und dürfte wohl auch noch etwas lange verziehen.
174. Die Schlacht auf dem
Tausendteufelsdamme
König Johann von Dänemark sprach zu dem Herzog,
seinem Bruder: Was beginnen wir nur, daß wir das
reiche freie Dithmarschenland an uns bringen? Da
sprach der Herzog: Wir wollen einen Boten an die
sächsische Garde senden, mit deren Beistand wollen
wir wohl den Dithmarschen obsiegen. Und sendeten
einen Boten auch in die Marsch und kündigten dem
Volke an, daß der König drei feste Schlösser haben
wolle im Lande, aber das wollten die Bauern mitnichten
leiden. Und der Bote ging zurück nach Rendsburg,
allwo der König lagerte und ein mächtig großes
Heer sammelte aus Jütland, aus Fünen, aus Holstein
und aus deutschen Landen; Soldknechte eine ganze
Schar vom Rhein, aus Franken und Sachsen, die hatten
sich zusammengetan und nannten sich die sächsische
Garde. Und da die Garde zu dem Königsheere
stieß, da fragte sie: Herr König, wo liegt denn das
Dithmarschen? Liegt es im Himmel droben oder auf
schlichter Erde? – Da sprach der König: Es ist nicht
mit Kloben an den Himmel geschlossen, es liegt auf
Erden. – Darauf sprach wieder die Garde: Herr
König, wenn das Dithmarschenland nicht mit Kloben
an den Himmel geschlossen ist, so soll es bald unser
werden. – Und da ließ der König die Fahnen fliegen
und die Trommeln schlagen und zog mit dem Heere
von zwölftausend Mann auf das tiefe Land zu. Zuerst
zog das Heer nach Windbergen, da lag es eine kleine
Weile und rastete, hernach zog es weiter nach Meldorf
zu und trieb allerlei Übermut und Grausamkeit.
Sie steckten des Königs Banner hoch vom Turme aus
und hingen ihre Schilde über die Mauer, alles den
Dithmarschen zum Hohne. Die hatten nur eine kleine
Schar von tausend Streitern und wichen zurück bis an
die Hemmingstetter Brücke. Da war noch ein Wall
aus der alten Sassenzeit und tiefe Graben, und die
Graben waren schlammig und voll Wasser. Da machten
die Dithmarschen in der Nacht ein Bollwerk,
stopften die Lücken des alten Erdwalles mit Moos
und Schlamm und Binsen, machten ein Pfahlwerk und
erwarteten den Feind. Der kam im Frühstrahl herangezogen,
voll Kampfesmut, und die Dithmarschen
warfen ihnen einen Steinhagel entgegen. Die Feinde
aber suchten in Eile den Graben zu überbrücken, sie
banden Speere zusammen, und darauf warfen sie
querüber wieder Speerbündel, und nun hinüber, aber
rücklings wurden sie niedergestürzt und niedergeschmettert.
Viele wollten im Sprung die Höhe des
Walles gewinnen und schwangen sich am Schaft der
Lanzen hoch empor, aber sie sprangen zu kurz, und
wem ja der Sprung gelang, den empfing in Kolben-
streichen auf dem Wall der sichere Tod. Da leuchtete
mancher alte Morgenstern vom Bornhöveder
Schlachttage wieder hell, und manche verrostete Klinge
von damals schliff sich heute wieder blank an
Feindes Helm und Panzer.
