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Apokalypse für Einsteiger

Über den Autor

Impressum

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Kapitel 40

Kapitel 41

Kapitel 42

Kapitel 43

Kapitel 44

Kapitel 45

Kapitel 46

Kapitel 47

Kapitel 48

Kapitel 49

Kapitel 50

Kapitel 51

Kapitel 52

Kapitel 53

Julian Birkner

Apokalypse für Einsteiger

Wie man in High-Heels die Welt rettet

Humor

XOXO Verlag

Über den Autor

Julian Birkner wurde am 29. Juli 1983 in Bayreuth geboren. Nach dem Literaturstudium absolvierte er in Berlin die Schauspielschule. Nach mehreren erfolgreichen Jahren als Schauspieler in Berlin, Potsdam und Magdeburg, wo er unter anderem als Prinz von Homburg zu sehen war, hing er die Schauspielkarriere an den Nagel und arbeitete als Marktleiter in einem Supermarkt. Hier ist auch die Idee für seinen ersten Roman entstanden: Eine Kassiererin, die die Welt retten muss.

Impressum

Bibliografische Information durch die Deutsche Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über

http://www.d-nb.de abrufbar.

Print-ISBN: 978-3-96752-141-2

E-Book-ISBN: 978-3-96752-641-7

Copyright (2020) XOXO Verlag

Umschlaggestaltung: Grit Richter, XOXO Verlag

unter Verwendung der Bilder:

Stockfoto-Nummer: 120393655, 384052714, 1246877911

von www.shutterstock.com

Buchsatz: Grit Richter, XOXO Verlag

Hergestellt in Bremen, Germany (EU)

XOXO Verlag

ein IMPRINT der EISERMANN MEDIA GMBH

Gröpelinger Heerstr. 149

28237 Bremen

Alle Personen und Namen innerhalb dieses Buches sind frei erfunden.

Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Kapitel 1

Eigentlich sollte es mich ja nicht wundern, dass ich mal wieder Hals über Kopf in der Scheiße steckte. Es war typisch für mich, dass die halbe Welt sauer auf mich war, weil ich wieder einmal Mist gebaut hatte. Meine Mutter pflegte in solchen Momenten gerne ihren Lieblingssatz zu zitieren: »Na ja, sie war als Kind schon schwer.« Ich war daran gewöhnt, dass meine gelegentlichen Ausraster mich in Schwierigkeiten brachten. Neu war hingegen, dass ich auf dem Polizeirevier in Handschellen saß. Und noch neuer, dass der Grund dafür so verrückt war, dass ich kein einziges Wort herausbrachte. Wenn meine Mutter noch leben würde, müsste ich mir jetzt einiges anhören …

»Okay …! Ich versuche es ein letztes Mal im Guten!« Mit Daumen und Mittelfinger massierte sich der Polizist die Schläfen, als wolle er den letzten Rest Geduld aus sich herausdrücken. Er atmete tief ein, fuhr sich entnervt durch seine dunklen, kurzen Haare und presste dann mit strenger Stimme zwischen den Lippen hervor: »Was ist da vorhin geschehen? Wieso liegt der komplette Marktplatz in Trümmern?«

Wortlos starrte ich auf meine Hände. Die Handschellen rieben an den Gelenken und hinterließen hässliche Spuren auf meiner Haut. Ich versuchte meine Nase zu kratzen, die schon seit geraumer Zeit wie verrückt juckte, aber durch die eingeschränkte Beweglichkeit sah das vermutlich genauso bescheuert aus, wie es sich anfühlte. Ich fröstelte. In diesem Polizeirevier war es eisig. Passte zumindest zu dem kalten Blick meines Peinigers. Fieberhaft dachte ich nach, wie ich aus dieser beschissenen Situation nur herauskam. Leider weigerte sich mein Gehirn mit einer brauchbaren Idee herauszurücken.

»Also?«, fragte der Polizist mit Nachdruck.

»Ich …« Mehr brachte ich nicht zustande. Es war sinnlos.

Was sollte ich ihm sagen? Die Wahrheit? Dann könnte ich auch gleich nach dem Formular für die Einweisung in die geschlossene Anstalt fragen.

