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Online-Dating

– Hautnah –

Ich lerne Frauen kennen – aber richtig!

Lukas Stern

Copyright: © 2013 Lukas Stern

published by: epubli GmbH, Berlin

www.epubli.de

ISBN 978-3-8442-6487-6

Vorwort

Mein Name ist Lukas Stern, ich bin 34 Jahre jung, und auf der Suche nach einer Frau. Nach genau der Frau, die mein Herz so berührt, dass ich auch nach einem Jahr Beziehung ganz automatisch an sie denke, wenn sie nicht in meiner Nähe ist. Sie soll nett, witzig, intelligent und attraktiv sein. Auf einen bestimmten Frauentyp bin ich nicht festgelegt. Das “Gesamtpaket“ muss stimmen.

Mir ist klar, dass es in meinem Alter nicht mehr so leicht ist, eine Partnerin kennenzulernen wie früher. Als Student ging ich zu Unipartys, heute bin ich dort weder Zielgruppe, noch sind die Erstsemester-Studentinnen meine.

Der beste Kontaktmarkt ist der Arbeitsplatz. Viele Unternehmen bieten nicht nur einen Arbeitsplatz, sondern den Partner für das Leben gleich mit. Für mich ist das allerdings schwierig. Seit meinem Studium arbeite ich in einem Unternehmen, in dem acht von zehn Kollegen männlich sind. Von Frauenquote keine Spur. Auswahl und Chancen sind für mich dementsprechend klein.

Ich könnte auch Frauen auf der Straße, in der Bahn oder wo auch immer ansprechen. Für mich eher der Sprung ins zu kalte Wasser.

Wieso nicht die vierte Möglichkeit nutzen? Das World Wide Web. Das Internet ist schnell, unkompliziert und fast jeder nutzt es. Gilt das auch für die Partnerwahl im Netz? Ich entscheide mich für diesen Weg.

Ein Weg, der mich viel lehren wird. Ich werde einen Einblick in die Psyche der Frau bekommen, tief, wie ich ihn mir nie vorgestellt habe. Und ebenso unerwartet werde ich auch eine neue Seite an mir entdecken.

Das ist hier ist meine Geschichte, mein Erleben – keine Gebrauchsanweisung für die Liebe im Internet. Welche Schlüsse der Leser daraus zieht, bleibt ihm selbst überlassen.

Die Namen der Personen, auch des Autors, sind abgeändert, um die Anonymität zu wahren. Die Erlebnisse hingegen sind genau so passiert. Wichtig ist mir darauf hinzuweisen, dass ich vor allen Frauen, die ich auf diesem Wege kennenlernen durfte, meinen Respekt habe. Jede Person ist bestimmt eine liebe Seele, nur nicht immer jene, die mit mir verwandt ist.

Neujahr

Es ist der 31.12., ich bin bei meiner Freundin. Wir kochen zusammen, zum letzten Mal. Es gibt Spaghetti. Wenn früher aus der Zubereitung der Soße ein gemeinsames Kunstwerk entstanden ist, so gibt es heute Fertigsoße. Wir wollen einfach nicht mehr. Alle beide. Es ist der Tag, an dem die meisten Menschen auf irgendwelchen Partys feiern gehen und um Punkt 12 Uhr Sekt trinken. Uns ist nicht danach zumute. Dafür waren die vorangegangenen Tage einfach zu lustlos und statisch. Nur noch vorübergehend wollend.

Wir schweigen beim Essen, setzen uns vor dem Fernseher und schauen wie ein in die Jahre gekommenes Ehepaar das “Auf Kommando-Gute Laune-Programm“ an. Wir schweigen weiter. Ab und zu ernte ich einen bösen Blick. Ich reagiere nicht. Es ist mir egal. Um 0.00 Uhr haben wir uns, glaube ich, noch nicht einmal ein gutes neues Jahr gewünscht. Die Situation wird immer unerträglicher. Wir sind beide froh, als ich um kurz nach Mitternacht ihre Wohnung verlasse. Wir verabreden, dass sie mich um 11.00 Uhr anruft. In dem Moment, in dem ich durch die Tür gehe, weiß ich, dass jetzt wieder ein neuer Lebensabschnitt beginnt. Nach knapp fünf Jahren Beziehung. Ich fahre nach Hause und bin von China-Böllern und betrunkenen Menschen umgeben.

