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2.2 Das (ideologische) Spektrum der politischen Rechten

In den letzten Jahrzehnten fand eine Vielzahl von Begriffen Einzug in den öffentlichen Diskurs, wenn es darum ging, Parteien, Personen oder Haltungen am politischen rechten Rand zu beschreiben. Bezeichnungen wie ‚Rechtsextremismus‘, ‚rechtsradikal‘, ‚Neonazis‘, ‚rechtspopulistisch‘, ‚neofaschistisch‘, ‚die Neue Rechte‘ oder schlichtweg ‚rechts‘ – um nur einige zu nennen – beschreiben zwar allesamt rechte Positionen, sind dennoch aufgrund unterschiedlicher rechter Ausprägungen klar voneinander abzutrennen. Aus diesem Grund ist es zunächst wichtig, das Verständnis der Begriffe (Rechts-)Radikalismus, (Rechts-)Extremismus und (Rechts-)Populismus zu klären und diese voneinander abzugrenzen. Unumstritten ist hierbei die Relevanz der jeweiligen Ausprägung der Ideologie (vgl. Mudde 2000: 16f.; Jaschke 2006: 46; Stöss 2010: 26f.).

Vor allem der Terminus ‚rechtsradikal‘ wird sowohl in der wissenschaftlichen Fachliteratur als auch im journalistischen Diskurs oftmals verwendet, um sämtliche Positionen rechts der Mitte zu bezeichnen ohne diese genauer zu spezifizieren.6 Tatsächlich wurde der Radikalismusbegriff im deutschen Sprachraum noch bis in die 1970er Jahre synonym zu Links- und Rechtsextremismus verwendet (vgl. Jaschke 2006: 17). Erst mit dem Verfassungsschutzbericht von 1973, in dem der Begriff ‚radikal‘ durch ‚extremistisch‘ ersetzt wurde, wurde – zumindest auf amtlicher Ebene – eindeutig geklärt, dass „radikale Kritik nicht mit Verfassungsfeindlichkeit gleichzusetzen ist“ (Maihofer 1974: 8960), während der Extremismus mit verfassungsfeindlichen Maßnahmen versuche, seine Ziele durchzusetzen. Diese juristische Abgrenzung der Begriffe voneinander gilt bspw. auch heute noch auf politischer Ebene in Deutschland. In der wissenschaftlichen Diskussion herrscht jedoch weiterhin Unklarheit über die Verwendung des Begriffs. Zaslove (2004: 66) definiert rechtsradikale Parteien als

„parties that accept the general constitutional parameters of liberal democracy, but challenge the limits of liberal democracies and the existing constitutional order with their transgressive critique of the socio-economic and socio-cultural norms and discourse of the post-war compromise, of the welfare-state, and of the post-war ‘traditional’ political parties.”

Insofern grenzt er sie von rechtsextremen Parteien ab, die er als „unconstitutional“ einstuft, während radikale Parteien lediglich „oppose[d to] the principles of the constitution“ seien (Zaslove 2004: 66). Dies entspricht ebenfalls der Unterscheidung zwischen verfassungsfeindlich (rechtsradikal) und verfassungswidrig (rechtsextrem) im Deutschen. Minkenberg und Perrineau (2007: 30) hingegen bezeichnen radikale rechte Parteien als eine Ansammlung nationalistischer, autoritärer, xenophober und extremistischer Positionen, die sich durch populistischen Ultranationalismus als gemeinsames Merkmal auszeichnen. Den ultranationalistischen Kern im rechtsradikalen Denken begründet Minkenberg (2011: 113) damit, dass „in der Konstruktion nationaler Zusammengehörigkeit spezifische ethnische, kulturelle oder religiöse Ausgrenzungskriterien verschärft, zu kollektiven Homogenitätsvorstellungen verdichtet und mit autoritären Politikmodellen verknüpft werden“. Es fällt auf, dass Minkenberg und Perrineau (2007) anders als Zaslove (2004) den Extremismus nicht vom Radikalismus abgrenzen, sondern Ersteren vielmehr als Teil der radikalen Einstellung verstehen.

