Читать книгу: «Das Paradies ist zu Ende»

Шрифт:

Kapitel 1: Schwere Geburt

Am Sonntag den 19.10.1941 wurde ich während des zweiten Weltkriegs nachts kurz nach zwei Uhr geboren. Zwischen meinem zweiten und vierten Lebensjahr weinte und brüllte ich aus Zorn anscheinend einige Male so sehr, dass ich Atemstillstand bekam. Meine Mutter war Säuglingsschwester und konnte mit meinem respiratorischen Affektkrampf umgehen, sie hielt meinen Kopf unter kaltes Wasser, um den Krampf zu lösen. Mein Vater war im April 1944 gefallen und meine Mutter hatte kurz vor Ende des zweiten Weltkriegs, alleine die Verantwortung für ihre drei Kinder. Meine Schwester und mein Bruder erinnern sich an meinen letztmaligen Affektkrampf, den ich mit dreieinhalb Jahre hatte, als wir, wie jeden Sonntag zu Fuß zur pietistischen Stunde gingen. Meine Geschwister waren dachten, ich könnte am Affektkrampf sterben, wenn meine Haut blau anlief und ich nicht mehr atmete. Meine Mutter nahm mich auf den Arm und rannte zu einem Brunnen. Als Wasser über meinen Kopf lief, atmete ich wieder. Meine achtjährige Schwester dachte, Gott hätte mir wohl einen aufmerksamen Schutzengel zugeteilt, damit mein Leben nicht als Kleinkind enden würde. Als ich siebzehn wurde, erzählte meine Mutter: „Mein lieber Louis, du bist mein Wunschkind, deine Geschwister waren Wunschkinder von meinem Mann und mir. Als ich in einer Vollmondnacht deinem Papa sagte, ich wünsche mir ein drittes Kind, sagte er, unser Nazideutschland führt einen Krieg gegen die ganze Welt und wird ihn sicher verlieren. Ich bin als Prokurist der Firma derzeit noch u.k. (unabkömmlich) gestellt. Leider wird Hitler mit seinen Naziarmee, jeden Mann für seinen Krieg brauchen, deshalb kann ich meine Familie nicht mehr lange begleiten. Es wäre unverantwortlich, unserem Kind diese schreckliche Welt zuzumuten. Ich hatte Gottvertrauen und schwindelte meinen Mann an, als ich ihm sagte, mein Liebster, du hast wahrscheinlich nicht aufgepasst, meine Periode ist ausgeblieben, antwortete dein Papa, dann hat Gott entschieden und wird auch meinem dritten Kind einen aufmerksamen Schutzengel zur Seite stellen. Dein lieber Papa wusste nicht, dass ich geschwindelt hatte und was für einen Schutzengel der liebe Gott für dich aussuchen musste. Als ich schwanger wurde bat ich Gott, mir einen Sohn zu schenken. Als meine Wehen Samstagnachts einsetzten, schlug ein Blitz, bei einem fürchterlichen Herbstgewitter, ins Transformatorenhaus und hüllte unser Dorf in tiefe Dunkelheit. Dein Papa radelte durch die Gewitternacht zur Hebamme. Mein Mann brachte mit der Hebamme alle Kerzen in unser Schlafzimmer. Als du geboren wurdest, hattest du die Nabelschnur um deinen Hals gewickelt und warst blau angelaufen. Die erfahrene Hebamme schlug dich mehrmals kräftig auf den Po. Als ich dich endlich leise wimmern hörte und die Hebamme mein Söhnchen in meine Arme legte, waren dein Papa und ich, mitten im Krieg, unendlich glücklich. Im flackernden Kerzenlicht konnte ich mein süßes Baby kaum sehen. Du hast als Sonntagskind bei romantischem Kerzenlicht das Licht der Welt erblickt. Morgens als deine Geschwister in mein Schlafzimmer kamen, freute sich unsere Familie über unser süßes Baby. Deine Schwester war besonders stolz, weil sie ein Brüderchen zum Geburtstag bekam. Sie hielt dich im Arm und wollte dich nicht mehr in mein Bett legen. Denke bitte in schwierigen Zeiten dran, dass du mein Wunschkind bist und ich Gott dankbar bin, dass dein aufmerksamer Schutzengel dich begleitet. Deine Schwester war sehr vorsichtig mit dir, sie sagte, mein Brüderchen ist Kriegsware, wir müssen achtsam mit ihm umgehen, damit es nicht kaputt geht.“ Meine Mutter lächelte, als sie daran dachte, und erzählte weiter: „Louis, weißt du, Kriegsware war damals ein stehender Begriff, für Waren und Produkte, die oft defekt und instabil waren. Während des Kriegs waren fast alle deutschen Männer in Hitlers Weltkrieg. Es gab Millionen von Zwangsarbeitern, die in unseren Fabriken arbeiten mussten. Heute wissen wir, dass Juden, Kriegsgefangene unter schrecklichen Bedingungen in unseren Fabriken arbeiteten. Sie wurden geschlagen, litten Durst und Hunger. Deshalb ist es verständlich, wenn sie in den Fabriken keine hochwertigen Produkte erzeugen wollten oder konnten.“ Meine Mutter wurde am 06.11.1910 in Stuttgart als achtes Kind geboren, sie wurde 84 Jahre alt und starb am 14.7.1993. Meine Schwester, Dörte, wurde am 21.10.1936 in einer Klinik in Stuttgart geboren, sie ist fünf Jahre älter als ich. Mein Bruder, Michael, wurde am 04.07.1938 in einem kleinen Schwarzwalddorf geboren, er ist drei Jahre älter als ich. Mein Vater wurde am 18.04.1908 geboren, er ist im April 1944 mit 36 Jahren gefallen, an ihn habe ich leider keine bewusste Erinnerung.
Meine Erinnerungen beginnen in Larenbuch, einem Schwarzwalddorf mit etwa 4000 Einwohnern, davon waren 85 Prozent katholisch. Obwohl die Kirchensteuer in unserer Bundesrepublik damals noch nicht von Finanzämtern eingezogen wurde, waren Kirchen mächtiger als heute. Wenn Katholiken und Protestanten heirateten, wurde von Mischehen gesprochen. Unsere Familie war evangelisch mit pietistischen Wurzeln und deshalb in der Diaspora des Dorfes. Meine liebevolle Mutter konnte ihre drei Kinder in den Kriegs- und Nachkriegszeiten mit damaliger kleinen Kriegswitwen- und Waisenrente, mit Hamstern und einem geringen Zusatzverdienst der Kirche einigermaßen ernähren. An zwei Schulen unterrichtete sie evangelische Religion und am Sonntag Kinderkirche. Da ich ohne Vater aufwuchs, liebte ich meine Mutter und meine Geschwister. Durch den frühen Tod ihres Mannes fehlte meiner Mutter ein Partner, der in schwieriger Nachkriegszeit, die Verantwortung mit ihr teilte. Sie besprach deshalb fast alles mit meiner zwölfjährigen Schwester, die damals früh Verantwortung für unsere Familie mit meiner Mutter teilte. Meinem elfjährigen Bruder, wurde ebenfalls früh Verantwortung übertragen. Als kleiner Junge ging er, bei den uns bekannten Bauern alleine Hamstern, was mit Betteln gleichzusetzen war. Viele Bauern kannten unsere Familie durch die Glaubensgemeinschaft mit pietistischer Stunde. Deshalb kannten sie auch meinen Bruder, der mit Rucksack und Milchkanne, Wege bis zu fünfzehn Kilometer ging, um mit Milch, Brot, Mehl und Eier zurückzukehren. Meine Erinnerungen beginnen mit der Nachkriegszeit, an Kriegszeiten kann ich mich nur noch schemenhaft erinnern, als wir eines Nachts mit Kleidung und Schuhen ins Bett gingen, weil Larenbuch am Kriegsende verteidigt werden sollte. Glücklicherweise wurde unser Dorf nicht verteidigt. Als Französische Soldaten mit Panzern, Lastwagen und Infanterie in unser Dorf kamen, hatten die Einwohner weiße Leintücher aus den Fenstern gehängt. Ich meine, mich an meinen toten Vater zu erinnern, wie er in der Friedhofskapelle aufgebahrt im offenen Sarg lag.
Eine der wichtigsten Tätigkeiten der Nachkriegszeit bestand, in meinen Erinnerungen, aus Hamstern. Ich war für diese Tätigkeit noch zu klein. Oft war meine Mutter unterwegs beim Hamstern, manchmal mit Dörte, manchmal mit Michael und manchmal mit Dörte und Michael. Es gab Zeiten, an denen sie mehrere Tage unterwegs waren. Unser Bundesland war in Besatzungszonen eingeteilt. Für deren Verlassen musste bei der Kommandantur ein Passierschein beantragt werden. Wenn meine Mutter mit meinen beiden Geschwistern unterwegs war, nahm mich die Familie auf, die im oberen unsers dreistöckigen Hauses wohnte. Es war ein Ehepaar mit einer Tochter, die etwas älter war, als meine Schwester. Ich fand Hamstern spannend, denn ich wusste nie, wann Mutter wieder zu Hause war, um ihre Hamstersachen auspackte. Ich war noch zu klein und sorgte mich noch nicht. In meiner Erinnerung lebten wir weitgehend von Kartoffeln, Kraut und Rüben. Rüben aß ich, trotz Hunger, nicht. Brot und Teigwaren waren seltene Genüsse, weil Mehl zu Lebensmitteln gehörte, die nur mit Lebensmittelmarken zu kaufen waren. Es wurde bei allen knappen Produkten, die man auf Lebensmittelmarken erhielt, betrogen. Skandale wurden nur als Dorftratsch bekannt. In die Presse gelangten sie nicht, weil es keine freie Presse gab. Rundfunkanstalten wurden von Besatzungsmächten kontrolliert, deshalb wurden Skandale verschwiegen. Damals waren wir weit entfernt von der Pressefreiheit, die uns heute selbstverständlich ist. Heizmaterial im Schwarzwald bestand vorwiegend aus Holz. In unserer Familie wurde nur die Wohnküche beheizt. Heißes Wasser gab es in einem sogenannten Schiff, einem Behälter, der in Herd eingelassen war und vom Holz- oder Kohlefeuer erhitzt wurde. Es wurden im Laufe eines Jahres, soweit ich mich erinnern kann, fünf Meter Holz gesägt, gespalten und auf den Dachboden in einem Korb mit einem Seil über ein Rad, das am Dachfirst befestigt war, hochgezogen und aufgeschichtet. Viel Zeit wurde mit Holzspalten verbracht. Menschen verfügten damals über viel Zeit, weil viele Menschen arbeitslos waren. Hausbewohner halfen sich gegenseitig beim Holzspalten und beim Aufschichten. Einmal jährlich kam ein Holzsäger, der mit einer traktorähnlichen Kreissäge die Holzstämme zersägte. Mein Bruder und ich spalteten mit dem Beil auf einem Spaltklotz die zersägten Stämme zu Holzscheiten. Unser Holzsäger war Pfälzer und hatte eine Dorfbewohnerin geheiratet. Er war ein „Reingschmeckter“ und sprach pfälzisch, was ich lustig fand. Da seine Säge schon alt war und er gerne pfälzischen „Äppelwei“ trank, hat er sich mit seiner alten Kreissäge mehrmals in Arm, oder in die Hand gesägt. Sein Schutzengel, bewahrte ihn von einer Amputation.
