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1 Drei Jahre zuvor, Syrien

2 Heute, Nacht von Freitag auf Samstag, Rheinallee, Bad Godesberg

3 Heute, Montag, Bad Godesberg

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18 Drei Jahre zuvor, Syrien

19 Heute vor sieben Monaten, Euskirchen

20 Heute, Dienstag, Düsseldorf

21 Heute, Dienstag, Bad Godesberg

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33 Drei Jahre zuvor, Syrien

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44 Heute, Nacht von Mittwoch auf Donnerstag, Köln

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46 Heute, Donnerstag, Bad Godesberg

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55 Drei Jahre zuvor, Syrien

56 Heute, Donnerstag Nachmittag, Bad Godesberg

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81 Heute, Sonntag, Bad Godesberg

Nachbemerkung

Impressum neobooks

Zweiundsiebzig

Der dritte Fall für Laura Peters

Kriminalroman

von

Patricia Weiss

Das Buch

Ein brutaler Mord erschüttert das beschauliche Bad Godesberg. Auf einem Parkplatz wird ein Junge erschlagen, die Zeitungen sprechen von einer Übertötung, die Polizei geht von einem Zufallsopfer aus. Doch das Verbrechen wurde von einer Gruppe Jugendlicher beobachtet und der Täter setzt nun alles daran, sie aufzuspüren.

Detektivin Laura Peters, die nach einem verschwundenen Jungen sucht, muss feststellen, dass die Fälle miteinander verbunden sind. Die Recherchen führen sie in islamistische Kreise und die Hinweise verdichten sich, dass ein Attentat geplant ist.

Als ein weiterer Mord passiert, gerät auch das Team der Detektei Peters ins Visier des Mörders und es beginnt ein mörderischer Wettlauf gegen die Zeit.

Die Laura-Peters-Serie

Zweiundsiebzig ist der dritte Roman, in dem Laura Peters mit ihrem Team ermittelt.

Die gesamte Laura-Peters-Reihe mit

Das Lager – Ein Fall für die Detektei Peters,

Böse Obhut – Der zweite Fall für Laura Peters,

Moloch Unsterblich – Der vierte Fall für Laura Peters,

Monströse Moral – Der fünfte Fall für Laura Peters und

Cäcilie: Eine Halloween-Novelle

ist als Taschenbuch im Internet und als E-Book in allen Online-Shops erhältlich.

Mehr Informationen finden Sie auf der Facebook-Seite ‚Patricia Weiss – Autorin‘, auf Twitter ‚Tri_Weiss‘, auf Instagram ‚tri_weiss‘ und auf YouTube ‚Patricia Weiss Autorin‘.

Zweiundsiebzig

Der dritte Fall für

Laura Peters

Kriminalroman

von

Patricia Weiss

Zweiundsiebzig ist als Taschenbuch und als E-Book erhältlich.

Impressum

Texte: © Copyright by Patricia Weiss

c/o

Relindis Second Hand

Gotenstr. 1

53173 Bonn

patriciaweiss@gmx.net

Covergestaltung und Foto: Patricia Weiss

Lektorat: Katharina Abel

Alle Rechte vorbehalten.

Veröffentlichung: 2018

„Nichts ist so gefährlich wie ein Buch.”

(Laura Peters)

Für meine two and a half men.

1
Drei Jahre zuvor,
Syrien

Es passierte mitten am Tag.

Nicht nachts, wie sie es erwartet hatten, im Schutz der Dunkelheit, in der man den Überfall erst bemerkte, wenn er bereits im Gange war, sondern als die Sonne am höchsten Punkt stand und sie noch damit beschäftigt waren, die Flucht vorzubereiten.

Warum waren sie nicht früher aufgebrochen?

Jedes Mal, wenn sie daran zurückdachte, stellte sie sich diese Frage. Sie kreiste in ihrem Kopf wie ein summendes, bösartiges Insekt, das immer wieder zustach, sie quälte und das sie nicht verscheuchen konnte.

Ihr Vater hatte bereits Tage vorher gewusst, dass sie kommen würden. Die verheerenden Nachrichten aus den nur wenige Kilometer entfernten Dörfern hatten sich in rasender Geschwindigkeit herumgesprochen. Es war klar, dass Flucht die einzige Rettung war. Für Ungläubige und Teufelsanbeter, wie sie von ihnen beschimpft wurden, gab es keine Gnade. Trotzdem hatte Vater sich mit den anderen Männern tagelang beraten und überlegt, was zu tun sei. Natürlich war es nicht leicht, sich zu entschließen, alles Hab und Gut zurückzulassen und irgendwo neu anzufangen, wo man nicht erwünscht war.