Der Begriff des Extremismus hat eine lange Tradition, die sich bis in die griechische Antike zurückverfolgen lässt. In seiner ersten Staatsformenlehre bezeichnete Aristoteles die Extreme als wichtige Bestandteile des politischen Systems, die sowohl zueinander als auch zur Mitte gegensätzliche Positionen darstellten (vgl. Backes 2006: 41). In diesem Sinne stellte er unter Berücksichtigung des Gemeinwohls drei gute (Monarchie, Aristokratie und Politie) und drei schlechte Staatsformen (Tyrannis, Oligarchie und Demokratie) vor. Die Demokratie sah er jedoch zunächst als verfehlte Staatsform, da sie nicht das Wohl der Allgemeinheit, sondern das Wohl des herrschenden Volkes – nach seiner Auffassung die freien Armen – vertrete und somit dem Eigennutz der Bevölkerung diene. Daher bevorzugte er die Politie, da diese weder die Reichen noch die Armen – also die beiden Extreme – bevorteile, sondern auf dem Wohl der mittleren Schichten aufbaue (vgl. Backes 2006: 233; Schmidt 2010: 30; Jesse 2018: 29). Erst mit der Französischen Revolution, im Laufe derer sich die Rechts-Links-Unterscheidung in Anlehnung an die Sitzordnung im Parlament etablierte, bekamen die beiden Extreme erstmals eine spezifische Zuordnung am rechten bzw. linken Rand des Systems und wurden mit konkreten politischen Einstellungen verknüpft (Backes 2006: 234). So zeichneten sich die Delegierten auf der linken Seite des Spektrums durch ihre egalitäre Position und die Befürwortung sozialer Reformen aus, während auf der rechten Seite die Vertreter der Aristokratie und des Konservatismus saßen (Lipset 1972: 449). Einzug in den wissenschaftlichen Diskurs erhielt der Begriff des Extremismus erst nach 1917, als sowohl auf rechter als auch auf linker Seite von Extremismus gesprochen wurde (ebd. 450). Im Gegensatz zum ebenfalls um diese Zeit aufkommenden Totalitarismusbegriff, der sich auf das faschistische Regime Italiens unter Mussolini bezog (vgl. Petersen 1996: 20), beschrieb der Extremismus zunächst vornehmlich linke Bewegungen (Jesse 2018: 31). So wurden v. a. in Frankreich und Großbritannien die Ansichten des russischen Kommunismus als systemfeindlich bezeichnet und mit dem Extremismus gleichgesetzt, während rechte Ideologien als Faschismus bezeichnet wurden.

Einen anderen Ansatz wählte der amerikanische Soziologe Seymour M. Lipset. Er erklärte, dass sich der Extremismus nicht nur auf Grundlage der Sitzordnung in nationalen Parlamenten zeigen lässt, sondern auch anhand der unterschiedlichen Gesellschaftsschichten. Demnach ergänzte er das bekannte Rechts-Links-Spektrum um den Faktor ‚Mitte‘ und stellte die These auf, der Linksextremismus käme aus der Unterschicht, der Faschismus aus der Mittelschicht und der Rechtsextremismus aus der Oberschicht (Lipset 1972: 449). Seine Argumentation stützt Lipset (1972: 458f.) in erster Linie auf den Aufstieg der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP), die ihre Wählerschaft vor allem aus den zusammenbrechenden Parteien der Mitte gewann, was im Endeffekt zum Ende der Weimarer Republik führte und den Aufstieg Hitlers ermöglichte. Die These, dass die NSDAP ihren Aufstieg dem Mittelstand verdankte, wurde bereits gegen Ende der Weimarer Republik von verschiedenen Soziologen vertreten. Ein Beispiel hierfür ist Theodor Geiger, der in seinem 1930 erschienenen Aufsatz „Panik im Mittelstand“ auf die Anfälligkeit des Mittelstandes für die nationalsozialistischen Ideologien und die Propaganda der NSDAP eingeht (vgl. Geiger 1930). Da sich dieser Ansatz jedoch eher auf aktuelle politische Entwicklungen bezieht und lediglich temporäre WählerInnenfluktuationen betrachtet und sich daher weniger mit tatsächlichen Ideologien auseinandersetzt, ist die Theorie des ‚Extremismus der Mitte‘ zumindest zur Klärung und Eingrenzung des Extremismusbegriffs auf politikwissenschaftlicher Ebene ungeeignet. Im Zusammenhang mit populistischen Strategien zum Stimmengewinn kann dieser Ansatz jedoch ohne Weiteres zu Rate gezogen werden. Hierauf wird an einem späteren Punkt in diesem Kapitel nochmals näher eingegangen.