Unsere Familie lebte in einer drei Zimmerwohnung im Parterre. Mutter und Dörte schliefen im Doppelbett des ehelichen Schlafzimmers. Meine Mutter hatte unsere Möbel aus der Schreinerei und Möbelfabrik ihres Vaters die vor dem Krieg im Stuttgart Westen lag. Unsere Möbel waren Massiv und nicht, wie heutige Möbel furniert. Die Schlafzimmermöbel waren aus rötlichem Kirschbaumholz mit einem großen Schrank, einem Doppelbett, einem sogenannter Waschtisch mit Schubladen und einem großen Spiegel. Mein Bruder und ich hatten gemeinsam ein Zimmer mit zwei Betten, einem Tisch, einem Schrank, zwei Stühlen und einem Waschtisch mit Marmorplatte. Unsere Möbel waren weiß. Unser Wohnzimmer mit dunklen Eichenholzmöbeln wurde selten genutzt. Es hatte einen Kachelofen, ein braunes Plüschsofa, einen Sessel, einen ovalen Tisch, den man durch Ausziehen vergrößern konnte und sechs Stühle, ein Buffet und einen Bücherschrank mit einem Geheimfach. Ein Ölgemälde mit einem hässlichen, röhrenden Hirsch, das ein Freund meines Vaters gemalt hatte, hing an der Wand. In unserer Familie spielte sich das Leben in der relativ großen Wohnküche ab. Ein großer Herd, der ständig beheizt war, weil auf ihm Essen gekocht wurde, stand beim Schornstein in einer Ecke. In der Küche hatten wir ein Sofa, einen großen Tisch mit vier Stühlen und einer Bank, die man aufklappen konnte, um Dinge zu verstauen, die selten gebraucht wurden. Ein hellgelbes Küchenbuffet mit Glasschiebetüren, ein Regal über dem Herd und einen Wasser- oder Spülstein, der aus Stein war und dem einzigen Wasserhahn der Wohnung. Unsere Mietwohnung gehörte einem Hausbesitzer, der alleine den mittleren Stock bewohnte. Er arbeitete, nach dem Krieg, wie die meisten Menschen aus unserem Dorf, in einer Uhrenfabrik der nahen Stadt. Die meisten Arbeiter gingen die vier Kilometer zu Fuß. Nur wenige hatten ein Fahrrad. Unser Hausbesitzer war meist mürrisch und unzufrieden. Ich kannte ihn durch die Barzahlung der Miete. Unser Hausbesitzer war an Werktagen erst abends zu Hause. Wir mussten deshalb nur sonntags leise sein. Werktags durften wir zu Hause spielen und toben. Als ich etwas älter wurde, lebte ich in ständiger Angst um meine Mutter. Da wir Halbwaisen waren, fürchtete ich, unserer Mutter könnte etwas zustoßen. Ich erfuhr, dass wir als Waisenkinder und Geschwister, getrennt von Verwandten aufgenommen würden. Ich kroch deshalb jahrelang, wenn ich nachts aufwachte zu meiner Mutter ins Bett. Meine Mutter wachte dabei kaum auf und lies mich im Halbschlaf in ihr Bett schlüpfen. Ich denke, Kriegs- und Nachkriegszeit mit verunsicherten Erwachsenen trugen dazu, dass Kinder oft unsicher und ängstlich waren. Im Gegensatz zu Theorien von Psychologen über gefährdete Kinder, war ich weder verschüchtert noch zurückhaltend, sondern eher ein „Lausbub“ und „Gassenkind“. Ich kletterte auf Bäume und ignorierte Verbote, die meine Mutter aus Sorge aussprach. Es gab Kinder, mit denen ich nicht spielen sollte, da meine Mutter schlechte Einflüsse befürchtete. Ich spielte mit allen Kindern. Ich mochte als Kleinkind Tiere und hatte keine Angst vor Hunden, Pferden oder Kühen. Es gefiel mir, Hunde und Katzen am Schwanz festzuhalten. Ich weiß nicht, warum mich kein Hund gebissen hat. Manchmal warf ich einen Stein nach einem Pferd, obwohl mein Bruder mir erzählte wie lieb die Tiere wären, die den Wagen der Bauern ziehen würden. Meine Schwester erzählte, dass ich, als dreijähriger Junge, wenn ich mit ihr einkaufte, andere Kinder oft fröhlich angelacht und gestreichelt hätte um sie plötzlich zu kneifen. Anscheinend riefen manche Kinder, die mich sahen: „Der Klemmer kommt!“ Ich weiß heute nicht mehr, warum ich Kinder kniff, oder Pferden Steine warf und Hunde am Schwanz festhielt.
Unsere Mutter stammte aus Stuttgart und die Familie meines Vaters kam aus der evangelischen Region des nördlichen Schwarzwalds. Mutter war in unserem Dorf eine sogenannte „Reingschmeckte“. Es gab in unserer Gemeinde nur einen katholischen Kindergarten, den eine katholische Schwester mit Helferinnen leitete. Da viele Kinder diesen Kindergarten besuchten, sagte unsere Mutter: „Wir sehen ihn uns mal an.“ Ich war fünf Jahre alt, als meine Mutter mich anmeldete. Schwester Irmgard hatte ein rotes Apfelgesicht, sie war nach meiner kindlichen Schätzung vielleicht Mitte vierzig. Das weite schwarze, fast bodenlange Kleid, gehörte zur Schwesterntracht. Die weiße Schwesternhaube, die nur das Gesicht freiließ verstärkte ihr rotes Apfelgesicht, sie endete mit zwei weißen Flügeln auf dem Rücken. Die Tracht war schwer und warm, denn die arme Schwester schwitzte im Sommer stark und roch unangenehm. Die vier Helferinnen waren zwischen zwanzig und dreißig Jahre alt. Meiner Mutter gefiel der Kindergarten, sie sprach mit der Kinderschwester und einer Helferin und sagte sie zu mir: „Es wird dir bestimmt gefallen, die Schwester und ihre Helferinnen sind sehr nett.“ Schon damals erkannte ich, dass meine Mutter die meisten Menschen nett fand. Im Gegensatz zu meiner Schwester, sah meine Mutter Menschen meist unkritisch. Mit meiner Schwester unterhielt ich mich oft über Aussehen von Menschen und ihre Macken. Unser Lästern gefiel Mutter nicht. Ich kam in die Gruppe älterer Kinder, die Tante Helga betreute. Tante Helga war etwa 20 Jahre alt, hatte rote Haare und eine helle Haut mit Sommersprossen. Ich hatte damals ebenfalls Sommersprossen. Ihre weiße Haut erinnerte mich an Schneewittchen, aber die roten Haare waren eher die einer Hexe. Für eine Hexe war sie zu hübsch, weil Märchenhexen bekanntermaßen hässlich sind. Mir gefiel unsere Kindertante mit ihrer angenehmen Stimme, die zum alemannischen Dialekt passte, den ich zu Hause kaum sprechen durfte. Bei der Anmeldung sah sie mich mit ihren blauen Augen an, zog ihre Augenbrauen hoch und sagte: „Louis, du passt in meine Gruppe, denn ich habe nur vier Jungs und zwölf Mädchen. Du bist wohl ein kleiner Lausbub. Frau Lautr, ich mag ihr Büble, manchmal muss i a Weng schtreng sei, weil mir so viel Kinder sind.“ Sie strich mir über die Haare und drückte mich an sich. Ich roch sie gerne und freute mich, dass ich in ihrer Gruppe kam. Meine Mutter lächelte und sagte: „Ich habe nichts gegen eine strenge Hand. Sie haben recht, mein Louis ist ein lieber Lausbub.“
Als ich nachmittags pinkeln musste, schickte mich die Kinderschwester mit Tante Helga zur Toilette. Als Tante Helga meinen Penis halten wollte, sagte ich: „Tante Helga, ich kann alleine pinkeln.“ Sie sagte: „Louis du wirsch sicher nebe d' Rinne pinkle.“ Ich fühlte mich schon groß und antwortete: „Weisch Tante Helga, i kann mit meim Schprenzerle scho gut ziele.“ Sie hielt, obwohl ich es nicht wollte, meinen Penis und pinkelte gezielt neben die Rinne. Ich fragte: „Tante Helga, warum hen sie mit meim Schprenzerle jetzt danebe pinkelt?“ Sie antwortete: „Des wirsch glei säh, on no wirsch künftig nimme meine, dass du älles allei köntesch.“ Als wir in Spielraum zurückkamen, erzählte Tante Helga: „Dr Louis hat allei pinkle wolle und neber d‘ Rinne pinkelt.“ Ich war entsetzt und erzählte, wie es wirklich war. Die Schwester, die etwas dick war, stand schwerfällig auf, ging mit Tante Helga und mir zur Toilette, sah sich die schmutzige, stinkende Toilette an, atmete schwer und sagte: „Helga, du musch die Kerle, nicht allei pinkle lasse, du siehsch doch, dass sie die Rinne nit treffet un den Boden voll saichet, Helga, jetzt musch den Kerle in Schtrafraum bringe.“ Im Strafraum erzählte ich der Schwester erneut die Wahrheit und war fassungslos, weil sie mir nicht glaubte. Tante Helga sah mich an, lächelte und sagte: „Louis, hätsch halt uf mi g’hört un nit überall nagsaicht, dann müsst ich dich jetzt nit schtrafe.“ Sie zog mir die Hose runter und legte mich über ein altes Sofa. Ich wehrte mich und strampelte. Schwester Irmgard fragte: „Helga, kasch du den Kerle allei schtrafe, oder muss i dir helfe.“ Tante Helga packte mich im Genick und sagte lachend: „I ka en scho schtrofe, wieviel Schläg soll er kriege?“ Die Schwester sah mich an und sagte: „Ha mindeschtens zehn.“ Als ich mit Tante Helga alleine war, hielt sie meinem Penis fest und sagte: „Du sotsch di nit wehre, sonsch tut's viel ärger weh.“ Ich brüllte und weinte als Helga mir meinen nackten Po versohlte. Sie fragte: „Kasch du uf zehn zähle, no fangsch glei an, nit dass du z'viel Schläg kriegsch.“ Als ich zehn schrie, wollte ich aufstehen. Tante Helga sagte: „Jetzt mache mir a Paus, die Schläg waret für's nebe s‘Klo saiche, jetzt kriegsch nomol zehn, weil du dr Schweschter gsait hasch, i hät dein Schprenzerle g'halte on damit danebe g‘saicht.