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O. Nevart

Jeschua

Eine orientalische Geschichte

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Buch

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Epilog

Wissens-Quellen

Impressum neobooks

Buch

Für meine Frau und für unseren Sohn.

Dieser historisch-politische Kriminalroman spielt in den Jahren 3 bis 25 n. Chr. überwiegend in der römischen Klientel-Provinz Galiläa, im Norden des heutigen Staates Israel. Die Bewohner dieser Region sprechen zur Zeit der Erzählungen das westliche Aramäisch. Daher werden sie in der Erzählung Aramäer oder Galiläer genannt.

Es ist eine Geschichte aus einem komplizierten Land, denn in kaum einer anderen Region dieser Welt gibt es so viele verschiedene Kulturen und Religionen auf engstem Raum, wie im Nahen Osten. Das ist heute so, und das ist es zu der Zeit, in der dieser Roman spielt.

Das Buch handelt aber auch von unserer kulturellen DNA. Wir haben sie über die Jahrtausende gemeinsam entwickelt. Das verpflichtet uns zu einem friedlichen Zusammenleben.

Bis auf wenige Passagen habe ich auf ausführliche Erklärungen oder Beschreibungen von Wahrnehmungen, Gedanken, Gefühlen und Handlungen der auftretenden Personen verzichtet. Das ist eine bewusste Übertreibung des mosaischen Bilderverbotes, das für die Aramäer dieser Zeit von zentraler Bedeutung ist. Das Ausfüllen der dadurch entstehenden „Lücken“ überlasse ich der Vorstellungskraft der Lesenden.

Personen und Handlung sind frei erfunden und Ähnlichkeiten mit lebenden Personen rein zufällig. Ähnlichkeiten mit historischen Personen und Handlungen sind dagegen unvermeidlich.

Prolog

Rom, im Jahr 25 n. Chr.

„Legat Claudius Babillus!“ Claudius erhob sich und er folgte dem Diener.

Der Kaiser saß an seinem Arbeitstisch und las in einem Papyrus in seinen Händen. Als der Diener und Claudius vor ihm stehenblieben hob Tiberius seinen Kopf und er sah Claudius an. „Salve, Claudius,“ sagte er. Claudius grüßte den Kaiser militärisch. „Ave Caesar, mein Kaiser!“

Mit einem Blick und einer kleinen Handbewegung bedeutete Tiberius seinem Diener, dass er sich zurückziehen soll. Der Diener nickte kurz und Claudius sah, wie er den Raum durch einem Vorhang verließ.

„Wie war die Reise, Claudius?“ „Der Wind war uns wohlgesonnen, mein Kaiser.“ Tiberius nickte.

„Ich habe Deine Berichte gelesen, Claudius. Wenn ich Deine Worte richtig verstehe, war Deine Mission erfolgreich. Das war gute Arbeit. Ich gratuliere Dir.“ Tiberius lächelte freundlich. „Danke, mein Kaiser. Ich werde Deine Glückwünsche an meine Mitstreiter übermitteln lassen. Sie haben den Erfolg ermöglicht,“ sagte Claudius. Tiberius nickte. „Legen wir uns zu Tisch, Claudius.“

Der Kaiser blickte in Richtung einer Gruppe mit Liegen und niedrigen Tischen, auf denen Obst und Getränke angerichtet waren. „Ich möchte die Ereignisse aus Deinem Mund hören. Wir haben Zeit.“

Kapitel 1

Galiläa, am Anfang des ersten Jahrhunderts.

Wenn er seine Augen öffnete, sah Jeschua Palmen, Nussbäume, Pinien, Olivenbäumen und wilde Obstbäume, und er lernte die Worte dafür. Seine Ohren folgten dem Gesang der Zikaden und seine Haut spürte einen warmen Wind, im hellen Licht der Sonne.