Pünktlich um 11.00 Uhr, Neujahr, ruft mich meine Freundin an. Mein Gefühlszustand ist eher entspannt als aufgeregt. Nachdem sie sich am Telefon gemeldet hat, frage ich: „Das war es, oder?“ „Ja, das war es“, ist ihre ebenso knappe und überzeugte Antwort. Wir sprechen über die letzten Monate, die ohnehin nur noch ein freundschaftliches Zusammensein waren. Routine über Routine. Das Feuer war weder am Lodern, noch am Glimmen, es war erloschen. Und so war die Trennung für beide eine Befreiung. Bei Vertragsauflösungen würde man offiziell vom “beiderseitigen Einvernehmen“ sprechen. Eine schöne Trennung: kein Streit, kein Energieverlust, sondern Energiegewinn, und zwar für beide. Denn emotional waren wir schon längst getrennt.

Wahrscheinlich war das der Grund, warum ich vor einigen Wochen für die Werbung einer Online-Partnervermittlung im “Focus“ empfänglich gewesen bin. Anfänglich noch als nicht geeignet abgetan, wuchs mein Interesse immer mehr, je öfter ich diese Werbung sah. Eine Börse voller attraktiver und niveauvoller Menschen, so schlecht klingt das gar nicht. Als ich dann auch noch ein Lockangebot bekomme – Liebe mit Rabatt von 50 Prozent, melde ich mich gut acht Wochen nach der Trennung an.

Das vollständige Ausfüllen des Profils nimmt einige Zeit in Anspruch. Damit trennt sich aber auch die Spreu vom Weizen. Wer sein Profil nicht komplett ausfüllt und ein Foto einstellt, ist entweder eine Karteileiche, glaubt ohnehin nicht daran, einen Partner über so eine Plattform kennenzulernen oder will es auch gar nicht.

Madame Arroganz

Schnell merke ich, dass die Partnersuche im Internet auf dem gleichen Grundprinzip beruht wie im Leben offline: Der Mann muss aktiv sein, er muss ansprechen, er muss anschreiben, von Ausnahmen natürlich abgesehen. Immer wieder schildern mir später meine weiblichen Online-Bekanntschaften, dass die Angst vor einer Absage zu groß ist. Sie freuen sich einfach, wenn der Mann den ersten Schritt macht, sie kontaktiert und auch den zweiten Schritt unternimmt, nach dem Date fragt.

Ich lebe zwar in einer Großstadt, aber hätte mir durchaus mehr weibliche Profile für mein Postleitzahlengebiet gewünscht. Profile mit Foto wohlgemerkt - denn nur diese will ich auch anschreiben. Von dieser Einstellung weiche ich später nur ein einziges Mal ab.

Mein erster Kontakt heißt Marina, 28 Jahre alt, sie arbeitet im Logistikbereich. Ihr Profil ist arrogant geschrieben. Sie stuft sich als äußerst attraktiv ein. Sie wünscht sich einen besonderen Mann. So besonders wie sie. „Davon gibt es scheinbar nicht viele“, wie ihrem Profil zu entnehmen ist. Auch sonst ist ihr Profil eine Selbstbeweihräucherung. Ein Typ Frau, den ich sonst nicht anschreiben möchte, aber ich bin nun einmal neugierig, wer diese angebliche Schönheit ist. Ihr Foto will sie nicht freischalten. Stattdessen fordert sie gleich ein Date. Fordern ist hier das richtige Wort, da sie recht dominant schreibt. Sie gibt mir zu verstehen, dass sie nur selten Dates wahrnimmt, aber mein Foto gefalle ihr und ich dürfe mich geschmeichelt fühlen. Die Frau scheint wohl eine kleine überhebliche Königin zu sein, sage ich mir. Gegen ein Treffen ist nichts einzuwenden und kann im Extremfall schnell beendet werden. Vielleicht ist sie ja auch wirklich diese unfassbare Schönheit und im Gespräch sehr nett. Wir verabreden uns für übermorgen. Treffpunkt: ein Café in der Innenstadt. So schnell kommt man also zu einem Date und dann auch noch mit einer vermeintlichen Oberschönheit.

Zwei Tage vergehen und das Date steht an. Mein Büro ist nur ein paar hundert Meter vom Café entfernt. Ich arbeite bis kurz nach 18.00 Uhr, auch um mich ein wenig abzulenken, denn aufgeregt bin ich schon. In einer knappen halben Stunde lerne ich Marina kennen. Ich kontrolliere mein Äußeres wie seit Jahren nicht mehr: Schuhe, Hemdkragen, Fingernägel. Mein letztes Date ist schon lange her. Letzter Check im Fahrstuhlspiegel. Die Haare liegen gut.