»Also …«, startete ich vorsichtig. »Ich will Ihnen das ja alles auch erklären und mir ist bewusst, dass ich ein riesiges Chaos angerichtet habe, aber … ich kann nicht …«

Das Blitzen in den Augen des Polizisten verriet mir, dass seine Geduld am Ende war. Er knallte mit der Faust auf den Tisch! »Hören Sie, Frau Schwarz! Sie sagen mir jetzt auf der Stelle was ich wissen will, ansonsten stecke ich Sie in eine Zelle und wir unterhalten uns morgen früh weiter!«

»Okay … !« Ich versuchte meine stetig wachsende Panik irgendwie im Zaum zu halten. Er durfte mich auf keinen Fall einsperren. Dann wäre die Katastrophe perfekt. Falls sie das nicht schon war.

»Wieso sind Sie so gehetzt?«, fragte der Polizist und musterte mein Gesicht.

»Ich … muss unbedingt noch eine Sache zu Ende bringen.«

»Aha und was soll das für eine Sache sein?«

Ähm … Die Welt vor dem Untergang retten.

Das wäre zumindest die ehrliche Antwort gewesen, aber irgendwie zweifelte ich, dass es in diesem Fall die beste Option war.

»Das kann ich Ihnen auch nicht sagen.«, nuschelte ich und fürchtete einen weiteren Wutausbruch des Gesetzeshüters, jedoch sah er mich nur prüfend an und schüttelte dann frustriert den Kopf. Als er sich nach vorne beugte, um sich wieder eine Tasse Kaffee einzugießen, konnte ich zum ersten Mal sein Namensschild lesen: Herr Schulze! Hm, irgendwie hatte ich mir einen spektakuläreren Namen vorgestellt! Etwas das zu seinem kalten, verhärmten Gesicht passte und eher wie ein zwielichtiger Bulle klang. Vielleicht irgendwas Russisches … Aber »Herr Schulze« war lahm … »Diese Sache, die Sie noch erledigen wollen, wird warten müssen!«, erklärte er nun wieder in einem ruhigeren Ton und goss sich Milch in die Tasse.

Klar! Wenn ich mal ganz lieb frage, wird die Apokalypse bestimmt ein oder zwei Stündchen auf mich warten …

»Ich hoffe Sie haben eine gute Erklärung, denn die Presse sitzt mir schon im Nacken und befürchtet, dass dies ein weiterer Terroranschlag war! Sie haben ein Motorrad geklaut, die örtliche Klöppelgruppe beim Jahresausflug überfahren, einen Dackel vergiftet und fünf Marktstände zerlegt. Wie haben Sie das nur hinbekommen?«

»Ich war als Kind schon schwer …«

»Frau Schwarz. Tun Sie sich einen Gefallen und reden Sie. Desto schneller sind Sie hier raus …«

»Ich HABE aber keine Erklärung, die in ein paar Minuten alle Fragen beantwortet.«, rief ich verzweifelt.

»Gut, dann sehe ich nur eine Möglichkeit. Sie erzählen mir ALLES haarklein von Anfang an und lassen kein einziges, winziges Detail aus und wenn ich mit den Antworten zufrieden bin, dann lasse ich Sie vielleicht, aber auch wirklich nur vielleicht, diese eine Sache erledigen. Sollte ich jedoch das Gefühl haben, das Sie mich anlügen oder für dumm verkaufen wollen, dann brechen wir diese Unterhaltung ab und Sie landen in der nächstbesten Zelle! Haben wir uns verstanden?«

»In Ordnung! Ich rede … Aber das wird eine lange Geschichte!«, seufzte ich.

»Nun ich habe die ganze Nacht Zeit!«, erklärte Herr Schulze ruhig.

Na wenigstens einer von uns.

Ich spürte wie die Hoffnungslosigkeit immer mehr Besitz von mir ergriff. Die Situation war ausweglos und es war allein meine Schuld. Ich hatte viel zu spät begriffen in welcher Gefahr wir schwebten. Ich hatte verloren, bevor ich richtig kämpfen konnte. Wieso nur hatte ich Luca nicht früher geglaubt? Es hatte so viele Zeichen gegeben … so viele Menschen, die auf meiner Seite waren … Und ich blöde Kuh war viel zu sehr auf mich und meine Probleme fokussiert gewesen um zu sehen, was ich damit alles anrichte …

