Читать книгу: «Michelangelo – Der überhörte Weckruf»

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Inhaltsverzeichnis

Impressum 3

Einleitung 4

Zur Familiengeschichte 6

Am Hofe der Medici 8

Erste bildhauerische Werke 10

Flucht nach Bologna 12

Auf dem Weg zum Ruhm – Michelangelos Pietà 14

Rückkehr nach Florenz – Michelangelos David 17

Unter dem Pontifikat von Papst Julius II. 20

Erster Plan für das Julius-Grabmal 22

Die Bronzestatue Julius II. in Bologna, San Petronio 27

Rückkehr nach Rom 31

Der Auftrag zur Neugestaltung der Decke der Sixtinischen Kapelle 32

Vorbereitende Arbeiten 33

Der Beginn der Freskierung 36

Die Ungeduld des Papstes 37

Mißgunst unter Künstlerkollegen 38

Weiterführung und Beendigung der Arbeiten 40

Auf der Suche nach dem Sinn 42

Die neun Fresken des Deckenspiegels 45

Propheten und Sibyllen 71

Die Gewölbezwickel 86

Die Propheten Zacharias (Abb. 13) und Jonas (Abb. 24) 94

Die Bronzemedaillons 97

Die optische Wirkung der Medaillons 101

Die Ignudi 103

Die Girlande 104

Die Genealogie Christi 105

Die Anbindung an den unteren Wandzyklus 106

Zusammenfassung des Programms 108

Abschluss der Arbeiten 111

Das Julius-Grabmal – Ein Drama in mehreren Akten 112

Ehre und Kritik 124

Die Pietà Bandini (Abb. 30) 126

Die Pietà Rondanini (Abb. 31) 128

Bekenntnis und Botschaft 133

Abbildungen 140

Literaturverzeichnis 173

Abbildungsnachweise 175

Impressum

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie­.

Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://www.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte der Verbreitung, auch durch Film, Funk und Fern­sehen, fotomechanische Wiedergabe, Tonträger, elektronische Datenträger und ­auszugsweisen Nachdruck, sind vorbehalten.

© 2021 novum publishing

ISBN Printausgabe: 978-3-99107-396-3

ISBN e-book: 978-3-99107-397-0

Lektorat: Leon Haußmann

Umschlagfoto: Ausschnitt aus: Urheber: Michelangelo – Web Gallery of Art, Wikimedia Commons, gemeinfreie Lizenz © Michelangelo, Die Erschaffung Adams, Detail, Sixtinische Kapelle, Rom; Bilderrahmen: Somesun | Dreamstime.com

Umschlaggestaltung, Layout & Satz: novum publishing gmbh

Innenabbildungen: siehe Bildquellennachweis S. 177

www.novumverlag.com

Einleitung

Michelangelo – wer denkt dabei nicht sofort an die überwältigende Bilderfülle in der Sixtinischen Kapelle in Rom, die den unvorbereiteten Besucher vor Ort fast erschlägt und ihn voll Erstaunen und Bewunderung vor der gewaltigen Leistung eines einzelnen Menschen, wenn auch eines so begabten und begnadeten Künstlers wie Michelangelo, zurück lässt. Diese Bilderwelt (Abb.1) verschließt sich jeglicher schnellen Interpretation – zumindest für die heutigen Menschen. Zu wenig Zeit verbleibt uns vor Ort, um sich der Sprache dieser Bilder zu öffnen. Und doch spürt der sensible Betrachter, dass diese Bilder nicht nur erzählende Wand- und Deckendekoration bedeuten, sondern dass in sie eine besondere Aussage vom Künstler hineingelegt wurde – eine Botschaft, die ihn zu dieser gewaltigen Kraftanstrengung bewegte, und die auch uns in unserer heutigen Lebenssituation angeht.