Aber war es besser, zu sterben?

Erst als die Nachricht kam, dass sie den Nachbarort dem Erdboden gleichgemacht hatten und auf dem Weg ins Dorf waren, hatte er eingewilligt.

Fieberhaft hatten sie das bisschen Schmuck und Geld in den Kleidern, die sie am Leib trugen, versteckt. Die Sachen von bescheidenem Wert hatten sie ganz hinten in die Schränke geschoben, in der armseligen Hoffnung, hinter den Schüsseln würde niemand suchen. Und den Ziegen im Stall hatte sie die Eimer randvoll mit Wasser gefüllt. Mitnehmen konnten sie die Tiere nicht.

Die Unruhe auf der Straße hatten alle gleichzeitig gespürt. Dann hörten sie die dröhnenden Motoren der Militärautos. Kommandos wurden gebrüllt, ein Schuss, angstvolle Schreie gellten in den Himmel. Aus dem Hof gab es keinen Fluchtweg. Sie stürzten zurück ins Haus.

Zu spät.

Durchs Fenster sahen sie, dass ein Geländewagen vorfuhr. Fünf Männer mit Bärten, grün-grauen Kampfanzügen und Gewehren im Anschlag sprangen vom Wagen und schwärmten in verschiedene Richtungen aus. Einer lief auf die offene Haustür zu, dann stand er vor ihnen. Im gleißenden Gegenlicht der Sonne zeichneten sich nur seine Silhouette und das Gewehr ab. Erst als er zwei Schritte in den Raum hinein machte, waren harte Gesichtszüge und eine Sonnenbrille zu erkennen. Mit der entsicherten Waffe und scharfen Worten, die sie nicht verstand, scheuchte er sie aus dem Haus.

Mutter hatte die Arme schützend um sie und die zwei Schwestern gelegt, Vater hatte den Jüngsten hochgenommen. Der ältere Bruder ging gesenkten Hauptes zwischen ihnen und versuchte, sich seine Angst nicht anmerken zu lassen.

Hinter dem Jeep hatte ein Transporter mit offener Ladefläche gehalten. Einer der Bewaffneten zerrte ein Mädchen am Arm zu dem Fahrzeug und stieß es grob in den Rücken. Es stürzte vorwärts, konnte sich am Laster abfangen und kletterte ungeschickt hinauf. Drei weinende Mädchen knieten bereits dort und bettelten um Gnade oder schrien nach ihren Müttern. Die Familienangehörigen wurden weggezerrt.

Der Lärm war unbeschreiblich.

Der Mann griff ihr grob unter das Kinn, riss ihren Kopf hoch, dann zerrte er sie am Arm mit sich. Tief in ihrer Haut spürte sie die Fingernägel ihrer Mutter, die sie nicht loslassen wollte, doch es gab kein Entkommen. Er schleuderte sie gegen den Laster, dann krachte der Gewehrkolben in ihren Rücken. Sie schrie auf vor Schmerz und zog sich mit letzter Kraft auf die Ladefläche.

Angstvoll sah sie zu ihrer Familie. Der Vater hielt mit dem einen Arm den kleinen Sohn umklammert, mit dem anderen gestikulierte er bittend zu den Männern. Ihre Mutter weinte, flehte, schrie. Sie konnte sie in dem Lärm nicht heraushören, aber sie konnte es sehen. Der Mann ging zurück und wollte die Schwestern begutachten, aber die Mutter lies es nicht zu. Sie drehte sich mit den Mädchen im Arm zu Seite, wollte sie fortzerren.

Ohne auch nur einen Augenblick zu zögern, hob der Mann sein Gewehr und schoss ihr in den Kopf.

Die Mutter sackte zusammen, begrub die beiden Töchter unter sich. Ihr Blut mischte sich mit dem Staub der Straße zu einem dicken, rot-klebrigen Brei. Hilflos und schreiend versuchten die Mädchen, sich zu befreien, unter ihr hervorzukriechen. Der Vater rührte sich nicht. Er hielt den kleinen Bruder so fest im Griff, dass dieser kaum atmen konnte. Ohne nachzudenken, warf sie sich gegen die Seitenstreben des Transporters. In ihrem Kopf gab es nur maßloses Entsetzen und den unbezwingbaren Drang, die Mutter zu retten, die Schwestern.