Aber siehe, plötzlich entstand ein Angst- und
Schreckensruf im Kampfhaufen der Dithmarschen:
Umgangen! Weh! Wir sind umgangen! Im Rücken
heran zog Feindesgewimmel, das an anderer Stelle
den Wall überklettert hatte, und es drohte nun der sichere
Tod. Da trat plötzlich allen unversehens eine
Dithmarschenjungfrau vor, die schwang hoch in der
Hand eine Fahne mit dem Bilde des Heilandes und
rief laut zur Mutter Gottes: Hilf uns, Maria, Gebenedeite,
so gelobe ich dir ewige Keuschheit! – Und: Mir
nach, rief sie, drauf! – und stürmte mit der Fahne und
einem Schwert und fliegenden Haares geradezu gegen
den Feind. Da entstand ein hartes und fürchterliches
Schlagen, und lange stand der Kampf, aber die Übermacht
der Feinde war allzu groß. Da aber hatte Gott
ein Erbarmen und sandte die Flut. Die wälzte sich
heran, krachte an die Schleuse, brach die Schleuse,
überströmte die Felder von Hemmingstett, und wie
die Bauern die Wogen daherbrausen sahen, da jauchzten
sie in erneuter Kampflust, nahmen wieder hinterm
Tausendteufelsdamme festen Stand, wo sie sicher vor
der Flut waren, und schlugen auf den Feind los, den
rings die Wogen bedräuten. Da war ein Gardenführer,
sie nannten ihn den langen Jürgen, der hatte Herz im
Leibe und spornte seinen Hengst, und sprengte glücklich
auf den Wall, und rief: Wer wagt es mit mir, der
komme heran! – Und da war ein Bauer, der hieß der
Reimer von Wiemerstede, der sprang vor, schlug mit
seiner Mordaxt des Junker Jürgen Speer zur Seite und
hieb mit derselben Axt in den Panzer des Junker ein,
die saß so fest, daß er sie nicht wieder herausziehen
konnte. Da riß der Reimer den Jürgen am Axtstiel
nieder, trat auf das Eisen und trat es dem Junker fünf
Zoll tief in den Leib hinein. Und von den andern Feinden
blieben zahllose Tote in dieser wilden Schlacht,
außer denen, die von den Wogen verschlungen wurden,
es blieben da fünf von dem Geschlechte derer
von Rantzau, von Ahlefeld sieben, von Wackerbarth
vierzehn, der König entfloh zu Schiffe. Lange sind
noch Lieder von dieser Schlacht auf die sächsische
Garde, von Jürgen Slens, von der kühnen Maid und
dem Reimer von Wiemerstede im Dithmarschenlande
gesungen worden.
175. Wunderbäume in Dithmarschen und
Holstein
In der Kirche von Süderhadstede steht ein alter Holunderbaum.
Zu diesem Baume, geht die Sage, kam
oft der Geist des Königs geritten, der den Dithmarschen
ihre Freiheit genommen. Er ritt auf einem grauen
Schimmel und betete unter dem Baume. Einst wird
die Zeit kommen, da wird auf dem Heideviert, darauf
Süderhadstede liegt, eine große Schlacht geliefert, das
fliehende Heer wird nach dem Dorfe zugetrieben werden
und wird es mit Getümmel erfüllen. Da wird der
König kommen, seinen grauen Schimmel an den Holunderbaum
binden und niederknien und inbrünstig
beten. Dann aber werden dreihundert Dithmarscher
Bauern hinter der Kirche hervortreten, bewaffnet mit
Sensen, Hauen und Dreschflegeln, und aus ihrer Mitte
einer in grauen Hosen, blauer Weste und mit weißen
Hemdsärmeln wird herzutreten und wird dem König
auf die Schulter klopfen und wird sprechen: Herr
König, Er hat uns die Freiheit genommen, doch sei Er
nur gutes Mutes und besteige wieder sein Pferd, wir
wollen Ihm doch beistehen. Da wird der König sich
erheben und seine Leute sammeln, die Bauern aber
werden den Feind aufhalten, und nach neuer blutiger
Schlacht wird dann ein langer Friede ins Land kom-
men.
So stand auch bei Süderhadstede zu den Zeiten der
Freiheit auf einem schönen runden Raum eine uralte
Linde, die ward der Wunderbaum geheißen im ganzen
Marschlande. Ihre Höhe übertraf die aller andern
Bäume ringsumher, ihre Zweige standen alle kreuzweis,
ihresgleichen war nirgends zu finden. Jahr auf
Jahr ergrünte sie frisch, trotz ihres hohen Alters, und
die Rede ging, solange des Landes Freiheit blühe und
grüne, werde auch der Wunderbaum also fortbestehen.
Und so geschah es. Als der Dithmarschen Freiheit
gebrochen ward, verdorrte die Wunderlinde. Aber
noch geht die Sage: auf der dürren Linde wird eine Elster
ihr Nest bauen und wird darinnen ausbrüten fünf
weiße Junge. Das wird das Zeichen sein von der Freiheit
Wiederkehr, und dann wird die Linde wieder ausschlagen
und grünen, wie der dürre Birnbaum auf
dem Walserfeld, wann der Kaiser Friedrich hervortritt
und die große Freiheitsiegesschlacht schlägt. Und
dann wird das Dithmarschenland auch wieder zu seiner
Freiheit kommen. – Ein verheißungenreicher Holunder
ist aus der Nortorfer Kirchhofmauer herausgewachsen
und ein anderer in Schenefeld, an welche
Bäume ganz ähnliche Prophezeiungen sich knüpfen.