“ Ich schrie: „Aber es hat doch gschtimmt.“ Tante Helga sagte: „Aber des wisset bloß mir zwei, im Kindergarte gilt immer des was i sag.“ Dann bekam ich zusätzliche Schläge und war entsetzt, weil ich schuldlos bestraft wurde. Ich weinte und fasste meinen Po an. Helga sah mich an, lächelte und sagte: „On damit du künftig tust, was i sag, kriegsch no zwei uf dei Sprenzerle, mit dem wir nebe d' Rinne gsaicht hän. On jetzt leg dich da her.“ Ich sagte ihr unter Tränen: „Aber i han doch nit geloge:“ Helga sagte: „Louis du bisch verstockt, soll i di nomal verhaue?“ Helga hatte einen Schuh ausgezogen, stand mit ihrem Fuß auf meinem Geschlecht und schlug mich erneut. Ich brüllte: „Es tut fürchterlich weh!“ Als wir zurückkehrten waren alle Kinder mäuschenstill. Tante Helga begleitet mich zur Toilette, ich musste mit einem Lappen und einem Eimer die Toilette reinigen. Ich unterdrückte Ekel und Brechreiz. Tante Helga beobachtet mich, wenn sie dachte, ich würde trödeln, traf sie mit ihrem Fuß meinen gestriemten Po. Die Fliegen der stinkenden Toilette setzten sich in mein Gesicht und an meine Beine. Mit einem Fußtritt, traf Tante Helga mein Geschlecht und sagte: „Gel do kriegsch große Auge, han i grad mit meim Fuß deine Eier erwischt, hat‘s weh do?“ Als wir in Spielraum kamen und alle Kinder mich ansahen schämte ich mich, weil Tante Helga meinen Penis festgehalten hatte und weil mich Schwester Irmgard nackt sah. Ich war unschuldig und fühlte mich beschmutzt und schuldig, weil niemand meine Unschuld glaubte. Ich hörte, wie sich die Helferinnen und die Kinderschwester über mich unterhielten. Die katholische Schwester sagte: „Vielleicht sind evangelische Kinder besonders verstockt, weil sie ihre Sünden nicht beichten.“ Als meine Mutter mich abholte, erzählte Schwester Irmgard: „Heut hat ihr Louis gelogen und war sehr verstockt.“ Meine Mutter glaubte Schwester Irmgard und war traurig. Ich war zornig auf die Schwester und Tante Helga. Um meine Mutter nicht trauriger zu stimmen, entschuldigte ich mich bei Tante Helga, lächelte sie freundlich an und sagte: „Ich gehorche künftig.“ Tante Helga küsste mich und sagte: „Frau Lautr, i mag ihr'n Louis, er isch meischtens lieb, on sei Verschtocktheit vergesse mir glei wieder, weil er sich so lieb entschuldigt hat.“
Kapitel 2: Hiebe ohne Liebe

Ich hatte an diesem Tag etwas für mein künftiges Leben gelernt. Seit damals kann ich Zorn und Wut unterdrücken und Menschen freundlich, lächelnd gegenüber treten. Als fünfjähriger nahm ich mir vor, mich für die Schläge und Demütigungen zu rächen. Mein unterdrückter Zorn sollte nicht umsonst gewesen sein. Rache, die ich nie vergaß und auf eine günstige Gelegenheit wartete, begleitete mich mein ganzes Leben. Meine Mutter sagte: Louis, ich bin sehr traurig, weil du die nette Kinderschwester und die Helferin belogen hast.“ Ich konnte meiner Mutter nicht erklären, dass ich die Wahrheit sagte. Um meine Mutter nicht trauriger zu stimmen, gab ich etwas zu, was ich nicht getan hatte und wofür ich nichts konnte. Meine Mutter sagte: „Du siehst, es ist oft besser, wenn man etwas zugeben kann. Es hat Tante Helga und mich sehr gefreut, dass du dich so lieb und nett bei ihr entschuldigt hast. Ich werde für dich beten, damit du künftig nicht mehr verstockt bist.“ Ich umarmte meine Mutter und sagte: „Künftig bin ich nicht mehr verstockt.“ Ich glaubte, der liebe Gott, der alles wusste, würde mir helfen. Er, Tante Helga und ich kannten die Wahrheit. Meine Mutter, die mich auch manchmal mit Schlägen strafte, war entsetzt, als sie abends die Spuren der Bestrafung sah. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass eine Kindergärtnerin ein Kind gerne bestrafen würde. Meine Mutter begleitete mich anderntags in Kindergarten und sagte: „Mein Louis möchte sich auch bei Schwester Irmgard entschuldigen.“ Ich lächelte Schwester Irmgard an und entschuldigte mich. Tante Helga umarmte und küsste mich. Als Junge, der gerne schmuste, gefiel mir Tante Helgas Kuss. Ich küsste sie zurück und biss sie ein wenig. Sie sah mich erstaunt an. Für meine Mutter war sie eine besonders nette Kindertante. Unsere Familie, mein Vater und meine Mutter kamen aus pietistischen Familien. Bei uns wurde mehrmals täglich gebetet, auch vor und nach dem Essen. Abends vor dem Einschlafen betete meine Mutter mit uns Kindern, wie sie sagte, aus dem Herzen, das heißt sie trug unserem lieben Gott ihre und unsere Sorgen vor und bat ihn um seine Hilfe. Als sie an diesem Abend Schwester Irmgard und Tante Helga in ihr Gebet einschloss und Gott bat, er möge mich auf den rechten Weg führen, dachte ich, ein Blitz müsse den Kindergarten treffen. Für mich war klar, dass der liebe Gott, der alles wusste und alles sah, erkannte was man mir im Kindergarten angetan hat. Als nichts geschah, zweifelte ich erstmals an Gottes Allwissenheit und Gerechtigkeit. Ich überlegte, ob Gott vielleicht ein Schlitzohr wäre, der Tante Helga, mit roten Haaren als schöne Hexe erschaffen hätte. In meinem Abendgebet machte ich ihn erneut darauf aufmerksam und erklärte ihm ausführlich, dass es in dem Lied: „Weißt du wie viel Sternlein stehen“ doch eine Strophe gebe, die besagt, dass er auch wüsste „wie viele Kindlein morgens aus ihren Bettlein aufstehen, die er alle gezählt hätte.“ Ich fragte ihn, ob er sich verzählt und mich vergessen hätte und bat ihn von den vielen Englein, die jeden Abend um mein Bettchen stehen würden, mir eines in Kindergarten mitzugeben. Ich hatte das Gefühl, nicht mehr alleine zu sein, sondern einen seiner Engel neben mir zu fühlen. Trotz des Engels, der mich begleitete, geschah im Kindergarten nichts Besonderes. Gott und seine Engel hatten wohl gerade keine Zeit. Deshalb musste ich mir selbst etwas einfallen lassen. Ein Vikar sagte mal in seiner Predigt: „Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott.“ Meine Rache würde ich nicht vergessen. Ich wartete auf eine Gelegenheit und sagte mir immer, wie langsam Gottes Mühlen malen. Ich überlegte, was ich tun könnte. Einen Monat später fand ich auf der Straße einen alten, abgebrochenen und abgenutzten Hufnagel, den mir wohl Gott gezeigt hat. Ich wusste, wenn Dreck und Schmutz in eine offene Wunde käme, würde sie eitern, deshalb drückte ich den abgebrochenen Hufnagel in einen Pferdeapfel, packte ihn in eine alte Zigarettenschachtel und steckte ihn in meine Hosentasche. Ich ging in den nahen Wald, suchte einen Baum mit frischem Harz, und bewahrte es ebenfalls in der Zigarettenschachtel auf. Ich überlegte lange, ob ich mich mit dem Nagel an Schwester Irmgard, oder an Tante Helga rächen sollte. Ich bat abends den lieben Gott um Entscheidungshilfe. Um mir Gehör zu verschaffen, dankte ich ihm zunächst für den Hufnagel. Dann bat ich ihn, mir bei der richtigen Entscheidung zu helfen. Als ich morgens aufwachte hatte ich vom lieben Gott keine Antwort und musste alleine entscheiden. Ich fand Tante Helga, obwohl sie sicher die größere Schuld an meiner Strafe hatte, sehr nett. Sie hatte einen hübschen Po und es hätte mir leid getan, wenn sie sich in den schmutzigen Nagel gesetzt hätte. Ich dachte, Schwester Irmgards Schuld, als Leiterin des Kindergartens würde vor Gott schwerer wiegen. Deshalb plante ich, Rache an Schwester Irmgard zu nehmen. Als ich das Gefühl hatte, dass Gott für mich entschieden hätte, schlief ein. Ich ging morgens etwas früher in Kindergarten und war einer der ersten. Tante Inge hatte die Türe schon aufgeschlossen. Ich klebte den abgebrochenen Hufnagel, der vielleicht noch eineinhalb bis zwei Zentimeter lang war, mit dem frischen Harz vorsichtig auf den Stuhl von Schwester Irmgard. Der Nagel war noch sichtbar, weil er kaum Rost angesetzt hatte, deshalb fügte ich Pferdemist aus meiner Zigarettenschachtel hinzu. Ich zog den Stuhl etwas unter dem Tisch vor, damit sich Schwester Irmgard, ohne den Stuhl zu bewegen, setzen konnte. Der Mist bedeckte den Nagel und auf dem braunen Holzstuhl konnte man ihn kaum erkennen. Ich freute mich auf Schwester Irmgard und dankte meinem Schutzengel, dass es niemand gesehen hatte. Als ich mich umdrehte erschrak ich, Rosanna hatte mich beobachtet und sagte: „Louis, i verschprech dir, bei tausend Todsünde, und meim Lebe, dass ich dich nie verrat. I dät mi saumäßig freue wenn die mit ihrem fette Arsch do nei hocke dät.