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Isolde Kurz

Gesammelte Werke

Romane und Geschichten

Isolde Kurz

Gesammelte Werke

Romane und Geschichten

Veröffentlicht im Null Papier Verlag, 2020

1. Auflage, ISBN 978-3-962812-51-5

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Inhaltsverzeichnis

Bio­gra­fie

Aus mei­nem Ju­gend­land

Wid­mung

Vor­wort

Le­bens­mor­gen

Tan­te Ber­ta und die Schwa­ben­strei­che

Um­zug nach Kirch­heim

Das alte Tü­bin­gen

Die Hei­den­kin­der

Ein Flucht­ver­such

Von Ihr. Nach­klän­ge des tol­len Jah­res. Das rote Al­bum.

1866

Die Ge­burt der Tra­gö­die

Vor­früh­ling

Ein No­tel­fer. Rus­si­sche Freun­de

Ein fran­zö­si­scher Re­vo­lu­tio­när. Ju­gen­dese­lei­en

1870

Rigi Re­gi­na

Be­such in Frank­reich

Be­dräng­nis­se

Der Brand und die Flam­me. Hat der Mann ein See­len­le­ben?

Der 10. Ok­to­ber

Wie­der bei den Grie­chen

Un­zeit­ge­mä­ßes und was es für Fol­gen hat­te

Mün­chen

Letz­te Tage in der Hei­mat

Der De­spot

Die Nacht im Tep­pich­saal

Wid­mung

Der Wan­de­rer

Die Mär von der schö­nen Ga­lia­na

Wie die Flo­ren­ti­ner Pisa be­hü­te­ten

Die Ver­damm­ten

Die Dame von For­li

Das bren­nen­de Herz

Die Pil­ger­fahrt nach dem Un­er­reich­li­chen

Ers­tes Ka­pi­tel – Ster­nen­stun­de

Zwei­tes Ka­pi­tel – Mut­ter­recht

Drit­tes Ka­pi­tel – Kin­des­see­le und Über­welt

Vier­tes Ka­pi­tel – Das Gestirn des Va­ters

Fünf­tes Ka­pi­tel – Noch ein­mal die Ju­gend­stadt

Sechs­tes Ka­pi­tel – Flo­renz

Sieb­tes Ka­pi­tel – Der Weg

Ach­tes Ka­pi­tel – Un­ser Tho­le

Neun­tes Ka­pi­tel – Die Vil­la mit dem Gra­nat­baum

Zehn­tes Ka­pi­tel – Durch­bruch

Elf­tes Ka­pi­tel – Wie Was­ser von Klip­pe zu Klip­pe ge­wor­fen

Zwölf­tes Ka­pi­tel – Le­bens­mit­te

Drei­zehn­tes Ka­pi­tel – Wir be­grün­den ein Welt­bad

Vier­zehn­tes Ka­pi­tel – Son­nen­wen­de

Fünf­zehn­tes Ka­pi­tel – Das Ver­glim­men

Sech­zehn­tes Ka­pi­tel – Vor­bo­ten

Sieb­zehn­tes Ka­pi­tel – Im Welt­brand

Acht­zehn­tes Ka­pi­tel – Den Du nicht ver­läs­sest

Die Stadt des Le­bens

Lo­ren­zo il Ma­g­ni­fi­co

Der me­di­ce­i­sche Mu­sen­hof

La Bel­la Si­mo­net­ta

Der Bru­tus der Me­di­ce­er

Bian­ca Cap­pel­lo

Die Stun­de des Un­sicht­ba­ren

Die vom Ber­ge Lat­mos

Fa­tum?

Der Iet­ta­to­re – Eine ver­ges­se­ne Ge­schich­te

Das Bild­nis der Un­be­kann­ten

Der alte Schrank

Fluch­gold

Flo­ren­ti­ner No­vel­len

Die Hu­ma­nis­ten

Die Ver­mäh­lung der To­ten

Der hei­li­ge Se­bas­ti­an

Flo­ren­ti­ni­sche Erin­ne­run­gen

Wid­mung

Die stil­le Kö­ni­gin

Agli Al­lo­ri

Ed­gar Kurz – Ein Le­bens­bild

Al­fred Kurz – Nach­ruf

Adolf Hil­de­brand – Zu sei­nem sech­zigs­ten Ge­burts­ta­ge

In den Mar­mor­ber­gen – I. Car­ra­ra

In den Mar­mor­ber­gen – II. Ser­ra­vez­za.

Eine Toch­ter Oc­ta­vio Pic­co­lo­mi­ni’s

Erd­be­be­nerin­ne­run­gen

Blü­ten­ta­ge in Flo­renz

Her­mann Kurz

Wid­mung

Vor­wort

Ein­lei­tung

Des Dich­ters Ju­gend­jah­re

Nach­le­se aus den Ge­dich­ten der Maul­bron­ner Zeit

Das blaue Ge­nie

Ers­te Schaf­fen­spe­ri­ode

Be­zie­hun­gen zu Mö­ri­ke

Der Dich­ter­kreis um Alex­an­der von Würt­tem­berg

Schwarz-rot-gold

Das Brun­now­sche Haus

Hei­rat

In der Fro­ne der Frei­heit

Neue Schaf­fen­spe­ri­ode

Un­se­re Kin­der­stu­be

Ober­ess­lin­gen

Der Fremd­ling

Treue

Letz­te Le­bens­jah­re.

