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Mai 2002 – Große Wüste – Die weitere Vorgehensweise

Im Lager angekommen, trug Rayan Leila zunächst in sein Zelt, weil es größer als die anderen war. Dann sorgte er dafür, dass sie von ihren Fesseln befreit wurde. Er ließ ihr heißes Wasser bringen, damit sie sich reinigen konnte, und frische Kleidung. Dann gab er ihr Zeit für sich alleine, damit sie erst einmal ihre Gedanken sortieren und sich ein wenig sammeln konnte.

Etwa eine halbe Stunde nach ihnen traf Mohammed mit seinen beiden Begleitern ein, noch etwas später Ibrahim, der erleichtert war, dass alles friedlich verlaufen war.

Die Männer trafen sich im großen Versammlungszelt. Zunächst berichtete Ibrahim kurz, wie er die Ereignisse erlebt hatte, doch das brachte keine neuen Erkenntnisse zutage. Alle acht Männer, die vor Ort gewesen waren, waren gleichermaßen erbost über die ekelerregenden Sitten, die in diesem Geschäft zu herrschen schienen.

Lediglich Mohammed hatte noch eine Zusatzinformation in Erfahrung gebracht: Wenn die Entführer analog der vergangenen Jahre vorgehen würden, würden sie direkt im Anschluss an die Auktion am frühen Nachmittag bereits weiterziehen. Offenbar wollten sie kein Risiko eingehen, indem sie unnötig lange vor Ort blieben.

„Dann müssen wir uns beeilen, damit wir sie noch rechtzeitig erwischen!“, rief Hanif wutentbrannt.

Doch Rayan brachte ihn zum Schweigen. „Wir werden nichts dergleichen tun. Leila muss so schnell wie möglich zurück zu ihrem Vater. Wenn sie Glück hat, lebt er noch, wenn wir dort ankommen. Ihr wisst genauso gut wie ich, dass er im Sterben liegt.“

Verständnislos sah Hanif seinen Herrn an: „Und wir lassen diese Bestien so einfach damit durchkommen?“, fragte er tonlos.

Rayan sah ihm fest in die Augen: „Genau das. Wir können hier nichts tun. Greifen wir sie hier vor den Toren der Stadt an, haben wir innerhalb von Minuten vermutlich die Hälfte der Bürger zusätzlich im Nacken. Das ist eine Übermacht, gegen die wir nichts ausrichten können. Wir sind achtzehn, alleine die Entführer sind fast dreißig. Und dann noch eine unbekannte Zahl an „unbescholtenen Bürgern“, Käufern oder anderen Händlern, die alle ihren Markt verteidigen wollen. Das wäre Selbstmord! Sie alle haben einen Ruf zu verlieren, denn wenn sich herausstellt, dass dieser Ort nicht mehr sicher ist, werden beim nächsten Mal weniger Händler kommen“, er blickte kurz in die Runde, dann fuhr er fort: „Wir reiten morgen früh zurück.“

Dann stand er auf, verließ das Zelt und beendete somit die Versammlung.

Kopfschüttelnd und mit brennenden Augen sah Hanif seinem Herrn hinterher.

September 2014 – Nahe Eston Castle – Erkundungen

Am Morgen fuhren sie nach einem kurzen Frühstück erneut in Richtung Eston Castle. Rayan war noch nie dort gewesen, seit Tahsin dort zur Schule ging. Es war bereits das dritte Schuljahr, in dem dieser das Internat hier besuchte. Und nun fuhr Rayan innerhalb weniger Stunden gleich zweimal dorthin.

Beide waren recht schweigsam. Sie waren wenig Schlaf gewöhnt, vor allem Rayan, aber drei Stunden waren selbst ihm zu wenig. Vor allem da ihnen von den vorhergehenden Tagen noch der Schlaf fehlte.

Für die Mittagszeit hatte Rayan einen Besuchstermin beim Direktor ausgemacht, der über eine Bitte um einen derart kurzfristigen Termin zwar überrascht gewesen war, aber trotzdem eingewilligt hatte, sich die Zeit freizumachen.

