Einige Gedanken
zu Beginn


„ Sei, der du bist, und werde, der du sein kannst. (Franz Grillparzer)

„ Jede Bewegung mit dem Pferd ist eine Bewegung in uns selbst.

„ Je mehr Sie im Hier und Jetzt leben, desto deutlicher werden die Signale für ihr Pferd.

„ Denken Sie immer daran, dass das, was Ihr Pferd Ihnen zeigt, der Spiegel Ihrer Seele ist.

„ Bereiten Sie sich darauf vor, dass der Blick in diesen Spiegel nicht einfach ist, aber lohnenswert – nicht nur für die Beziehung zu Ihrem Pferd, sondern auch für Sie selbst!

Vorwort


In der heutigen Zeit darf das Pferd einfach nur Freizeitpartner des Menschen sein.

„ Nur wer sich auf den Weg macht, wird neues Land entdecken.

(Hugo von Hofmannsthal)

Die Beziehung von Pferd und Mensch besteht seit Jahrtausenden. Und sie hat unsere Geschichte, ja fast alle Lebensbereiche geprägt wie keine andere Mensch-Tier-Beziehung. Profitiert hat davon in erster Linie jedoch der Mensch. Das Pferd gab ihm Kraft für die Arbeit auf dem Feld, zog für ihn große Lasten, es machte ihn schnell und es machte ihn mächtig, es inspirierte ihn zu sportlichen und künstlerischen Höchstleistungen. Im Gegenzug gewährte der Mensch seinem vierbeinigen Begleiter Obdach, Nahrung und Fürsorge – und auch das nicht immer im ausreichenden Maß. Und der Preis dafür war für das Pferd hoch: Seine Zähmung und die Einpassung in die Lebenswelt des Menschen bedeutete nicht nur den Verlust der Freiheit. Für viele Pferde hieß das auch ein Leben in Mühsal und Qual, das oft genug mit einem grausamen Tod endete, etwa als Kriegspferd auf dem Schlachtfeld.

Diese Zeiten sind gottlob vorbei. Heute ist das Pferd ein Freizeitpartner, ein Kamerad, der uns durch unser Leben begleitet. Erstmals in der langen Beziehungsgeschichte von Mensch und Pferd muss sich dieses sein Dasein an unserer Seite nicht durch harte Arbeit verdienen – es darf einfach nur Pferd sein. Das ist eine ungeahnte Möglichkeit, die Beziehung von Mensch und Pferd neu zu gestalten, fairer, gemeinschaftlicher und so, dass beide als Partner aneinander wachsen, gemeinsam stark werden. Es ist gewissermaßen ein Weg zur beidseitigen Heilung. Dadurch, dass wir das Pferd wieder mehr Pferd sein lassen, geben wir ihm einen Teil seiner Freiheit zurück, die ihm unsere Vorfahren nahmen, als sie es zähmten. Indem wir lernen, die individuellen Eigenheiten unserer Pferde zu akzeptieren, sie zu deuten und mit ihnen umzugehen, kommen wir zu einem faireren Umgang mit dem Pferd. Und helfen uns damit letztlich selbst. Denn die Reaktionen des Pferdes sind Spiegel unserer inneren Befindlichkeiten. Es zeigt uns glasklar auf, wie es um uns steht – ob wir gestresst sind, ob wir uns im Berufsalltag nicht durchsetzen können, Probleme haben, Bindungen mit anderen Menschen einzugehen, und vieles mehr. Was für eine Chance! Denn das Pferd zeigt uns, wo wir klarer werden müssen, wo weniger Druck nötig ist und wo wir uns ganz entspannt zurücklehnen dürfen. Davon profitiert nicht nur die Beziehung zum Pferd, sondern auch unsere eigene Persönlichkeit. Wir werden gemeinsam stark.

Pferd und Mensch
kurze Geschichte einer langen Beziehung


Im steilen Gelände, wo Maschinen nicht eingesetzt werden können, ist das Pferd noch immer der Partner bei der Arbeit, so wie hier beim Holzrücken.

„ Der Atem ist das Pferd, der Gedanke der Reiter.

(Sprichwort aus Tibet)

Es ist eine ganz besondere Beziehung, die zwischen uns und dem Pferd besteht. Dabei kann es nicht mal in Anspruch nehmen, dass es der erste tierische Begleiter des Menschen war. Diese Ehre gebührt dem Hund: Der gezähmte Wolf steht dem Menschen seit mindestens 14.000 Jahren zur Seite, wie Grabungsfunde1 beweisen.