“ Geteilte Freude ist doppelte Freude und Schadenfreude ist die schönste Freude. Rosanna setzte sich neben mich und sagte: „Louis, du musch deine Händ wäsche, weil se nach Rossbolle schtinket.“ Als ich auf der Toilette meine Hände gewaschen hatte, holten wir Papier und Farbstifte und malten. Tante Helga fragte Louis, warum lag unter deim Tisch gestern Papier? Ich muss dich vielleicht wieder bestrafen, wenn du dein Platz nicht aufräumsch. Rosanna sagte: „Wahrscheinlich isch mir das Papier runter gefalle, dr Louis kann nix dafür.“ Rosannas Worte überraschten Tante Helga, vielleicht wollte sie mich bestrafen. Tante Helga sah uns an und wollte etwas erwidern, als Schwester Irmgard sich hingesetzt hatte und mit einem lauten Schrei aufsprang. Meine Rache war erfolgreich! Ich hätte am liebsten geklatscht. Rosanna fasste unterm Tisch meine Hand und sagte leise: „Gut dass niemand sieht, wie mir zwei uns freuen.“ Wie beschrieben, hatte die katholische Schwesterntracht ein langes, schwarzes etwas steifes Kleid mit Falten im Rock. Das Harz war ein idealer Klebstoff, denn es hielt den Nagel auf dem Stuhl, bis die Schwester sich hinsetzte. Der gestärkte Rock ließ den Hufnagel durch den Stoff gleiten, deshalb war nicht zu erkennen, dass Schwester Irmgard einen Nagel im Hintern hatte. Sie schrie: „Mi hat was gschtoche, des duat so wai, es war vielleicht a Horniss.“ Tante Helga und Tante Inge gingen mit Schwester Irmgard ins Strafzimmer. Ich freute mich, dass die Schwester im Strafzimmer, in dem viele Kinder Schmerzen ertrugen, auch ihre Schmerzen ertragen musste. Ein Hufnagel ist ein vier cm langer, geschmiedeter Nagel, der keilartig spitz zuläuft und bei dem das Pferd den Nagelkopf, beim Laufen auf der Hufe, etwas abschleift. Deshalb drang der abgebrochene, etwa eineinhalb Zentimeter lange Hufnagel, in den Hintern oberhalb des Oberschenkels ein, nur die blutende Stelle war zu sehen. Tante Inge rief den Arzt an. Er konnte den Nagel zunächst nicht finden und wollte die Kindergartenschwester ins Krankenhaus bringen. Sie weigerte sich und bat Dr. Ralwor sie zu behandeln. Dr. Ralwor ein typischer Landarzt, der damaligen Zeit, ließ sich von seiner Frau assistieren und operierte den Nagel raus. Ich dankte abends dem lieben Gott, dass ich mich, mit seiner Hilfe rächen konnte. Anscheinend hatte sich die Wunde entzündet, deshalb musste die Kinderschwester eine Woche zu Hause bleiben. Ich erzählte Rosa leise: „Weisch, i han den Hufnagel im Rossbolle umdreht, vielleicht eitert deshalb jetzt dr Schweschter ihr Arsch.“ Rosanna wurde meine Kindergartenfreundin und sagte: „I find des ganz toll, woher hasch du des gwußt?“ Ich konnte nicht antworten, weil Tante Helga an unsern Tisch kam. Nach einer Woche kam Schwester Irmgard wieder in Kindergarten und fragte jedes Kind, ob es etwas über einen Hufnagel wüsste, oder gesehen, oder erfahren hätte, wer den Nagel auf ihren Stuhl gelegt hätte. Rosanna war lange bei der Befragung. Ich hatte schon Bedenken. Als sie raus kam und mich ansah, schüttelte sie ihren Kopf um anzuzeigen, dass sie nicht gepetzt hatte. Schwester Irmgard saß in einem Sessel auf einem dicken Kissen, sicher tat ihr Hintern weh. Sie fragte mich und blickte mir in die Augen. Ich hatte früh gelernt zu lügen, ohne rot zu werden und konnte Menschen dabei in die Augen sehen. Gleichzeitig konnte ich rasch Ausreden und Geschichten erfinden. Bei der Befragung war bei jedem befragten Kind, die entsprechende Kindergärtnerin aus der Gruppe dabei. Deshalb stand Tante Helga neben mir und sagte: „Wenn’s einer war, no war's dr Louis, mer sott ihn solang verhaue bis er's zugibt.“ Ich fragte zunächst: „War's denn kei Hornis, i han gmeint, sie hättet gsagt, s' wär a Hornis.“ Schwester Irmgard sagte leise zu mir: „Es war ein Hufnagel, der sich durchs Kleid druckt hat.“ Ich war entsetzt und erstaunt: „Was ein Hufnagel, ja wenn a Pferd im Galopp rennt ka so en Hufnagel sogar weit durch d’ Luft fliege un in ihrer schöne Schweschtertracht hänge bleibe, on wen mer na sitzt, no hat mer‘n im Hintere.“ Ich sah wie Tante Helga grinste. Schwester Irmgard sagte: „So wars sicher nit, aber i glaub au nit, dass du ’s warsch, du bisch diesmal sicher nit Schuld. Bei dr Rosanna bin i mir nit sicher, die hat ein usichere Eidruck gmacht.“ Ich sagte: „Die wars sicher nit, i han sie an dem Morge abgholt weil se was vergesse hat.“ Tante Helga fragte: „Was hat sie vergesse.“ Ich antwortete: „I weis nit gnau mei Mutter hats eipackt on hat gsagt, brings der Rosanna, aber i glaub swar ebes von meiner Mutter für dr Rosanna ihren Vater, weil der Zahnarzt isch.“ Schwester Irmgard sagte zu Tante Helga: „Siehst du die Beiden hatten nichts damit zu tun, denn Rosanna sagte dies ebenfalls.“ „Aber“, sagte Tante Helga, „d’ Rosanna hat gsagt, sie wär zu Lautrs glaufe.“ „Schtimmt“, antwortete ich „mir hen uns ufem halbe Weg troffe.“ Tante Helga sagte zu mir: „Des tut mir leid, i hät dich fascht falsch verdächtigt, da müsst i mi ja fascht bei dir entschuldige.“ Ich nahm die Entschuldigung an und war von damals Quitt. Heimlich freute ich mich und stellte mir vor, wie unser Arzt der Schwester den Nagel aus ihrem Arsch operierte. Bei der Befragungsprozedur wurde Hartmut verdächtigt, weil er bei der Befragung stotterte. Damals wusste ich noch nicht, dass Hartmut Jahre später mein Freund würde. Ich wollte nicht, dass man ein anderes Kind bestraft und überlegte, ob ich mich melden müsste. Als Hartmuts Mutter ihren Sohn abholte, wurde die Hufnagelgeschichte mit ihr besprochen, sie sagte: „Wenn mein Hartmut aufgeregt ist, stottert er immer.“ Hartmut war an dem ereignisreichen Tag nicht im Kindergarten, weil er seine Tante besuchte. Schließlich glaubten alle, der Nagel hätte zufällig auf dem Stuhl gelegen, oder sich im Kleid der Schwester verfangen. Meine Mutter würde man heute wohl als Gutmensch bezeichnen. Als sie morgens die Mutter von Rosanna traf, unterhielten sich beide Mütter über den schrecklichen Vorfall. Meine Mutter fand die Meinung der Kinderschwester absurd, sie sagte: „Frau Friedrich, ganz ehrlich, so etwas macht doch kein fünfjähriges Kind.“ Rosas Mutter war der gleichen Ansicht. Als die Mütter dies der Kinderschwester erklärten, sagte Schwester Irmgard: „Meine Helferin, d' Helga, dachte es könnte ein Kind gewesen sein, deshalb ging ich dem Verdacht nach.“ Bei den Gesprächen und Gerüchten die über den Vorfall geäußert wurden, stand ich oft neben Rosanna. Wir sahen dabei immer sehr unschuldig aus, wenn wir alleine waren sahen wir uns um, ob niemand in der Nähe war, dann nahm Rosanna meine Hand und sagte: „Bloß mir zwei wisset, wie es wirklich war. Wenn i schpäter zur Beichte muss, han i den Hufnagel vergesse. Es bleibt immer unser Geheimnis.“ Ich sah Rosanna dankbar an und sagte: „Du bisch 's tollschte Mädle, des i kenn un i verschprech dir, i helf dir immer, wenn du mi brauchsch, du bisch nit nur toll, du bisch au s' schönschte Mädle vom Kindergarte, un vom ganze Dorf oder sogar von dr ganze Welt.“ Rosa sah mich an und fragte: „Glaubsch du des, oder sagsch du's nur so?“ „Rosa“, sagte ich und gab ihr meine Hand, „Ehrewort, des glaub i, un des isch au so, i han no nie a schöners Mädle gseh.“ Rosa lächelte, nahm meine Hand und fragte: „Ha Louis, dei Ehrewort glaub i dir, denksch du, dass andre Leut des au meinet?“ „Rosanna“, antwortete ich, „des sehet älle Leut, weil du au so a schöne Mutter hasch.“ Tante Helga fragte: „Was schwätzet ihr zwei, denn grad?“ Ich antwortete: „I han dr Rosanna gsagt, sie wär's schönste Mädle vom Dorf.“ Helga lachte laut und sagte: „Solche Komplimente machsch du scho, aber du hasch recht, d' Rosanna isch wirklich a schös Mädle.“