Erst mit dem Anstieg des Rechtsextremismus in den 1980er Jahren, dem wachsenden Zulauf für neonationalsozialistische Gruppen und der Übernahme rechtsextremistischer Ansichten durch die Subkultur-Szene der Skinheads – die oftmals fälschlicherweise als Neonazis verallgemeinert werden, grundsätzlich aber eine sehr heterogene Gruppierung darstellen (vgl. Brown 2004: 157f.) – wurde der Extremismus in Deutschland vermehrt verfolgt (vgl. Pfahl-Traughber 1993: 11). Zu Beginn geschah dies jedoch vornehmlich ohne diese Entwicklung kritisch zu hinterfragen. Stattdessen bezeichnete man bspw. rechtsextremes Wahlverhalten als „unpolitisches Protestvotum“ (ebd. 12). Auch auf gesamteuropäischer Ebene wurde der Rechtsextremismus lange Zeit nicht wissenschaftlich untersucht und in der breiten Masse wenig beachtet. Erst mit dem Einzug rechtsextremer Parteien in das Europäische Parlament 1984 und der Bildung der Technischen Fraktion der Europäischen Rechten wurde in der EU ein Untersuchungsausschuss zum ‚Wiederaufleben des Faschismus und Rassismus in Europa‘ gegründet, welcher u. a. 1986 die gemeinsame ‚Erklärung gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit‘ des Europäischen Parlamentes, des Rates, der im Rat vereinigten Vertreter der Mitgliedstaaten und der Kommission hervorbrachte (vgl. Greß 1994: 186). In der gemeinsamen Erklärung weisen die Unterzeichner bspw. „auf die Bedeutung einer angemessenen Unterrichtung und einer Sensibilisierung aller Bürger angesichts der Gefahren des Rassismus und der Fremdenfeindlichkeit hin“ (EG 1986: 1).

Eine erste Arbeitsdefinition für Rechtsextremismus7, die lange Zeit als „common sense und unbestritten“ (Dudek & Jaschke 1984: 22) angesehen wurde, lieferte 1981 Wolfgang Gessenharter. In dieser definierte er Personen, Organisationen und Gruppen als rechtsextrem,

„die autoritäres, antipluralistisches, antiparlamentarisches, zivilisationskritisches und nationalistisches (bes. fremdgruppenvorurteilsbehaftetes) Gedankengut vertreten und bei denen zu dieser ‚pol. Philosophie‘ noch ein rigides, auf Entweder-Oder-Dichotomien fixiertes Gedankenschema hinzutritt“. (Gessenharter 1981: 399, Hervorheb. im Original)

Dudek und Jaschke (1984: 22) kritisieren an dieser Definition jedoch, dass sie lediglich einen idealtypischen Charakter besitzt, man jedoch feststellen würde, dass vor allem auf der Ebene der Personen oder Organisationen, die als rechtsextrem eingestuft werden, vereinzelte oder mehrere Aspekte nicht zuträfen. Eine heute weitverbreitete Definition für politischen Extremismus stammt von den Politikwissenschaftlern Uwe Backes und Eckhard Jesse. Backes und Jesse (1989: 33) definieren den politischen Extremismus „als Sammelbezeichnung für unterschiedliche politische Gesinnungen und Bestrebungen […], die sich in der Ablehnung des demokratischen Verfassungsstaates und seiner fundamentalen Werte und Spielregeln einig wissen“. Hierbei grenzen sie den Rechtsextremismus als Negierung der menschlichen Fundamentalgleichheit vom Linksextremismus im Sinne des Kommunismus und Anarchismus ab (ebd.).

Die Definition des politischen Extremismus als „Antithese konstitutioneller Demokratie“ (Backes & Jesse 1989: 33; vgl. auch Jesse 2018: 34), wie sie in der normativen Extremismusforschung gängig ist, kann jedoch durchaus kritisch gesehen werden, da der Extremismus zum einen ex negativo definiert wird und somit lediglich eine Erklärung dafür liefert, was der Extremismus nicht ist, nämlich die Befürwortung eines demokratischen Verfassungsstaates (vgl. hierzu auch Pfahl-Traughber 2008: 14). Somit wäre für ein besseres Verständnis des Extremismusbegriffs zunächst einmal zu klären, wie sich der demokratische Verfassungsstaat definiert, um daraus die entsprechende Definition für Extremismus abzuleiten. Backes (1989: 103) bemerkt selbst, dass diese Negativdefinition den Extremismus als vom demokratischen Verfassungsstaat abhängiges Sekundärphänomen beschreibt und erklärt, dass das „breite Spektrum der Extremismen strukturell unbestimmt“ bleibt. Zum anderen ist eine Definition des Extremismus als grundsätzlich antidemokratisch äußerst kritisch zu betrachten, da bspw. der linke Extremismus nicht zwangsläufig als antidemokratisch, sondern vielmehr als antikapitalistisch einzustufen ist (vgl. Neugebauer 2001: 22). Festzuhalten ist, dass die Demokratie-Extremismus-Dichotomie nicht vornehmlich auf der Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse fußt, sondern sich vielmehr aus der Argumentation der Justiz und des Verfassungsschutzes ergibt (vgl. Jaschke 2000: 319; Brodkorb & Bruhn 2010: 148). Aus diesem Grund wurde in der wissenschaftlichen Literatur vermehrt empfohlen, den Begriff des Radikalismus für den wissenschaftlichen Diskurs zu verwenden, während der Extremismus für verfassungsschutzrechtliche Beobachtungen reserviert werden sollte. Dieser Ansatz konnte sich jedoch bislang nicht durchsetzen (vgl. Neugebauer 2001: 16).