Wie aus dem Nichts traf ein Schlag ihren Kopf. Sterne zerplatzten wie Feuerwerk vor ihren Augen.

Dann wurde es schwarz.

Das Erste, was sie wahrnahm, war ein Rütteln, das durch den ganzen Körper ging. Und ihren Kopf, der bei jedem Stoß schmerzte. Vorsichtig öffnete sie die Augen. Es war stockdunkel.

Wo war sie?

Nur langsam wurde ihr bewusst, dass sie über Land fuhr, dass es der Sternenhimmel war, den sie über sich sah, und dass es menschliche Leiber waren, gegen die sie immer wieder geschleudert wurde. Schemenhaft sah sie Gestalten um sich herum sitzen. Frauen, Mädchen. Bestimmt zwanzig. Sie waren zusammengepfercht wie Hühner in einem Käfig. Die Köpfe hielten sie gesenkt, bei manchen zuckten die Schultern vom Weinen. Oder war es die unbefestigte Straße, die ihre Körper erschütterte? Vorsichtig tastete sie ihren Hinterkopf ab, fühlte eine dicke, pochende Beule, Haarsträhnen klebten in der verkrusteten Wunde. Der Fahrtwind der kalten Nacht und der Gedanke an das Schicksal ihrer Familie trieben ihr die Tränen in die Augen. Sie meinte, den Geruch von Fäkalien wahrzunehmen. Von wem er kam, konnte sie nicht ausmachen.

Vielleicht von ihr selbst.

Niemand sprach ein Wort. Sie hätte gerne Fragen gestellt. Irgendwelche. Um sich zu orientieren. Um zu hören, dass alles gut war. Aber ihr Gehirn schmerzte, war nicht in der Lage, sinnvolle Sätze zu bilden, und ihr Mund blieb stumm.

Sie fuhren durch die Nacht über die holperige Piste. Wie lange waren sie unterwegs? Sie hatte jegliches Zeitgefühl verloren. Stunden oder Minuten mischten sich mit Schmerzen und Orientierungslosigkeit. Erst als am Horizont das rot-warme Glühen des Sonnenaufgangs sichtbar wurde, kam ein Funken Lebensenergie zurück in ihren Körper. Sie wollte nur noch ankommen. Irgendwo. Nichts konnte schlimmer sein, als diese Ruckelei in der bedrängenden Enge mit den anderen Mädchen.

Doch sie irrte sich.

2
Heute, Nacht von Freitag auf Samstag,
Rheinallee, Bad Godesberg

Die Bushaltestelle war beleuchtet, eine Insel aus Licht in der Dunkelheit.

Mit unsicheren Beinen kletterten und taumelten sie aus dem Bus. Zum Glück hatte der Busfahrer sie mitgenommen, obwohl sie ziemlich getankt hatten. Anisha wartete, bis alle sicheren Boden unter den Füßen hatten, und stieg als Letzte aus. Sie hatte nur ein paar Wodkas getrunken und war, verglichen mit den anderen, einigermaßen nüchtern.

Quietschend schlossen sich die Türen hinter ihr, der Fahrer gab Gas. Die Gruppe hatte sich in der Rheinaue getroffen und den lauen Abend mit Trinken verbracht. Wie das alle bei schönem Wetter machten, die nicht alt genug waren, um in Bars abzuhängen. Eigentlich hätte Anisha längst zu Hause sein müssen, sie hatte nur Ausgang bis halb elf. Doch sie war so froh gewesen, dass die Gruppe sie mitgenommen hatte, dass sie ausgeharrt hatte.

Schwarze Mädchen hatten es nicht leicht, Freunde zu finden.

Pia-Jill hatte sie gefragt, ob sie mitkommen wollte. Ein paar Drinks kippen, bisschen Spaß haben, chillen mit ihr, ihrem Freund Göran und den Kumpels. Sie hatte begeistert zugesagt, obwohl sie Pia-Jill nicht sonderlich mochte. Sie hatte sie für verschlagen und ordinär gehalten. Und nach diesem Abend hatte sie die Gewissheit, dass der Eindruck stimmte. Aber Anisha war ihr trotzdem dankbar, dass sie dabei sein durfte.

Pia Jill schwankte gefährlich auf den hohen Schuhen. Es war sowieso ein Abenteuer, dass sie so etwas trug. Sie war so rund und schwer, dass man fürchtete, die Absätze könnten jeden Augenblick wie Streichhölzer unter ihr zusammenknacken. Ihr schmächtiger Freund Göran zog eine Dose Bier, die er in den Bus geschmuggelt hatte, unter der Jacke hervor, öffnete sie zischend, nahm einen tiefen Schluck und stopfte sie zwischen Pia-Jills üppige Brüste in den Ausschnitt. Anisha schaute betreten weg.