Ich fuhr mir mit der Hand durchs Gesicht. Mein Make-Up war eh schon so verschmiert durch den Regen, das mir jede Vogelscheuche hätte Schminktipps geben können … Und schlimmer als die Situation jetzt war, konnte sie ohnehin nicht werden. Luca war entführt worden, jeder der mir etwas bedeutete war weg, ich hatte keine Ahnung wie ich die Katastrophe verhindern konnte und zu allem Überfluss saß ich hier auf der Polizeistation fest und musste Herrn Schulze dabei zusehen wie er genüsslich an seinem Kaffee schlürfte, während die Welt vor ihrem Untergang stand. Ich wollte diesen Typen nur noch packen und so lange schütteln bis er den Wetterkanal aus Bielefeld empfing. Er raffte es einfach nicht. Er hatte keine Ahnung wie viele Menschen in Gefahr waren … Und ich würde die nächsten Stunden nichts tun können, als meine Geschichte zu erzählen …

Ich, Emma Schwarz, 34, aus Bottrop, war die Einzige, die die Welt retten konnte? Alles klar! Die Welt war sowas von geliefert …

Kapitel 2

Alles begann mit einem ziemlich normalen Arbeitstag! Es war Montag, meine Motivation noch im Wochenende und mein Körper sehnte sich zurück ins Bett. »Schichten sollten niemals um 6 Uhr beginnen«, murmelte ich unzufrieden und schlurfte den langen und engen Gang zu den Personalräumen entlang, um mir für die anstehende Schicht meinen weißen Kittel anzuziehen, damit wir alle hier im Supermarkt gleich bescheuert aussahen.

»Au!« Der plötzliche, dumpfe Schmerz raubte mir fast die Besinnung als ich mit meinem Fuß an etwas sehr Hartes stieß! »Oh Mann! Welcher Vollidiot stellt hier denn einfach etwas in den Weg?« Ich begutachtete die schmerzende Stelle, aber es schien nichts kaputt zu sein. Zumindest nicht kaputt genug um der Chefin sagen zu können, dass ich nach diesem schmerzhaften Unfall sofort wieder ins Bett müsse! Die Kollegin, die sich lustlos vor mir durch den Gang schob und die sich natürlich nicht den Fuß gestoßen hatte, drehte sich gelangweilt um und sagte monoton: »Ach so Vorsicht! Da liegt der Stand für die Promotion heute!«

Super! Danke, aber die Warnung hätte ein mir kleeeeines bisschen früher doch wesentlich mehr Freude bereitet als jetzt.

Grummelnd humpelte ich den Gang weiter! Promotion war meist eine super Sache! Ein übermotivierter Mitarbeiter stand irgendwo mit seinem viel zu großen Stand in unserem kleinen Laden und ließ die Kunden irgendetwas probieren, das entweder ziemlich lecker oder ziemlich grausig schmeckte. Es war ein bisschen wie nach einer Folge Game of Thrones! Man wusste nie, ob man danach jubeln oder aus vollem Herzen weinen würde! Aber alles in Allem war es eine willkommene Abwechslung von dem schnöden immer gleichen Tagesablauf.

»Was ist es denn diesmal?«, fragte ich neugierig! »Vielleicht mal Schokolade oder Kuchen? Ich finde nämlich, dass kommt viel zu selten vor!« Die Kollegin stapfte gelangweilt weiter. »Nee, ist diesmal Fisch!«

FISCH??? Unwillkürlich stellte ich mir einen Hamburger Fischverkäufer vor, der mir einen toten Karpfen unter die Nase hielt und mit großen Zahnlücken und wilden Augen rief: »Mal abbeißen?«

Ich schüttelte den Gedanken ab und zog mich um. Mein Fuß schmerzte noch immer und der Tag war jetzt schon ein Arschloch! Ich kannte solche Montage. Wenn eine Woche so anfing, dann war das meist ein Zeichen dafür, dass es noch viel schlimmer werden würde … Das ich aber schon Tage später gegen den drohenden Weltuntergang kämpfen würde, nun ja, das war dann doch nicht abzusehen …

Einige Stunden später, meine Motivation hatte mir inzwischen eine SMS gesendet und mir mit Bedauern mitgeteilt, dass sie es heute leider nicht mehr schaffen werde auf Arbeit vorbeizuschauen, entdeckte ich den Stand fertig aufgebaut neben unserer Fischtheke und eine sehr große (1.95 m??) blonde Frau winkte mich freudestrahlend zu sich heran. Gutgelaunte Menschen hatten es eh schwer bei mir, aber gutgelaunte Menschen vor 10 Uhr konnte ich auf den Tod nicht ausstehen!