Mit dem R8 waren sie diesmal in einer knappen Stunde vor Ort. Es war inzwischen fast zehn Uhr. Sie fuhren zunächst zu den Koordinaten, an denen sich Jassims Handy zum letzten Mal eingeloggt hatte, wie sie den GPS-Daten entnommen hatten. Inzwischen musste der Akku leer sein, denn es kam kein Signal mehr, das Cho verwerten konnte. Rayan hoffte, dass ein leerer Akku der einzige Grund der nun erstorbenen Verbindung war.

Bereits einen Kilometer vorher hielten sie an und gingen zu Fuß weiter. Etwa zweihundert Meter vor dem vermeintlichen Ziel fanden sie hinter einem Schuppen ein geparktes Auto. Dem Kennzeichen nach einem Mietwagen. Das Fahrzeug sah aus, als stünde es schon länger an der gleichen Stelle. Jassims Auto? Rayan knackte kurzerhand das Schloss und fand im Handschuhfach einen Vertrag, der auf den Namen seiner Firma ausgestellt war. Als Fahrername war Jassim eingetragen - also doch. Hanif und er überlegten, ob dies nun eine gutes oder ein schlechtes Zeichen war. Aber auf jeden Fall hatten sie auf diese Weise einen zweiten Wagen, für den Fall, dass Jassim den Schlüssel noch haben sollte. Wo auch immer er sich befand.

Ein Stück weiter kamen sie an ein altes Steinhaus, wie so viele hier in der Gegend. Es musste in seiner besten Zeit ein Bauernhof gewesen sein, umstehende Gebäude waren eindeutig als heruntergekommene, verwaiste Stallungen erkennbar. Auch das Haupthaus selbst hatte offenbar das Ende seiner Nutzung vor Längerem gesehen. Die Fenster waren trüb und standen vor Schmutz.

Rayan wäre niemals etwas Besonderes an dem Bau aufgefallen, aber genau hier hatten sie die Koordinaten, die ihnen Cho genannt hatte, erreicht.

Da das GPS auf fünf Meter genau war, konnte ihr Freund ihnen auch sagen, dass das Telefon nicht innerhalb des Gebäudes sein konnte. Sie kamen zu einer Buschgruppe, die genau zwischen dem Auto und dem Haus lag. Hier fanden sie schließlich das gesuchte Handy. Wie vermutet, war der Akku inzwischen leer.

Rayan stand eine Weile still und analysierte, was hier vermutlich passiert war. „Jassim muss auf etwas gestoßen sein. Er ist vom Schloss kommend zunächst vorbei gefahren, hat sein Auto dort drüben abgestellt und ist anschließend bis hierher zu Fuß zurückgelaufen. Genau an dieser Stelle muss ihn dann jemand überrascht haben. Er hat das Handy fallen lassen. Vielleicht sogar absichtlich, damit wir ihn lokalisieren können. Er weiß schließlich, dass der Sender darin ist. Im Haus würde der nicht funktionieren. Oder er hat es unabsichtlich fallen lassen, weil er niedergeschlagen wurde. Auf jeden Fall ist es demjenigen nicht aufgefallen, oder es war ihm egal. Hätte er Angreifer das Satellitentelefon mit ins Haus genommen, hätten wir keinerlei Daten mehr bekommen, ohne freie Verbindung zum Himmel …“

Lautlos schlichen sie als Nächstes zum Haus. Nachdem aus dem alten Schornstein oben am Dach Rauch kam, musste jemand den Ofen entzündet haben. Kein Wunder bei diesen Temperaturen. Hanifs anfängliche Begeisterung für den Regen hatte sich schnell gelegt. Inzwischen verfluchte auch er die Nässe, die einem bis in die Knochen vorzudringen schien. Vor allem zwei Männern, die sonst die Hitze und Trockenheit der Wüste kannten. Beide waren daher froh, dass es im Moment nur bedeckt war und endlich einmal aufgehört hatte zu nieseln.