Im Zei­chen des Stein­bocks

Im Zei­chen des Stein­bocks

All­ge­mei­nes vom Men­schen­da­sein

Mann und Weib

Aus der Welt des Her­zens

Vom Kin­de

Ethik und Rhyth­mus

Ge­heim­nis­se

Von der Spra­che

Aus Völ­ker­see­len

Vom Ge­ni­us

Poe­sie

Kunst und Künst­ler

Un­ter Men­schen

Al­ler­lei Hei­li­ge

Aus der Zeit

Ita­lie­ni­sche Er­zäh­lun­gen

Schus­ter und Schnei­der

Mit­tags­ge­spenst

Pen­sa

Die Glücks­num­mern

Er­reich­tes Ziel

Ein Rät­sel

Näch­te von Fon­di

Wid­mung

Frau­en, Rit­ter, Waf­fen und Amu­ren

Die flie­hen­de Nym­phe

Fun­di, mei Cala­mi­tas!

Phan­tasi­en und Mär­chen

Ha­schisch.

Der ge­borg­te Hei­li­gen­schein.

Ster­nen­mär­chen.

Die gol­de­nen Träu­me.

Kö­nig Filz.

Vom Leucht­kä­fer, der kein Mensch wer­den woll­te.

Va­na­dis

Ers­tes Buch

Zwei­tes Buch

Von da­zu­mal

Es und ich.

Nach­bars Wer­ner

Das Ver­mächt­nis der Tan­te Su­san­ne.

Wer­ters Grab.

Der Rei­se­sack.

Der Ak­ti­en­gar­ten.

Die Rei­se nach Tripstrill.

Wan­der­ta­ge in Hel­las

Wid­mung

Triest – Pi­raeus

Athen

Ägi­na und Sala­mis

Eleu­sis

Me­nid­hi-Achar­nä

Kap Su­ni­on

Die Ar­go­lis

Ko­rinth und der Isth­mus

Del­phi

Nach Olym­pia

Ein ar­ka­di­scher Früh­lings­tag

Be­such in The­ben

Chal­kis

Letz­te Tage in Athen

Ar­nold Böck­lin

Aus Ga­ri­bal­dis Me­moi­ren

Der Ak­ti­en­gar­ten

Das Haus des Atreus

Die Lie­ben­den und der Narr

Ein son­der­ba­rer Hei­li­ger

Mei­ne Mut­ter

Sin­gen­de Flam­me

»Le temps que je re­gret­te …«

Kin­der­land

Des Kin­des Ta­ge­werk

Das Mai­en­fest

Früh­lings­lied

Mäd­chen­lie­be

Um dich

Ge­heim­nis

Ru­he­los

Drei Jah­re lang …

Die Nicht-Ge­we­se­nen

Weg­war­te

Be­dräng­nis

Das Lämp­chen

Schau’, die tie­fen Tä­ler …

Deut­sche Ge­s­pens­ter

Wie die Ju­gend liebt

Phi­lis­ter

Bahn­wär­ters Töch­ter­lein

Das Bet­tel­kind

Das bist du

Hel­din, als wir dich hat­ten

Ed­gar

Nun bin ich stark …

O dass die Lie­be ster­ben kann

Nein …

Jetzt heißt es still und heim­lich …

Ab­sa­ge

Im star­ren Guß …

Die ers­te Nacht

Der Tod

Auf dei­ne Gruft

Ein Schat­ten du …

Pie­ta

Fina­le (1933)

Im Ver­glim­men

Die Wege, die wir tau­send­mal ge­gan­gen

Der Berg­stei­ger

Bald

Pur­pur­ne Aben­drö­te

Letz­te Fahrt

Sol­leo­ne

Un­se­re Car­lot­ta

In­dex

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Biografie

Isol­de Ma­ria Kla­ra Kurz (21.12.1853–06.04.1944) war eine deut­sche Schrift­stel­le­rin und Über­set­ze­rin.

Ihr Va­ter Her­mann war eben­falls Schrift­stel­ler und Über­set­zer. Sie wuchs in ei­nem li­be­ra­len und an Kunst und Li­te­ra­tur in­ter­es­sier­ten Haus­halt auf. Schon früh wur­de sie mit den Schrif­ten der klas­si­schen An­ti­ke be­kannt und ar­bei­te­te in jun­gen Jah­ren als Über­set­ze­rin. Sie war eine selbst­stän­di­ge Frau, die ih­ren ei­ge­nen Le­bens­un­ter­halt ver­dien­te, was da­mals noch nicht üb­lich war. 1913 wur­de Kurz als ers­te Frau zum Ehren­dok­tor der Uni­ver­si­tät Tü­bin­gen er­nannt.