»Du musst auch probieren! Das ist ganz neu!«

»Aha!«, sagte ich vorsichtig. »Was ist das denn überhaupt?«

»Trockenfisch!«, bekam ich als Antwort! Ich blickte auf den Stand! Ausgebreitet lagen da verschiedene Sorten von etwas, das aussah als wäre es gerade gestorben und dann in tausend Stücke zerhackt worden. Leider roch es auch so. Meine Lust dieses Zeug zu probieren war in etwa so stark wie das Bedürfnis einen Marathon vom Frühlingsfest der Volksmusik anzusehen oder mich von einem tollwütigen Hamster beißen zu lassen!

Plötzlich hielt mir die blonde Promoterin das Tablett mitten unter die Nase!

»Also eigentlich muss ich jetzt ja arbeiten!«, stammelte ich vorsichtig. Blondchen wirkte nicht überzeugt!

»Aber das kannst du dir nicht entgehen lassen! Das ist eine Geschmacksexplosion im Mund!«

Ja, genau das befürchte ich ja eben!

»Frau Schwarz, ich brauche mal eben ihre Hilfe!«, hörte ich eine Kollegin rufen und sah das enttäuschte Gesicht der Promoterin!

DANKE! DANKE! DANKE! Es gibt doch einen Gott! Ich muss das Zeug nicht probieren und ich verspreche ich gehe am Sonntag in die Kirche.

»Oh hat sich erledigt, Frau Schwarz! Ich brauche Sie doch nicht!« Das Gesicht von Blondchen hellte sich schlagartig wieder auf!

Das mit der Kirche kannst du da oben mal schön vergessen!!

»Hör mal, du musst doch schließlich wissen, was du verkaufst!«

Oh so ein Mist! Jetzt hat sie auch noch Argumente!

Sie hielt mir einen Fetzen Trockenfisch unter die Nase und allein der Geruch brachte mich fast zum Würgen. Und ich war ein Mensch, der viel aushalten konnte. Aber das fühlte sich an wie Folter. Ob die Menschen in den Kriegsgebieten auch mit Trockenfisch gefoltert wurden?

»Hier ist extra ein großes Stück, damit du auch was schmeckst!«

»Oh, danke... Das ist ja lieb!«

Fuck, das Ding ist wirklich groß. Okay, Emma, du schaffst das! Augen zu und durch!

Ich stopfte mir den Klumpen Trockenfisch in den Mund und fing an zu kauen.

Es schmeckt bestimmt wie Hühnchen... Bitte lass es nach Hühnchen schmecken.

Ich kaute ein paar Sekunden vorsichtig auf dem harten Stück Fisch herum und merkte erstmal gar nichts. Langsam begann ich mich zu entspannen. Doch dann entfaltete der Trockenfisch sein Aroma. Der Geschmack bahnte sich unbarmherzig und grausam einen Weg durch meine gesamten Geschmacksnerven.

Das schmeckt definitiv nicht nach Hühnchen.

Tränen schossen mir in die Augen! Das war das Grauenhafteste, was ich jemals gegessen hatte!

»Und?« Voller Vorfreude und Enthusiasmus strahlte mich Blondchen an!

Oh mein Gott! Es schmeckt als hätte mir eine Gelbflossenflunder direkt ins Gesicht gekotzt!

»Ich kann da gar nicht viel zu sagen!«, stammelte ich vorsichtig! Und das war nicht mal gelogen, denn ich musste mich richtig konzentrieren, um den Würgereiz aktiv zu unterdrücken. Ich versuchte immer wieder zu kauen, aber gegen diesen fiesen Geschmack schien ich nicht anzukommen. Ich wollte das Ding nur noch loswerden. Ich wälzte es mit der Zunge von der einen Seite auf die andere. Jedoch schien es in meinem Mund nur immer mehr zu werden!

»Ach weißt du, ich mache ja öfter mal Promotion!«, sprudelte Blondchen energiegeladen weiter, ohne zu merken welche Kämpfe ich gerade ausstand.

»Bestimmt ein- oder zweimal die Woche«

Hilfe! Mach, dass es aufhört!

»Und meistens ist es ja recht langweilig.«

Ich werde diesen Geschmack noch Wochen auf der Zunge haben, oder?

»Aber diesmal bin ich von dem Produkt echt begeistert!«

Ob ich mir gleich die Zähne putze?