176. Der wilde Jäger in Dithmarschen
Auch in Dithmarschen kennt man den wilden Jäger,
wie am Rheine, auf dem Harz, in Thüringen, im
Vogtlande und sonst. Also wird vom Freischützen zu
Marne erzählt, daß er ein ziemlich wilder Bauernbursch
gewesen, der die Jagd über alles geliebt, aber,
nachdem er sich verheiratet und ein kleines Gütchen
bewirtschaftete, dieses über der Jägerei vernachlässigt,
mit dem Weidwerk aber gar wenig aufgesteckt
habe. Da ging er einstmals ganz mißmutig durch den
Wald nach Hause, denn er hatte den ganzen Tag noch
keine Krähe und keine Klaue geschossen, siehe, da
ging ein fremder Jagdgesell vor ihm her, der trug ein
schönes Gewehr und eine bauschende Jagdtasche, und
der Bauer mochte ihn gern einholen. Jener aber führte
einen tüchtigen Schritt. Endlich tat der Bauer einen
hellen grellen Jagdpfiff, jener jedoch kehrte sich gar
nicht daran und stand nicht, bis er an einen Kreuzweg
kam, da stand er endlich und erwartete den Bauer, und
war ein ganz feiner, gutgekleideter Gesell. – Ihr habt
wohl besser Glück gehabt als ich, sprach der Bauer
zu ihm. Ich seh's Euerm Jagdranzen an, der ist gut gefüllt.
– Ja, sprach der Fremde, kannst's auch so haben,
kannst Kugeln schießen, die immer treffen, mit deinen
Kugeln triffst du freilich nichts. Guten Weg! – Und
wollte damit weitergehen, aber der Bauer-Jäger hielt
ihn zurück und bat, ihm sein Geheimnis des
Stetstreffens und Niefehlens zu lehren, und versprach
ihm hohen Lohn. Jener aber sprach: Ich will es dir
wohl lehren, du mußt mir aber schwören, keiner lebenden
Seele mein Geheimnis zu verraten, denn tätest
du das, so würde es dir übel ergehen. – Jener schwur
und hob die Hand gen Himmel, da flogen zwei Raben
auf und krächzten und schwirrten um die beiden Männer,
und der fremde Jäger sagte jenem sein Geheimnis.
Sotanes Geheimnis war aber gar entsetzlich, und
der Bauer trug schwer daran, und lastete ihm auf dem
Gemüte, und probierte es nicht, ging lieber gar nicht
mehr hinaus in den Wald, sondern blieb zu Hause,
aber auch da still und träumerisch. Die Frau sah ihres
Mannes Veränderung, und hatte ihr sein Jagdgehen
nicht gefallen, so gefiel ihr sein in sich gekehrtes
Wesen noch viel weniger, und sie drang in ihn, ihr zu
sagen, was ihm denn fehle. Er aber schwieg, sie aber
ließ nicht nach mit Forschen und Fragen, Bitten und
Betteln, bis er endlich ihr vertraute und sprach: Ich
soll, wenn ich will, daß jede meiner Kugeln treffe,
mein Gewehr mit einer geweihten Hostie laden statt
mit einer Kugel, dann im Walde auf einen freien Platz
gehen zur Mittagsstunde, da ein weißes Tuch ausbreiten,
darauf treten und gerade in die Sonne schießen.
Von da an soll jeder meiner Schüsse treffen und des
Wildes nimmer fehlen.
Wohl war das der Frau graulich zu hören, doch allmählich
stillte sich ihr Grauen, und da sie mehr und
mehr in Not, ihr Hauswesen aber in Verfall kam, so
meinte sie, probieren könne er das Kunststück ja doch
einmal, so sehr viel könne es doch nicht auf sich
haben, es sei ein Jägerstücklein wie viele andere, und
wenn es probat sei, wie sie gar nicht glaube, so hülfe
es ihnen aus aller Not, und was ihres Zuredens Worte
mehr waren. Und da dachte er es endlich zu wagen. Er
hatte aber ganz und gar vergessen, daß er seinen
Schwur schon gebrochen und das Geheimnis verplaudert
hatte und daher schon jenem Argen verfallen war.
Nun ging der Jäger zum Abendmahl, empfing die heilige
Hostie, behielt sie im Munde und lud sie dann
heimlich in seine Büchse. Dann tat er alles übrige
nach der Vorschrift, ging noch denselben Sonntag zur
Mittagszeit in den nahen Wald. Die Sonne schien
hell. Der Jäger zielte, er schoß nach der Sonne. Da
verfinsterte sich die Sonne, schwarzes Gewölk fuhr
auf, Blitze flammten, Donner krachten, die zwei
Raben waren da und krächzten und schlugen mit den
Flügeln. Der Entsetzte sprang von seinem Tuche,
bückte sich, wollt' es aufraffen, da waren die Fußtapfen,
wo er gestanden hatte, voll Blut. Er stürzte aus
dem Walde, die Angst brachte ihn fast um – dort
stand sein Haus, das brannte lichterloh – das Wetter
hatte hineingeschlagen, schreiend und heulend stürzten
Weib und Kinder ihm entgegen. Und da war auch
der fremde Jäger wieder da, der höhnte ihn, daß er ein
schlechter Freischütz sei, der das Geheimnis nicht bewahrt
habe. Und nun müsse er bis zum Jüngsten Tage
jagen, Weib und Kinder müßten als Hunde ihn begleiten
– am Tage müsse er bei den zwei Raben im
Walde wohnen und nachts durch die Lüfte hetzen.