Sie zogen sich langsam am Fenster empor und versuchten, ins Innere zu blicken. Aufgrund des Zustands der Fenster kein einfaches Unterfangen. Aber sie konnten zumindest erkennen, dass etwa drei bis vier Männer im Haus sein mussten.

Diese alten Bauernhäuser hatten in der Regel nur wenige Räume und so schien auch dieses Gebäude neben dem Hauptraum nur noch einen kleinen Zweitraum zu haben, etwas größer als ein großer Kleiderschrank. Wenn Jassim nicht völlig zusammengestaucht war, würde er dort wohl kaum hineinpassen. Eher unwahrscheinlich. Aber wo konnte er dann sein?

Da sich die Männer völlig sicher fühlten, fiel es Hanif und Rayan leicht, komplett ums Haus zu schleichen, um es von allen Seiten in Augenschein zu nehmen. Dabei entdeckten sie eine Tür, die nach unten zu führen schein. Eventuell ein alter Kartoffel- oder Kohlenkeller. Schon wahrscheinlicher, dass Jassim dort war! Rayan hoffte inständig, dass er noch am Leben war und sie dort unten nicht nur seinen Leichnam finden würden.

Sie zogen sich etwas weiter vom Haus zurück, um eine Weile ihre Optionen zu analysieren. Sollten Sie sofort handeln? Doch dann kamen sie zum Schluss, dass es zu gefährlich war, Jassim jetzt von hier zu befreien. Wenn es auch nur einem der Männer gelingen sollte, im Schloss Alarm zu schlagen, war es um Tahsin geschehen.

Also beschlossen sie, sich aufzuteilen. Das würde nicht leicht werden, weil sie zeitlich genau abgestimmt agieren mussten.

Hanif war ein hervorragender Kämpfer, der es mit vier Männern leicht aufnehmen konnte. Die Anzahl von Rayans Gegner konnten sie nicht vorhersehen, doch hofften sie, dass es ausreichte, wenn Rayan überraschend Tahsin aus dem Internat einfach mitnahm. Die Idee war, dass der Spion, der Tahsin im Auge behielt, erst zu spät merkte, was gespielt wurde, und Rayan mit Tahsin unbehelligt davonfahren konnte.

Rayan wollte zunächst um zwölf Uhr den Termin mit dem Direktor wie geplant besuchen. Dann aber spätestens um 12 Uhr 15 Tahsin wie besprochen am Pool treffen.

Er verabschiedete sich für den Moment von Hanif und ließ ihn dann zurück, um nach Eston Castle zu fahren.

Der große Schwachpunkt an seinen Plan war, dass nicht auszuschließen war, dass der Direktor selbst der Informant sein könnte. Dann wussten die Gegner schon Bescheid und würden ihn erwarten. Doch dieses Risiko war er bereit, in Kauf zu nehmen. Was blieb ihm auch anderes übrig?

Heute war bereits der sechste Tag nach der Entlarvung und Hinrichtung von Sachra, sie hatten also keine Zeit mehr zu verlieren, denn lange würden die Hintermänner nicht mehr warten. Und sobald sie neue Anweisungen senden würden, würden sie auch merken, dass Rayan schon lange nicht mehr in Zarifa war.

Mai 2002 – Große Wüste – Leilas Geschichte

Gegen Abend gesellte sich Leila zu ihnen ans Feuer. Die Männer hatten sie in Ruhe gelassen. Alle wussten, was ihr wiederfahren war und sie hatten Verständnis, dass sie jetzt Zeit für sich brauchte. Nur Rayan hatte zwei- oder dreimal nach ihr gesehen und ihr mit leiser Stimme berichtet, wie sie auf ihren Vater gestoßen waren. Am schwersten fiel es ihm, ihr die Hoffnung zu nehmen, dass er seine Verletzungen überleben würde. Allein die Chance, dass er noch lebte, wenn sie zu ihm zurückkamen, war so gut wie null.