»Und das mit dem Trockenfisch ist echt etwas Neues!«

Zahnbürsten haben wir ja im Laden …

»Und die Leute reagieren da auch ganz unterschiedlich«

Dann muss ich mir aber auch Zahnpasta holen …

»In dem Job erlebt man so viel«

Ich nahm alle Kraft zusammen und...

Schluckte... Es war überstanden! So mussten sich die alten Griechen nach einer gewonnen Schlacht fühlen. Na ja, mit weniger Fischgeschmack im Mund wahrscheinlich …

Das Leben kann so schön sein. Jetzt nur noch weg hier!

Ich wollte mich gerade abwenden, als mich Blondchen am Arm festhielt!

»Du hast ja die anderen Sorten überhaupt nicht probiert!« Enttäuscht und traurig sah sie mich an. Als ich in ihre blauen Augen sah, spürte ich tief in mir eine Stimme, die mich fragte: »Bringst du es echt übers Herz sie zu enttäuschen?«

Ja, das kriege ich hin!

»Ich muss leider weiterarbeiten. Sonst komm ich zu gar nichts mehr!«, sagte ich entschuldigend.

»Dann nimm wenigstens noch ein paar Proben für deine Kollegen mit, die heute nicht da sind!«

Hm, wenn ich möchte, dass sie fristlos kündigen...

Ich packte die Proben ein und war überglücklich, dass Blondchen kurz danach den Laden verließ. Ich sollte noch Tage später einen seltsamen Geschmack auf der Zunge haben …

Kapitel 3

Ich hatte jedoch keine Zeit lange über den Trockenfisch nachzudenken. Genauso erbarmungslos wie der grauenvolle Geschmack holte mich nämlich der Stress und der Zeitdruck ein. Ich freute mich so auf den Feierabend, aber die Liste der Aufgaben, die ich bis dahin noch zu erledigen hatte, war immens lang. Was man in so einem Moment übrigens gar nicht gebrauchen kann sind Kunden. Unzufriedene, stets nörgelnde und immer alles besserwissende Kunden … Und die alten Damen sind da immer eine besondere Freude …

»Wo steht der Zucker?«

»Hinter Ihnen!«

»Der stand aber letztes Mal noch da hinten bei den Brötchen!«

»Nein, der stand schon immer hier beim Mehl!«

»Doch ich bin mir sicher, dass Sie wieder umgeräumt haben! Sie räumen ja ständig um …«

»Wir haben das letzte Mal vor 4 Jahren umgeräumt. Seitdem steht er hier beim Mehl.«

»Nein, das glaube ich Ihnen nicht. Letzte Woche stand der noch da hinten! Sie räumen hier nur immer um, um die Kunden zu verwirren. Eine ganz üble Masche ist das.«

»Ich versichere Ihnen, der Zucker stand letzte Woche genau da, wo er jetzt auch steht!«

»Dieses ständige Umräumen ist eine Zumutung. Sagen Sie das mal Ihrem Chef!«

AHHHHHHHHHHHHHHHHHHHH! Nimm deinen scheiß Zucker und geh endlich!

»Ja, das werde Ihm ausrichten …«

Wenn man solche Gespräche 5 bis 10 Mal am Tag führt, dann beginnt man Kunden allmählich zu verabscheuen. Diese nervigen Knalltüten, die einem mit dem Einkaufswagen den Weg versperren und daran hindern, pünktlich mit der Arbeit fertigzuwerden.

Der nächste Kandidat, der mich anspricht, der bekommt so dermaßen …

Und plötzlich sah ich ihn wieder. Er stand bei der Margarine und musterte die unterschiedlichen Sorten. Einer unserer Stammkunden hier, aber ich kannte seinen Namen nicht. Er blickte kurz in meine Richtung und sein braunes Haar fiel in sein Gesicht. Er strich sich die Strähne aus dem Gesicht und winkte mir freundlich lächelnd zu. Sofort machte mein Herz einen Hüpfer. Ich kannte diesen Mann nur vom Sehen und wir hatten noch nie ein Wort miteinander gewechselt, aber seine freundliche Art und sein magisches Lächeln, machten mich jedes Mal sprachlos. Abgesehen davon war er der perfekte Kunde. Er stand nie im Weg, war stets höflich und war praktisch wie ein Geist: Nicht vorhanden, aber brachte Umsatz.