Und er verstand die Worte für Gerste, Hirse, Weizen und für die Weinberge. Früh konnte er Nüsse und Olivenkerne zielsicher in Vasen mit engem Hals werfen. Und schon bald darauf konnte er einen mit einer Axt gut geführten Schlag auf Holz, von einem schlechten Schlag unterscheiden, und er erkannte einen gut gebrannten Ziegel von einem schlechten. Wenn er müde wurde, schlief er. Wenn er traurig war, weinte er. Wenn er glücklich war, lachte er. Und seine Mutter, die Maria hieß, freute sich über den Klang seiner Stimme und gleichzeitig ängstigte der Klang sie, ohne dass sie hätte sagen können warum. Er hatte kein Gesicht seines Vaters vor Augen, der Josef genannt wurde, so wie er das Gesicht seiner Mutter, seines Patenonkels oder die Gesichter seiner Geschwister vor seinem inneren Auge sehen konnte, wenn er es wollte. Befragte er seine Mutter oder seinen Patenonkel nach seinem Vater, so sagten sie, er ist im Jenseits. Ein Ort, an dem die Toten einst wiederbelebt und sie wiederaufstehen werden. Eines Tages würden sie selbst und er und seine Geschwister gemeinsam im Jenseits sein. Das verstand er nicht.

Früh sah er die toten Menschen, ihre zuerst schlaffen, später erstarrten Leiber und die Flecken auf ihrer Haut. Sie wurden in ein Tuch gewickelt, balsamiert und in der Erde begraben. Wenn feste Männerschritte näherkamen, oder Männer zu Pferde, liefen er und sein Bruder schnell vom Hauptweg zu der nächstgelegenen Hausecke und trotz ihrer Angst zählten sie mit verschlossenen Augen die Anzahl der Pferde. Manchmal, wenn er mit sich und seinen Gedanken alleine war, wünschte er sich, er wäre wie diese Männer. Er bewunderte ihre Kraft und ihre stolze Erscheinung, die alles besitzen und verstummen lassen konnten. Früh sah er kranke Menschen. Er spürte ihr Fieber und ihre Schmerzen und sein Herz weinte mit ihnen.

Früh spürte er die frische Luft des Wassers vom See. Und er freute sich mit dem Bruder seines Patenonkels, wenn das Netz voll mit Fischen war. Seine Augen glänzten beim Gesang seiner Mutter und seiner Schwestern. Das alles und noch viel mehr nahm er in sich auf, Jeschua, der Sohn von Maria. Zum Frühstück aß er Fladenbrot mit etwas Salz und er trank Ziegenmilch. Vormittags ging er seinem Patenonkel bei den Bauarbeiten zur Hand und sein Magen knurrte bisweilen vor Hunger. Doch sie waren nicht wohlhabend, wie die Menschen im fernen Jerusalem von denen sein Patenonkel manchmal berichtete, oder wie die Menschen in Zippori, wo der Patenonkel manche seiner Holzarbeiten verkaufte. Und bald konnte er seinen Hunger beherrschen. Umso mehr freute er sich auf das Abendessen, für das seine Mutter und seine Schwestern Hirsebrei mit Salz und manchmal mit etwas Gemüse zubereiteten. Wenn der Ertrag seines Patenonkels gut war, reichte seine Mutter zum Abendessen auch geröstetes Fleisch vom Geflügel oder vom Schaf und Obst als Nachtisch.

Am Abend vor dem Sabbat gingen er und sein Bruder mit seinem Patenonkel und mit den Söhnen des Patenonkels in das Haus der Gebete und sie begrüßten den Sabbat als Braut. Seine Mutter zündete die Sabbatlichter an und die Familie versammelte sich um den Tisch. Am Sabbat standen sie später auf als gewöhnlich und die Arbeit ruhte. Sie wuschen sich gründlich und seine Mutter sah ihren ältesten Sohn jeden Sabbat etwas größer und kräftiger geworden. Und manchmal wurde sie bei seinem Anblick auch traurig, denn eines Tages würde er sie verlassen und den Klang seiner Stimme vermisste sie bereits in diesen kurzen Momenten der Traurigkeit. Nach dem gemeinsamen Besuch des Gebetshauses reichte Maria ihnen ein zweites Frühstück und bis zum Mittagsschlaf gingen sie zusammen mit der Familie ihres Bruders in den umliegenden Hügeln und Wäldern spazieren. Nachdem Jeschua seinen vierten Winter erlebt hatte und sein fünfter Frühling begann, bestimmte sein Patenonkel, dass Jeschua von nun an bis zur Mannwerdung über die Schriften und die Sprachen unterrichtet werden müsse.