Je näher ich dem Café komme, desto schneller schlägt mein Herz. Ich bin etwas zu früh da. Marina hingegen sehe ich nach zehn Minuten immer noch nicht. Zumindest hätte sie eine kurze SMS schreiben oder anrufen können, wenn sie sich verspätet. Vielleicht war sie schon da? Und hat mich aus sicherer Entfernung gecheckt und ist dann gegangen, weil ich nicht ihren hohen Erwartungen entspreche. Vielleicht hat sie bei mir eine typische Männerkrankheit diagnostiziert: eine schlecht sitzende Hose. Oder ihr haben meine Fotos besser gefallen als mein jetziger Anblick.

Doch genau in dem Moment nähert sich mir eine Frau, die Marina sein könnte. Sie hat zwar Fotos in ihr Profil eingestellt, mir diese aber nicht freigeschaltet. Ich tappe ein wenig im Ungewissen. Sie schaut mich an und ich weiß: das ist Marina. Sie trägt eine auffallend reizvolle Netzstrumpfhose mit Schleifenmuster. Dazu schwarze Lederstiefel, Glattleder. Fast Overknees. Das gefällt mir. Ihr Blick aber ist in der Tat arrogant und gelangweilt zugleich. Dass sie äußerst attraktiv sein soll, wie sie sich beschreibt, kann ich beim besten Willen nicht erkennen. Die Strumpfhose ist mit Sicherheit ein Blickfang. Andere Männer werfen Marina Blicke hinterher. Sie schauen aber nur auf ihre Beine. Ich darf mich also freuen, dass ich nun ein Date mit Miss Strumpfhose habe. Ihr Gesicht hingegen verliert spätestens durch die Arroganz alles an Attraktivität, von Sympathie ganz zu schweigen.

Da es mein erstes Date über eine Online-Plattform ist, will ich es auch wahrnehmen. Zur Begrüßung reichen wir uns förmlich die Hand. „Hi. Ich bin Marina“, quält sie sich widerwillig. Draußen ist es kalt. Jetzt ist mir noch kälter. Intuitiv nehmen wir den ersten Tisch am Eingang. Dann sind wir auch schnell wieder draußen. Zumindest als eine Art Trainingslager sehe ich jetzt dieses Date an, denn die Frau meines Lebens wird sie nicht. Gesichtszüge wie ein Kühlschrank sprechen mich nicht an, nur ihre Strumpfhose. Das reicht leider nicht. Ihr Gesicht wirkt maskenartig. Strenge Gesichtszüge. So sehen sonst nur 60-jährige Frauen in Hollywood aus, die mit Botox noch einmal Anfang 20 sein möchten. Wir reden über unsere Jobs, über unsere bisherigen Erfahrungen mit Online-Dates ( wobei mein Bericht entsprechend kurz ausfällt ) und über ihren letzten Urlaub. Den hat sie mit ihrer Mutter verbracht. Es ist ein oberflächliches Gespräch, welches auch nach zwanzig Minuten nicht besser wird. „Meine Mutter ist meine beste Freundin“, sagt sie. Das glaube ich ihr sofort. „Das ist schön, dass du dich so gut mit deiner Mutter verstehst“, ist meine nicht ernst gemeinte Antwort. Das Gespräch interessiert mich überhaupt nicht.

Da wir auf Hockern sitzen und das Café gut beleuchtet ist, habe ich besten Blick auf ihre Beine. Ich nutze den Logenplatz aus. Sie sind das Aufregendste an ihr, was aber eher gegen ihren Charakter als für ihre Attraktivität spricht. Ich überlege, ob die Netzstrumpfhose bei diesen Temperaturen nicht zu kalt ist. Ihre Waden sind ein wenig stramm. Ich habe keine Lust in ihr Gesicht zu schauen. Davon habe ich genug. Ich fasse es nicht, was sie dann von sich gibt: „Ein Mann, der mich bekommen will, muss schon etwas Besonderes sein. Schließlich bin ich auch was Besonderes. Ich kenne meinen Marktwert.“ Ich überlege, ob ich nicht den Krankenwagen rufen soll. Dann erzählt Marina weiter: „Ich gehöre auch nicht zu den Frauen, die unbedingt einen Freund haben müssen und sich mit Männern einlassen, in die sie gar nicht verliebt sind. Lieber bleibe ich Single. Hat die letzten fünf Jahre auch gut funktioniert. Außerdem bin ich müde von den vielen Dates.“ Ich bin müde von den zwanzig Minuten oberflächlichem Gerede und ihrem Kühlschrankgesicht. Wir stellen beide erleichtert fest, dass wir um 19.30 Uhr eine weitere Verabredung haben. Sie mit ihrer Freundin, ich mit einem Kunden. Wir wissen, dass wir soeben gelogen haben, aber so ist das Date schnell und unkompliziert beendet. Nachdem ich die Rechnung bezahlt habe, verabschieden wir uns. „Wir telefonieren dann“, sagen wir zeitgleich, ohne dabei konkret zu sein. Das heißt übersetzt, dass wir uns nicht wiedersehen möchten.