Dieses geschah und geschieht noch immer, und die
Leute nennen das den wilden Jäger. Wer ihn hört und
das Wauwau der Hunde nachmacht, dem wirft er
Knochen herab oder Stücke von verfaultem Wild und
Pferden. Einem Mann aus Bornhövede ist das geschehen,
auch einem aus Meinsdorf, die wurden gezwungen,
selbst von dem Braten zu essen. Der wilde Jäger
hat insgemein viele Hunde, meistens kleine Dächsel
und andere, manchesmal brennt den Hunden auf dem
Schwanz ein Licht. Manchesmal zieht er mitten durch
die Häuser, und da tut er niemand etwas, wenn nur die
Leute sich ruhig verhalten und sich an nichts kehren.
177. König Abels Jagd
König Abel, der Brudermörder, war Zeit seines Lebens
ein gewaltiger Jäger, und als es mit ihm zum
Sterben kam, wünschte er sich, statt der ewigen Seligkeit,
ewig jagen zu dürfen. Dieser Wunsch ward ihm
gewährt zur ewigen Strafe. Kohlschwarz im Gesicht,
von zehn manchmal feurigen, aber kleinen Hunden
begleitet, auf einem kleinen Pferde reitend, durchzieht
er die Lüfte mit Lärm und Getöse und gellem Hornruf.
Sein Schrei tönt: Hurra! Hurra! – Es war zur Zeit
König Abels Leben nicht gut, ihm zu begegnen, und
ist's auch heute noch nicht. Ein alter Bauer aus Dorf
Danewerk erzählte, wie seiner Großmutter ihre Großmutter
noch eine junge Dirne gewesen, da hätte um
das Danewerk herum noch viel Gehölz gestanden,
dahinein hätte die Dirne die Kühe getrieben und gehütet.
Da habe sie einmal unversehens in der Luft ein
fürchterliches Ramentern vernommen und wäre König
Abel in Lüften dahergesaust mit seiner Jagd. Zehn
Hunde, ganz weiße, hatte er bei sich, die hatten feurige
Zungen aus dem Halse hängen. Ach, dachte die
Dirne, nun bin ich so ganz allein, wie soll das wohl
gehen? Sie hatte ein weißes Schürztuch um, das band
sie ab, und wickelte es um ihren Kopf, und setzte sich
bei einen großen Baum und weinte. König Abel kam
nun heran und machte gar ein grausiges Geprassel
und Getöse bei ihr herum, und dann zuletzt machte er
sich wieder von dannen. Von den Hunden des Königs
Abel kam aber einer zu der Dirne heran, und sprang
ihr in den Schoß, und legte sich still hinein. Wie nun
der Lärm vorüber war, so nahm sie den Hund im
Schoß mit nach Danewerk, und da hat er sein Geschlecht
vermehrt, daß noch immer solche Däckel dort
gefunden werden. König Abels Jagd hat aber seitdem
nicht mehr zehn Hunde, sondern nur noch neun.
König Abels Pferd braucht auch Futter. Auf dem Hesterberg
bei Schleswig bringen die Bauern aus
Mielberg, wenn sie ein Stück Land mit Hafer besäen,
einen Sack voll mehr mit, als sie brauchen, nachts
kommt hernach allemal jemand, der den Hafer für
sein Pferd braucht. Darum gerät aber auch der Hafer
auf dem Hesterberg am allerbesten in ganz Schleswig.
178. Der Wode
Im Lauenburger Lande heißt der wilde Nachtjäger
Wode, mag wohl ein Namensnachhall des altheidnischen
Sachsenvolkgottes Wodan sein. Der Wode jagt
vornehmlich, wie der Harz-, Thüringerwald- und
Vogtland-Wilde Jäger in der Adventszeit und in den
Zwölften. Er reitet das altheilige große weiße Roß,
und es folgen ihm vierundzwanzig Hunde. Sein Pferd
hat nur drei Beine. Wenn die Wodensjagd auf Zäune
stößt, krachen sie gleich zusammen, über Nacht richten
sie sich von selbst wieder auf. Des Woden Hunde
bleiben bisweilen ermattet liegen, schnaufen, heulen
und winseln, so geschah es in Wulfsdorf, in Fühlenhagen
u.a. Andern Tages holt sie der Wode wieder.