Das hatte er schon den ganzen Abend so gemacht.

Pia-Jill als Bierhalter missbraucht.

Sie trug einen Schlauch aus T-Shirt-Stoff, der von der kugeligen Figur so gespannt wurde, dass er oben gerade noch die Spitzen der Brüste bedeckte und unten kaum bis unter den voluminösen Hintern reichte. Jedes Mal, wenn er ihr eine Dose ins Dekolleté stopfte, rutschte das Kleid unter den Busen und musste mit viel Mühe wieder hochgezogen werden. Sah Pia-Jill nicht, wie er den Kumpels zuzwinkerte und die dreckig grinsten? Aber sie lachte nur und sagte ups. Bei Anisha hatten die Jungs es auch versucht, aber sie war so dünn, dass es ein aussichtsloses Unterfangen gewesen war. Oben herum war sie flach wie ein Brett, worüber sie zum ersten Mal im Leben froh war.

Warum hatte Pia-Jill Göran als Freund? Es war klar, dass er sie nur für Sex gebrauchte. Fickmaschine nannte er sie und Pia-Jill schaute geschmeichelt, wenn er das sagte. Anisha verstand das nicht. Warum ließ sie sich so von ihm behandeln? War sie so happy, einen Freund zu haben, der sich in der Öffentlichkeit mit ihr zeigte, dass sie alles dafür akzeptierte? So hässlich, wie sie war, wollte sie ansonsten vermutlich keiner anrühren. Warum wusch sie die mausgrauen Haare nicht mal, anstatt sie in fettigen Strähnen um das teigige Gesicht ringeln zu lassen? Da halfen auch die langen, pinken Kunstfingernägel nicht und das zentimeterdick aufgespachtelte Make-up.

Pia-Jill hatte ihr anvertraut, dass Göran Frauen liebte, bei denen es etwas zum Anfassen gab. Nicht solche dürren Bohnenstangen wie Anisha. Deshalb sollte sie es gar nicht erst bei ihm versuchen. Und schwarze Mädchen könne er sowieso nicht ab. Die seien hässlich und dumm. Als wenn sie jemals so verzweifelt wäre, sich Göran an den Hals zu werfen. Er machte zwar etwas aus sich, in die kurz geschorenen Haare hatte er Blitze rasiert, er trug Markenklamotten und hatte Geld, um Alkohol zu kaufen, aber er war arschig und schmächtig. Sie überragte ihn um mindestens fünfzehn Zentimeter.

Trotzdem. Alles war besser, als zu Hause zu hocken. Einmal nicht mehr abends in der engen Wohnung mit der Familie zu sitzen. Einmal den Abend in der Rheinaue unter freiem Himmel mit Freunden zu genießen. Na ja, mit Kumpels.

Schillok, Görans bester Freund und seit der Grundschule benannt nach seinem Lieblingspokémon, stolperte hinter das Wartehäuschen. Durch die Glasscheibe sah sie ihn breitbeinig vor einem Zeitungskasten stehen. Leise plätscherte es durch die Nacht.

Dann hörten sie den Schrei.

Ein Stöhnen, Keuchen, Schläge, das Knirschen von Kies. Die Geräusche kamen vom Parkplatz neben der Bahnlinie, der komplett im Dunkeln lag.

„Was ist da los?“ Anisha packte die Angst.

Die anderen waren wie elektrisiert. Schillok schloss eilig seine Hose, Pia-Jill, Göran und die anderen zückten die Handys.

„Los, kommt!“ Göran schlich gebückt vorwärts, die anderen taten es ihm nach.

Pia-Jill zog die Bierdose aus dem Dekolleté und senkte den Kopf, der große Bauch und die hohen Schuhe erlaubten nicht mehr Akrobatik. Anisha ging auf Zehenspitzen hinterher, gleichermaßen getrieben von Neugier und der Panik, allein zurückzubleiben. Sie bezogen Stellung hinter einem Auto, die Jungs linsten über den Kofferraum. Pia-Jill hantierte an ihrem Handy. Das Keuchen und Stöhnen und das dumpfe Geräusch von Hieben war jetzt direkt vor ihnen.

Anisha erhob sich aus der Hocke.