Das Werk Michelangelos umfasst jedoch nicht nur die Fresken in der Sixtinischen Kapelle, sondern es spannt sich – abgesehen von einigen Frühwerken – von der Pietà in Sankt Peter zu Rom, die seinen Ruhm begründete, bis hin zur nahezu unbekannten Pietà Rondanini in der Städtischen Kunstsammlung im Castello Sforzesco in Mailand, an der er bis kurz vor seinem Tod arbeitete. Dazwischen liegt ein langes Leben und eine großartige Schaffensperiode – ein Leben, in dem er nicht immer seinem Wunsche, ausschließlich Bildhauer zu sein, nachgehen konnte, sondern sich dem Willen der Päpste unterwerfen musste und es – wenn auch manches Mal nach anfänglich langem und intensiven Widerstand – letztlich auch tat. Diesem unnachgiebigen Willen der Päpste verdankt die Nachwelt nicht nur die Fresken in der Sixtinischen Kapelle – zunächst die Deckenfresken und dann, fast ein Vierteljahrhundert später, das Jüngste Gericht –, sondern auch die Vollendung des Neubaus von Sankt Peter in Rom, die er zwar nicht mehr erleben durfte, für dessen Kuppel er jedoch, als sich durch immer wieder eintretende Verzögerungen diese Entwicklung abzeichnete, in hohem Alter durch bindende Vorgaben und die Anfertigung eines Modells Vorsorge getroffen hatte.

Aber Michelangelo war nicht nur ein begnadeter Bildhauer, Maler und Architekt – er war auch ein genialer Dichter. An seinen Versen arbeitete Michelangelo wie am Marmor, dem er durch Wegschlagen und Wegnehmen die angestrebte Form gab. Es sind über dreihundert Gedichte, von denen einige an enge Freunde gerichtet waren und in seinem Freundeskreis hoch geschätzt wurden. Die überwiegende Mehrzahl seiner Gedichte diente jedoch der Aufnahme und Verarbeitung seiner Gedanken. Sie waren ursprünglich auch nicht zur Veröffentlichung bestimmt. Die Rauheit seiner Verse entsprach keineswegs dem damaligen Zeitgeist und doch hat der bedeutende zeitgenössische Dichter Francesco Berni bereits damals gesagt: „Ihr sagt nur Worte – er jedoch sagt Dinge.“ Heute helfen seine Gedichte, uns dem Verstehen seiner Werke und der darin enthaltenen Botschaft anzunähern.

Am Ende seines Lebensweges steht die Pietà Rondanini, zwar unvollendet, jedoch von erschütternder Aussagekraft und mit einer deutlichen Botschaft, die heute so aktuell ist wie kaum je zuvor.

Zur Familiengeschichte

Michelangelo wurde am 6. März 1475 in Caprese, einem kleinen Ort in der Nähe von Arezzo, geboren. Sein Vater Ludovico Buonarroti Simoni war zu diesem Zeitpunkt dort Podestà, eine Art von Bürgermeister und Richter. Seine Amtszeit endete bereits am 1. April 1475 und die Eltern kehrten mit dem älteren Sohn nach Florenz zurück. Der kleine Michelangelo wurde einer Amme, der Frau eines Steinmetzen in Settignano, übergeben. Die Familie Buonarroti besaß dort ein kleines Landgut, das ihnen jedoch nur geringen Ertrag einbrachte. Dieser Ort, in dem zahlreiche Steinmetze lebten und arbeiteten, hat Michelangelo das ganze Leben hindurch magisch angezogen. Er fühlte sich den Menschen innig verbunden und hat später seinen Biographen gegenüber geäußert, dass er die Liebe zu Hammer und Meißel wahrscheinlich bereits mit der Ammenmilch eingesogen habe. 1481 verstarb seine leibliche Mutter nachdem noch drei weitere Söhne das Licht der Welt erblickt hatten. Michelangelo war damals gerade sechs Jahre alt. Die Haushaltsführung wurde von Familienangehörigen übernommen. Der Vater heiratete später noch einmal. Die Familie Buonarroti Simoni gehörte zwar dem niederen Adel an, verfügte jedoch zu dem Zeitpunkt kaum über Einnahmequellen. Der Vater verdiente den Unterhalt für seine Familie durch wechselnde, ihm standesgemäß erscheinende Verwaltungstätigkeiten, immer in dem Bemühen, das Ansehen der Familie hoch zu halten und wieder einigen Wohlstand zu erwerben.