Läßt eine Frau zur wilden Jagdzeit Wäsche im Freien
hängen, so wird sie von den Wodenshunden in Fetzen
gerissen. Bäckt jemand zu dieser Zeit, so kann er es
erleben, daß die Brotlaibe als Jagdhunde auf- und davonfliegen.
Läßt jemand die Haustüre unversehens
offen stehen, so kann er gewärtigen, daß das Wodensheer
hereinzieht, und hindurch, und daß die Hunde
auffressen, was sie vorfinden, absonderlich den Brotteig.
Doch weiß der Wode solchen Verlust auch zu
vergüten. Einst klagte ein Bäuerlein erbärmlich, was
es denn nun mit den Seinen essen sollte, und ob es
keinen Schadenersatz erhalten sollte. Der Wode
schrie: Jo jo! ho ho! – schmiß einen toten Hund aus
der Luft herunter dem Bauer vor die Füße und schrie
dazu: Wirf's Aas durch den Schornstein! – Der Bauer
erschrak und tat's. Der tote Hund war schwer. Auf des
Bauern Herd zerplatzte der Hundebalg, und es rollte
die Küche voll Goldstücke.
Der Wode jagt, wie der wilde Jäger im Vogtland,
die Wichtel, Holzweibel und Moosleute, die kleinen
Waldfrauen, die Erd- und Bergmännchen, die die
Leute dort im Lauenburger Lande Unterirdische nennen.
Er vertilgte sie so ziemlich von der Erde. Sein
Hauptjagdweg geht um Krumesse herum über das
Moor nach Beidendorf zu.
Ein Beidendorfer Bauer wollte einmal abends nach
Krumesse zu, da kam ein ganzer Schwarm Unterirdischer
dahergelaufen, waren aber dasmal gar nicht
bange und riefen: Heut kann er uns nicht kriegen, heut
soll er uns wohl in Ruhe lassen, heut hat er sich nicht
gewaschen! – Als der Bauer ein Stück weiter gegangen
war, fuhr der Wode daher und fragte den Bauer:
Was riefen sie?, und der Bauer antwortete: Sie sprechen,
du hättst dich von heut morgen nicht gewaschen!
– Gleich ließ der Wode sein Pferd halten, ließ
es stallen und wusch sich damit – dann ging die Jagd
los. Ehe der Bauer Krumesse erreichte, sah er den
Wode schon wiederkommen: der hatte ganze Bündel
Unterirdische hüben und drüben am Pferde baumeln,
wie Krammetsvögelklubs, und hatte sie mit den Haaren
aneinandergebunden. Jetzt jagt der Wode bloß
noch in der Luft, denn die Unterirdischen, meinen
viele, hat er bereits alle von der Erde fortgebracht.
Auch im Mecklenburger Lande wird der wilde
Jäger der Wode genannt, und werden von ihm vielerlei
ähnliche Geschichten erzählt.
179. Die Unterirdischen
Das Volk der Unterirdischen und der Glaube an dasselbe
ist im deutschen Norden und weiter nordwärts
verbreiteter als irgendwo; es wohnt unter der Erde,
häufig in den alten Grabhügeln und Hünenbetten; im
dänischen Schleswig heißt es Biergfolk, Ellefolk,
Unnervaestöi, Unnerborstöi, auf Sylt Önnererske, auf
Föhr und Amrum Önnerkänkissen, in Holstein Unnererske,
Dwarge. Seit undenklichen Zeiten wohnen sie
im Lande. Die Sage von ihrer Entstehung lautet: Christus
der Herr wandelte einmal auf Erden und nahte
einem Hause, darinnen eine Frau wohnte, die hatte
fünf schöne Kinder und fünf häßliche. Der Häßlichen
schämte sie sich vor dem hohen Gast und verschloß
sie schnell im Keller. Wie nun der Herr in das Haus
kam, sprach er: Frau, lasset Eure Kindlein zu mir
kommen. Und da brachte die Frau ihre fünf hübschen
Kinder, daß der Herr sie segne. – Und wo sind Eure
andern Kinder? fragte der Herr. Andere Kinder hab'
ich keine, log das Weib. So, sagte der Herr, und legte
die Hände auf die fünf Kinder und segnete sie und
sprach: Was drunten ist, soll drunten bleiben, was
oben ist, soll oben bleiben. – Als der Herr hinweg
war, lief die Frau in den Keller, ihre häßlichen Kinder
herauszulassen, aber da waren sie verschwunden. Aus
ihnen ist das Geschlecht der Unterirdischen entstanden.