An­fang der 1890er Jah­re er­rang sie ers­te li­te­ra­ri­sche Er­fol­ge mit der »Flo­ren­ti­ner No­vel­le« und den »Ita­lie­ni­schen Er­zäh­lun­gen«. Es folg­ten wei­te­re Ge­dicht- und Er­zähl­bän­de, Auf­sät­ze in Ma­ga­zi­nen (»Die Gar­ten­lau­be«) und aber auch bio­gra­fi­sche Ar­bei­ten.

Ihre Rol­le im Na­tio­nal­so­zia­lis­mus schwank­te zwi­schen in­tel­lek­tu­el­ler, aber nicht ge­äu­ßer­ter Ab­nei­gung und ei­nem un­kri­ti­schen Ar­ran­ge­ment.

Aus meinem Jugendland

Widmung

Dem Le­bens­freund

und Teil­ha­ber mei­ner Ju­gen­derin­ne­run­gen

Ernst von Mohl

Vorwort

Die vor­lie­gen­den Blät­ter dan­ken ihr Ent­ste­hen zu­nächst ei­ner An­re­gung der »Neu­en Frei­en Pres­se«, die einen großen Teil da­von zu­erst in Ein­zel­feuil­le­tons ver­öf­fent­licht hat. Erst die freund­li­che Auf­nah­me, die sie in Le­ser­krei­sen fan­den, ver­an­lass­te die Ab­fas­sung des gan­zen Bu­ches. Die­ses bil­det ge­wis­ser­ma­ßen eine Fort­set­zung und Er­gän­zung der Le­bens­ge­schich­te mei­nes Va­ters1 und die Über­lei­tung zu den Flo­ren­ti­ni­schen Erin­ne­run­gen,2 in de­nen ich die Cha­rak­ter­bil­der mei­ner ver­stor­be­nen Brü­der ein­zeln ge­zeich­net habe. Da ich bei Nie­der­schrift der ge­nann­ten Bü­cher nicht dar­an dach­te, auch ein­mal die ei­ge­ne Ent­wick­lung zu er­zäh­len, sind in bei­den ge­le­gent­lich Din­ge vor­weg­ge­nom­men, die hier mit grö­ße­rer Aus­führ­lich­keit be­han­delt sein woll­ten. Die Art des Ent­ste­hens die­ser Auf­zeich­nun­gen be­ding­te ihre Ein­tei­lung in ge­schlos­se­ne Ka­pi­tel, die nicht streng chro­no­lo­gisch, son­dern nach der in­ne­ren Ord­nung ge­glie­dert sind. Doch bin ich hier­in nur dem Ge­setz des Ge­dächt­nis­ses ge­folgt, das gleich­falls die Er­eig­nis­se nicht am lan­gen Fa­den auf­rei­ht, son­dern das Zu­sam­men­ge­hö­ri­ge, auch wenn es zeit­lich ge­trennt ist, an­ein­an­der­knüpft.

Na­tür­lich kann das Bild, das ich von mei­ner da­ma­li­gen Um­welt gebe, kein voll­stän­di­ges sein. Es ha­ben wert­vol­le Men­schen mei­nen Ju­gend­weg ge­kreuzt, de­ren hier kei­ne oder nur flüch­ti­ge Er­wäh­nung ge­schieht, weil ich sonst von der vor­ge­setz­ten Rich­tung zu weit ab­ge­lenkt wür­de. Die Wahl der ein­ge­führ­ten Per­so­nen be­stimmt sich ein­zig nach ih­rem Ein­fluss auf mei­nen Wer­de­gang. Und ein sol­cher Ein­fluss hängt ja weit we­ni­ger von der wirk­li­chen Be­deu­tung ei­ner Per­sön­lich­keit ab als von dem Zeit­punkt, wo un­se­re Le­bens­we­ge sich schnei­den.

Auch wun­de­re man sich nicht, wenn man in mei­nen Erin­ne­run­gen Größ­tes und Kleins­tes, Völ­ker­ge­schi­cke und Ju­gen­dese­lei­en, große Män­ner und klei­ne Mäd­chen bunt bei­sam­men fin­det. In mei­nem Ju­gend­gar­ten wuch­sen alle Ge­wäch­se Got­tes, große und klei­ne, ein­hei­mi­sche und frem­de, wild durch­ein­an­der. Da gab es him­mel­stre­ben­de Ze­dern, wun­der­sa­me Orchi­de­en, sel­te­ne Ro­sen­ar­ten, da­ne­ben lus­ti­ge Bau­ern­blu­men und al­ler­hand blü­hen­des Un­kraut. Ich pflücke mit vol­len Hän­den, was ich noch er­raf­fen kann. Frei­lich muss­te ich man­che lo­cken­de Blu­me nach­träg­lich wie­der aus dem Strauß wer­fen, weil mir die Rück­sicht auf Le­ben­de oder Ver­stor­be­ne Zu­rück­hal­tung auf­er­legt. Und was die großen Män­ner be­trifft, so neh­men sie die Nähe der klei­nen Mäd­chen nicht übel; ja sie hät­ten, als sie leb­ten, die Welt ohne die­se Nähe um vie­les we­ni­ger an­zie­hend ge­fun­den.