Der Vater erkannte früh die außerordentlich gute Auffassungsgabe Michelangelos und schickte ihn daher auf eine Grammatik-Schule in der Absicht, ihn die juristische Laufbahn einschlagen zu lassen. Doch diese Hoffnung wurde bitter enttäuscht. Michelangelo machte zwar einige Fortschritte, verbrachte jedoch den größten Teil der Unterrichtsstunden mit der Anfertigung von Zeichnungen.

Eine wichtige Rolle spielte in dieser Zeit seine Freundschaft mit dem einige Jahre älteren Francesco Granacci, der sich bereits in einem Ausbildungsverhältnis in der Werkstatt von Domenico Ghirlandaio befand, des damals berühmtesten Malers von Florenz. Granacci versorgte seinen Freund heimlich sowohl mit Zeichenpapier als auch mit Vorlagen zum Kopieren und ermutigte ihn offensichtlich immer wieder, seiner Begabung und seinen Neigungen nachzugehen. Heftigste Auseinandersetzungen mit dem Vater konnten nicht ausbleiben. Für Ludovico Buonarroti waren nach dem damaligen Zeitverständnis sowohl Bildhauer als auch Maler Handwerker, ein Berufsstand, der für ein Mitglied der Familie Buonarroti Simoni weder standesgemäß noch akzeptabel war. Und doch gelang es, dass der damals dreizehnjährige Michelangelo am 1. April 14881 offiziell und mit Vertrag als Lehrling in die Werkstatt Domenico Ghirlandaios aufgenommen wurde.

1 Vasari (V1.2.949), zit. nach Murray, Michelangelo, S. 13.

Am Hofe der Medici

Eine entscheidende Wende im Leben des damals 14jährigen Michelangelo trat 1489 ein. Noch während seiner Lehrzeit bei Ghirlandaio wurde er in den Garten der Medici aufgenommen. In diesem Garten in der Nähe von S. Marco in Florenz versammelte Lorenzo de’ Medici, genannt „Il Magnifico, der Prächtige“, junge, begabte Talente, die unter Anleitung erfahrener Lehrer sich entwickeln konnten. Und hier erfüllte sich erstmals Michelangelos sehnlichster Wunsch, sich mit der Arbeit am Marmor auseinanderzusetzen. Unter der Anleitung des hochbetagten Bildhauers Bertoldo, eines Schülers Donatellos, des berühmtesten Bildhauers der Renaissance, gab es die Möglichkeit, die dort vorhandene Antikensammlung zu studieren und die eigenen Fähigkeiten auszuprobieren.

Darüber hinaus wohnte Michelangelo im Palast der Medici, gehörte nicht nur zur Tischgesellschaft, sondern nahm auch an den im Palast stattfindenden Diskussionsrunden teil. Cosimo de’ Medici, genannt „Il Vecchio, der Alte“, hatte 1459 am Hofe der Medici die Platonische Akademie gegründet. 1453 war Konstantinopel in die Hände der Türken – und damit des Islam – gefallen. Viele bedeutende Gelehrte flüchteten und versammelten sich damals in Florenz. Zum Leiter dieser Akademie war der humanistische Philosoph Marsilio Ficino berufen worden, für dessen Philosophie der Satz kennzeichnend ist: „Wahre Philosophie ist Religion. Wahre Religion ist Philosophie“ (Epist. I). Als weitere führende Denker gehörten zu diesem Kreis dessen Schüler und Freund Pico della Mirandola, der Dante-Forscher Cristofero Landino und der Humanist und Dichter Angelo Poliziano.