Jeden Morgen pinkelte ich zu Hause bevor ich in Kindergarten ging, trotzdem musste ich, da wir im Kindergarten Tee tranken, oft erneut pinkeln. Ich versuchte mich heimlich davonzuschleichen, um zu pinkeln, was mir selten gelang. Ich ließ von Tante Helga meinen Penis beim Pinkeln halten und schämte mich. Ich wusste nie, ob Tante Helga etwas ungeschickt war, oder ob sie absichtlich an meinem Penis zog. Ich erzählte es meiner Mutter, die mir erklärte: „Louis, Tante Helga schlägt Kinder nur aus erzieherischen Gründen. Erwachsene bestrafen Kinder ungern, Kinder müssen erzogen werden, deshalb sind schmerzhafte Strafen notwendig. Um dir Schläge zu ersparen, hält Tante Helga beim Pinkeln dein Sprenzerle.“ Ich antwortete: „Ich geniere und schäme mich, wenn Tante Helga mein Sprenzerle in ihr Hand nimmt.“ Meine Mutter lächelte und sagte: „Das musst du nicht, dein Sprenzerle ist für Tante Helga nicht wichtig, sie zieht und drückt dich nicht absichtlich. Manche Buben können noch nicht richtig pinkeln, deshalb hält Tante Helga dein Sprenzerle.“ Prügelstrafen mussten alle Kinder, bei geringstem Ungehorsam, oder bei einer Unachtsamkeit, erdulden. Das Putzen der stinkenden Toilette, die damals noch keine Wasserspülung hatten gehörte zu üblichen Strafen. Alma, ein Mädchen aus meiner Gruppe, musste ebenfalls die Toilette mit einem schmutzigen Lappen putzen. Als sie sich erbrach wurde sie im Strafraum von Tante Helga bestraft. Sie kam verheult aus dem Strafraum zurück. Einige Kinder weinten, wenn ihre Eltern sie zum Kindergarten brachten. Die meisten Eltern glaubten damals, dass man durch körperliche Bestrafungen den Kindern Zucht und Ordnung beibringen würde. Oft bestrafte Tante Helga mit Schwester Irmgard, auch Kinder, die nicht aus ihrer Gruppe waren. Ich hörte, als Schwester Irmgard einer Mutter sagte: „Manche Kindertanten haben Mitleid mit Kindern und können deshalb keine Bestrafungen durchführen.“ Wenn meine Mutter mich in Kindergarten brachte, umarmte mich Tante Helga und drückte mich an sich. Meine Mutter fand Tante Helga sehr nett und sagte es ihr. Obwohl sie mich manchmal bestrafte, sagte ich: „Tante Helga, du gefällst mir und ich mag dich auch.“ Mit meiner Schwester ging ich oft und gerne einkaufen. Sie sagte: „Louis, ich unterhalte mich gerne mit dir. In den Läden müssen wir nicht so lange warten, wenn du jammerst und weinst, lassen uns Erwachsene oft vor. Es gefällt mir, weil Erwachsene dich so nett finden und nicht wissen, wie frech du manchmal bist.“ Ich erzählte meiner Schwester: „Tante Helga sieht sehr nett aus, es gefällt mir, wenn sie mich an sich drückt, weil ich sie gerne rieche. Dörte es ist komisch, ich glaube, dass Tante Helga mich gerne bestraft, obwohl sie mich mag.“ Da meine Mutter mich nicht verstand, redete ich mit meiner Schwester. Meine Schwester fand meine Fragen lustig und sagte: „Tante Helga mag dich, weil du ein netter Lausbub bist und obwohl sie dich mag, bestraft sie dich. Ich glaube nicht, dass es ihr gefällt. Aber es ist sicher schöner, ein nettes Kind zu bestrafen, als ein hässliches.“ Ich fragte: „Dörte, glaubst du, dass sie deshalb auch Rosanna bestraft, weil sie s'schönste Mädle isch?“ Meine Schwester lachte und fragte: „Gefällt dir Rosanna?“ Ich erklärte meiner Schwester, warum mir Rosanna gefiel und fragte: „Ich kann aber nicht verstehen, warum man schöne Kinder bestraft, wenn sie nichts getan haben.“ Meine Schwester sagte: „Rosanna und du werden sicher nicht grundlos bestraft.“ Ich bemerkte, dass mir wohl niemand die Wahrheit glauben würde und überlegte, warum Tante Helga lügen würde, um Kinder zu bestrafen. Wenn die Kinderschwester nicht anwesend war, erzählte Tante Helga was Kinder aus ihrer Gruppe angestellt hätten. Obwohl Rosanna neben mir spielte, erzählte Helga, sie hätte mit der Schere den Stoff eines Kissens zerschnitten. Ich sagte: „Es kann nicht sein, weil Rosanna mit mir gemalt hat.“ Rosanna wurde von Tante Helga bestraft und kam danach weinend aus dem Strafraum. Ich konnte mir nicht erklären, warum Tante Helga gelogen hatte. Ich erinnere mich an einen schwarzen Tag, der sich in mein Gedächtnis eingebrannt hatte. Als wir mit Kreide auf der großen schwarzen Tafel an der Wand in unserer Gruppe ein gemeinsames Bild malen durften und die Kinderschwester zurückkam, fragte sie: „Wer hat an der Wand mit roter Kreide einen Strich gemalt?“ Wir sahen an die Wand und entdeckten einen roten Kreidestrich. Tante Helga sagte sofort: „Es war dr Louis.“ Ich sagte: „Ich war gar nicht an dieser Wand, ich habe mich sehr gefreut , mit Kreide an der Tafel zusammen mit Rosa ein Bild zu malen. Ich hatte die rote Kreide nicht mal in der Hand.“ Ich wollte meine Hand hochhebe, als mich Tante Helga an der rechten Hand zu dem roten Strich zerrte und allen meine rechte Hand zeigte, sie war rot vom Kreidepulver, was ich mir nicht erklären konnte, da ich die rote Kreide nicht in der Hand hatte. Rosanna erklärte mir später: „Weißt du Tante Helga, hat mit ihrer roten Kreidehand, als sie dich an der Hand nahm und zur Wand zerrte, deine Hand rot gefärbt.“ Rosanna, wusste, dass ich die ganze Zeit neben ihr stand. Sie sagte: „Schwester Irmgard, dr’ Louis war’s nit, der isch immer an der Tafel nebe mir gschtande.“ Weder Schwester Irmgard, noch die Kindertanten glaubten uns. Sie meinten erneut ich wäre verstockt und würde lügen. Tante Helga zog mich in Strafraum. Schwester Irmgard fragte: „Helga kasch du den Kerle allei strafe, oder muss i dir helfe?“ Tante Helga bestrafte mich alleine. Es dauerte eine Ewigkeit, denn sie ließ sich Zeit. Sie zog mir die Hose und die Unterhose aus und holte aus dem Schrank zwei weiße aufgerollte Binden. Ich schaute ihr zu und fragte: „Aber Tante Helga, warum willsch du mi denn verhaue, i han doch den Strich gar nit gmacht?“ Helga antwortete: „Louis, du hasch scho so viel agschtellt, dass es auf den Schtrich nit ankommt, i verhau dich so, dass du des im Lebe nit vergisch.“ Ich konnte nicht verstehen, warum mich Tante Helga bestrafen wollte, obwohl sie wusste, dass ich keinen Strich an die Wand gemalt hatte. Ich verstand meine Kinderwelt nicht mehr. Tante Helga band mit der Binde erst einen Fuß um die Knöchel an einem Bein des Sofas fest, dann wickelte sie die andere Binde um meinen Knöchel und spreizte meine Beine, um den andern Knöchel am andern Sofabein fest zubinden. Ich schrie: „Au, das tut weh, bitte nit!“ Sie sagte: „Dein Gschrei nützt gar nix, denn jetzt geht's erscht los.“ Sie zog ihren Schuh aus und drückte mit dem Fuß meinen Kopf auf das Sofa. Ihr Kleid fiel über meinen Kopf. Ich nahm ihren Geruch war. Sie hatte einen dunkelblauen Schlüpfer an, ich sah ihre weißen Beine und neben Ihrem Schlüpfer ihre roten Haaren. Mein Po war straff über die Lehne des Sofas gespannt. Sie schlug mich mit ihrer Hand und traf meinen Po, meine Schenkel und meinen Penis, sie fasste mit einer Hand meinen Penis an und schlug mit der andern Hand auf meinen Po. Die Schmerzen waren unerträglich. Ich bekam kaum noch Luft zum Weinen und Schreien. Als sie endlich den Fuß wegnahm, konnte ich mich kaum aufrichten. Sie fasste mich am Genick und zog mich hoch. Sie sah mich an und sagte: „Du bisch a ganz verdorbes Bürschle, du hasch mir unter mein Rock guckt, dafür kriegsch glei nomal eine rechts un links uf dei Schprenzerle.“ Ich konnte nur noch schluchzen. Als sie meine Unterhose anzog, fragte sie mich: „Wo hasch deine Eier?“ Sie fand und drückte sie, ich schrie laut. „Gel“, meinte sie und schaute mich an, „da han i deine kleine Bäll doch no gfunde, soll i se dir no mal a Weng drucke?“ „Bitte, Tante Helga, bitte, bitte lass mich los, es tut so schrecklich weh.“ Als sie mir endlich meine Hose angezogen hatte, fasste sie nochmals in meine Hose und sagte: „Jetzt hat dei Zipfele a Weile Ruh.“ Alle Kinder sahen mich an, als mich Schwester Helga im Genick haltend vor sich her schob und der Kinderschwester erzählte: „Mir kas kaum glaube, aber der klei Lausbu hat mir unter mein Rock guckt, no han i den Kerle nomal verhaue müsse.“ Die Kinderschwester sah mich an und überlegte laut: „Was glaubsch, warum ist ein Fünfjähriger schon so verdorben? Es ist die Erbsünde!“ Ich schämte mich und wäre am liebsten in ein Mausloch gekrochen. Mein Po und mein Geschlecht taten mir weh. Ich konnte fast nicht mehr sitzen. Rosanna sagte: „I han di schreie ghört, on i weiß sicher, dass du kein Schtrich gmacht hasch, i hät fast au geheult. Was könnet mir mache, dass sie uns nit schlägt?“ Ich wusste es nicht. Diesmal erzählte ich meiner Mutter nichts, denn sie fand Tante Helga nett und hätte kaum geglaubt, dass Tante Helga gerne Kinder schlägt. Tante Helga hatte gelogen, um mich zu bestrafen. Ich wusste nicht, warum sie es tat, denn ich hatte immer noch das Gefühl sie würde mich mögen. Wir bekamen im Kindergarten manchmal Vesper und Tee. Rosanna fiel die Tasse aus der Hand, weil sie wohl die heiße Tasse, ohne Henkel, nicht mehr halten konnte. Die Tasse zerbrach in tausend Stücke. Ich wollte ihr helfen, die Scherben aufzulesen. Tante Helga sagte: „Rosanna soll die Scherben alleine auflesen und muss dann mit mir und Schwester Irmgard zum Strafraum.