Auch die nächsten Plätze in der Hitliste der gezähmten Haustiere besetzen andere Arten: Ziegen und Schafe wurden vor etwa 11.000 Jahren domestiziert, in kurzem Abstand folgten Schweine und Rinder (vor etwa 10.500 beziehungsweise 10.000 Jahren). Selbst der Esel begleitet den Menschen schon länger als das Pferd, nämlich seit etwa 6000 Jahren. Er machte den Menschen in bisher unbekanntem Ausmaß mobil. Zwar nutzte der Mensch schon vorher Rinder als Zug- und Lasttiere. Doch diese haben zwei Nachteile gegenüber dem Esel: Sie sind vergleichsweise langsam und müssen als Wiederkäuer lange Pausen einlegen, um ihre Nahrung zu verdauen. Der aus der Wüste stammende Esel ist überaus zäh und ausdauernd, kommt mit wenig Nahrung und Wasser aus. Durch diese Eigenschaften ermöglichte er frühen Kulturen erstmals den Warentransport über lange Strecken. Vor leichte Kriegswagen gespannt und teilweise auch als Reittier genutzt, konnten zudem Soldaten über große Entfernungen über Land transportiert werden. Verbunden mit dem Geschwindigkeitsgewinn revolutionierte der Esel auch das Geschehen auf dem Schlachtfeld. Kein Zweifel: Für eine kurze Zeit war der Esel der Superstar unter den Haustieren2.

Auftritt Pferd. Seit es als Nachzügler vor rund 5000 Jahren in den Kreis der gezähmten Haustiere eintrat, ist nichts mehr, wie es war. Es hat die Menschheitsgeschichte umgekrempelt und beschleunigt wie kein anderes Haustier. Dabei entstand eine Mensch-Tier-Beziehung, die so eng war, dass sie der Literaturwissenschaftler Ulrich Raulff sogar als „kentaurischen Pakt“ bezeichnete3, benannt nach dem Zentauren aus der antiken Mythologie, jenem Zwitterwesen zwischen Mensch und Tier, dem Rossmann.

Diese Beziehung prägte die Lebenswelt des Menschen noch bis vor wenigen Generationen, ja teilweise bis vor wenigen Jahrzehnten. Das Pferd war in vielerlei Hinsicht das Maß aller Dinge.

Pferd und Mensch waren seit der Domestizierung des Pferdes eng miteinander verbunden. Es diente dem Menschen von der Funktion als Zug- und Lasttier bis zur Versorgung mit Pferdefleisch als wertvoller Begleiter. Erst im vorigen Jahrhundert rückte die Bedeutung des Pferdes als Freizeitpartner in den Vordergrund.

Es versorgte die Menschen:

1. mit Energie in Form von Arbeitskraft (als Zug- und Lasttier)4 und – auch das gehört zu dieser bemerkenswerten Beziehung zwischen dem Jäger Mensch und dem Fluchttier Pferd – in Form von Pferdefleisch;

2. mit Geschwindigkeit. Als „Tempomaschine“, so Raulff, war es unübertroffen, bis die Eisenbahn es im 19. Jahrhundert Stück für Stück überrundete.

Das Pferd als Lieferant von Mobilität und Geschwindigkeit änderte den gesamten Verlauf der Menschheitsgeschichte. Es machte aus Fußgängern Reiter, und wer einer war, stand lange Zeit als Krieger über allen anderen an der Spitze einer Gesellschaftspyramide, die es so vorher gar nicht gegeben hatte. Die mittelalterliche Feudalordnung mit ihren gepanzerten Rittern an der Spitze und der Masse der Bauern, wer wen versorgen musste, wäre ohne das Pferd gar nicht denkbar. Ebenso wenig der Aufstieg nomadischer Völker aus den zentralasiatischen Steppen zu bestimmenden Faktoren der Weltgeschichte: Seit der Antike brachen sie als hochmobile Reitervölker in immer neuen Wellen über lange bestehende Staaten sesshafter Völker in Asien, Indien und Europa herein. Manche wurden selbst sesshaft wie die Ungarn. Andere klaubten Riesenreiche zusammen, die noch Jahrhunderte später bestehen sollten, wie die Mongolen, wieder andere verschwanden so schnell im Dunkel der Geschichte, wie sie gekommen waren, wie etwa die Hunnen.