Leila wärmte sich an den Flammen, aß nur wenig und begann dann von sich aus, die Ereignisse aus ihrer Sicht zu schildern.

„Mein Vater, ich und mein Verlobter, Achmed, wollten von Alessia aus nach Rabea Akbar. Doch wir sind nicht allzu weit gekommen. Wir haben sie vorher noch nicht einmal bemerkt und daher erwischten sie uns völlig unvorbereitet. Natürlich hielten zwei Männer Wache, die töteten sie vermutlich zuerst. Dann einen nach dem anderen. Selbst diejenigen, die sich ergaben. Mein Vater sagte ihnen, sie sollen sich nehmen was sie wollen, nur das Leben der Männer verschonen, wir sind friedliche Händler, keine Gefahr! Doch sie lachten nur.

Mich schleppten sie wie eine Ware zusammen mit den Teppichen und Stoffen davon“, erzählte sie wie in Trance.

Sie seien, wie Rayan schon vermutet hatte, in einem Pulk von zwanzig Mann unterwegs gewesen. Später hatten sie sich dann mit neun weiteren Verbrechern getroffen, die einen Wagen bewacht hatten, auf dem sie die überwiegend gekidnappten Mädchen beförderten. Die jungen Frauen seien total verängstigt gewesen, manche von ihnen erst zwölf oder dreizehn Jahre alt.

Bereits am zweiten Abend habe Leila dann einen fatalen Fehler begangen. Der Anführer, der fette Mann, der die Auktion geleitet hatte, hatte sich ihr gegenüber gebrüstet, dass sie sein Prachtstück sei und ihm einen fetten Preis bringen würde. Dabei habe er ihr mit seinen groben Händen die Wange getätschelt, wie man das bei einem guten Pferd machte, das man belobigen wollte. Dann fuhr er fort, dass viele Männer bereit wären, für eine Jungfrau, die so schön sei wie sie, einen großen Batzen Geld auszugeben.

Im vermeintlichen Triumph hatte sie ihm entgegen geschleudert, dass er leider Pech habe, denn sie sei keine Jungfrau mehr.

Als sie daraufhin statt eines enttäuschten Blickes, sein diabolisches Grinsen sah, merkte sie zu spät, dass sie ihm in die Falle getappt war. Genau diese Information hatte er haben wollen. Am Abend schleppten einige der Männer sie dann an den Haaren in sein Zelt, wo er sie brutal vergewaltigte. Auch die nächste Nacht verlief genauso ab. Am Morgen der Auktion sagte er ihr, dass er inzwischen schon fast hoffte, dass keiner sie kaufen würde, denn sonst würde er „sein liebstes Spielzeug“ hergeben müssen.

Sie zitterte trotz des Feuers bei diesen Erinnerungen und Hanif hängte ihr eine Decke um die Schultern. „Wenn ich irgendwann die Chance dazu bekomme, schlitze ich dem fetten Sack den Hals auf!“, stieß sie hasserfüllt hervor. Wenig später ging sie ins Zelt, um sich schlafen zu legen.

Rayan starrte noch eine Weile ins Feuer. Auch ihn hatte diese Erzählung bis ins tiefste Innere erschüttert, trotzdem wusste er, dass er im Interesse seiner Männer die richtige Entscheidung getroffen hatte.

September 2014 –Dubai – Ein alter Freund

Trotz des bequemen Betts, das Carina unter anderen Umständen als Traum bezeichnet hätte, schlief sie schlecht. Seitdem sie wusste, dass Scheich Rayan der Eigentümer des Hotels war, kam sie nicht von dem Gedanken los, dass er hier in diesem selben Zimmer bestimmt auch schon unzählige Male geschlafen hatte, und sie träumte völlig wirre Dinge.

Es ging sogar so weit, dass sie sich mit dem Gedanken beschäftigte, mit wie vielen Frauen er wohl schon in diesem Bett geschlafen hatte. Das brachte sie zu einem ganz gefährlichen Terrain: der Erinnerung an den Sex mit ihm.