Das war es also: mein erstes Online-Date. Kurz und schmerzlos.

Ich will mir nicht lange Gedanken machen und schreibe am Abend noch eine 28-jährige Stewardess an. Sie wohnt nur ein paar Straßen weiter, stellen wir fest.

Saskia ist ihr Name. Frisch von ihrem nun Ex-Freund getrennt. „Und alles gut verdaut oder trauerst du noch?“, will ich wissen. „Du brauchst dir keine Gedanken zu machen. Was vorbei ist, ist vorbei.“

Sie sieht sehr sympathisch aus. Saskia hat eine natürliche Ausstrahlung und das Lufthansa-Kostüm steht ihr gut. Sie hat blonde lockige Haare, gebräunten Teint. Das gefällt mir. Wir verabreden per E-Mail ein Date. Neue Chance, neues Glück. Bis zum Date sind es noch drei Tage und auf einmal fängt sie an, mich mit Komplimenten zu überschütten. „Du siehst total gut aus. Ich stehe auf große Männer mit dunklen Haaren. Und du bist so nett. Das gibt es doch gar nicht. Ich hätte nicht gedacht, so einen Mann hier zu treffen. Du bist wohl ein Traummann oder?“

Ich fühle mich irgendwie unwohl bei dieser Lobhudelei, sie kennt mich doch gar nicht. Außer ein paar Fotos, einem Profil und den wenigen E-Mails bin ich ein Unbekannter. Ich versuche etwas Euphorie aus der ganzen Sache heraus zu nehmen. „Liebe Saskia, danke für deine Worte. Aber findest du es nicht etwas früh, von einem Traummann zu sprechen? LG, Lukas“ Saskia macht weiter. „Ich habe ein richtig gutes Gefühl mit dir. Und ich irre mich selten.“ Kann sein, dass ich mich jetzt irre. Aber diese Frau will ich nicht treffen. Wir sind erst einmal nichts weiter als Fremde. Ihre E-Mails wirken unpassend. Die Frau scheint Panik zu haben. Ein Partner muss her, aber schnell.

Ich bin froh, dass sie meine Adresse nicht kennt und auch meine Handynummer nicht hat. Ich verabschiede mich per E-Mail, unter einem Vorwand. „Bitte sei mir nicht böse, aber ich sage das Treffen ab. Du bist bestimmt eine attraktive und nette Frau, aber die Partnersuche über das Internet ist nicht mein Fall. Ich wünsche dir noch viel Erfolg und alles Gute. LG, Lukas“ Anschließend lösche ich ihr Profil. Ich bin erleichtert. Auch jetzt gilt, nicht lange überlegen, weitermachen.

Psycho

Mir fällt das Profil einer 25-jährigen beruflich Selbständigen auf. Sie ist im Marketing tätig. Es wirkt kurz, knackig und ein wenig selbstironisch. „Ich freue mich auf Männer, die wissen, was sie wollen.“ Ihr ideales Wochenende ist: „Ein Trip an die See. Sonne, Strand, Meer und Du. Bist du dabei?“ Und das Besondere an ihr ist: „Dass mein Nudelwasser immer überläuft. In manchen Dingen bin ich ein Tollpatsch.“ Sie wohnt in einer Kleinstadt, 50 km von mir entfernt. Ich schreibe sie an.

„Bei deinem Wochenende bin ich dabei. Wenn du Lust hast, mich näher kennenzulernen, kann ich vielleicht schon bald den Topf von deinem Herd nehmen.“ Sie meldet sich fünf Minuten später mit freigeschalteten Fotos, wo sie ein wenig unfreundlich aussieht. Halb zugekniffene Augen und ein irritierter Blick. Das liegt wahrscheinlich an der Selbstaufnahme. „Sorry, ich bin nicht besonders fotogen“, bemerkt sie. Sie wirkt sehr zielgerichtet: „Wie lange bist du schon Single? Welchen Typ Frau suchst du? Was ist dir wichtig in einer Beziehung?“