Zahllos sind die Orte, welche das Volk in Schleswig,
Holstein, Lauenburg, in Jütland und auf den Inseln
nennt und kennt, wo Unterirdische sich aufhalten
sollen, und noch viel zahlloser die mannigfaltigen
Sagen von denselben. Die Önnerkänkissen auf
Amrum haben ihr Wesen hauptsächlich im
Fögedshoog bei den Dänen, da laufen sie auf dem
Wasser Merum Schlittschuhe. Ein Mann ließ sich einfallen,
ihnen nachzugraben, wie man einem Fuchs
oder Dachs nachgräbt; da schrie es hinter ihm: Feuer!,
und wie er umschaute, sah er sein Haus in hellen
Flammen stehen. Eilends ließ er ab von seiner Gräberei
und stürzte seinem brennenden Hause zu; als er
hinkam, war keine Spur einer Flamme. Er war klug
genug, sich die Lehre zu merken, er grub nicht wieder.
Die Unterirdischen sollen auch an Gott glauben,
aber vom Christentum wissen sie nichts, daher gehen
sie auch nicht zur Seligkeit ein.
Viele sonderliche Kunst wird den Unterirdischen
zugeschrieben, besonders sollen sie die Verfertiger
der so mannigfach geformten Grabtöpfe sein, die in
Hünengräbern stehen, und von alle dem schönen
Schmuck und den bronzenen Waffen, die in der Erde
und häufig selbst in solchen Töpfen gefunden werden.
Einen solchen Topf zu zerschlagen, bringt kein
Glück, zeugt auch von geringem Verstand. Mancher
ist über solchen nutzlosen Frevel ganz von Sinnen gekommen.
Same, aus solchen Gefäßen gesäet, gedeiht
besser als anderer, Hühner, aus denselben getränkt,
werden nicht krank, Milch, in ihnen hingestellt, rahmt
besser und gibt mehr Butter.
Wie in Deutschland vom Zwergenvolk die Sagen
gehen, daß es Kessel und sonstige Geräte leihe, besonders
zu seinen Hochzeiten und Festen – so findet
im Norden der umgekehrte Brauch statt, die Bauern
leihen dergleichen bei den Unterirdischen und geben
es nach gemachtem Gebrauch mit Speiseresten zurück.
Was sich die Leute zu Zittau in der Lausitz von
den in dortiger Gegend hausenden Bergzwergen erzählen,
daß sie unsichtbar an Hochzeiten der Menschen
teilnehmen, zwischen den Leuten sitzen und mit
ihnen essen, das wird auch im Pinnebergischen erzählt
und im nördlichen Schleswig. Wer den Unterirdischen
etwas, das ihnen gehört, wegnimmt, erzürnt
und vertreibt sie. Lärmenden Instrumentenschall können
die Unterirdischen nicht vertragen, am wenigsten
aber den Klang der Glocken, der hat sie fast überall
hinweggetrieben, und dieser Glaube ist übereinstimmend
in allen Landen.
Die Unterirdischen holen auch oft irdische Weh-
frauen hinab zu ihren Wöchnerinnen, belohnen sie
scheinbar gering, aber wenn sie das Geringfügige,
Hobelspäne, Sand Asche, Kohlen, Erbsen, Laub und
dgl., nicht unklug wegwerfen, so verwandelt sich's in
Gold. Meist werfen sie es aber weg, und bleibt nur ein
kleines Restchen an der Schürze hängen oder fällt in
den Schuh, und jene entdecken dann zu spät ihre Torheit,
und welchen Reichtum sie verworfen.
Unter dem Landvolke, so weit es noch an die Unterirdischen
glaubt, herrscht mehr Furcht und Abneigung
gegen sie als Neigung und Liebe; sie nennen sie
Untüeg, Unzeug (Gezügk sagen die Thüringer).
Vom Verkehr der Menschen mit den Unterirdischen,
von Krieg und Frieden, Gunst und Tücke,
Raub und Wiederbringung, Gaben, die Glück, Gaben,
die Unheil bringen, und dergleichen mehr wären allein
ganze Sagenbücher zu füllen.
Auch die Wechselbälge sind der Unnereerdschen
unliebliche Früchte. Letztere stehlen neugeborene
Menschenkinder vor der Taufe und legen ihre verschrumpfelten
Hutzelmännchen in die Wiegen. Mancher
geht umher, und wenn er in den Spiegel guckt,
weiß er nicht, ob er nicht vielleicht auch ausgetauscht
worden.
180. Die Kielkröpfe
Es gab auch noch andere geisterhafte Wesen von dämonischer
Art, deren Natur im Guten und Schlimmen,
doch mehr im letztern, mit der der Unterirdischen verwandt
ist. Wechselbalg und Kielkropf ist so ziemlich
Maus wie Mutter. Beide Sorten sind ausgetauschte
Kinder ohne Gedeihen, von häßlichem Aussehen, die
stets quengeln und weinen und meist die Unterirdischen,
wo nicht gar den Teufel zum Vater haben.