Eingebunden in diesen Kreis erschloss sich für den jungen Michelangelo eine völlig neue Gedankenwelt. Hier wurde nicht nur nach alten griechischen Überlieferungen geforscht und deren Bedeutung für die Gegenwart diskutiert, sondern auch die Werke der Neuzeit, vor allem Dante und damit seine Göttliche Komödie. Condivi berichtet, dass Michelangelo sich eifrigst den Studien widmete, keinerlei Ansporns bedurfte und „sein überlegener Geist“ von den Gelehrten erkannt und er von ihnen geliebt und gefördert wurde (AC.X).

In diese Zeit fiel ein für die Folgezeit außerordentlich wichtiges Ereignis: Das Auftreten des Dominikanermönches Savonarola, der 1491 als Prior des Klosters San Marco nach Florenz berufen worden war. Dieser asketische Mönch trat als Bußprediger auf, forderte eine grundlegende Reform der Kirche und rückte die Verworfenheit des damaligen Papsttums ins Licht der Öffentlichkeit. Er prophezeite das bald bevorstehende Strafgericht Gottes und rief jedermann zur Buße auf. Michelangelo war von diesen Predigten tief beeindruckt.

Doch diese wichtige Zeit endete für Michelangelo schlagartig: 1492 starb Cosimo de’ Medici plötzlich im Alter von nur 44 Jahren und Michelangelo kehrte in die Enge seines Vaterhauses zurück. Es wird vermutet, dass Michelangelo den Garten der Medici, für den er einen eigenen Schlüssel besessen haben soll, weiterhin aufsuchte. Auf Einladung Piero de’ Medicis zog er 1494 noch einmal kurzfristig in den Palast, verließ aber wenige Monate später fluchtartig mit einigen Begleitern Florenz wegen der dort ausbrechenden Unruhen in Richtung Bologna.

Erste bildhauerische Werke

Die Jahre am Hofe der Medici hatten jedoch nicht nur den geistigen Horizont des jungen Michelangelo beträchtlich erweitert, es entstanden in dieser Zeit auch seine ersten bildhauerischen Werke. Ein nach antikem Vorbild gestalteter Faunskopf legte Zeugnis ab von der außergewöhnlichen Begabung Michelangelos und fand die uneingeschränkte Zustimmung Lorenzo de’ Medicis. Es folgten das Relief Die Madonna an der Treppe, das Hochrelief Die Kentaurenschlacht und – wahrscheinlich noch im Auftrag Lorenzo de’ Medicis – ein überlebensgroßer Herkules, die erste freistehende Skulptur Michelangelos. Sie soll sich nach Quellenangaben 1495 noch im Besitz des Künstlers befunden haben, wurde dann von der Familie Strozzi erworben, ging 1529 als ein Geschenk an den französischen König Franz I. und wurde in den königlichen Gärten von Fontainebleau aufgestellt.2 Seit 1725 ist sie verschollen. Herkules galt in Mittelalter und Renaissance als Präfiguration Christi und es ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass Michelangelo diese Gedankenverbindung bekannt war.

In dieser Zwischenzeit entstand außerdem ein hölzerner, etwas unter lebensgroßer Chruzifixus, der nach Quellenangaben als Geschenk an den Prior des Klosters Santo Spirito ging und laut Vasari über dem Hauptaltar angebracht wurde.3 Der Prior dieses Augustinerklosters hatte es Michelangelo auf dessen inständiges Bitten hin ermöglicht, für ihn unbedingt erforderlich erscheinende anatomische Studien an Verstorbenen vorzunehmen und ihm hierfür sogar geeignete Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt.