Und auf einmal vermisste sie ihn so heftig, dass sie glaubte, ersticken zu müssen. Sie stand auf und ging auf die Terrasse hinaus. Es war noch dunkel. Die frische Luft half ihr, wieder normal zu atmen. Nachdem sie eine Zeit lang die Lichter der Stadt betrachtet hatte, fühlte sie sich ruhig genug, wieder schlafen zu gehen und noch einige Stunden ins Land der Träume abzutauchen. Sie nahm sich fest vor, diesmal von ihrem Leben in München zu träumen. Doch gegen ihren Willen verfolgten sie erneut Bilder von Zarifa.

Als sie erwachte, lag sie noch eine Weile einfach da und versuchte, das tolle Zimmer zu genießen.

Das Frühstück, welches sie sich bestellt hatte, brachte wiederum Kareem, der genauso gut gelaunt war, wie am Abend zuvor.

Und so fasste sich Carina ein Herz und fragte ihn ganz direkt, wie oft der Scheich wohl hier übernachtete.

Kareem dachte kurz nach: „Also hier im Hotel öfter einmal, immer wenn er geschäftlich in der Stadt zu tun hat oder um die Zeit bis zu einem Flug zu überbrücken. Wobei Letzteres selten ist, er hat ja seinen Jet …“ Das letzte Wort betonte er so, dass Carina lachen musste, da fuhr Kareem fort: „Aber hier in dieser Suite – nein, noch nie würde ich sagen. Nicht einmal in einer der anderen Suiten in der siebten Etage. Sind ihm wohl alle zu groß. Naja, ist ja kein Wunder, wenn man sonst im Zelt in der Wüste schläft.“ Er hielt abrupt inne, sein Grinsen wich einem entsetzten Gesichtsausdruck. Die letzte Äußerung war eindeutig zu persönlich und respektlos gewesen.

Aber Carina lachte schallend: „Keine Angst, ich werde ihm nichts erzählen.“ Und dachte für sich: „Ich werde überhaupt niemals mehr mit ihm sprechen.“ Und schon ergriff die Traurigkeit wieder von ihr Besitz.

Aber Kareem lenkte sie ab, indem er erleichtert weiterplauderte: „Vielen Dank. Das hätte ich nicht sagen sollen. Es ist unprofessionell.“ Und er lächelte schon wieder.

„So nun muss ich wieder an die Arbeit.“

Nachdem sie ihre Eier mit frischem Brot und Erdbeermarmelade gegessen hatte, zog sich den schwarzen Satinpyjama und Bademantel aus und ging in ihren Schrank. Auf einmal gefiel ihr das Zimmer wieder richtig gut, jetzt wo sie wusste, dass es nicht sein Zimmer war. Zumindest nicht in dem Sinne, wie sie es nachts befürchtet hatte.

Sie entschied sich für europäische Kleidung und machte sich per Taxi auf den Weg auf den Goldmarkt, wo sie Hatem besuchen wollte.

Der Händler sah sie erst, als sie schon in seinem Laden stand. Er ließ den Kunden, mit dem er gerade heftig am Feilschen gewesen war, einfach stehen und umarmte sie herzlich: „Carina. Du bist wieder zurück. Und sieh dich an – du siehst wunderbar aus. “

Als sie den Arm ihres Freundes um sich spürte, konnte sie sich nicht mehr halten: „Ach Hatem“, schluchzte sie und dann brachen die Tränen so heftig aus ihr hervor, dass sie eine ganze Zeit lang nichts mehr sagen konnte. Mehrmals setzte sie an, um ihre Gefühle wieder in den Griff zu bekommen, aber sie konnte einfach nicht aufhören zu weinen.

Hatem war von diesem Ausbruch völlig überrumpelt, er war zwar seit Jahren verheiratet und hatte daher auch gleich drei Töchter, aber derartige Gefühlsausbrüche war er auch nicht gewohnt.

Sein Kunde hatte noch etwas gemurmelt, dass er wohl besser später wiederkommen werde, und machte sich schleunigst davon.