Sie heißt Marie. Sie ist im Marketing tätig und muss sich ihre Kunden selbst akquirieren. Das gefällt mir, da ich auch im Vertrieb tätig bin. Wir haben von Anfang an dieselbe Wellenlänge. In den nächsten Stunden schreiben wir hin und her. Dann fragt sie auf einmal, ob ich ihr neuer Kunde werden möchte. Ich könnte doch Unterstützung bei einem neuen Projekt gebrauchen. „Ist ja witzig. Bei XING suche ich neue Kunden und werde von Männern angebaggert. Hier suche ich einen Partner und gehe auf Kundenfang.“ Ich muss lachen und frage nach ihrer Telefonnummer. Die will sie mir nicht geben. Das gefällt mir nicht. Ich maile ihr meine Handynummer mit dem Hinweis: „Ich bin kein Mann des langen Schreibens. Mailfreundschaften suche ich nicht J. Zu verbergen habe ich auch nichts. Ruf mich einfach an, wenn es passend für dich ist. Ich freue mich.“ Nun ist sie am Zug. Entweder fasst sie Vertrauen oder sie ist eine Skeptikerin. Auf alle Fälle bekomme ich Klarheit. „Okay, du hast gewonnen. Hier ist meine Handynummer. Ich bin jetzt aber nicht zu erreichen. Ich fahre zu einem Kunden. Morgen können wir aber gerne telefonieren.“ Diese Antwort wollte ich haben.

Ich melde mich am nächsten Tag unangekündigt. Wir telefonieren eine Stunde und tauschen uns über alles Mögliche aus, Berufliches wie Privates. Sie wahrt dabei immer eine Distanz und sagt dies auch deutlich. „Dass ich dir meine Handynummer erst nicht geben wollte, ist nichts gegen dich. Aber ich möchte es generell langsam angehen. Zu schnell zu viel Offenheit war in der Vergangenheit nicht immer gut.“ Sie macht einen konsequenten Eindruck. „Als Selbständige muss ich fast nach Stundenplan arbeiten. Disziplin ist wichtig. Sonst wird das nichts.“ Marie findet mich sehr nett am Telefon und könne sich ein Date durchaus vorstellen. „Später, nicht sofort.“ Ihre Zurückhaltung, ein Date nicht sofort abzumachen, macht sie noch interessanter. Marie spricht schnell, ein wenig hektisch. Eine Powerfrau? Ich werde abwarten. Wir verabreden uns am nächsten Tag zum Telefonieren. Diesmal dauert das Gespräch zwei Stunden. Die Zeit mit ihr vergeht schnell. Sie ist mir sympathisch. Marie ist direkt, natürlich und hat Humor.

Am Abend, zuhause angekommen, stelle ich fest, dass ich noch nie so lange mit einem Menschen telefoniert habe. Ich habe nicht eine einzige Sekunde als langweilig empfunden. Marie spricht mich an. Vom Typ her. Von ihrer sympathischen und natürlichen Art. Beim nächsten Telefonat, das auch wieder fast zwei Stunden dauert, frage ich sie, wann wir uns denn nun treffen. „Ja, jetzt können wir uns treffen. Du warst geduldig genug. Und bist nicht aufdringlich gewesen.“ Sie lacht dabei. Es ist Mittwoch und wir verabreden uns für Samstag zum Frühstück in ihrer Kleinstadt. Dort war ich noch nie und bin somit doppelt neugierig. Um 10.00 Uhr vor C&A, neben dem Parkhaus, lautet der Treffpunkt. Wir verabreden, dass wir vorher nicht mehr zu telefonieren brauchen, da bald Samstag ist.

Nur wenige Tage bis zum Date, mir kommen sie trotzdem lang vor. Je mehr Zeit vergeht und der Samstag näher kommt, desto aufgeregter bin ich. Ich versuche möglichst nicht an das bevorstehende Date zu denken. Es würde mich komplett vereinnahmen.

Es ist Freitagnachmittag, ich bin gerade im Treppenhaus bei mir Zuhause, als das Telefon klingelt. Marie ist dran. „Ich bin es Marie. Ist bei dir alles in Ordnung?“ Marie wirkt nervös und aufgeregt. „Ja, klar. Wie geht es dir?“ „Ich wollte fragen, ob es bei morgen bleibt, mit unserem Date. Weil du dich nicht mehr gemeldet hast.“ „Sicher, ich freue mich schon und aufgeregt bin ich auch. Hatte ich gesagt, dass ich mich noch einmal melde? Sorry, wenn ich da was vergessen habe.“ „Nein, nein. Stimmt ja, wir wollten nicht mehr telefonieren.“ Nach dem Gespräch bin ich ein wenig erstaunt: Marie war nervös und irgendwie zerstreut. So habe ich sie bislang nicht kennengelernt. Vielleicht ist sie noch aufgeregter als ich. Egal, morgen lerne ich Marie kennen. Endlich persönlich.