Von den Lehrern hörte Jeschua die Worte der Gottheit und die Bücher der Propheten. Bald las er die alten Schriften und seine Lehrer waren voll des Lobes über seine klare Stimme. Seine Augen leuchteten, wenn er die alten Schriften las, so, wie wenn er seiner Mutter beim Gesang zuhörte. Sein Herz bebte, wenn er die alten Schriften las und jedes Wort in ihm erklang in einer anderen Farbe. Früh hörte er den Lehrern bei der Auslegung der Schriften zu, und früh konnte Jeschua vom Allgemeinen auf das Besondere, vom Leichteren auf das Schwerere oder auf eine Sache aus dem Zusammenhang schließen. Und seine Lehrer waren voll des Lobes über die Vollkommenheit seiner Rede. So sehr Jeschua die Unterrichtung von den Lehrern liebte, so sehr freute er sich auch auf die Nachmittage, in denen er dem Patenonkel bei den Bauarbeiten weiterhin zur Hand ging. Allen Menschen bereitete Jeschua Freude, alle Menschen liebten ihn.

Mit Beginn seines dreizehnten Frühlings wurde Jeschua von der Gemeinde feierlich zum Mann geweiht, zum Mann, der für seine Taten verantwortlich ist. Und die Augen seiner Mutter, die seines Patenonkels, die seines Bruders und seiner Schwestern, die der Söhne und Töchter des Patenonkels glänzten vor Freude. Und seine Lehrer waren voller Stolz auf Jeschua, als er vor der Gemeinde zum ersten Mal aus den Büchern der Propheten vorlas. Die Luft und die Tiere verstummten und seine Stimme berührte alle Herzen und Seelen. Wenn Jeschua mit seiner Hand sein Gesicht berührte, fühlte er die ersten Barthaare über seiner Oberlippe und an den Wangen. Seine Stimme wurde dunkler, behielt aber ihre Klarheit. Die Stoffe über den Busen seiner Schwestern hoben sich zusehends. In den Haaren seiner Mutter und denen seines Patenonkels zeigten sich kleine graue Streifen.

Und so geschah es, dass seine Lehrer mit den Weisen über Jeschua sprachen. Nachdem die Weisen von den Lehrern das Zeugnis über Jeschua vernommen hatten, wünschten sie, Jeschua solle zu ihnen kommen. Und Jeschua tat, wie von ihm gewünscht und er ging in Begleitung seines Patenonkels zu den Weisen. Und die Weisen sahen und hörten, was Jeschuas Lehrer über ihn berichtet hatten mit ihren Augen und Ohren und sie befanden ihn würdig von ihnen unterrichtet zu werden. Nach der Mannwerdung erhielt Jeschua für seine Arbeit von seinem Patenonkel den ersten Lohn, denn die Weisen wünschten, dass ein künftiger Schriftgelehrter ein Handwerk beherrscht und seinen Lebensunterhalt selbst bestreitet. Von den Weisen lernte er, die Worte wiederzufinden, die schon immer in ihm waren, die Farben in seiner Seele. Er lernte, wie er sie befragen konnte und er fühlte den Sinn darin.