Anstatt den (Rechts-)Extremismus ausschließlich auf seine antithetische Grundeinstellung zur Demokratie zu beschränken, wird er in den Sozialwissenschaften vor allem durch sein völkisch-nationalistisches und rassistisches Gedankengut definiert (vgl. Neugebauer 2001: 15; Stöss 2013: 578). Im Sinne der bereits erwähnten Ablehnung der menschlichen Fundamentalgleichheit, spielt die „natürliche Zugehörigkeit zu etwas (‚Nation‘, ‚Rasse‘, ‚Religion‘) als höchste[r] Wert“ (Pfahl-Traughber 1994a: 14f.) eine bedeutsame Rolle im Weltbild des Rechtsextremismus und ordnet diesem Wert alle anderen Werte, wie bspw. auch Menschen- und Bürgerrechte, unter. Damit einher geht auch die Überzeugung von einer natürlichen Ungleichheit der Menschen und einer damit verbundenen Abgrenzung und Abwertung der ‚Anderen‘ und der Ablehnung bestimmter Rechte für diese Gruppe von Menschen. Als weiteres Merkmal nennt Pfahl-Traughber (1994a: 15) den Autoritarismus und den Wunsch eines starken Staates oder einer Führerpersönlichkeit, die sich über die Gesellschaft stellt und diese dominiert. Letztlich spielt auch die Vorstellung einer gemeinsamen Volksidentität im Sinne einer Volksgemeinschaft, deren Interessen sich das Individuum und bestimmte Gruppen unterwerfen müssen, eine wichtige Rolle (ebd.). Dementsprechend sieht das Idealbild einer Gesellschaftsordnung im Rechtsextremismus einen totalitären oder autoritären Staat mit einer ethnisch und politisch homogenen Gesellschaft vor. Hierzu ergänzt Pfahl-Traughber (2008: 15), dass rechtsextreme Ideologien durchaus einen konservativen, nationalistischen, nationalrevolutionären oder völkisch geprägten Charakter haben können und sich nicht nur auf nationalsozialistische Vorstellungen beziehen müssen.

Dennoch wurde der Rechtsextremismusbegriff im Anschluss an den Zweiten Weltkrieg zunächst hauptsächlich als Fortsetzung des Nationalsozialismus angesehen (vgl. Dudek 1994: 280f.). Dies gründete sich darauf, dass sich direkt im Anschluss an das Kriegsende Gruppierungen organisierten, die entweder die faschistischen Ideologien des Nationalsozialismus weiterverfolgten oder aber „getragen von vermeintlicher oder realer Einbuße an sozialer Position und politischem Einfluß“ (Greß 1994: 187) Interessenvertretungen gründeten. Die 1960er und 1970er Jahre waren – in Hinblick auf den Rechtsextremismus – geprägt von Bewegungen, in denen sich die rechtsextremen Aktiven der direkten Nachkriegszeit versammelten, um sich im Sinne eines „angepaßten Faschismus“ (vgl. Niethammer 1969) und unter Einhaltung der Regeln der demokratischen Gesellschaftsstrukturen zu Parteien zusammenzuschließen (vgl. Greß 1994: 187f.). In dieser Zeit gründeten sich u. a. die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD, 1964) und der Front National (1972) in Frankreich.