Es ist Samstagmorgen, halb neun, gewöhnlich nicht die Uhrzeit, um die ich am Wochenende aufstehe. Heute mache ich es gerne, denn Marie wartet gleich auf mich. Ich will auf gar keinen Fall zu spät kommen. Ich höre Musik im Auto, um auf andere Gedanken zu kommen. Das nützt aber nichts, denn ständig lese ich auf Hinweisschildern den Namen der Stadt, in der ich gleich Marie treffe.

Einmal verfahren, lese ich den Namen des Parkhauses, das gegenüber dem Treffpunkt liegt. Mein Herz schlägt nun immer schneller. Ich sehe das Parkhaus und vor mir, über den Zebrastreifen gehend, eine junge und sehr attraktive Frau, genau mein Typ.

Schade, warum habe ich nicht mit so einer Frau ein Date? Die sieht richtig klasse aus. Plötzlich realisiere ich, dass diese Frau in Richtung C&A geht und ihren Gang verlangsamt, so, als würde sie gleich vor dem Eingang stehen bleiben - dem Treffpunkt mit Marie. Auf einmal fängt mein Herz wie wild an zu rasen. Ist die Schönheit vom Zebrastreifen vielleicht Marie? Haarfarbe und Körpergröße stimmen in etwa mit ihr überein. Das Gesicht nicht. Aber Maries Fotos können täuschen und so bete ich innerlich den Gott der schönen Frau an, dass die Frau vor dem Kaufhaus bitte Marie sein soll.

Ich stehe schon an der Parkschranke und verrenke mir immer noch den Hals, um die schöne Frau anzuschauen. In den nächsten fünf Minuten wird sich das Rätsel lösen, dann lerne ich endlich Marie kennen. Ich verlasse das Parkhaus und sehe, dass die Schönheit vom Zebrastreifen sich auf eine Bank neben dem Eingang des Kaufhauses gesetzt hat. „Die Frau ist wirklich der Oberhammer, besser geht es ja kaum noch“, denke ich. Als ich über den Zebrastreifen gehe, steht sie auf und lächelt mich an, mein Herz kollabiert gleich: es muss Marie sein.

Sie hat mich erkannt, ich hingegen hätte sie anhand ihrer Fotos nicht erkannt. Als sie jetzt auch noch ein paar Schritte lächelnd auf mich zukommt, habe ich endgültige Gewissheit: die schöne Frau von eben ist Marie. Sie trägt eine weiße Bluse und eine braune Lederjacke. Dazu schwarze Lederstiefeletten und eine blaue Jeans. Alles sitzt perfekt. Ihre Haare sind gefärbt. Am Telefon sagte sie: „Das ist Straßenköter-Schwarz.“ Unpassende Selbstironie, wie ich finde. Denn ich finde sie klasse. Wirklich hübsch. „Ich bin die Frau vom Telefon“, sagt sie. Wir lachen und umarmen uns. Ich habe auf einmal mit zwei Dingen zu kämpfen: 1. Dass ich voller Begeisterung und Euphorie noch klar denken kann, um vollständige Sätze auszusprechen zu können und 2. Dass sie meine Erektion nicht bemerkt. Zu allem Überfluss gehen wir auch durch das Kaufhaus, um in die Fußgängerzone zu gelangen und sie bleibt in der Damenunterwäscheabteilung stehen. Sie lächelt mich nur an und sagt, dass ich ja ein traumhaftes Wetter mitgebracht habe. „Ja, das habe ich.“ Für mich ist auf einmal ohnehin alles ein wahrgewordener Traum.

Wir wollen in einem Café frühstücken. Dort angekommen, nehmen wir draußen Platz. Es ist zwar erst Mitte April, aber fast schon sommerlich. Marie zeigt mir ihre neuen Firmenflyer und Visitenkarten. Ich soll meine Einschätzung abgeben. Marie macht das wirklich geschickt, sie baut nach und nach mehr Vertrauen auf und schaut mich mit einem verschmitzten Lächeln dabei an. Plötzlich fragt sie mich: „Findest du mich eigentlich dick?“ Ich bin erstaunt, muss lachen und frage: „Wie kommst du denn darauf? Du hast doch eine gute Figur.“ „Na, ja. Mehr darf es auf keinen Fall werden.“ „Du hast Konfektionsgröße 36. Das ist doch top. Was willst du denn noch?“, frage ich ein wenig verwundert. „Nein, nein. Ich habe 38“, sagt sie und weicht meinem Blick aus. „Worüber du dir Gedanken machst? Eine bessere Figur kann man doch kaum haben“, sage ich zu ihrer Erleichterung. Sie lächelt.