Und das Beste: Er trug keinen Ehering am Finger. Das hatte ich schon bei der zweiten Begegnung mit ihm gecheckt. Trotzdem kamen wir nie ins Gespräch … Kein Wunder bei dem Kittel, den ich tragen musste. Ich hätte genauso gut ein Schild hochhalten können auf dem steht: »Achtung! Ich bin eine frigide Jungfer. Bitte sprechen Sie mich nicht an!«

Ich hätte diesen Mann ewig beobachten können. Er war groß gewachsen, hatte einen sexy Drei-Tage-Bart und einen Hintern, in den man einfach nur reinkneifen wollte. Wenn er nicht den ersten Schritt machte, dann musste ich das tun.

Was hatte ich zu verlieren? Meinen Stolz, meine Achtung vor mir selbst, meine Würde …

Was konnte schon Schlimmes passieren wenn ich ihn nach einem Date fragen würde? Er könnte vor Lachen zu Boden gehen und ersticken oder Panik bekommen und bei der Flucht draußen vor einen Bus laufen …

Was sollte mich davon abhalten jetzt einfach auf ihn zuzugehen und ihn anzusprechen? Ein Blick nach unten auf meinen Kittel und die Antwort war klar …

Die Fakten lagen klar auf dem Tisch. Das da drüben war ein Traumtyp, der es nicht nötig hatte jemanden anzusprechen und ich eine feige Nullnummer gekleidet in einen Kartoffelsack. Wir würden also in 10 Jahren noch genau an derselben Stelle stehen. Er vor der Margarine und ich bei der Milch, um sie einzuräumen …

Plötzlich packte mich die Wut. Ich war eine selbstbewusste, emanzipierte Frau. Ich wusste was ich wollte und war noch nie auf den Mund gefallen. Wieso hatte ich solche Angst ihn anzusprechen? Scheiß drauf, ich mach das jetzt einfach …

Ich näherte mich ihm, setzte meinen sexy Blick auf und …

»Entschuldigung, Sie sehen so verloren aus. Kann ich Ihnen behilflich sein?«

Moment mal! Das ist nicht meine Stimme!

Eine Kollegin hatte sich ihm von der anderen Seite genähert und hatte nun seine volle Aufmerksamkeit.

Susanne …

Die konnte ich noch nie leiden. Sie warf sich jedem gutaussehenden Kunden an den Hals und sah zu allem Überfluss auch noch verdammt gut aus. Sogar der Kittel schien ihr zu stehen und ihre Kurven zu betonen. Mit einem triumphierenden »Der gehört mir!«-Lächeln nahm sie den Margarine-Traumtypen sanft am Arm und säuselte: »Ich zeige Ihnen noch die besonders günstigen Angebote hier drüben!«

ARGHHH! Du blödes Miststück! Ich mach Kleinholz aus dir …

Aber ehe der Margarine-Traumtyp etwas sagen konnte, hatte sie ihn schon von mir weggeführt und ich stand wie bestellt und nicht abgeholt neben meiner Milch …

Stolz und Würde verloren? Check

Wie eine Vollidiotin dastehen? Check

Lust haben, nun weiter zu arbeiten? ERROR

Enttäuscht und übellaunig ging ich in die Hocke und stopfte die Milch weiter ins Regal, mit einer Heftigkeit die das ganze Kühlregal zittern ließ. Susanne würde noch ihr blaues Wunder erleben. Der würde ich so die Meinung geigen, dass sie nicht mehr wissen würde, ob sie Männlein oder Weiblein war …

Ich spürte, wie mich ein Finger auf der Schulter antippte, fuhr herum und rief eine Spur zu heftig: »Was ist?«

Als ich jedoch sah wer mich da angetippt hatte, war die Wut verflogen. Ein kleiner Junge um die 5 oder 6 Jahre stand schüchtern hinter mir und blickte mich verängstigt aus großen Kulleraugen an …

Oh ich liebe Kinder.

Ich drehte mich zu ihm um und sagte in sanfterem Ton: »Wie kann die Tante dir denn helfen?«

Mit Kindern kann ich super.

Der Junge sah mich irritiert an und trat dann nervös von einem Fuß auf den Anderen.

»Ich habe dich gesucht.«, murmelte er.

Und Kinder lieben mich.

»Na nun hast du mich gefunden. Was möchtest du denn?«

Der Junge musterte mich genau. Seine dunkelblaue Mütze hatte er tief ins Gesicht gezogen.

»Meine Mama ist hübscher als du.«

Okay vielleicht nicht alle Kinder.