In den 1970er Jahren und verstärkt ab Mitte der 1980er Jahre kam es zu einer neuen Form der rechten Bewegung, welche als die Neue Rechte bezeichnet wird. Im deutschsprachigen Raum verwendete Claus Leggewie (1989) die Bezeichnung Neue Rechte, um die Partei der Republikaner zu charakterisieren und sie von der damals erfolglosen Alten Rechten (NPD und Deutsche Volksunion, DVU) abzugrenzen (vgl. Stöss 2007). Nichtsdestotrotz war der Begriff der Neuen Rechten – wie bspw. in der Aktion Neue Rechte, einer Abspaltung der NPD, die von 1972 bis 1974 existierte – auch schon zuvor verwendet worden (vgl. Brauner-Orthen 2001: 18f.). Die Neue Rechte zeichnete sich insbesondere dadurch aus, dass es vor allem auf intellektueller Ebene und durch die Hinzunahme populistischer Elemente zu einer zunehmenden Verwischung der Grenzen zwischen dem (demokratischen) Konservatismus und dem Rechtsextremismus kam (vgl. Greß 1994: 188). Während sich jedoch der Konservatismus u. a. über das Festhalten an Traditionen, die Betonung der natürlichen Ungleichheit der Menschen oder den Glauben an eine natürlich vorgegebene soziale Ordnung definierte (vgl. Bendel 2008: 288), vertraten die Neuen Rechten zwar prinzipiell dieselben Ansichten, rückten aber immer weiter nach rechts. Dies war vor allem dadurch zu erklären, dass sich in den 1980er Jahren die „ökonomisch-sozialen und politisch-kulturellen Erfolgsbedingungen des Rechtsextremismus“ (Stöss 2007) durch die voranschreitende Globalisierung, wachsende Migrationsbewegungen, Massenarbeitslosigkeit und den Abbau von sozialen Standards verbessert hatten. Pfahl-Traughber (1994b: 162) bezeichnete diese Bewegung nach rechts und die Vermischung von Konservatismus und Rechtsextremismus in Anlehnung an Rudzio (1988) als „Erosion der Abgrenzung“. Wolfgang Gessenharter (1989: 426) sprach davon, dass sich die intellektuelle neue Rechte „sowohl vom Ideenpotential als auch organisatorisch [als] eine Gruppierung zwischen dem deutschen Konservatismus und dem deutschen Rechtsextremismus konstituiert hat, die eine Scharnierfunktion, also Verbindung und Begrenzung gleichermaßen, zwischen beiden bildet“. Demnach steht die Neue Rechte zwischen dem demokratischen Konservatismus und dem Rechtsextremismus, verbindet diese dynamisch miteinander, trennt sie von einander ab und lässt sich aber keiner der beiden Kategorien eindeutig zuordnen. Ignazi (1992: 16) beschreibt die „new right-wing parties“ wie folgt:

„They refuse any relationship with traditional conservative parties, they define themself [sic!] outside the party system, they are constantly in fight against all the other parties, they accuse the ‘ruling class’ of misconsideration [sic!] of the ‘real’ problems of the people, they blame the incapacity of the system to deal with the most salient issues, law and order and immigration. Finally, they deny any reference to fascism.“

Die Neue Rechte grenzte sich demnach bewusst vom rechtsextremen Lager ab, während sie sich gleichzeitig gegen alle anderen bereits existierenden und im System etablierten Parteien stellte. In kürzester Zeit wurde nahezu jede Erscheinungsform rechter Einstellung, die sich vom (neo-)faschistischen Rechtsextremismus unterschied oder unterscheiden sollte, unter dem Label der Neuen Rechten zusammengefasst (vgl. Stöss 2013: 569). Vor allem wegen der „Scharnierfunktion“, die die Neue Rechte einnahm, fiel und fällt es der Wissenschaft schwer, ihre genaue Position auf dem Spektrum zwischen Konservatismus und Rechtsextremismus zu verorten. Bezeichnend für die Schwierigkeit der eindeutigen Positionierung und Spezifizierung der Neuen Rechten im rechten Spektrum ist der Ansatz von Brodkorb und Bruhn (2010). In diesem erklärten die Autoren, eine Einordnung der Neuen Rechten in das bekannte Spektrum wäre wenig sinnvoll, da in der wissenschaftlichen Diskussion dieselben Begriffe unterschiedlich verwendet würden. Vielmehr grenzten sie die demokratische Rechte von der antidemokratischen Rechten ab (Brodkorb & Bruhn 2010: 152f.). Nach dieser Einteilung bezeichnet die demokratische Rechte den (Rechts-)Konservatismus und den Rechtsradikalismus und die antidemokratische Rechte den Rechtsextremismus. Die Neue Rechte hingegen wird als Oberbegriff für alle neuauftretenden rechten Strömungen unabhängig der ideologischen Ausprägung verstanden (ebd. 160). Während einige Autoren die Neue Rechte explizit nicht dem Rechtsextremismus zurechnen (vgl. Minkenberg 1998: 141; Gessenharter 2010: 29), siedeln u. a. Pfahl-Traughber (1994b: 168) und Pfeiffer (2004: 53f.) die Neue Rechte im Rechtsextremismus an und sehen sie als Brücke zwischen demokratischen und antidemokratischen Kräften, die von Intellektuellen genutzt wird, um rechtsextreme Ideen zu transportieren, zu verbreiten und zu veröffentlichen. Stöss (2016) hingegen bezeichnet die „intellektuellen Vordenker des Rechtsaußenlagers“, die sich politisch-ideologisch zwischen dem Konservatismus und dem Rechtsextremismus befinden, als die Neue Rechte und weniger die Parteien und ihre AnhängerInnen.