Marie möchte mit mir zum Schlosspark gehen. Als ich gerade die Rechnung bezahlen möchte, sagt sie: „Nix da, das geht auf mich, du bist schließlich hierhergekommen, also bist du auch eingeladen.“ „Endlich einmal Gleichberechtigung!“, sage ich. Sie lacht. Sie wohnt erst seit einigen Monaten in dieser Stadt und kennt noch keinen Menschen, geht oft alleine schwimmen oder ins Kino. „Einmal habe ich über eine andere Plattform einen Mann kennengelernt. Wir sind auch am selben Abend zusammengekommen. Hat aber nicht lange gehalten. Er war mir zu langweilig. Aktuell kenne ich nur meine Kunden und dich.“

Eine gute Freundin hat sie nicht. Nur einen Bekannten, der ihr beim Umzug geholfen hat. „Ich will alles hinter mir lassen: Bekannte und Verwandte. Deswegen bin ich auch weit weg gezogen.“ Komisch, denke ich. Eine nette, attraktive und intelligente Frau und keine Freunde? Und was bedeutet „alles hinter mir lassen?“ Ich will nachfragen, aber sie erzählt schnell weiter. „Jetzt bin ich aber wieder reif für eine Partnerschaft. Deswegen habe ich auch gleich eine größere Wohnung angemietet.“

Am Schlosspark angekommen, entscheiden wir uns für die Eintrittskarten ohne Führung. „Damit wir alleine sind“, sage ich. Marie lächelt mich an. Das macht sie noch schöner. Seit Minuten schon spielt sie mit ihrem Haar. Sie wickelt es um ihre Finger – und mich gleich mit.

Als wir ganz alleine in einem größeren Raum voller alter Ritterausrüstungen und Kleidern sind, bleiben wir bei einem Glaskasten stehen. Darin liegt eine alte Korsage. „Korsagen sind sexy. Ich trage gerne welche, mit Spitze“, sagt sie zu meinem Erstaunen. Ich freue mich. „Ja, so was gefällt mir auch“, bemerke ich bewusst beiläufig. Beim übernächsten Glaskasten liegt eine Ritterausrüstung. „Dem Volumen nach, muss die Ausrüstung wohl einem dickeren Ritter gehört haben. Dicke Männer sind nichts für mich. Ich brauche Bewegung, im Bett“, sagt sie mit einem provozierenden Lächeln. Sie spielt wieder mit ihrem Haar und schaut mich demonstrativ nicht an. Marie erwartet aber eindeutig eine Reaktion von mir. „Gewisse Bewegungen machen viel Spaß und sind auch sehr gesund“, antworte ich. Sie schaut mich an, lächelt und nickt. Diese Offenheit hätte ich von ihr nicht erwartet, nicht nach knapp drei Stunden des Kennenlernens. Es wirkt aber eher ansprechend als aufdringlich.

Am Ende des Rundgangs angekommen, verlassen wir das Schloss und gehen noch durch den Park spazieren. Das Wetter wird immer schöner. Die Temperatur steigt auf über 20 °C. „Ich bin keine von diesen Schicksen“, sagt sie. Sie besitzt nur fünf Paar Schuhe und drei Handtaschen. Ansonsten trägt sie am liebsten körperbetonte Kleidung. Das ist mir vorhin aufgefallen. „Dein Kleidungsstil gefällt mir: schlicht, adrett, klassisch. Ich brauche neue Klamotten und will keinen Fehlgriff landen. Hast du Lust, meine Stilberaterin zu sein?“ „Gerne, dann komme ich dich nächste Woche besuchen und kleide dich neu ein.“ Das wollte ich hören. Ich habe mein Anschlussdate. „Leider bin ich nächste Woche auf einem Seminar“, muss ich ihr antworten. „Danach aber.“ „Hm, schade, dann sehen wir uns ja gar nicht nächste Woche. Aber zum Glück gibt es das Telefon“, sagt sie. Wir beschließen, noch einen Kaffee zu trinken.

Es ist mittlerweile so warm, dass wir einen Schattenplatz nehmen müssen. Ein Traumwetter für ein Traumdate. Sie zeigt mir Fotos von ihrer Wohnung. „Und auf diesen Barhocker setzt du dich, während ich einen Cocktail für dich mixe, wenn du mich besuchst.“ Während wir uns ihre Fotos von ihrem Smartphone anschauen, streift sie mehrmals absichtlich meine Hand. Wieder schaut sie mich dabei demonstrativ nicht an, lächelt aber und fragt: „Schüchtern?“ „Nein“, ist meine Antwort, während die Kellnerin den Kaffee bringt. In einem denkbar ungünstigen Moment, denn die knisternde Spannung ist erst einmal heraus.