Nur wenige Meter vor sich sah sie eine Gestalt, dunkel gekleidet, Kapuze auf dem Kopf, in den Händen eine dicke Stange. Davor lag ein großes Bündel, zusammengerollt. Ein Mensch. Beine eng an den Bauch gezogen, Arme schützend um den Kopf geschlungen. Die Waffe sauste nach unten. Immer wieder drosch der Täter auf das Opfer ein. Traf den Körper, die Arme, den Kopf. Im fahlen Licht des Mondes glaubte Anisha, bei jedem Schlag das Blut spritzen zu sehen.

„Wir müssen Hilfe holen!“ Ihre Worte waren ein einziges Zittern. Sie wollte 'Aufhören' schreien. Doch die Stimme versagte den Dienst. Ihr fehlte der Mut. Die fahrigen, eiskalten Finger kriegten das Handy nicht zu fassen, konnten es nicht aus der Tasche des Hoodies ziehen. Ein verzweifelter Blick auf die Kumpels zeigte, dass die überhaupt nicht daran dachten, die Polizei zu rufen. Göran filmte, die Freunde gafften erregt, Schillok hatte die rechte Hand in der Hosentasche und schien sich zu reiben. Pia-Jill tippte mit langen Fingernägeln hektisch auf dem Telefon herum.

Anisha wollte sich abwenden. Sie konnte nicht ertragen, was sie sah. Dort wurde ein Mensch erschlagen. Doch sie stand wie gelähmt und starrte.

Plötzlich erhellte ein Lichtblitz die Nacht, tauchte die brutale Szene für Sekundenbruchteile in gleißende Helligkeit, ließ die Zeit stillstehen.

Der Täter hielt in der Bewegung inne, wandte sich zu ihnen um. Diabolische Augen sahen Anisha direkt an, fraßen sich in sie hinein, schienen sich bis in ihre Seele zu graben. Dann senkte er die Arme und lief über den Parkplatz davon.

„Fick dich, Pia-Jill, du bist zu blöd zum Scheißen. Jetzt hast du ihn vertrieben.“ Göran gab seiner Freundin einen kräftigen Stoß.

Die geriet ins Taumeln und fiel hart auf das Hinterteil.

„So ein Fuck“, schrie er in die Nacht.

Er trat auf Pia-Jill ein, die wie ein Mistkäfer auf dem Rücken strampelte und vergeblich versuchte, aufzustehen.

Anisha erwachte aus der Erstarrung. Vorsichtig schlich sie um das Auto herum, näherte sich dem Opfer, von dem eine unheilige Ruhe ausging. Sie ging in die Hocke. Pia-Jill und Göran waren gefolgt und stellten sich neben ihr auf. Schillok leuchtete mit der Taschenlampe des Handys über das zerstörte, blutige Gesicht des Toten, die anderen hielten Abstand.

Anisha sah Knochensplitter, die aus Wunden ragten, blutverklebte Haarbüschel, Finger, die unnatürlich abgeknickt in alle Richtungen abstanden und einen goldenen Ring, der für einen Augenblick im Lichtkegel aufblitzte. Göran hatte ihn auch entdeckt. Er zerrte das blutbefleckte Schmuckstück von dem lädierten Finger und steckte es, ohne es abzuwischen, in die Tasche seiner Jeans.

„Da hat sich der Abend doch noch gelohnt.“ Er grinste seine Kumpels an, dann wandte er sich zu Pia-Jill. „Jetzt bist du dran, Fickmaschine. Du hättest fast alles ruiniert mit deinem Scheiß-Blitzlicht. Jetzt zeige ich dir, was passiert, wenn man sich so dämlich anstellt.“

Er zerrte sie zum nächsten Auto und drückte sie über die Motorhaube. Mit der anderen Hand öffnete er seine Hose und die Jungs stellten sich mit gezückten Handys im Kreis um die beiden auf.

Anisha entfernte sich mit unsicheren Schritten. Sie presste die Hände auf die Ohren, um das Keuchen des kopulierenden Pärchens und das Johlen der Spanner nicht hören zu müssen. Neben einem Busch beugte sie sich vor und übergab sich. Wieder und wieder. Als wollte sie nicht nur allen Wodka, sondern auch das gesamte Böse des heutigen Abends loswerden. Dann sank sie erschöpft auf die Knie. Sie wollte nur noch nach Hause. Weg von diesem Grauen. Und weg von dem Gedanken, der ständig durch ihren Kopf kreiste.

Sie kannte den Ring.

399
683,89 ₽
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330 стр.
ISBN:
9783742750938
Издатель:
Правообладатель:
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