Nicht zuletzt, weil sich die Bezeichnung als Neue Rechte „für die Analyse als wenig hilfreich erwiesen [hat]“ (Decker 2000: 55), fand sowohl in der Wissenschaft als auch im journalistischen Diskurs der Begriff ‚Rechtspopulismus‘ immer größeren Zuspruch (vgl. Decker 2006: 9; Stöss 2013: 574). Alltagssprachlich versteht man unter Populismus eine grundsätzlich negativ konnotierte Politik der Stimmungsmache, die mit bestimmten sprachlichen Mitteln versucht, die Gunst des Publikums zu gewinnen. In der Wissenschaft wird der Populismus als eine Haltung umschrieben, die für das einfache Volk kämpft und sich gegen die politischen Eliten stellt (vgl. Decker & Lewandowsky 2009). Ob der (Rechts-)Populismus jedoch als eigenständige Ideologie angesehen werden kann, ist nach wie vor umstritten. Pfahl-Traughber (1994a: 17) merkt hierzu an, der Begriff ‚Populismus‘ würde nur dann analytisch nutzbar werden, wenn man ihn eben nicht als politische Ideologie, sondern als Politikform verstehe. Auch Dubiel (1986: 7) vertritt die Auffassung, der Populismus bezeichne keine neue politische Strömung, sondern beschreibe lediglich, wie das öffentliche Bewusstsein durch einen bestimmten Politikstil gebildet und beeinflusst wird. Mudde (2007: 23) beschreibt den Populismus als „ideological feature“ innerhalb des Rechtsradikalismus („Populist Radical Right Parties“) und hebt ihn dadurch zumindest einmal von der Einstufung als reines Stilmittel ab.

Auf der anderen Seite wurde schon Mitte der 1980er und Anfang der 1990er Jahre über die Aufnahme „rechts-populistische[r] Protestparteien […] als eigene ideologische Parteifamilie“ (Niedermeyer 1990: 564) innerhalb des Parteienspektrums oder die Ausbreitung des Rechtspopulismus als neuartigen Parteityp diskutiert (vgl. Decker 2005: 45). Häusler (2016: 137) stellt fest, dass der Rechtspopulismus prinzipiell ähnliche Themen verfolgt wie der Rechtsextremismus und ordnet ihn somit aus ideologischer Sicht dem Rechtsextremismus unter. Er gibt jedoch zu bedenken, dass dies nicht zutreffen kann, wenn man den Populismus als reines stilistisches Mittel politischer Inszenierung untersucht. In diesem Falle könne der Populismus nicht nur auf die extreme Rechte beschränkt, sondern auf das gesamte politische Spektrum ausgedehnt werden.

Ähnlich wie bei der Unterscheidung zwischen Extremismus und Rechtsextremismus lässt sich auch bei der Differenzierung von Populismus und Rechtspopulismus nur dann eine geeignete Arbeitsdefinition herausdestillieren, wenn man den Begriff nicht allgemein, sondern in seinen unterschiedlichen Ausprägungsformen betrachtet. Im Sinne des Wortes beansprucht der Populismus für sich, den Willen des Volkes8 zu vertreten. Hierbei zeichnet er sich durch besondere agitatorische Stilmittel aus: Die Übertragung von Strategien aus dem privaten auf den öffentlichen Bereich, das Aufzeigen radikaler Lösungen im Sinne einer Fundamentalopposition, die Identifikation mit den ‚kleinen‘ Leuten, das Verbreiten von Verschwörungstheorien und Feindbildern, Provokationen und Tabubrüche, die Verwendung von Gewaltmetaphern sowie Emotionalisierung und Angstmache (vgl. Decker 2004: 35f.). Vereinfacht beschreibt Priester (2007: 12) den Populismus als sprachliches Mittel, das einen marktschreierischen Stil, eine volkstümliche und deftige Sprache sowie eine simplifizierende und emotionale Diskursführung verwendet, um seine ZuhörerInnen zu erreichen und zu beeinflussen. Diese stilistischen Merkmale alleine lassen darauf schließen, dass der Populismus tatsächlich mehr Politikform als politische Ideologie ist. In der Regel ruft der Populismus im Stile einer „wir hier unten gegen die dort oben“-Dichotomie zum Kampf gegen das Establishment, gegen die Eliten und gegen die dominierenden Parteien auf, während man sich selbst als Teil des Volkes in der Opferrolle sieht (vgl. Decker 2004: 22; Rensmann 2006: 63). Somit wird ein Idealbild eines Volkes – nicht unbedingt der tatsächlichen Bevölkerung – kreiert, welches Identität und Zugehörigkeit schaffen soll, während das „Establishment“ angeprangert wird, gegen den Willen des Volkes zu handeln. Daher propagieren PopulistInnen den „verstärkten Einsatz direktdemokratischer Elemente als unmittelbaren Ausdruck des homogenen Volkswillens“ (Decker & Lewandowsky 2009: XX), was zu vermehrten Forderungen nach Volksentscheidungen führt. Sobald sich der populistische Stil mit rechten Ideologien vermischt, nimmt auch der Populismus „selbst ideologische Qualität“ (Decker 2004: 33) an. Im Sinne einer „wir hier drinnen gegen die dort draußen“-Dichotomie schafft der Rechtspopulismus bspw. Feindbilder gegen das Fremde, wobei sich die ablehnende Haltung sowohl gegen das Fremde selbst als auch gegen diejenigen richtet, die das Eindringen des Fremden ermöglicht. Im gleichen Sinne hat der Populismus auch immer einen antipluralistischen Wesenszug, der sich nicht nur auf ethnische, sondern auch auf religiöse oder sexuelle Minderheiten bezieht und sich bis hin zu einer offenen Fremdenfeindlichkeit entwickeln kann (vgl. Decker & Lewandowsky 2009). Rechtspopulistische Parteien zeichnen sich durch ihre antimigratorische, antieuropäische und antiamerikanische Einstellung aus, lehnen die Globalisierung ab und sehen sich selbst als Anti-Parteien-Partei, die plebiszitär und stark medienorientiert ausgerichtet ist (vgl. Hartleb 2004: 46).