Durch Mißhandlungen, die dem Kielkropf angetan
werden, wird meist die Mutter desselben gezwungen,
ihn wieder zurückzunehmen und das der Mutter heimlich
entrissene eigene Kind zurückzugeben.
Einstmals hat sich eine Frau mit solch einem Kielkropf
Jahr und Tag gequält; sie hatte wahrscheinlich
vergessen, während ihrer Wochen bis zur Taufe Tag
und Nacht Licht zu brennen oder irgendein Kleidungsstück
von ihrem Manne anzuziehen. Schon
hatte sie den Balg sieben Jahre; er aß viel, aber wollte
nicht wachsen, nicht laufen, nicht sprechen lernen,
hatte einen großen Dickkopf und spinnenbeinige
Ärmchen und Füßchen. Da kam zu der Bauernfrau
eine alte Jatrin (Zigeunerin), der klagte die Frau ihr
Herzeleid, das sie jahraus jahrein mit dem Kinde
habe, und die gab guten Rat, was die Bäuerin vorneh-
men sollte, um zu sehen, ob ihr Kind etwa ein Kielkropf
wäre oder nicht. Diesen Rat befolgte die Frau,
sie leerte ein Gänsei aus, füllte Bier hinein und kochte
es über der Lichtflamme. Auf einmal begann der bisher
stets stumm gebliebene Kielkropf an zu sprechen
und sagte:
Ich bin so alt
Wie Brennholz im Wald,
So was hab' ich aber doch noch nicht gesehn!
So? sagte die Bäuerin, bist so alt wie das Brennholz
im Wald, so bist du mein Kind nicht!, und nahm ein
Stück Holz und wollte auf das ungestaltete Kind losschlagen,
aber da kam gleich eine alte Unnereerdsche
gelaufen und nahm das Kind aus der Wiege und
sagte: So will ich mein Kind nicht mißhandeln lassen!
– und da sie weg war mit ihrem Balg, stand ein
schönes wohlgewachsenes siebenjähriges Kind, das
rechte der Frau, neben der Wiege.
Ähnliches widerfuhr einer Frau in Jägerup bei Hadersleben,
welcher eine kluge Nachbarin riet, den
Wechselbalg in den geheizten Backofen zu schieben.
Als sie dies tun wollte, kam schnell die unterirdische
Mutter, brachte das umgetauschte Kind und sagte: So
schlecht hätte ich nimmer an deinem Kinde getan!,
indem sie ihr Kind nahm und verschwand.
Im Dorfe Böken bei der Stadt Lauenburg war ein
wundertätiges Marienbild von Holz, das heilte viele
Kranke. Nun hatte in einem nahen Nachbardorfe ein
Bauer lange Zeit in kinderloser Ehe gelebt und hielt
deshalb seine Frau sehr übel. Endlich fühlte die Frau
sich in Hoffnung, das machte den Bauer ganz glücklich,
und er trug nun die Frau fast auf den Händen.
Aber als sie geboren hatte, tauschten die Unterirdischen
ihr Kind aus und legten einen Kielkropf ein, der
hatte einen Kopf wie eine Metze und spindeldünne
Gliedmaßen. Auch wuchs nichts an ihm, als nur der
Kopf, der wurde größer als beim größten Menschen.
Nach drei Jahren glich der Kopf des Jungen einem
Riesenkürbis, und dabei konnte das Kind nicht stehen
noch gehen noch sprechen, aber quarren und plärren
den ganzen Tag, das konnte es meisterlich. Eines
Abends, als die Frau dieses Goldsöhnchen auf dem
Schoße hatte und sich mit ihm abquälte, sprach sie zu
ihrem Mann: Du, mir fällt was ein, vielleicht kann
uns noch geholfen werden; morgen ist Sonntag; nimm
doch das Kind und die Wiege und geh damit nach
Böken zur Mutter Maria, stelle die Wiege vor sie hin
und wiege das Kind eine Zeitlang, vielleicht, daß es
hilft. – Das will ich wohl tun, sagte der Bauer und
ging am andern Tage mit dem in die Wiege wohlverpackten
Kielkropf los. Als er auf die Brücke von
Böken kam, rief drunten eine Stimme mitten aus dem
Wasser heraus:
Kielkropp, wo wullt du hen?
und da antwortete das Kind in der Wiege:
Ik wil my laten wegen,
Dat ik sal gedegen (gedeihen).