Vi­el­leicht er­scheint es man­chem als eine Ver­mes­sen­heit, dass ich über­haupt in­mit­ten des Welt­krie­ges von den Freu­den und Lei­den mei­ner ei­ge­nen Ju­gend er­zäh­le. Zu mei­ner Recht­fer­ti­gung die­ne die Er­wä­gung, dass die große Sint­flut, aus der sich all­mäh­lich eine neue Welt em­por­zu­rin­gen be­ginnt, in Bäl­de vollends die letz­ten Spu­ren je­ner idyl­li­schen Tage mit ih­ren Rei­zen und ih­ren un­er­träg­li­chen Hem­mun­gen hin­weg­ge­fegt ha­ben wird. Dann mag ein neu­es Ge­schlecht sich durch die ver­schö­nern­de Zei­ten­fer­ne hin­durch viel­leicht an ih­rem An­blick be­ha­gen. Auch spie­geln sich ja in je­dem Men­schen­le­ben im­mer un­zäh­li­ge an­de­re, in de­nen die glei­chen An­sät­ze ent­hal­ten sind und die nicht un­gern im frem­den Ge­sicht das ei­ge­ne wie­der­er­ken­nen.

Buoch i. R., im Som­mer 1918

Isol­de Kurz

1 Her­mann Kurz. Ein Bei­trag zu sei­ner Le­bens­ge­schich­te. Mün­chen 1906, bei Ge­org Mül­ler. Jetzt Stutt­gart, Deut­sche Ver­lags-An­stalt. <<<

2 Flo­ren­ti­ni­sche Erin­ne­run­gen. Mün­chen 1910, bei Ge­org Mül­ler. 2. Aufl. Jetzt Stutt­gart, Deut­sche Ver­lags-An­stalt. <<<

Lebensmorgen

Es hat einen tie­fen Reiz für das geis­ti­ge Ich, sei­nen ei­ge­nen An­fän­gen nach­zu­spü­ren. Wann und wie ist von die­sem Be­wusst­sein, das spä­ter die gan­ze Welt des Sei­en­den, des Ge­we­se­nen und gar noch des Künf­ti­gen um­span­nen möch­te, der ers­te Fun­ke auf­ge­däm­mert? Die täg­li­che Um­ge­bung, in die wir hin­ein­ge­bo­ren wur­den, lässt kaum einen be­wuss­ten Ein­druck zu­rück, sie ist uns das Selbst­ver­ständ­li­che ge­we­sen, auch sind es nicht Per­so­nen, son­dern Din­ge, die uns zu­erst die Vor­stel­lung der Au­ßen­welt als mit uns im Ge­gen­satz be­find­lich ge­ben.

Am An­fang mei­ner Erin­ne­run­gen steht ein Rad. Die­se frü­he­s­te Ge­dächt­niss­pur hat sich mir in mei­nem acht­zehn­ten Le­bens­mo­nat ein­ge­gra­ben. Es war ein mit grü­nem Schlamm be­han­ge­nes, ver­wit­ter­tes Mühl­rad, das sich in ei­nem ei­len­den Schwarz­wald­bach dreh­te. Ich hielt es für den großen Garn­has­pel un­se­rer Jo­se­phi­ne, wor­aus ich schlie­ßen muss, dass mir die­ser schon eine ganz ge­läu­fi­ge Vor­stel­lung war, aber wann ich sei­ner be­wusst wur­de, weiß ich nicht. Das Rad war also nicht das ers­te, ich müss­te viel­leicht sa­gen: im An­fang war der Has­pel; al­lein nun stut­ze ich wie der Dok­tor Faust bei der Bi­bel­über­set­zung: ich kann den Has­pel so hoch un­mög­lich schät­zen. Es müs­sen noch an­de­re Er­kennt­nis­se in Men­ge vor und mit dem Has­pel ge­we­sen sein, je­doch sie sind auf ewig un­ter die Schwel­le mei­nes Be­wusst­seins hin­ab­ge­taucht, und das Mühl­rad steht als ers­ter si­che­rer Mei­len­stein auf mei­ner Le­bens­stra­ße. Ich zap­pel­te also vom Arm des Kin­der­mäd­chens her­un­ter, um den ver­meint­li­chen Has­pel aus dem Was­ser zu lan­gen – die Grö­ßen­ver­hält­nis­se wa­ren mir noch nicht auf­ge­gan­gen – und ich setz­te durch die­se Ab­sicht das Mäd­chen in be­rech­tig­tes Er­stau­nen, denn sie trug mich schleu­nig hin­weg, wo­bei ich mei­ne Miss­bil­li­gung durch Schrei­en und Tre­ten aufs leb­haf­tes­te äu­ßer­te. Die­ses Mäd­chen hieß Jus­ti­ne, sie war bei der gleich­na­mi­gen Hel­din des Weih­nachts­fun­des, den mein Va­ter um jene Zeit schrieb, Pate ge­stan­den, und der Auf­tritt spiel­te auf ei­ner moos­be­wach­se­nen Stein­brücke in dem klei­nen Schwarz­wald­bad Lie­ben­zell, die ich bei ei­nem vor we­ni­gen Jah­ren dort ab­ge­stat­te­ten Be­such auf der Stel­le wie­der er­kann­te.