Um die verschiedenen aufgeführten Ausprägungen und Ideologien der politischen Rechten im Verständnis dieser Untersuchung voneinander abzugrenzen, verdeutlicht Abbildung 4 noch einmal die Positionen der unterschiedlichen ideologischen Strömungen innerhalb des politischen Spektrums:9


Abb. 4: Das Verständnis des politischen Spektrums (eigene Darstellung).

Im 18. und 19. Jahrhundert setzten sich in Europa der Sozialismus (links), der Liberalismus (zentral) und der Konservatismus (rechts) als die drei großen politischen Ideologien bzw. Weltanschauungen durch. Während der Sozialismus die Gleichheit betont, tritt der Liberalismus für die Freiheit des Individuums und der Konservatismus für die Wahrung gesellschaftlicher Traditionen ein (vgl. von Beyme 2002: 34). Aus der Grundannahme heraus, dass sich die politische Mitte10 aus den demokratischen Varianten der jeweiligen Strömungen zusammensetzt, bildet die Sozialdemokratie den linken und der christdemokratische Konservatismus den rechten Rand der Mitte. Vom christdemokratischen Konservatismus abzugrenzen ist der Rechtskonservatismus, der sich vor allem durch ein starkes Nationalgefühl sowie kulturelle und ethnische Identität auszeichnet, jedoch „über keinerlei Affinitäten zum völkischen Nationalismus“ (Stöss 2013: 578) oder Rassismus verfügt. Es werden lediglich verstärkt nationale Belange verfolgt und das Wohl des eigenen Staates als oberste Prämisse angesehen. Dabei vertritt der Rechtskonservatismus, der oftmals synonym auch als Nationalkonservatismus bezeichnet wird, die Grundprinzipien der Demokratie und verfolgt die Stärkung der konservativen Werte.