Da war der Bauer vor Verwunderung außer sich,
daß sein Balg auf einmal sprach, besann sich aber gar
nicht lange, sondern schmiß Kind und Wiege ins
Wasser hinab und schrie hinterdrein:
Kannstu nun spräken, du Undeert,
Denn ga dorhen, wo du't hast geleert! –
Da erhob sich unter der Brücke groß Schreiens, als
riefen eine Menge Leute; und die Kielkröpfe tummelten
sich lustig im Wasser, der Bauer aber lief, was er
laufen konnte, heim zu seiner Frau.
Eine fast gleiche Sage geht in der Gegend um Halberstadt,
da redet auch der Kielkropf im Korbe:
Ick well gen Hackelstadt
(wohin eine Wallfahrt war),
to unser leven Fruggen, und mi laten wigen,
dat ick möge gedigen.
Da warf der Bauer ebenfalls Kind und Korb ins
Wasser, und die kleinen Teufel puddelten und purzelten
mit Geschrei lustig im Wasser herum.
181. Die Nissen und die Wolterkens
In den nordischen Landen heißen die Wassergeister
Nissen, auch Klabautermännchen, auch Nesse, Puge,
Puke, Niskepuke, sind aber doch, wie die Kaboutermannekens
in Holland, auch zugleich Hausgeister
hülfreicher Art, und der Glaube an sie ist allverbreitet.
Neben ihnen bestehen auch noch die Wolterkens,
ebenfalls Hausgeistchen, Hausknechtchen, was die
deutschen Heinzchen, Hütchen, Heimchen sind; der
deutsche Name Heimchen findet sich im Nordischen
als Chimeken wieder, und sonst haben sie auch noch
gar verschiedene Eigennamen, wie guter Johann,
Koome u.a. Zum gleichen Geschlecht werden gezählt
die Schreckgespenster, der Büsemann, was in
Deutschland der Butzemann, Pötz, Pöpel, Hullenpöpel,
der Pulterklaes, der Roppert – in Deutschland der
Herscheklaes (Nikolaus), Knecht Rupprecht und dgl.
Auf einem Schiff in See klingelte der Kapitän dem
Schiffsjungen und befahl eine Flasche Wein und zwei
Gläser zu bringen. Verwundert fragend sah der Junge
ihn an. Wie er das Verlangte brachte, saß ein Klabautermann
am Tisch beim Kapitän, der Geist des Schiffes,
sprach mit dem Kapitän und trank dann mit ihm.
Ein kluger Kapitän wird stets gut Freund mit dem
Klabautermann seines Schiffes sein, denn dann geht
alles gut, kein Sturm hat dem Schiff etwas an, kein
Brand bricht aus, kein Mangel, keine Krankheit, kein
Seeräuber kann es kapern. Findet das Gegenteil statt,
wird der Klabautermann ungut behandelt, so gibt es
Lärm, Unordnung, Verwirrung, Meuterei, Feuer,
Sturm und Untergang und im besten Falle viele viele
unsichtbar erteilte Maulschellen und Prügel. – Einst
fuhr Doktor Faust über See. Er hatte sich ein gläsern
Schiff erbaut; weil er alle Wissenschaft der Erde
kannte und studiert hatte, wollte er auch nun das Meer
ganz genau ergründen, und da hatte er in seinem gläsernen
Schiffskasten einen Niß, der mußte das Schiff
lenken, vor Klippen bewahren, mit ihm untertauchen
bis zum Grunde, daß Doktor Faust alle Untiefen kennenlernte
und alle guten Fahrwasser. Und dazumal hat
Doktor Faust die Seekarten erfunden und hat die ersten
gezeichnet, denn vor ihm gab es keine. Eines
Tages kamen sie an die Fährstelle am Eingange des
Flensburger Hafens, da hatte es aber einen Faden –
und war eine recht gefährliche Stelle, und das Glasschiff
wäre um ein Haar krachen gegangen. Aber
Doktor Faust schrie seinem Niß zu: Hol Niß! – da
hielt der Niß das Schiff, daß es stand und nicht weiter
gegen die Strandklippen fuhr. Von der Zeit an heißt
jene Stelle bei den Schiffsleuten Hol-Niß-Fähr.
Die Nissen wohnen in den Häusern in kleinen Balkenlöchern
und sonstigen Winkeln; wird ihnen brav
Grütze mit Butter, auch Milch und Butterbrot vorgesetzt,
so sind sie die hülfreichsten Gäste, wer es mit
ihnen nicht gut meint und trifft, dem geht alles die
Quer, er verarmt und geht zugrunde.
Zur Sage von den Nissen mischt sich ein Zug, der
mit jener vom Alraun und Galgenmännlein tiefinnig
zusammenhängt, nämlich der, erkauft zu werden um
den billigsten Preis. Wer den Niß nicht mehr loswerden
kann vor seinem Tode – denn höher, als man ihn