Die­sel­be Jus­ti­ne, die, bei­läu­fig ge­sagt, erst vier­zehn Jah­re alt war, mir aber als eine sehr ehr­wür­di­ge Per­sön­lich­keit er­schi­en, trug mich ein­mal in eine Schmie­de, wo ru­ßi­ge Män­ner tief in­nen um lo­dern­des Feu­er han­tier­ten. Ich sah sie mit un­be­schreib­li­chem Ent­set­zen und hielt sie für Teu­fel. Wie aber kam der Teu­fel, von dem ich nie ge­hört hat­te, in mei­ne Vor­stel­lung? Ich weiß es nicht und kann nur an­neh­men, dass der Teu­fel zu den an­ge­bo­re­nen Be­grif­fen ge­hört. Ich schrie und sträub­te mich ge­wal­tig, als es in die­se Höl­le ging, und als gar ei­ner der Schwar­zen – es war, wie ich spä­ter er­fuhr, der Va­ter des Mäd­chens – sich mir ver­bind­lich nä­hern woll­te, ließ ich je­nes im gan­zen Ort be­kann­te Ge­schrei er­tö­nen, wor­an mich der Nacht­wäch­ter stra­ßen­weit zu er­ken­nen pfleg­te, dass das Mäd­chen ei­ligst mit mir das Wei­te such­te. Ich konn­te mich üb­ri­gens da­mals schon ganz gut ver­ständ­lich ma­chen, denn ich sprach, wie man mir er­zähl­te, schon im ers­ten Le­bens­jahr zu­sam­men­hän­gend. Mein um elf Mo­na­te äl­te­res, sonst sehr be­gab­tes Brü­der­chen Ed­gar lern­te es erst an mei­nem Bei­spiel. Aber wahr­schein­lich hät­te er es eben­so früh wie ich ge­konnt und ließ sich nur durch ir­gend­ein in­ne­res Hemm­nis die Zun­ge bin­den, denn er war ein wun­der­li­ches, äu­ßerst schwie­rig ver­an­lag­tes klei­nes Men­schen­kind, dem mei­ne grö­ße­re Un­be­fan­gen­heit eben­so nütz­lich war wie mir sein schon ent­wi­ckel­te­rer Ver­stand.

Mein nächs­ter blei­ben­der Ein­druck war ein frisch­ge­fal­le­ner Schnee in den Stra­ßen von Stutt­gart, den ich mit in­ni­ger Freu­de für Streu­zu­cker an­sah. Dann aber kam eine Stun­de un­ver­ge­ss­li­chen Jam­mers. Un­se­re Jo­se­phi­ne, das ge­lieb­te Erb­stück aus dem groß­vä­ter­li­chen Hau­se, hat­te mich im Wä­gel­chen auf den Schloss­platz ge­führt und war un­ter der so­ge­nann­ten Ehren­säu­le, die auf ei­nem, wie mir schi­en, him­mel­ho­hen Un­ter­bau eine Grup­pe von Stein­fi­gu­ren trägt, mit mir an­ge­fah­ren. In ei­ner die­ser Ge­stal­ten glaub­te ich un­se­re Mut­ter zu er­ken­nen und rief sie er­schro­cken an her­ab­zu­kom­men. Da sie sich nicht reg­te, schrie ich im­mer ängst­li­cher und fle­hen­der mein »Ma­ma­le, komm lun­ter«. Die­ses star­re, stei­ner­ne Da­ste­hen flö­ßte mir eine ban­ge Furcht, ein wach­sen­des Grau­en ein, ich be­gann zu ah­nen, dass es ein Ent­rückt­sein ge­ben kön­ne, wo kein Ruf die ge­lieb­te See­le mehr er­reicht. In mei­nen Jam­mer misch­te sich noch ein dunkles Schuld­ge­fühl, als ob die­ses Un­glück die Stra­fe für ir­gend­ei­ne von mir be­gan­ge­ne Un­bot­mä­ßig­keit wäre, ich brach in ein fürch­ter­li­ches Weh­ge­schrei aus und blieb für alle Trös­tun­gen taub, wäh­rend man mich schrei­end die gan­ze Kö­nigs­tra­ße ent­lang nach Hau­se führ­te, wo erst der le­ben­di­ge An­blick der für ver­lo­ren Be­wein­ten mir den Frie­den wie­der­gab.