Marie fragt mich nach meinem Seminar. Sie möchte wissen, welchen Inhalt das Seminar hat und ob viele Frauen dort anwesend sind. „Bestimmt sind da auch Frauen“, sage ich. „Und wie alt sind die?“, möchte Marie wissen. „Alle Anfang 20, schlank und hochattraktiv.“ „Blödmann!“, bekomme ich als Antwort. Wir lachen und ich frage nach: „Wieso fragst du, ob da Frauen sind und wie alt sie sind.“ „Ich will ja wissen, ob ich mir Gedanken machen muss.“ „Nein, das musst du nicht“, sage ich. „Dann ist ja gut“, sagt sie grinsend. Marie macht sich also Gedanken. Das ist schön.

Auf dem Rückweg zum Parkhaus stellen wir fest, dass es schon 17.00 Uhr ist. Wir hätten beide schwören können, es seien erst drei bis vier Stunden vergangen. Am Ticketautomaten angekommen, will sie sich von mir verabschieden. „Jetzt doch noch nicht, Marie. Wir müssen doch in dieselbe Etage.“ Sie wird rot im Gesicht, was sie sehr sympathisch macht. Sie merkt auch, dass sie gerade nervös ist. An ihrem Auto angekommen, verhalten wir uns wie zwei unsichere Teenies, keiner will jetzt etwas Verkehrtes machen. Ein Freund sagte einmal zu mir: „Zwei Dinge im Leben sind nicht vorhersehbar: der Wechselkurs des Dollars und das Verhalten einer Frau.“ Intuitiv küsse ich sie auf die Wange und wir nehmen uns in den Arm. Wir verabreden uns für morgen zum Telefondate. Auf der Rückfahrt kommt mir der Gedanke: „Man muss das Eisen schmieden, so lange es noch warm ist.“ Hoffentlich war ich eben nicht zu defensiv.

Pünktlich um 15.00 Uhr ruft sie mich an und will sofort wissen, wie ich den gestrigen Tag empfunden habe. „Tja, dieser Tag gehört nun zu den schönsten Tagen in meinem Leben. Die Spannung im Vorfeld, das Frühstück, das schöne Wetter, die Altstadt, der Schlosspark und diese Frau. Es war sehr schön in deiner Nähe zu sein.“ Es herrscht Stille am Telefon. „Danke, lieber Lukas, das geht runter wie Sahne. Die Komplimente gebe ich gerne zurück. Ich habe noch den ganzen Abend an diesen schönen Tag gedacht. Es tummeln sich also doch nicht nur Idioten im Internet herum. Außerdem gefällt mir deine zurückhaltende Art. Draufgänger können bei mir nicht landen.“

In Anspielung auf ihre gestrige Aussage erzähle ich ihr, was ich heute Morgen in einer Werbeanzeige gesehen habe: eine Spitzenkorsage. „Und, magst du so etwas?“, fragt sie mich. „Ja, klar“, lautet meine knappe Antwort. „Schön, dann weiß ich ja schon einmal, auf was du stehst.“ Sie freut sich und erweckt dabei den Eindruck, als ginge sie morgen früh gleich los, um eine zu kaufen. Wir verabreden, dass wir Mittwoch telefonieren. Ich rufe sie mittags an. Vorher geht es leider nicht. Mein Seminarprogramm ist prall gefüllt.

Auf der Zugfahrt zum Seminar denke ich fast die ganze Zeit an Marie und den tollen Samstag. Ich kann es kaum erwarten, Mittwoch wieder mit ihr zu telefonieren. Doch ich muss mich noch zwei Tage gedulden.

Im Hotel angekommen, geht es nach einem kurzen Check-In gleich zum Abendessen. Es sind circa 50 Teilnehmer anwesend, die Hälfte davon Frauen. Ich lerne Florian, auch Mitte 30, aus Frankfurt kennen. Er ist auf einer etwas freizügigeren Single-Plattform angemeldet, wie sich schnell herausstellt. Florian sieht aus wie Matthew McConaughey. Er schildert mir seine Erfolgsmethoden: „Du musst kurze E-Mails schreiben, nicht mehr als drei Sätze. Du musst sie zappeln lassen. Im Ungewissen lassen. Dann kommen sie an.“ Er hat mehr Erfahrung als ich, ist seit über drei Monaten online auf Frauensuche. Partnersuche wäre bei ihm zu viel gesagt. „Ich will mich nur ab und zu mit einer Frau treffen. Ich lade sie zum Abendessen ein und wir trinken ein bisschen Wein. Das reicht mir. Auf dem Rückweg habe ich ein Date mit einer 25-jährigen Bankkauffrau aus Würzburg.“ Dass ihm ein Abendessen reicht, glaube ich ihm nicht. Seine Geilheit riecht man von Oberbayern bis nach Amrum.

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