Nach einer langen Weile hatte sich Carina wieder ein wenig gefangen und Hatem schenkte ihr erst einmal einen Tee ein, den sie dankbar mit zitternder Hand trank. Dann schloss er seinen Laden kurzerhand ab, und sie setzten sich in ein Café ein Stück weiter und Carina begann, ihm ihre Geschichte zu erzählen, ab dem Tag als er sich im Krankenhaus von Alessia von ihr verabschiedet hatte.

Als sie geendet hatte, schwieg Hatem eine ganze Weile. Dann sagte er: „Wer hätte damals gedacht, als du hier auf diesem Platz gestanden bist, dass du so einen weiten Weg zurücklegen würdest? Sei dankbar, Carina, denn Allah hat wirklich mehr als eine schützende Hand über dich gehalten.“

Er überlegte einen Moment, um seine Gedanken in die richtigen Worte zu fassen: „Du warst es, die damals von Schicksal gesprochen hat, und auch wenn mir klar ist, dass du das nur gesagt hast, um mich zu manipulieren …“, er hob die Hand, um lächelnd ihren Protest zu stoppen, dann fuhr er fort: „ …auch wenn du das damals nur so gesagt hast, glaube ich inzwischen fest, dass es wirklich das Schicksal, und Allahs Wille war, die Euch beide zusammengeführt hat. Und selbst wenn du es jetzt nicht hören willst – Eure Schicksale sind so eng verschlugen, dass du ihn schon bald wiedersehen wirst. Hör auf meine Worte!“

Mai 2002 – Große Wüste – Rachegedanken

Hanif legte seine Hand auf Leilas Mund, denn ihm war klar, dass sie nach ihren Erlebnissen befürchten würde, dass jemand ihr Leid zufügen wolle, wenn er nun im Dunkeln in ihrem Zelt herumschlich.

„Pst. Leise. Ich tue dir nichts. Los, wenn du dich wirklich an dem Schwein rächen willst, komm mit!“

Überraschend schnell hatte Leila begriffen, was Hanif vorhatte und folgte ihm so leise wie möglich aus dem Zelt.

Rayan war vor wenigen Minuten wie üblich zu seiner letzten Kontrollrunde aufgebrochen. Hanif schätzte, dass sie etwa eine Dreiviertelstunde hätten, bevor er zurückkam. Und mit etwas Glück würde ihm ihr Fehlen nicht sofort auffallen.

Sie erreichten unbemerkt die Pferde.

Als sie jedoch gerade dabei waren, Hanifs und ein weiteres Pferd am Zügel aus dem Lager zu führen, sprach der Wachposten sie an.

Es war Mohammed, der Mann der auch die Stadt ausgekundschaftet hatte. Zwar bezweifelte er sofort Hanifs Ausrede über schlechten Schlaf, doch zu dessen Überraschung sagte er: „Ich ahne, was ihr vorhabt – ich komme mit Euch! Ich war dort und habe ebenfalls diesen Abschaum erlebt. Lasst ihn uns kaltmachen!“

Nur wenige Minuten später waren sie weit genug vom Lager entfernt, dass sie gefahrlos aufsitzen und losreiten konnten.

Eine Stunde später waren sie an der Stelle, an der die Bande gelagert hatte. Die Spuren des schweren Wagens, auf dem sich die Frauen befanden, waren selbst im blassen Mondlicht unübersehbar. Hanif schätzte, dass sie etwa vier Stunden Vorsprung hatten, denn sicher hatten sie bei Einbruch der Dunkelheit ebenfalls ein Lager aufgeschlagen. Es war also kein Problem, sie bis zum Morgengrauen einzuholen. Sie mussten schnell genug sein, noch vor Anbruch des Tages dort zu sein, wenn sie den Anführer im Schlaf überraschen und sich schnell wieder unbemerkt davonmachen wollten. Und so trieben sie die Pferde an, so schnell das im Mondlicht machbar war.

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9783738020984
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