2 Christina Acidini Luchinat, Michelangelo, Der Bildhauer, S. 28.

3 Ebda., Abbildung S. 29.

Flucht nach Bologna

Über seine Ankunft in Bologna findet sich bei Condivi ein Bericht, der einen wichtigen Einblick in die Persönlichkeit des jungen Michelangelo gewährt: „Aber nach wenigen Tagen musste er aus Geldmangel (denn er hielt die Begleiter frei) an die Rückkehr nach Florenz denken; und als er nach Bologna kam, stieß ihm folgendes zu. Es gab in jenem Gebiet zur Zeit des Giovanni Bentivoglio ein Gesetz, wonach jeder Fremde, der nach Bologna kam, ein Siegel aus rotem Wachs auf den Daumennagel erhalten sollte. Da nun Michelangelo unbedachterweise ohne das Siegel hereingekommen war, wurde er mitsamt den Begleitern auf das Zollamt geführt und zu fünfzig Bologneser Lire verurteilt. Wie er nun ohne Mittel, diese zu bezahlen, in der Amtsstube stand, bemerkte ihn ein Herr Gianfrancesco Aldovrandi, ein Bologneser Edelmann, der damals einer der Sechzehn war, und als er den Fall gehört hatte, sorgte er für seine Freilassung, hauptsächlich weil er erfahren hatte, dass er ein Bildhauer sei. Und als er ihn in sein Haus einlud, dankte ihm Michelangelo, entschuldigte sich aber, da er zwei Begleiter habe; diese wolle er weder verlassen noch ihm mit ihrer Gesellschaft beschwerlich fallen. Darauf der Edelmann: „Auch ich möchte mit dir durch die Welt spazieren, wenn du mich freihalten wolltest.“ Durch diese und andere Worte ließ sich Michelangelo überreden, entschuldigte sich bei seinen Begleitern, entließ sie, indem er ihnen das wenige Geld gab, das sich vorfand, und nahm bei dem Edelmann Wohnung.4

Sein Gönner Giovan Francesco Aldovrandi ließ sich abends, wie die Chronisten berichten, von Michelangelo aus Dante, Boccacco und Petrarca vorlesen. Vermutlich durch seine Vermittlung erhielt Michelangelo den Auftrag, in der Kirche San Domenico die am Grabmal des Heiligen Domenico noch fehlenden Statuen des Heiligen Petronius sowie des Heiligen Prokulus und einen noch fehlenden Leuchterengel anzufertigen.

4 Condivi, XV., S. 25f.

Auf dem Weg zum Ruhm – Michelangelos Pietà

In Florenz beruhigte sich die politische Lage und Michelangelo kehrte 1495 in seine Heimatstadt zurück. Ebenfalls zurück kehrten Lorenzo und Giovanni di Pierfrancesco, die einer Seitenlinie der Medici entstammten und von Piero de’ Medici verbannt worden waren. Für Lorenzo fertigte Michelangelo einen Johannesknaben an, der wahrscheinlich bereits vor Michelangelos Flucht begonnen wurde und heute als verschollen gilt. In dieser Zeit entstand auch ein heute ebenfalls verschollener Schlafender Cupido, der laut Condivi Lorenzo di Pierfrancesco so begeisterte, dass er vorschlug, ihn auf antik zu trimmen, um auf dem Antikenmarkt in Rom einen besseren Preis zu erzielen. Anfang 1496 wurde dieser Cupido für dreißig Dukaten nach Rom verkauft und für zweihundert Dukaten an Raffaele Riario, Kardinal von San Giorgio, weiter verkauft. Die Fälschung wurde kurz darauf erkannt und bereitete Michelangelo viel Verdruss. Kardinal Riario erhielt zwar anstandslos sein Geld zurück, war jedoch von dieser Bildhauerarbeit so begeistert, dass er Jacopo Galli bat, nach Florenz zu reisen und mit Michelangelo Kontakt aufzunehmen, um sich zu vergewissern, dass dieser Cupido tatsächlich das Werk eines so jungen Künstlers war.5

In dieser leidigen Geldangelegenheit und mit einem Empfehlungsschreiben von Lorenzo de’ Medici reiste Michelangelo Mitte 1496 nach Rom, wurde bei den Florentiner Bankiers und bei Kardinal Riario vorstellig und fand Unterkunft im Hause von Jacopo Galli.6 Hier entstand Michelangelos Bacchus, der nachweislich 1497 von Kardinal Riario bezahlt, von ihm jedoch nie abgeholt, sondern im Garten der Familie Galli aufgestellt wurde.7