Und die Weisen nickten wohlgefällig über Jeschuas Worte. So kam es, dass die Menschen der Gemeinde zu ihm kamen, wenn sie Rat brauchten. Eines Tages kam ein Winzer und Jeschua hörte ihm zu. „Schriftgelehrter, in meinem Weingarten steht ein Apfelbaum, der schon meinem Vater und dem Vater meines Vaters gehörte. Sein Stamm ist kräftig, seine Blätter sind saftig. Seit drei Jahren komme ich und sehe, dass der Baum keine Früchte trägt. Wenn ich den Baum fälle, fürchte ich, die Ehre meines Vaters und die seines Vaters zu verletzen. Was soll ich tun?“ (Lukas 13,6-9 EU: angelehnt an das Gleichnis vom Feigenbaum ohne Früchte.)

Jeschua ließ die Worte des Mannes in sich verklingen und dann sprach er: „Gelobt seist Du, dass Du Deine Väter ehrst. Denn so steht es geschrieben. Und gelobt sei Deine Familie, dass sie den Baum aus dem Paradies über Generationen hinweg vortrefflich gepflegt hat, denn es ist auch Gutes in ihm.“ Die Augen des Mannes leuchteten über die Klarheit von Jeschuas Stimme. „Angenommen, einer Deiner Söhne, käme einer Bitte von Dir drei Mal in Folge nicht ganz zu Deiner Zufriedenheit nach. Was sagt Dein Herz Dir dazu?“ Für einen Moment sah der Mann Jeschua verwundert an, doch dann sagte er: „Nun, ich würde zu ihm gehen und ihn fragen, was ihn bedrückt, dass er meiner Bitte nicht ganz nachkommen könne. Aber leider kann ich den Apfelbaum nicht befragen.“ Jeschua lächelte: „Gelobt seist Du für die Geduld, die Du für Deinen Sohn aufbringen würdest. Könnest Du versuchen Dich in den Apfelbaum hineinzuversetzen, der Deiner Familie so zur Ehre gereicht?“ Der Mann nickte etwas zögernd. „Du könntest Dich fragen, ob ihm nicht vielleicht etwas Wichtiges fehlt, damit er wieder Früchte tragen kann.“ Der Mann freute sich sehr über die Worte des Schriftgelehrten und er beschloss den Boden um den Baum herum aufzugraben und ihn zu düngen. Vielleicht, dachte er, trägt er ja doch noch Früchte. Und Jeschua spürte die Gedanken des Winzers. „Ich sehe, Du hast einen Entschluss gefasst. Die Gottheit ist auch geduldig mit den Gebrechlichen.“ „Friede sei mit Dir, Schriftgelehrter“, sagte der Mann und beglückt ging er nach Hause. Tief in seinem Herzen und in seiner Seele, dort, wo noch keine Farben waren, bemerkte Jeschua mit den vergehenden Jahreszeiten eine Veränderung. Am Tag, da ihn Schriftauslegungen, Gespräche mit Ratsuchenden und Bauarbeiten bei seinem Onkel einnahmen, nahm er sie nicht bewusst wahr. Wenn er sich nach dem Abendessen zum Schlafen hinlegte, dagegen schon, obwohl er sie noch nicht hätte beschreiben können. Und die Müdigkeit verdrängte sie.

Morgens, auf dem Weg von den Häusern seiner Mutter und seines Patenonkels zu den Weisen atmete er die kühle Luft. Im Frühling erfreute er sich am frischen Grün der Pflanzen und an den schwungvollen Gesten der Bauern bei der Aussaat, im Sommer am hellen Gold der Getreidefelder. Im Spätsommer blieb er manchmal stehen und er beobachtete die Bauern bei der Erntearbeit. Manche Bauern machten keine Nachlese, sodass die ärmeren Menschen noch etwas finden konnten. Im Winter trug er einen festen Mantel, der ihn wärmte. Wenn er sich dem Dorfplatz näherte, dort, wo auch der Markt stattfand, sah er die Armen, die von den reicheren Passanten milde Gaben erbettelten und sein Herz weinte mit ihnen, so wie mit den Kranken, denn die reicheren Menschen drängten die Armen zur Seite. Und Jeschua teilte mit den Armen, was er teilen konnte, so wie wenige andere Menschen auch. Stand nicht geschrieben: Denn ich kenne eure Freveltaten, die so viel sind, und eure Sünden, die so groß sind, wie ihr die Gerechten bedrängt und Bestechungsgeld nehmt und die Armen im Tor unterdrückt. (Amos 5, 10-15) Hatte das Volk Israel nicht in Ägypten und auf der Wüstenwanderung große Armut erlitten? Hatte die Gottheit seinem Volk nicht das Land als reiches Land geschenkt, in dem es keine Armut geben müsse? Waren es nicht die gleichen Menschen, die die Armen bedrängten und die am Sabbat im Gebetshaus gelobten die Armen gerecht zu behandeln? Wenn er bei den Weisen angekommen war oder wenn er seinem Patenonkel zur Hand ging zerstreuten sich seine Eindrücke und Fragen in ihm, und manchmal fragte er sich: Wer bin ich schon, dies zu beklagen? Doch Bruchstücke davon verblieben in ihm, dort, wo noch keine Farben waren.