“ Ich hörte sie durch die verschlossenen Türen weinen und schreien. Als sie vom Strafraum zurückkam, musste sie eine heiße Tasse in der Hand halten, Tante Helga zählte langsam bis 50, dann durfte sie die Tasse abstellen. Ich konnte kaum glauben, dass wir Kinder keine Chance hatten, einer so willkürlichen Strafe zu entgehen, denn Rosanna war unschuldig. Sie hatte die Tasse nicht absichtlich fallen lassen. Erneut hatte ich den Eindruck, dass es manchen Erwachsenen gefiel, Kinder zu bestrafe. Als Rosanna mit Tante Helga aus dem Strafraum zurückkam, sich neben mich setzte und immer noch schluchzte, fragte ich sie, ob sie noch Schmerzen hätte, denn ich merkte, dass sie kaum sitzen konnte. Rosanna sagte: „Weisch Louis, Tante Helga hat mi mit ihrem Ellboge agschtoße un deshalb isch mir die Tass runter gfalle. Die hat mein Po un mei Kätzle verhaue, es tut mir immer no saumäßig weh, au weil Tante Helga mir no heiße Tee drüber gschüttet hat, on das Schlimme ist, i han gar nix dafür kenne, die Tass war zwar heiß, aber i hät se doch nit falle lasse, wenn sie mi nit angstoße hät.“ Ich wusste nicht was für ein Kätzchen Rosanna hatte und fragte sie. Sie nahm mich an der Hand und hob im Hausgang ihr Kleidchen hoch, streifte ihren Schlüpfer runter und zeigte mir ihr Kätzchen. Wir ahnten nicht, dass wir etwas Verbotenes taten. Wir erfuhren es umgehend, weil Tante Helga uns sah und uns in Strafraum brachte. Sie holte die Kindergartenschwester. Rosanna und ich wussten nicht was wir schlimmes getan hatten. Schwester Irmgard sagte: „Ihr habt eine große Sünde begangen, weil ihr unkeusch wart, dafür werdet ihr gegeißelt, Es ist die Erbsünde, man merkt man dass der Teufel überall Opfer sucht und schon Fünfjährige verführt. Es ist schlimm, dass Kinder so verdorben sind. Unterm Führer wären solche Kinder in ein Erziehungsheim gekommen. In dem Alter wusste ich nicht, dass es zweierlei Menschen gibt. Man müsste fast den Teufel aus diesen Kindern treiben, damit sie rechte Katholiken werden.“ Tante Helga sagte: „Wenn ich es nicht mit eigenen Augen gesehen hätte, würde ich es nicht glauben.“ Ich sagte, aber wir haben doch nichts Schlimmes getan, d’ Rosanna hat mir bloß ihr Kätzle zeigt, weil d' Tante Helga ihr heiße Tee drüber gschüttet hat. On i nit gwißt han, was d’ Rosanna für a Kätzle hat.” Schwester Irmgard sagte: „Also hat diesmal d’ Rosanna den Louis verführt. Beide Kinder sind verdorben, aber d’ Rosanna musch ärger schtrafe. Leider reicht die Zeit heut nicht mehr, wir müssen die Strafe verschieben.“ Ich fragte: „Rosanna was ist gegeißelt?“ Rosanna antwortete: „Ich weiß nicht, aber a Geißel isch was Ähnliches wie eine Peitsche.“ Wir trauten uns nicht, es unseren Müttern zu erzählen. Wir trösteten uns gegenseitig und machten uns Mut, es könne nicht so schlimm sein, denn wir wären ja Kinder und hätten nichts von einer Sünde gewusst. Ich überlegte nachts was wohl eine Geißel wäre und was für eine Strafe wir bekämen. Ich schlief wenig und versuchte erneut, den lieben Gott auf mich aufmerksam zu machen. Ich fragte ihn, was für Sünden wir begangen hätten. Er äußerte sich nicht mal im Traum. Es war ihm wohl gleichgültig. Meiner Mutter, die so schön aus dem Herzen beten konnte, durfte ich es nicht erzählen, da sie sonst traurig würde. Ich zweifelte an der göttlichen Liebe und dachte, ob es ihm wohl gefallen würde, wenn wir bestraft würden, weil er ja in seinen biblischen Geschichten oft zornig auf sein ganzes Volk war und es bestrafte und sogar seinen eigenen Sohn, Jesus, von den Römern kreuzigen ließ und die danach ihre Hände in Unschuld wuschen. Im Kindergarten war alles normal, ich freute mich und dachte, man hätte unsere Strafe vergessen. Nach der Vesperpause rief uns Tante Helga in Strafraum und sagte: „ Louis und Rosanna zieht euch aus, damit euch bei der Geißelung keine Kleidung schützt.“ Ich fragte: „Tante Helga, für welche Sünde werden wir gegeißelt?“ Sie holte Schwester Irmgard und sagte: „Die zwei behauptet sie wüsstet nit für welche Sünde wir sie strafen, du musst es den verdorbenen Kindern erklären.“ Schwester Irmgard erklärte: „Was ihr getan habt, ist gegen das Keuschheitsgebot, es ist fast eine Todsünde, d' Rosanna hat dir ihr Geschlecht gezeigt, und du hast es anguckt und angefasst, du hättest ihr sagen müssen, dass sie es niemand zeige darf.“ Ich sagte: „Aber ich wusste von der Sünde nichts.“ Tante Helga sagte: „Des isch scho immer so gwe, Unwissenheit schützt nicht vor Strafe. Sonsch dät jeder sage er hät' s nit gwißt.“ Schwester Irmgard sagte: „Der Teufel in euch wird gegeißelt, weil ihr es nicht wusstet, es ist die Erbsünde in euch ist.“ In süßlichem und falschem Ton sagte sie: „Keuschheit ist, die Beherrschung des Geschlechtstriebes. Die Tugend der Keuschheit macht uns stark. Schaut her ich als Schwester beherrsche den Geschlechtstrieb das ganze Leben, deshalb bin ich stark.“ Ich schaute sie an und sagte: „Aber Schwester, sie sin doch nit stark, sondern dick.“ Sie sah mich böse an erklärte uns weiter: „Die Schamhaftigkeit ist ein Schutzwall um die Tugend der Keuschheit zu bewahren.“ Ich sah Rosanna an, denn ich hatte nichts verstanden. Es klang wie auswendig gelernt. Ich fragte: „Schwester, was isch ein Geschlechtstrieb? I kenn ein Treibriemen vom Klaum seiner Werkschtadt, der treibt so Maschine an. Seit d‘ Rosanna und ich wissen, dass es eine Sünde ist, treiben wir es nicht mehr. Bei der Fabrik vom Niep habe ich auch einen Treibriemen gesehen, Herr Niep weiß sicher nit, dass er mit seim Treibrieme sündigt.“ Schwester Irmgard schaute mich wütend an und sagte zu Helga: „Du musch dich anstrengen, die Zwei hän ihre Strafe verdient, der kleine Evangelische wird au no unverschämt und meint er könnt mi versekle. Jetzt musst du loslege, die dürfen ihre Strafe ihr Leben lang nit vergesse.“ Ich sagte: „Aber Schwester, wenn es doch eine Sünde ist, wenn wir uns nackt sehn, dann sündigen sie auch, denn sie sehen uns die ganze Zeit und d’ Rosanna sieht mich nackt und ich sehe d' Rosanna auch nackt.“ Tante Helga schaute mich an und sagte: „Ja glaubst du, dass d’ Schwester Irmgard und ich euch gern ansehen? Und dass ihr zwei euch anseht, ist nicht unkeusch, weil es der Strafe dient und die geht gleich los, dann vergeht euch die Unkeuschheit.“ Schwester Irmgard sagte erneut: „Es soll vor allem dem Teufel Schmerzen bereiten.“ Tante Helga band erst mir und dann Rosanna die Hände mit Mullbinden zusammen. Unsere gebundenen Hände zog Tante Helga hoch über den Kopf und band sie an einer Stange der Decke fest. Wir standen uns auf Zehenspitzen gegenüber und konnten uns kaum bewegen. Tante Helga hat wohl Mullbinden verwendet, weil im Kindergarten keine Schnüre waren und weil es nach dem Krieg nur Papierschnüre gab. Die Kinderschwester schaute uns noch mal an, sie kniff Rosanna und mich in Po und sagte: „Helga jetzt kannst du loslegen.“ Kurz danach kam Tante Inge ins Strafzimmer und fragte Schwester Irmgard nach Tafelkreide. Schwester Irmgard stand mit einem Seufzer auf und sagte: „Helga, ich hätte der Bestrafung gerne zugesehen, leider muss ich mich um die anderen Kinder kümmern.“ Tante Inge fragte: „Helga kannst du die Kinder alleine bestrafen, oder muss ich dir helfen. Helga antwortete: „Die Zwei schtraf i allei, es dauert halt a Weng länger.“ Inge sagte: „Aber Helga übertreibs nit, du weisch, dass sich scho Eltern beklagt hen.“ Helga antwortete: „Da brauchsch dir diesmal keine Gedanke mache, im Louis sei Mutter ka mi gut leide, sie hat gsagt i kann streng sei un dr Rosanna ihr Vater sagt sicher nichts, denn i sag alle Kinder, er wär en gute Zahnarzt. I könnt ja au s' Gegeteil de Leut sage.“ Sie nahm die Geißel aus dem Schrank. Jetzt sah ich den Unterschied zwischen Peitsche und Geißel. Eine Peitsche, wie ich sie von Bauern kannte hatte einen langen Stiel und einen Riemen. Die Geißel von Tante Helga bestand aus einem kurzen Stock, an dem fünf Riemen befestigt waren. Tante Helga schlug mich mit dieser Geißel auf meinen Po. Meine Zehenspitzen verloren den Halt, ich hing nur noch an meinen Armen. Ich wollte ausweichen, da meine Hände gebunden waren konnte ich der strafenden Geißel nicht ausweichen und musste die Schmerzen ertragen, die sich über meinen Körper ausbreiteten und sich mit jedem Schlag verstärkten. Noch nie hatte ich solche Schmerzen. Die Pausen, verschlimmerten die Schmerzen. Es folgten weitere Schläge auf Brust und Rücken. Ich konnte nur fürchterlich schreien und brüllen, was Tante Helga nicht beeindruckte. Ich schrie: „Des tut doch uns weh, on nit im Teufel, des isch doch nit richtig, wenn d’ Schwester sagt, du tätsch den Teufel schtrafe, du schlägsch doch uns!