Seinen letzten großen Auftritt hatte das Pferd merkwürdigerweise in einer Zeit, als ihm Dampfmaschine und Verbrennungsmotor längst Konkurrenz machten. Lag der Pferdebestand in Frankreich zu Beginn der Französischen Revolution noch bei zwei Millionen Pferden, stieg er bis 1850 auf knapp drei Millionen5. Ohne den Verlust von Elsass und Lothringen an das Deutsche Reich 1871 wäre die Zahl der Pferde in Frankreich bis 1914 wohl auf 3,8 Millionen gewachsen. Freilich wuchs auch die französische Bevölkerung gewaltig, nämlich von 36,5 Millionen um 1850 auf 41 Millionen 1906 – dank der Industrialisierung, die immer mehr Lebensbereiche erfasste. Gerade das machte paradoxerweise immer mehr Pferde nötig. Um die Versorgung der Städte mit Nahrungsmitteln zu gewährleisten, stieg die Nachfrage nach Zug- und Arbeitskraft in der Landwirtschaft beständig. In den expandierenden Städten sorgten Pferdeomnibusse und Trambahnen für eine funktionierende Infrastruktur. Pferdefuhrwerke waren die Verbinder zwischen den Häfen, in den moderne Dampfschiffe Waren und Rohstoffe anlieferten, und den Bahnhöfen, von wo aus sie weitertransportiert wurden. Und zu guter Letzt hatten die Massenarmeen Europas einen immensen Bedarf an Zugtieren, um ihre hochmodernen Geschütze zu ziehen und die Versorgung der Soldaten mit Lebensmitteln und Kriegsgütern aufrechtzuerhalten.

Den beiden Weltkriegen fielen daher nicht nur Millionen Menschen zum Opfer, sondern auch Millionen Pferde. Es ist der unrühmliche Tiefpunkt des kentaurischen Pakts, der Mensch und Tier in bisher unbekanntem Maß zu Leidensgenossen machte. In der Not rückten beide noch einmal aufs Engste zusammen.

Und dann war alles vorbei in sehr kurzer Zeit. Nach 1945 setzte in Europa und weiten Teilen der westlichen Welt eine bisher nie für möglich gehaltene Mechanisierung sämtlicher Lebensbereiche ein. Auf der Straße lösten Lastwagen das Pferd ab, auf den Bauernhöfen traten die Traktoren ihren Siegeszug an – und das große Pferdesterben setzte ein. Eben noch praktisch untrennbar mit dem Menschen verbunden, durchschnitt oft genug der Pferdemetzger das einende Band. Mit dramatischen Folgen für den Pferdebestand: Betrug dieser im Deutschen Reich 1914 noch 4,7 Millionen Tiere, so sank ihre Zahl in Westdeutschland bis 1970 auf 250.000. Mancher fürchtete, Pferde demnächst nur noch im Zoo bewundern zu können. Oder als Reiterstandbild, Gemälde oder in einer der zahlreichen Geschichten und Filme, in denen das Pferd und sein Mensch, der Reiter, bis heute glorifiziert werden.

In dieser Situation vollzog sich ein folgenschwerer Wandel. Nachdem das Pferd den Menschen jahrtausendelang als Arbeits-, Lasten- und Zugtier begleitet hatte, als Motor für seine kriegerischen Ambitionen und oft genug auch als Nahrungsquelle in schlechten Zeiten diente, wurde es plötzlich zum Freizeitpartner.

1Der bisher älteste erhaltene Beleg ist das sogenannte Oberkasseler Doppelgrab bei Bonn, das 1914 in einem Steinbruch entdeckt wurde. Das Grab enthielt neben den Skelettknochen eines etwa 50-jährigen Manns und einer circa 25-jährigen Frau auch die Unterkieferreste eines Haushunds. Genetische Untersuchungen haben inzwischen ergeben, dass der Wolf vermutlich schon vor 18.000 bis 32.000 Jahren zum Hund wurde.

22003 untersuchten Archäologen die 5000 Jahre alte Ruhestätte des frühägyptischen Pharaos Abydos und fanden in gesonderten Grabkammern die Überreste von zehn Hauseseln. Wie groß die Wertschätzung alter Kulturen für das Grautier war, zeigt sich nicht zuletzt an der Geburtsgeschichte von Jesus: An seiner Krippe steht neben dem friedlich wiederkäuenden Ochsen der Esel und nicht etwa das aus heutiger Sicht deutlich prestigeträchtigere Pferd.

3Ulrich Raulff: Das letzte Jahrhundert der Pferde. Geschichte einer Trennung. München 2015.

4Es ist daher auch kein Zufall, dass die Einheit, mit der die Leistungsfähigkeit von Dampfmaschinen bemessen wurde, zunächst in Pferdestärken gemessen wurde.

5Raulff, S. 36

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