»Aber kann deine Mama auch das hier?« Ich warf ein Päckchen Milch in die Luft um sie lässig mit der anderen Hand hinter meinem Rücken zu fangen. Nun so war der Plan. Die Milch sah das anders und landete mit einem lauten Klatschen auf dem Boden und ergoss sich in alle Richtungen.

»Das mach ich später weg«, nuschelte ich.

»Du bist komisch.«, sagte der Junge tonlos.

Gut vielleicht konnte ich doch nicht so gut mit Kindern …

»Du musst mir helfen, Frau Schwarz!«, flüsterte er kaum hörbar … »Es wird etwas Schlimmes passieren …«

Ich spürte einen leichten Anflug von Gänsehaut.

»Woher kennst du eigentlich meinen Namen?«

Der Junge ignorierte meine Frage und sah stattdessen traurig zu Boden. »Es wird bald ganz finster …«

»Ähm, brauchst du eine Taschenlampe.«

Der Junge schüttelte den Kopf.

»Oder Batterien?«

»Nein.«

»Wie haben auch Akkus.«

»Frau Schwarz, du musst die Welt retten!«

Eine Sekunde lang sah ich den Jungen entgeistert an und dann bekam ich so einen Lachflash, dass ich mich am Regal festhalten musste um nicht umzukippen.

»Du bist ja der Hammer, Kleiner!«, lachte ich lautstark auf. »Das hat mir jetzt echt den Tag gerettet. Knaller!« Ich bekam kaum Luft und mein Bauch schmerzte bereits durch den Lachanfall. »Ja wenn ich fertig bin mit der Milch, werde ich noch schnell die Welt retten.«

Verwirrt sah mich der Junge an. »Aber das ist doch gar nicht lustig. Das ist ernst. Du musst mir helfen …«

»Hör mal, kleiner Mann!«, erklärte ich ruhig, als der Lachkrampf endlich nachließ und ich mir die letzten Tränen aus den Augen gewischt hatte. »Ich finde das ja super, das du mit mir Superheld spielen willst, aber ich denke du solltest das mit deinen Eltern spielen … Ich habe auch noch eine Menge zu tun: Milch und Eier auffüllen, das Lager aufräumen und meine Kasse abrechnen. Die Welt retten steht da nicht auf meiner Liste.«

Ich spürte wie sich Panik in ihm breit machte. Offenbar nahm er das alles viel zu ernst. »Aber … aber … BITTE … Du MUSST mir helfen. Sonst …« Er packte mich am Arm und rüttelte daran so heftig, dass ich das Gleichgewicht verlor und unsanft auf meinem Allerwertesten landete. Natürlich voll in der Milch, die ausgelaufen war.

»Jetzt ist aber genug!«, rief ich unwirsch. Mein Kittel war klatschnass. »Ich werde weder heute noch morgen die Welt retten. Für so ein blödes Spiel bin ich die Falsche. Also geh zurück zu deinen Eltern und fall denen auf die Nerven!«

Update: Mit Kindern kann ich doch nicht gut …

Geschockt durch meine laute Ansage, blickte mich der Junge aus seinen großen, grünen Augen an und als sie sich mit Tränen füllten, tat es mir leid so hart gewesen zu sein. Sein Blick war so verzweifelt, dass es mir bis unter die Haut ging.

Ich bin sogar richtig scheiße darin.

»Aber du bist doch die Einzige, die das kann … Und wenn du es nicht willst, dann …« Er schlug die Hände vors Gesicht und rannte davon. Für eine Sekunde überlegte ich ihm hinterherzugehen. Als mich dann noch eine Kundin vorwurfsvoll und verächtlich ansah und den Kopf schüttelte, fühlte ich mich vollkommen schlecht.

Einen kleinen Jungen zum Weinen gebracht? Check

Sich fühlen wie der unsensibelste Mensch auf Erden? Check

Gleich den Feierabend genießen können? Error

Missmutig begann ich die Milch aufzuwischen und während ich Susanne um die Ecke biegen sah, die triumphierend die Telefonnummer von dem Margarine-Traumtypen in die Höhe reckte, fragte ich mich wie viel schlimmer der Tag noch werden konnte …

417,92 ₽
Возрастное ограничение:
0+
Дата выхода на Литрес:
26 мая 2021
Объем:
321 стр. 2 иллюстрации
ISBN:
9783967526417
Издатель:
Правообладатель:
Автор
Формат скачивания:
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