Und dann sehe ich in eben die­ser Kö­nigs­tra­ße eine brau­ne ein­flü­ge­li­ge Ei­chen­tür mit mes­sin­ge­ner Klin­ke, die so nied­rig stand, dass ich sie mit ei­ni­ger Mühe ge­ra­de er­rei­chen und auf­drücken konn­te. Sie führ­te in einen Bäcker­la­den, den wir Kin­der täg­lich auf un­se­rem Spa­zier­gang mit Jo­se­phi­ne be­such­ten. Dort durf­te je­des von uns sich ein schmack­haf­tes Back­werk, eine so­ge­nann­te »See­le«, sel­ber vom Tisch lan­gen. Ei­nes Ta­ges kam Ed­gar mit sei­ner Wahl nicht zu­stan­de. Wel­che See­le man ihm an­bot, es war im­mer nicht die rech­te. Er wur­de dar­über sehr schwer­mü­tig und er­klär­te im­mer­zu: ’s Her­ze­le will was und ’s Her­ze­le kriegt nix. Als Jo­se­phi­ne nach vie­len ver­geb­li­chen Ver­su­chen, ihn zu be­frie­di­gen, end­lich mit uns den La­den ver­ließ, ver­wan­del­te sich sein Gram in lau­ten Jam­mer, und wäh­rend wir an­de­ren freu­dig un­se­re See­len ver­zehr­ten, er­fuhr es die gan­ze Kö­nigs­tra­ße hin­ab je­der Vor­über­ge­hen­de, dass das Her­ze­le et­was woll­te und nichts be­kam. Da­heim er­goss sich der Ent­täu­schungs­schmerz in einen Strom von Trä­nen, bis Jo­se­phi­ne ih­ren Lieb­ling still bei­sei­te nahm und ihm die heim­lich ein­ge­steck­te See­le reich­te. Er ver­zehr­te sie be­frie­digt und sag­te dann: ’s Her­ze­le will noch mehr.

In mein drit­tes Le­bens­jahr fällt die ers­te Be­kannt­schaft mit dem Dich­ter Lud­wig Pfau, der als po­li­ti­scher Flücht­ling in Pa­ris leb­te und nun zu heim­li­chem Be­su­che nach Stutt­gart ge­kom­men war. Es ver­kehr­ten zwar vie­le Freun­de in mei­nem El­tern­hau­se, aber sie alle tau­chen in mei­nem Ge­dächt­nis erst viel spä­ter auf. Aus je­ner frü­hen Stutt­gar­ter Zeit bli­cken mich nur Lud­wig Pfaus vor­ste­hen­de blaue Au­gen aus ei­nem röt­lich um­rahm­ten Ge­sicht stra­fend an. Das ging so zu: Pfau hielt sich acht Tage in un­se­rem Hau­se ver­bor­gen und pfleg­te wäh­rend der Ar­beits­stun­den mei­nes Va­ters bei mei­ner Mut­ter zu sit­zen, mit de­ren An­schau­un­gen er sich be­son­ders gut ver­stand. Mich konn­te er nicht aus­ste­hen, und die­se Ge­sin­nung war ge­gen­sei­tig, denn wir wa­ren ein­an­der im Wege. Ich war durch­aus nicht ge­wohnt, dass die Mama, die ich sonst nur mit den Brü­dern zu tei­len hat­te, sich so viel und an­dau­ernd mit ei­ner frem­den Per­son be­schäf­tig­te. Wenn die bei­den also po­li­ti­sie­rend in dem großen Be­suchs­zim­mer auf und ab gin­gen, dräng­te ich mich ge­walt­sam zwi­schen die müt­ter­li­chen Knie, dass ihr der Schritt ge­sperrt wur­de, und der Gast är­ger­te sich hef­tig, ohne dass er bei der ab­göt­ti­schen Lie­be, die mei­ne Mut­ter für ihre Klei­nen hat­te, es wa­gen durf­te, mich vor die Tür zu set­zen. Er woll­te sich da­her in Güte mit mir ei­ni­gen, und nach­dem er sich ei­nes Ta­ges doch zu ei­nem Aus­gang ent­schlos­sen hat­te, brach­te er eine Tüte voll Zucker­werk mit, dem er den mir noch un­be­kann­ten Na­men Bon­bons gab. Die­ses un­schö­ne Wort für einen so schö­nen Ge­gen­stand miss­fiel mir sehr: in dem na­sa­len O und in der Ver­dop­pe­lung der Sil­be fühl­te ich dun­kel et­was Gro­blüs­ter­nes und Un­wür­di­ges. Wie mich ein neu­es Wort, das mei­nen Ohren schön oder ge­heim­nis­voll klang, in einen stil­len Rausch ver­set­zen konn­te, auch wenn ich sei­nen Sinn gar nicht ver­stand, ja dann erst recht, so­dass ich da­mit um­her­ging wie mit dem schöns­ten Ge­schenk, so gab es an­de­re, die mir einen Wi­der­wil­len ein­flö­ßten und die ich ein­fach nicht in den Mund nahm. Ich wur­de nun auf den brei­ten höl­zer­nen Tritt ge­setzt, der das hal­be Zim­mer aus­füll­te, und un­ter dem Be­ding, mich für eine Wei­le ru­hig zu ver­hal­ten, er­hielt ich ein run­des bern­stein­far­bi­ges Zucker­chen, das ich als­bald in Ar­beit nahm. Aber es rutsch­te mir glatt den Hals hin­un­ter, mich um den Ge­nuss be­trü­gend. So­gleich brach ich den Frie­den, in­dem ich wie Queck­sil­ber auf­fuhr und mich mi­au­end zwi­schen die Knie der Mut­ter klemm­te, in der Hoff­nung, eine Ent­schä­di­gung zu er­lan­gen. For­dern moch­te ich sie nicht, weil ich nicht wuss­te, wie das Ding be­n­am­sen, da mir das wi­der­wär­ti­ge Wort, das ich ganz leicht hät­te aus­spre­chen kön­nen, nicht von der Zun­ge woll­te. Ich ant­wor­te­te also auf die er­schreck­te Fra­ge, was mir ge­sche­hen sei, nur, ich hät­te »das Ding« ver­schluckt. Was für ein Ding? frag­te sie, schon an al­len Glie­dern zit­ternd, denn sie dach­te an ir­gend­ei­nen spit­zi­gen oder gar gif­ti­gen Ge­gen­stand. Das Ding! Das Ding! rief ich ge­ängs­tigt, dass man mich nicht ver­stand, und nun erst recht ent­schlos­sen, das ver­haß­te Wort kei­nen­falls aus­zu­spre­chen. Mama war schon aus der Tür ge­stürzt, um den Arzt zu ru­fen, aber der Gast hat­te die Geis­tes­ge­gen­wart, mich bes­ser ins Ver­hör zu neh­men: Wie sah denn das Ding aus? – Es war rund und gelb und ganz süß, sag­te ich schnell, er­leich­tert, dass ich nun end­lich den Weg sah, mich ver­ständ­lich zu ma­chen. Du dum­mes Kind, das war ja dein Bon­bon, konn­test du das nicht gleich sa­gen? hieß es nun. Mama wur­de zu­rück­ge­ru­fen, die mich ju­belnd als eine Ge­ret­te­te in die Arme schloss, ich er­hielt ein zwei­tes Bon­bon, das ich trotz dem wid­ri­gen Na­men ver­gnügt in Empfang nahm, und das Zwie­ge­spräch konn­te end­lich sei­nen Fort­gang neh­men. Aber die­sen Zwi­schen­fall hat mir Pfau nie ver­ges­sen. Er ver­si­cher­te mir spä­ter oft, ich sei das un­aus­steh­lichs­te Kind ge­we­sen, was ich ihm von sei­nem Stand­punkt aus ger­ne zu­ge­ben will.