Was die Weisen ihm vermittelten nahm er in sich auf. Am meisten aber interessierten ihn die Menschen in der Gemeinde, mit ihren Handlungen, Worten und Gedanken. Da waren die Händler, die ihre Waren verkauften. Die Verschuldeten, die weitere Schulden machten, die Bittsteller, die ihm ihre Geschichten erzählten, und manche von ihnen waren nicht annähernd so mittellos wie er. (Angelehnt an: Hermann Hesse, Siddhartha, Eine indische Dichtung.) Die Kaufleute aus der Fremde, und selbst die Soldaten Roms und die Zöllner, begrüßte er nicht anders als den, der seine Haare und seinen Bart pflegte, oder den Wirtshausbesitzer. Er nahm sich Zeit für die Kranken und Gebrechlichen, sprach ihnen Mut zu. Viel Zeit verbrachte Jeschua mit den Ärzten, denn ihre und seine Wege zu den Menschen trafen sich oft bei Geburten, Kranken und Sterbenden. Er bemerkte die Handlungen der Ärzte und ihre Wirkung auf die Menschen genau und er schrieb seine Beobachtungen für sich auf.

Wenn Gemeindemitglieder mit ihm über ihre Sorgen sprachen, so hörte er ihnen zu. Manchmal wunderte er sich über sie, manchmal konnte er ihre Handlungen nicht verstehen. Und es kamen viele Menschen zu ihm. Jeschua beriet sie, er sprach mit ihnen, er schenkte ihnen seine Aufmerksamkeit, und diese Leidenschaft, mit der alle Menschen sich immerfort untereinander beschäftigten, strengte ihn sehr an. Und obwohl ihn die Menschen liebten, sah er sich selbst nicht als ein Teil von ihnen. Ihr Herz und ihre Seelen waren mehr bei ihren Sorgen und Hoffnungen, als dort, wo er sein Herz und seine Seele wusste, bei der Gottheit. „Viele Menschen, oh Weiser,“ sagte er eines Tages zu seinem Lehrer „sind sie nicht wie Staubkörner, die vom Wind ziellos umhergetragen werden?“ Der Weise sah Jeschua an. „Was meinst Du?“ „Wenige leben nach der Schrift, die wie die Sonne ist.“ Jeschuas Mitschüler nickten eifrig. Und der Weise fragte: „Gibt es an diesem Ort einen, der jede Handlung, jeden Gedanken und jedes Wort getreu der Schrift zu jeder Stunde erfüllt?“ Und seine Hände deuteten auf alle Schüler um ihn. Und alle bis auf Jeschua schlugen die Augen nieder. Und der Weise sah in Jeschuas Augen und er wusste, dass dieser eine nach der Schrift lebte und es erfreute ihn sehr. „Warum schlagt ihr die Augen nieder?“ Fragte der Weise seine anderen Schüler. „Hat Euch jemand angeklagt?“ (Angelehnt an: Johannes 8,1–11, Jesus und die Ehebrecherin.) Und sie sahen den Weisen erstaunt an. „Geht nun an Eure Studien und an Eure Arbeit und lebt von nun an getreu der Schrift!“ Und sie gingen zu ihren Studien und an ihre Arbeit.