“ Helga sagte lächelnd: „Wenn ihr euch immer umdreht, kann es sein, dass euch die Riemen no schlimmer treffet, deshalb wärs besser ihr dätet ruhig schtande bleibe.“ Dies war uns nicht möglich, sicher gehörte es zum Strafritual. Rosanna bekam ebenfalls mehrere Schläge auf Po, Brust und Rücken. Rosa schrie ebenfalls und versuchte den Schlägen auszuweichen. Tante Helga erklärte uns: „Immer nach fünf Hieb gibt’s a Verschnaufpaus.“ Ich bat und bettelte, endlich aufzuhören. Es half nichts die nächsten Schläge trafen meine Beine und mein Geschlecht, ich dachte ich würde sterben. Ich sah, wie Rosanna ‘s Haut an manchen Stellen aufplatzte, ihr Kätzchen hatte rote Striemen und es blutete an einer Stelle. Ich brüllte noch lauter. Rosa wurde rot vor Schreien. Wir erstickten fast an unserem Geschrei. Ich dachte, unsere Bestrafung würde kein Ende finden und überlegte, ob man uns totschlagen würde. Ich weiß nicht wie lange die Bestrafung dauerte. Es kam mir endlos vor. Wir schrien und winselten: „Bitte aufhören.“ Irgendwann war die Bestrafung zu Ende. Tante Helga sagte: „So, ich glaube es reicht, damit sich eure aufplatzte Wunde nit entzündet, opfere ich wertvollen Schnaps, un desinfiziere die Stellen.“ Sie schüttete sich die klare und eigenartig riechende Flüssigkeit in die Hand und rieb zunächst meine aufgeplatzten Wunden ein. Sie sagte: „Jetzt guck, da hat‘s dein Glockenbeutel und dein Denger erwischt, da must du tapfer sein, wenn ich dein Ding einreibe.“ Damit rieb sie meine Wunden ein. Als sie mit ihren Schnaps getränkten Händen mein Geschlecht einrieb konnte ich es nicht mehr aushalten. Ich schrie wie am Spieß. Tante Inge kam rein gestürzt. Als sie uns sah, sagte sie: „Helga ich glaube du hast nimmer alle Tasse im Schrank, guck doch mal was du getan hast, das sind doch kleine Kinder.“ Tante Helga sagte zu ihr: „Du ich konnte nicht anders, die zwei hän doch so gsündigt on hän am Anfang no gsagt, es dät im Teufel nit weh, no bin i erst richtig zornig worde.“ Rosanna ging es etwas besser, sie wurde von Tante Inge vorsichtig mit Schnaps eingerieben. Als sich Tante Inge Rosannas Kätzchen und ihren Po ansah und einrieb schüttelte sie den Kopf und sagte: „Es sind doch Kinder, wie kannst denn du so drauf schlage, manchmal könnt mer meine, es dät dir gfalle.“ Wir konnten nicht mehr sitzen und fast nicht liegen. Unsere aufgeplatzte Haut entzündete sich zwar nicht, aber sie brannte wie Feuer. Diese deutlich sichtbaren Schläge mit den vielen Striemen waren meiner Mutter zu viel, sie ging mit mir zu unserem Arzt. Dr. Ralwor gab meiner Mutter Creme gegen Schmerzen und Striemen. Rosanna ging mit ihrer Mutter ebenfalls zum Arzt. Damals wurde Kinder oft mit Schlägen bestraft, deshalb unternahmen Ärzte wohl nichts. Dr. Ralwor sagte zu meiner Mutter: „Die Kinderschwester ist sehr streng, ich habe schon mehrmals Kinder behandelt. Die Ärzte haben sich kaum gegen eine katholische Institution aufgelehnt. - Später erfuhr ich, dass unser Arzt mit Pfarrer und Bürgermeister gesprochen hat. - Ich musste nach dieser qualvollen Geißelung nicht mehr in Kindergarten. Rosanna ging noch eine Woche, bis auch ihre Mutter sie nicht mehr in Kindergarten brachte. Andere Kinder litten länger. Im Jahr 1946 fanden Ärzte und Eltern die Strafen im Kindergarten übertrieben, aber nicht außergewöhnlich, weil alle Kinder bis in die 60er Jahre mit Schlägen bestraft wurden. In der Schule gab es damals Tatzen bei denen die Haut der Hände aufplatzte. Auch sogenannte „Hosenspannes“ gehörten zur Bestrafung. Lehrer und Lehrerinnen, die weder pädophil noch sadistisch waren, fanden Bestrafungen normal. Im Kindergarten war ich etwa fünf oder sechs Monate. Ich erinnere mich bis heute an Bestrafungen, nicht nur wegen der Schmerzen, sondern wegen den ungerechten Behandlungen. Natürlich erinnere ich mich auch an schöne und interessanten Spiele, die wir gelernt und gespielt haben. Als ich vom Kindergarten befreit war, verdrängte ich die Zeit der grausamen Strafen. Ich träumte manchmal vom Strafzimmer im Kindergarten. Einmal träumte ich, Schwester Helga hätte mich mit heißem Tee verbrannt.

Da ich nicht mehr in Kindergarten ging, konnte ich meine Mutter oft nach Schusslach begleiten. Sie war Mesnerin in unserer kleinen evangelischen Kirche und unterrichtete Religion an unserer Dorfschule und der Zwergschule im Nachbardorf. Mit dem kleinen Einkommen besserte sie ihre geringe Witwenrente etwas auf. Zur Schusslacher Schule hatten wir vier Kilometer Fußweg. Ich begleitet meine Mutter gerne, wir waren weite Fußwege gewohnt. Die Geschichten, die meine Mutter den Kindern im Religionsunterricht erzählte gefielen mir. Ich zweifelte manchmal am Wahrheitsgehalt der biblischen Geschichten. Außer Zugverbindungen gab es damals keine öffentlichen Verkehrsmittel. Auch bei Regenwetter begleitete ich meine Mutter gerne, weil ich mich unterwegs mit meiner Mutter, ohne meine Geschwister, unterhalten konnte. Unsere evangelische Kirche war damals keine richtige Kirche, sondern eine Halle, sie hatte weder einen Turm noch Glocken. Meine Mutter reinigte und putze als Mesnerin, die kleine Kirche, sie wusch und bügelte den Talar und die weißen Beffchen, die gestärkt wurden. Beim Putzen halfen meine Geschwister und ich. Ich stieg manchmal auf die Kanzel und predigte. Besonders schön fand ich das Abendmahlgeschirr, es war außen Silber und innen Gold. Das Blut Christi war Rotwein, den meine Mutter im Kolonialwarengeschäft einkaufte. Es hatte für mich etwas Unehrliches, wenn unser Pfarrer behauptete, es wäre das Blut Christi. Aus dem wunderschönen Kelch trank ich manchmal Wasser und hatte das Gefühl, es würde besonders gut schmecken. Wir wohnten gegenüber der Kirchenhalle. Unser Dorf hatte keine Pfarrstelle und wurde von der nächstgelegenen Stadt versorgt. Der Pfarrer oder Vikar der sonntags zur Kirchenpredigt nach Larenbuch kam, zog den Talar in unserer Wohnung an, weil die kleine Kirche keine Sakristei hatte. Der Ofen der Kirche wurde, wenn es sehr kalt war, oft schon am Samstag von meiner Mutter beheizt. Nach der Kirche war immer Kinderkirche, die meine Mutter hielt. Ich war deshalb jeden Sonntag erst in der Kirche und anschließend in der Kinderkirche. Meine Mutter war trotz Pietismus eine fröhliche Frau. Mein Großvater mütterlicherseits war in pietistischen Kreisen ein bekannter Prediger und Bibelausleger. Auch mein Großvater väterlicherseits, der bereits vor meiner Geburt verstorben war, hatte bei pietistischen Stunden gepredigt. Deshalb waren meine Mutter und mein verstorbener Vater in diesen Kreisen bekannt. Meine Mutter sah, so denke ich heute, den Pietismus recht pragmatisch, denn hier konnte sich unsere Familie in der Nachkriegszeit, sonntags bei Bauern satt essen, bei denen die pietistischen Stunden stattfanden. An Sonntagen standen wir relativ früh auf. Vor dem Frühstück ging meine Mutter in die Kirche und legte, im Winter, erneut Holz in Ofen, dann gab es ein Frühstück mit einer selbst gemachten Sonntagsmarmelade. Danach ging unsere Familie in Sonntagskleidung zur Kirche. Die Kirche war für mich immer, obwohl ich von der Predigt nur wenige Sätze verstehen konnte, interessant, weil mir die gesungenen Choräle gefielen. Gleichzeitig dachte ich mir Geschichten aus und beobachtete Menschen. In der ländlichen Kirche saßen Männer meist auf der rechten Seite des Ganges und Frauen auf der linken. Manche Ehepaare trennten sich in der Kirche. Einige Frauen mischten alte Zöpfe auf und saßen bei den Männern. Meine Mutter zeigte sich als Frau aus der Großstadt und hielt sich bewusst nicht an diese ländliche Tradition. Sie setzte sich grundsätzlich auf die rechte Seite. Einmal sah ich wie ein Mann einer Frau unter den Rock fasste. Ich überlegte, ob es seine Frau wäre und ob er mit ihrem Kätzchen spielte. Ich zeigte es meiner Mutter und fragte, ob es unkeusch wäre. Meine Mutter sagte: „Louis, da schaut man nicht hin.