Früh­zei­tig schlich sich auch die Nacht­sei­te des Le­bens in mei­ne In­nen­welt. Die Miss­ge­stal­ten des Struw­wel­pe­ters ar­bei­te­ten zum Nach­teil mei­nes See­len­frie­dens in mei­ner Fan­ta­sie, die ge­nö­tigt war, im Traum noch mehr sol­cher Un­ge­heu­er zu er­zeu­gen. Eins der schreck­lichs­ten war der Hä­kel­mann, eine Ge­stalt, die mich jah­re­lang ver­folg­te. Er war lang und ma­ger mit gras­grü­nem Frack und ro­ten Bein­klei­dern und fuhr blitz­schnell durch alle Zim­mer, in­dem er mit ei­nem lan­gen Ha­ken die Kin­der, die sich vor ihm ver­kro­chen, un­ter den Ti­schen und Bet­ten her­vor­zu­hä­keln such­te. Wann er er­schi­en, brach­te er das gan­ze Haus um den Schlaf, so furcht­bar war mein Angst­ge­schrei. Wie bei Nacht vor dem Hä­kel­mann, so fürch­te­te ich mich wa­chend vor der Licht­putz­sche­re, die da­mals noch im Ge­brau­che war. Ich hat­te näm­lich auf ei­nem Bil­der­bo­gen eine sol­che ge­se­hen, die ein klei­nes Mäd­chen ein­schnapp­te, und glaub­te mich seit­dem zum glei­chen Schick­sal be­stimmt. Wenn es däm­mer­te und die Ker­zen an­ge­zün­det wur­den, so blin­zel­te ich im­mer mit tie­fem Miss­trau­en nach der mes­sin­ge­nen Putz­sche­re, und so oft sie in Tä­tig­keit trat, fürch­te­te ich, in dem gäh­nen­den schwar­zen Ra­chen ver­schwin­den zu müs­sen, denn so früh­reif ich in al­lem an­de­ren war, die Grö­ßen­ver­hält­nis­se wa­ren mir noch im­mer nicht auf­ge­gan­gen. Des­glei­chen gab es im Hau­se einen Bil­der­ka­len­der mit ei­ner Ka­ri­ka­tur, aus der ich schreck­li­che Ängs­te sog: das wa­ren die Krän­ze­les­frau­en. Mit groß­ge­blum­ten Klei­dern im Bie­der­mei­er­stil, Kaf­fee­kan­nen und Tas­sen in der Hand, sa­ßen sie um einen run­den Tisch; sie hat­ten grau­si­ge Dra­chen­köp­fe auf lan­gen, schlan­gen­ar­ti­gen Häl­sen und auf den Köp­fen große ni­cken­de Hau­ben, und sie neig­ten die­se un­heim­li­chen Köp­fe gei­fernd und schnat­ternd ge­gen­ein­an­der. Ein län­ge­res Ge­dicht mit Auf­zäh­lung ih­rer Un­ta­ten war bei­ge­ge­ben, wo­von je­der Vers mit dem Kehr­reim schloss: Hü­tet euch vor den Krän­ze­les­frau­en. Ich nahm mir na­tür­lich vor, mich vor die­sen Un­ge­tü­men zu hü­ten, doch hat mir das im Le­ben we­nig ge­nutzt, denn als ich ih­nen spä­ter leib­haf­tig be­geg­ne­te, da hat­ten sie lei­der kei­ne Dra­chen­köp­fe noch Schlan­gen­hälse, wor­an ich sie zu er­ken­nen ver­mocht hät­te; sie schnat­ter­ten mir auch nicht ent­ge­gen, son­dern küss­ten mich auf bei­de Wan­gen, und erst wenn ich den Rücken ge­dreht hat­te, spritz­ten sie ihr Gift. Da wuss­te ich nun, wes­halb sie mir in den frü­he­s­ten Kin­der­jah­ren den töd­li­chen Ab­scheu ein­ge­flö­ßt hat­ten.