Noch im gleichen Jahr begab sich Michelangelo – ausgerüstet mit wichtigen Empfehlungsschreiben – nach Carrara und erwarb einen großen Block aus bestem weißen, feinkörnigen Marmor, bestimmt für ein Auftragswerk des französischen Kardinals Jean de Bilhères-Lagraulas (Abt von Saint-Denis und Botschafter am Hof von Papst Alexander VI. Borgia). Im Jahre 1500 war es vollendet, dieses unumstrittene Meisterwerk Michelangelos: Die Pietà von St. Peter.8

Condivi berichtet hierzu: „Wenig später bildete er auf Verlangen des Kardinals von San Dionigi (…) aus einem Stück Marmor jene wunderbare Statue Unserer Lieben Frau (…) mit dem toten Sohn auf dem Schoße, von so großer und seltener Schönheit, dass niemand sie sieht, ohne sich im Innersten von Mitleid bewegt zu fühlen. Ein Bild, wahrhaft würdig jenes Menschentums, welches sich für den Sohn Gottes und für eine solche Mutter ziemt, wenn es auch einige gibt, die an dieser Mutter tadeln, dass sie zu jung sei im Vergleich zum Sohne. Als ich darüber eines Tages mit Michelangelo sprach, antwortete er mir: „Weißt du nicht, dass die keuschen Frauen sich viel frischer erhalten als die unkeuschen? Um wieviel mehr eine Jungfrau, der niemals die kleinste lüsterne Begierde beigekommen ist, die den Körper entstellen könnte? Ja ich will dir sogar sagen, dass eine solche Frische und Jungendblüte, außer dass sie sich auf natürlichem Wege in ihr erhalten hat, auch dadurch glaublich wird, dass so, durch göttliche Wirkung und Hilfe, der Welt die Jungfräulichkeit und ewige Reinheit der Mutter bezeugt werden soll. Das war bei dem Sohn nicht notwendig, sondern vielmehr das Gegenteil, da ja gezeigt werden sollte, dass der Sohn Gottes in Wahrheit den Leib des Menschen, wie er es getan hat, annehmen und allem unterworfen sein musste, dem ein gewöhnlicher Mensch unterliegt, ausgenommen die Sünde; das Menschliche brauchte nicht durch das Göttliche verdeckt, es brauchte nur in seinem Gang und Gesetz gelassen zu werden, so dass es jenes Alter zeigte, das es gerade hatte. Daher hast du dich nicht zu verwundern, wenn ich aus dieser Rücksicht die Allerheiligste Jungfrau, die Muttergottes, im Vergleich zum Sohn viel jünger gemacht habe, als es jenes Alter gewöhnlich verlangt, dem Sohn aber sein Alter ließ.“ Und Condivi fügte diesen Worten Michelangelos wichtige eigene Worte hinzu: „Eine Betrachtung, jedes Theologen würdig und an anderen vielleicht erstaunlich, nicht aber an ihm, den Gott und die Natur gebildet haben, nicht nur, um mit der Hand Einzigartiges zu schaffen, sondern der auch jedes göttlichen Gedankens fähig ist, wie es sowohl aus dem Gesagten wie auch aus so vielen seiner Bemerkungen und Aufzeichnungen sich erkennen lässt. Michelangelo mochte, als er dieses Werk schuf, 24 oder 25 Jahre alt sein. Er erwarb sich durch diese Arbeit einen großen Ruf und Namen, so sehr, dass es bereits die Meinung der Welt war, dass er nicht nur jeden anderen seiner Zeit und der vor ihm weit überflügelte, sondern sogar mit den Alten wetteifere.9 “

5 Condivi, XVIII., S. 27.

6 Condivi XVIII., S. 28.

7 Christina Acidini Luchinat, Michelangelo, S. 50.

8 Herbert Alexander Stützer, Die Italienische Renaissance, Abb. 139, S. 204.

9 Ascanio Condivi, Das Leben des Michelangelo Buonarroti, XX., dt. Übersetzung R.Diehl, Insel-Verlag, o. J. S. 30.

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