“ Ich sah wie sich beide bewegten und überlegte, ob dies mit der Erbsünde zu tun hätte, für die wir im Kindergarten bestraft wurden. Ich sah wie Frau ihre Hand in die Hosentasche des Mannes steckte und mit seinen Bällen und seinem Ding spielte. Als ich es meiner Mutter zeigte, lächelte sie. Ich sah, wie einem Mann das Taschentuch auf den Boden fiel und er ewig in der gebückten Haltung blieb. Ich bückte mich ebenfalls und konnte einer Frau unter ihr Kleid schauen. Ich sah, dass sie einen rosa Schlüpfer hatte, der etwas verrutscht war und neben ihrem Kätzchen sah ich schwarze Haare, die aus ihrem Schlüpfer lugten. Der Geruch von Menschen war für mich interessant. Manche rochen nach Landwirtschaft, Kuhmist, Stall und nicht gelüfteten Kleidern. Frauen rochen oft nach Küche, Essen und nach Weiblichkeit. Männer rochen nach kaltem Pfeifen- oder Zigarettenrauch. Die Schwarzwaldhöfe sind alle so angelegt, dass Tiere und Menschen, Keller, Stall, Wohnung und Bühne etc. unter einem Dach sind. Im Winter verlassen Bauern ihren Hof beim Füttern der Tiere nicht. Die Menschen im Schwarzwaldhof rochen nach Stall, Tieren, Rauch und Essen. Ihre Kleidung wurde selten gewaschen und chemische Reinigungen kannte man kaum. Viele Männer, kehrten mit Behinderungen aus dem Krieg zurück. Manchen fehlte ein Auge, oder ein Teil des Gesichts. Manche hatten so schwere Verbrennungen, dass man ihr Gesicht nur ahnen konnte. Einige Männer gingen mit Krücken, weil ihnen ein Bein fehlte, andern fehlte ein Arm. Manche Menschen waren psychisch gestört, sahen traurig aus und blieben mit ihren Träumen alleine. Andere beichteten ihren Frauen, dass sie im Krieg untreu waren. Frauen waren klüger und beichteten nicht, Männer erfuhren von Seitensprüngen ihrer Frauen durch den Dorftratsch und waren Gehörnte. Wenn Frauen von farbigen Besatzungssoldaten ein Kind hatten, wurde es problematisch, denn diese Generation war von der Rassenlehre des dritten Reichs geprägt, dunkelhäutige Kinder wurden in Kindergärten und in Schulen gemobbt. Ihre Mütter wurden als Negerhuren oder Nutten beschimpft. Ehen und Familien zerbrachen daran. Es gab Frauen, die durch den Krieg zu Witwen wurden. Frauen warteten auf ihre Männer, die noch vermisst waren. Ich glaubte damals, dass ich es Frauen in der Kirche ansehen konnte, sie sahen traurig und verhärmt aus. Manche weinten in der Kirche, wenn der Pfarrer für vermisste Männer betete. Von manchen Frauen wurde erzählt, sie wären Flittchen, oder Früchtchen, weil sie sich mit Besatzungssoldaten einließen. Der Ausdruck gefiel mir, ich wusste nicht, dass er eine negative Bedeutung hatte. Oft sahen, die als Flittchen oder Früchtchen bezeichneten Frauen, sehr nett aus. Eine junge Frau mit rotbraunen Haaren fand ich besonders hübsch, sie wurde als Chéri bezeichnet, weil sie mit einem französischen Soldat befreundet war. Ich erfand Kirchenspiele, die ich alleine spielte. Ich überlegte, wonach die Menschen rochen und was sie wohl gegessen hätten, oder was sie essen würden. Ich suchte Frauen und Männer aus, die ich in meinem Spiel verheiratete. Da mein Vater gefallen war, hatten Hochzeiten für mich eine große Bedeutung. Ich überlegte in meinem Spiel, wie Frauen und Männer, die ich gedanklich verheiratete, äußerlich zusammenpassten und suchte sie entsprechend aus. Ich fand, dass meine ausgesuchten Paare oft besser passen würden, als echte Paare. Ich überlegte, warum gut aussehende Männer, mit Frauen verheiratet waren, die ich nicht hübsch fand. Es war allerdings häufiger, dass ich hübsche Frauen sah, die hässliche Männer hatten. Frauen unterhielten sich oft über jüngere Frauen, die ältere Männer geheiratet hatten. Sie sagten abwertend: „Die hat ihn sicher wegen seinem Geld geheiratet.“ Diese Abwertung verstand ich nicht, da ich Altersunterschiede nicht negativ sah, es blieb mir ein Rätsel, warum sich Menschen unterschiedlichen Alters, nicht genauso lieben könnten, wie gleichaltrige. Ich fand ältere und alte Menschen meist nett und interessant. Es wunderte mich, dass es kaum ältere Frauen gab, die junge Männer heirateten. Aufgrund des Geschwätzes, das meist Frauen führten, überlegte ich, ob ältere Frauen nicht genügend Geld hatten, um jüngere Männer zu heiraten, oder ob jüngere Männer weniger Wert auf Geld legten. Ich dachte nach, ob Geld für eine Heirat wichtig wäre. Als ich mit meiner Mutter darüber reden wollte, lächelte sie und meinte: „Louis, dafür bist du noch zu klein, ich erkläre es dir später.“ Meine Schwester unterhielt sich mit mir und fand es lustig, dass mir Frauen gefielen. Sie fragte: „Louis, wer gefällt die besser, Rosanna, oder ihre Mutter?“ Ich antwortete: „Dörte, sie ähneln sich und sind beide schön.“ Ich fand keine echte Antwort, vielleicht hatten junge Männer kein Interesse an älteren Frauen. Ich verstand es nicht, ich hätte Tante Helga, unsere Kindergärtnerin geheiratet, obwohl sie älter war als ich. Warum sie mich im Kindergarten mit Schlägen bestrafte, blieb mir ein Rätsel. Wenn ich in der Kirche an sie dachte, sehnte ich mich manchmal nach ihr und wartete oft beim Kindergarten, leider traf ich sie nie. Als Fünfjähriger dachte ich, Frauen würden die Welt beherrschten und Männer wären von ihnen abhängig. Es gab drei Ladengeschäfte in unserem Dorf, sie hießen damals Kolonialwarenladen, zwei davon wurden von Frauen geführt. Der Laden von Balsters, gehörte einer Witwe. Sie hatte das Geschäft während des Krieges alleine geführt. Als ihr Mann gefallen war, führte sie den Laden weiter. Später half ihr Sohn, im Geschäft mit. Der Laden von Hirschers wurde weitgehend von Frau Hirscher geführt. Dafür erledigte ihr Mann den Haushalt und kümmerte sich um den einzigen Sohn, der so alt war wie ich. Nur der Laden von Maiers wurde von Herrn Maier geführt. Es gab in Larenbuch ein Sägewerk, das einer Witwe gehörte. Sie hatte ihren Schwager, den Vater meines späteren Freundes als Geschäftsführer eingestellt. Frau Straun hatte jedoch die Zügel fest in der Hand. Eine Bäckerei wurde von einer Frau geführt, ihr Mann war Kreisleiter und interniert. Als er entnazifiziert zurückkam, übernahm er seine Bäckerei wieder und war im Dorf rasch integriert. Die meisten Menschen aus dieser Generation waren mehr, oder weniger begeisterte Nazis. Es gab einen Ofensetzer und Heizungsbauer, der im Krieg war. Seine beiden Schwestern führten das Geschäft weiter. Als er zurückkam, arbeitete er wieder im Geschäft und baute Herde, Öfen und Kachelöfen ein. Im Büro herrschten seine Schwestern. Der Hafner war nett und sah gut aus. Meine Mutter war kurzzeitig mit ihm befreundet. Seine Schwestern hintertrieben die Beziehung mit List und Tücke. Meine Mutter und andere Witwen, deren Männer gefallen waren, wurden zu lebenstüchtigen Frauen und kümmerten sich als Familienoberhaupt um ihre Kinder. Meine Mutter hatte elf Geschwister, einer ihrer Brüder ist in Stalingrad gefallen. Ihre älteste Schwester, Tante Hannchen, war meine Patin. Schwester Hanna, wie sie genannt wurde, war tüchtig. Als junge Oberschwester leitete sie nach dem Krieg, eine Krankenhausstation und später die Großküche des Krankenhauses. Ich war, wenn meine Mutter in Stuttgart war, oft bei ihr zu Besuch. Ich liebte sie, denn sie war trotz ihrer Frömmigkeit, meist guter Laune und sehr nett. Sie besuchte uns öfters und wohnte bei uns. Ich konnte mit ihr, wie mit meiner Mutter und meiner Schwester schmusen. Wenn ich sie besuchte, durfte ich in ihrem Bett schlafen. Sie hatte eine Wohnung mit großer Badewanne. Samstags durfte ich mit ihr baden. Als ich sie fragte: „Warum wäschst du mein Sprenzerle mit Seife, es ist doch nicht schmutzig?“ Lächelte sie und sagte: „Aber Louis, wenn du pinkelst, fasst du es mit schmutzigen Händen an, schau jetzt ist es so sauber, dass ich mit ihm spielen kann.“ Als meine Lieblingstante weinte, erschrak ich, umarmte sie und fragte: „Tante Hannchen, warum weinst du?“ Sie antwortete: „Mein liebes Patensöhnchen, vielleicht bist du noch zu jung, um mich zu verstehen, ich habe als Rotkreuzschwester an der Ostfront den schrecklichen Krieg überlebt, aber mein Liebster in Stalingrad gefallen, an ihn dachte ich gerade.“ Ich fragte: „Hast du nur ihn lieb gehabt?“ Meine Tante lachte und sagte: „Mein kleiner, neugieriger Louis, soll ich mit dir darüber reden? Ich war vor dem Krieg ein Jahr in England, da hatte ich Freunde auch sehr lieb, aber richtig geliebt habe ich nur meinen Verlobten, der leider gefallen ist.“ Ich umarmte meine Lieblingstante erneut und sagte: „Sei bitte nicht traurig, ich werde dich immer sehr lieb haben.“ Tante Hannchen lachte und sagte: „Ich hab dich auch sehr lieb.“ Meine Patentante hat nie wieder geheiratet. Ob sie in England ein Früchtchen war, weiß ich nicht. Meine Mutter, Jahrgang 1910, war vor ihrer Heirat, ebenfalls ein Jahr in England, was für die damalige Zeit und für ein Mädchen, ungewöhnlich war. Sie hat mir nie erzählt, ob sie damals ein Früchtchen war.

287,83 ₽
Возрастное ограничение:
0+
Объем:
2510 стр.
ISBN:
9783742724182
Издатель:
Правообладатель:
Bookwire
Формат скачивания:
epub, fb2, fb3, ios.epub, mobi, pdf, txt, zip

С этой книгой читают