Mei­ne ers­te Be­kannt­schaft mit den Krän­ze­les­frau­en fällt üb­ri­gens schon nicht mehr in mei­ne il­li­te­ra­te Zeit, denn ich er­in­ne­re mich, be­sag­tes Ge­dicht zu wie­der­hol­ten Ma­len selbst ge­le­sen zu ha­ben. Al­ler­dings hat­te ich die­se Kunst schon im drit­ten Jahr, dem äl­te­ren Bru­der zur Ge­sell­schaft, un­ter müt­ter­li­cher Lei­tung zu er­ler­nen be­gon­nen. Auch in die klas­si­sche Li­te­ra­tur wur­de ich be­reits ein­ge­führt, denn Mama ließ mich als ers­tes das Uh­land­sche Ge­dicht vom Wir­te wun­der­mild schrei­ben und aus­wen­dig her­sa­gen; und et­was spä­ter, es mag zwi­schen mei­nem vier­ten und fünf­ten Le­bens­jahr ge­we­sen sein, las sie mir Schil­ler­sche Bal­la­den vor, die mich sehr ent­zück­ten, mit Aus­nah­me der Bürg­schaft, die ich als einen unz­ar­ten An­griff auf mei­ne Trä­nen­drü­sen emp­fand und ver­stimmt ab­glei­ten ließ. Der schein­ba­re Kalt­sinn em­pör­te mein ra­sches Müt­ter­lein, sie schalt mich einen Eis­klotz und hielt mir zur Rüge vor, dass mein von mir sehr be­wun­der­ter Bru­der Ed­gar beim Vor­le­sen in Trä­nen zer­flos­sen sei. Aber es half nichts, ich konn­te über die Bürg­schaft nicht wei­nen, und es war ge­ra­de die früh­rei­fe Emp­fäng­lich­keit, die mich ge­gen das grö­be­re Pa­thos stör­risch mach­te. Die Bürg­schaft ist auch zeit­le­bens für mich auf dem In­dex ge­blie­ben, ein Be­weis für die voll­kom­me­ne Un­ver­än­der­lich­keit un­se­rer an­ge­bo­re­nen In­nen­welt.

Hier zie­he ich einen Sie­ben­mei­len­schuh an und stap­fe ohne wei­te­res in un­se­re Obe­reß­lin­ger Tage hin­über. Da ich aber alle äu­ße­re Sze­ne­rie so­wie die Fül­le der teils rüh­ren­den, teils wun­der­li­chen Käu­ze, die un­se­re Kin­der­stu­be um­ga­ben, schon in mei­ner Her­mann-Kurz-Bio­gra­fie aus­führ­lich ge­schil­dert habe, wer­de ich auch hier fort­fah­ren, nur von den in­ne­ren Er­leb­nis­sen zu re­den, an de­nen das klei­ne Men­sch­lein all­mäh­lich zum Men­schen ward.

94,80 ₽
Возрастное ограничение:
18+
Объем:
5251 стр. 2 иллюстрации
ISBN:
9783962812515
Издатель:
Правообладатель:
Bookwire
Формат скачивания:
epub, fb2, fb3, ios.epub, mobi, pdf, txt, zip

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