„Jeschua“. Der Angesprochene drehte sich um. „Bleibe noch einen Moment“. „Natürlich, mein Meister,“ entgegnete Jeschua ehrfürchtig. „Du lebst wahrlich getreu der Schrift. Ich konnte es in Deiner Seele sehen.“ Jetzt schlug Jeschua die Augen nieder. „Deine Beobachtung der Handlungen, Gedanken und Worte der Menschen ist wohl beobachtet und formuliert.“ Und Jeschua sah dem Weisen wieder in die Augen. „Doch ich frage Dich: Stellst Du mir mit Deiner Klage eine Frage?“ Und Jeschua antwortete: „Ja, Meister. Ich frage Dich, wie wir die Menschen auf den gerechten Weg bringen können. So wie Du, mein Meister, höre ich ihnen zu, spreche mit Ihnen und ich lege ihre Probleme getreu der Schriften aus. Sie nicken verständnisvoll, sie bedanken sich und gehen ihrer Wege. Doch wie es mir scheint nur, um am nächsten Tag mit einem anderen Problem und manchmal sogar mit dem gleichen Problem wiederzukommen.“ Und der Weise lächelte: „Was ist Deiner Meinung nach der Schlüssel, damit die Menschen unserer Gemeinde die Tür zum Weg der Gerechten öffnen können?“ Und Jeschua wusste keine Antwort drauf. „Nun, Jeschua,“ sagte der Weise und es war das erste Mal, dass ihn der Weise so ansprach „ich bin sicher, eines Tages wirst Du die Antwort auf diese Frage finden. Nun gehe auch Du an Deine Arbeit.“

An einem anderen Tag heiratete seine älteste Schwester, die Rachel gerufen wurde, Jakob, den Sohn von Jakobus, dem Dorfschmied. Und Jeschua, der nun auch von den Weisen Schriftgelehrter gerufen wurde, leitete die Hochzeitszeremonie mit großer Freude, denn er liebte Rachel, seine älteste Schwester sehr. Und als er die sieben Segenssprüche sprach, weinte seine Mutter vor Glück. Und wie von unsichtbaren Fäden gezogen erinnerten sie sich zur gleichen Zeit an Momente ihres gemeinsamen Lebens. Maria sah das erste strahlende Lachen von Rachel, ihrer Tochter, Jeschua hörte den ersten Gesang von Rachel, seiner Schwester. Rachel dachte an die erste Lesung ihres Bruders, die die Luft und die Tiere verstummen ließ und die ihre Herzen und Seelen berührte. Und die Hochzeit von Rachel und Jakob wurde ausgelassen gefeiert. Für kurze Augenblicke sah Maria in die Augen von Jeschua, ihres erstgeborenen Sohnes und sie glaubte, darin eine Melancholie zu erkennen. „Jeschua, mein über alles geliebter Sohn,“ sprach sie ihn an. „Du bist zu einem Mann geworden. Deine Familie liebt Dich, Dein Patenonkel liebt Dich und schätzt Deine Arbeit und die Gemeinde liebt Dich und Deine Worte. Mit welcher Frau wirst Du Dich vermählen?“ Jeschua sah diese Frage seiner Mutter vorher. „Ich sehe viele kluge und schöne Frauen, Mama. Doch noch hat keine mein Herz berührt.“ Und Maria hatte seine Antwort erwartet und sie lächelte verständnisvoll. „Warte nicht zu lange, mein Sohn. Das Leben im Diesseits ist nicht von ewiger Dauer.“ „Ich weiß, Mama,“ antwortete er. Und sie feierten die Hochzeit von Rachel und Jakob bis spät in dieser Nacht. Am nächsten Vollmond kam ein Bote aus dem nächstgelegenen Dorf, das von den Menschen NaÏn genannt wurde, zum Ortsvorsteher von Nazaret.

399
477,84 ₽
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500 стр. 1 иллюстрация
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9783748588474
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