Der Rechtspopulismus wird im Verständnis dieser Untersuchung als eigene Abstufung im politischen Spektrum angesehen. Dies wird wie folgt begründet: Im Sinne der Neuen Rechten wird der Rechtspopulismus als Verbindung zwischen (rechts- und national-)konservativen Ansichten und dem Rechtsextremismus angesehen. Hierbei wird der Rechtspopulismus jedoch vielmehr als eine Grauzone verstanden denn als ein Scharnier. Wie bereits beschrieben verfolgt der Populismus prinzipiell keine eigene Ideologie, sondern beschreibt in erster Linie eine bestimmte Politikform. Dennoch werden im Rechtspopulismus diejenigen Personen und Parteien zusammengefasst, die sowohl auf populistische Stilmittel zurückgreifen als auch im Sinne der Anti-Parteien- und Anti-Establishment-Rhetorik argumentieren. Die rechte Gesinnung der jeweiligen PopulistInnen spielt insofern eine Rolle, als sie schwächer oder stärker ausgeprägt sein kann. So befinden sich RechtspopulistInnen bei verschwimmenden Grenzen sowohl am Rande des Rechtskonservatismus als auch am Rande des Rechtsextremismus. Durch diese Verbindung zu beiden Seiten kommt eine Grauzone zustande, in der sich RechtspopulistInnen – je nach Thema und persönlicher Einstellung – frei bewegen und sich situationsabhängig konservativer oder extremer geben kann. Konservative(re) RechtspopulistInnen lehnen bspw. die Integration von Minderheiten zwar nicht grundlegend ab, sehen sie zumindest aber – im Sinne des Kulturalismus – kritisch und als Bedrohung für den Nationalstaat und die eigene Kultur. Extreme(re) RechtspopulistInnen hingegen vertreten eine ablehnende Haltung gegenüber Minderheiten und sprechen anderen ethnischen und religiösen Gruppen die Integrierbarkeit oder zumindest eine Assimilation an die eigene Kultur ab (vgl. Geden 2006: 212), ohne jedoch offen rassistisch zu sein. Des Weiteren propagieren sie einen drohenden Identitäts- und Souveränitätsverlust und eine kulturelle Entwurzelung durch Multikulturalismus, Globalisierung und – im Zusammenhang mit der EU – eine fortschreitende Europäische Integration (vgl. Betz 2002: 254). In ihrer Argumentation greifen RechtspopulistInnen aktuelle Krisen auf und stellen die Verantwortlichen für das Scheitern ihrer Politik an den Pranger, während sie sich als Teil des betrogenen und im Stich gelassenen Volkes ansehen (vgl. Bauer 2010: 5).

Am äußeren Rand des Spektrums befindet sich der Rechtsextremismus, der sich durch ein antidemokratisches und autoritäres Gesellschaftsverständnis sowie völkischen Nationalismus und Rassismus auszeichnet. Gleichzeitig betont er die Bedeutsamkeit des Erhalts des souveränen Nationalstaates und vertritt eine ethnopluralistische und antiglobalistische Position, in der das eigene Volk, die Nation und die kulturelle Identität an erster Stelle stehen und äußere Einflüsse und Öffnung nach außen als Bedrohung empfunden werden. Während sich der Rechtsextremismus schon allein aufgrund seiner Wortzusammensetzung und der Bedeutung des Terminus selbst am rechten äußeren Rand befinden muss, gibt es für andere rechte Weltanschauungen keinen eindeutigen Platz im politischen Spektrum. Exemplarisch hierfür steht der Rechtsradikalismus, der aus verschiedenen Gründen nicht in Abbildung 4 auftaucht: Zum einen wird in der Literatur argumentiert, dass sich – auf juristischer Ebene – Radikalismus und Extremismus nur durch die Einstellung zum demokratischen System unterscheiden. Gleichzeitig werden die Begriffe jedoch weiterhin synonym verwendet, was dazu führt, dass innerhalb der Grauzone des Rechtspopulismus beide Definitionen bedient werden. In diesem Fall ist es hilfreich, dass sich der Rechtspopulismus lediglich durch die Stärke der ideologischen Ausprägung im rechten Spektrum ansiedeln lässt. Zwar ist nicht jede Form von Radikalismus auch populistisch, aber es bewegt sich auch nicht jede/r Radikale im illegalen Bereich. Im ursprünglichen Sinne des Wortes verfolgt der Radikalismus das Ziel, Probleme an ihrer Wurzel anzusprechen und zu bekämpfen. In diesem Zusammenhang kann der Rechtsradikalismus durchaus populistische Formen annehmen, was eine Verortung am rechten Rand des Rechtspopulismus rechtfertigt. Zum anderen werden im weiteren Verlauf dieser Untersuchung nicht nur Parteien aus dem deutschsprachigen Raum näher betrachtet, was – zumindest in diesem Zusammenhang – eine Öffnung des Begriffs für andere Sprachräume erfordert. Hierbei ist zu beobachten, dass sich die Trennung von Radikalismus und Extremismus aufgrund der amtlichen Definition lediglich in Deutschland durchgesetzt hat, während beide Begriffe in der internationalen Literatur meistens weiterhin synonym verwendet werden (vgl. Mudde 1996: 230). Darüber hinaus fällt auf, dass das Adjektiv ‚rechtsradikal‘ heutzutage fast nicht mehr verwendet wird, um Parteien spezifizierend zu beschreiben. Im Verständnis dieser Untersuchung bezeichnet der Begriff ‚radikal‘ grundsätzlich von der Mitte des Rechts-Links-Spektrums abweichende Positionen, die nicht mehr als gemäßigt angesehen werden können.

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25 мая 2021
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341 стр. 3 иллюстрации
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9783838275574
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