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Malik Mantikor Band 1
Impressum
Malik Mantikor … trifft Fynn Lichtermeer
I. Tame
Copyright: © 2019 I. Tame
Bildnutzung: Panther Media GmbH (Lonely11) (abrakadabra)
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Dies ist eine frei erfundene Geschichte. Namen, Figuren, Plätze und Vorfälle obliegen der Fantasie des Autors bzw. sind reine Fiktion. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen, Firmen, Ereignissen oder Schauplätzen sind vollkommen zufällig.
Die Abbildung auf dem Innentitel und der 1. Umschlagseite dient nur darstellerischen Zwecken
Inhalt
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 1
Eins, zwei, drei – und schon ist's mit dem Fynn vorbei!“
Triumphierend wirft Yassin die Arme in die Höhe.
„Nananana naanaa!“ Wie ein kleines Kind äfft er seinen Freund an und kneift ihm spielerisch in die Hüfte.
„Hör' auf, du Riesenbaby!“, mault Fynn gespielt sauer, als er zurückzuckt. Wenn ein Typ wie Yassin zukneift, dann endet das meist mit blauen Flecken.
„Bulls Eye, Bulls Eye“, singt Yassin in sein Bierglas, kurz bevor er es in einem Zug leert. „Aaah!“ Genussvoll wischt er sich den Schaum von den Lippen. „Das musst du mir erst mal nachmachen, Lichtermeer!“, schließt er selbstzufrieden ab. „Na, komm! Zeig mal was du kannst!“
„Schieb' deinen Gorillakörper aus meinem Sichtfeld“, fordert Fynn trocken. „Dann könnte ich schon mal anfangen!“
Übertrieben hüpft Yassin aus dem Weg. Dabei rempelt er fast den Kellner über den Haufen. Oh, shit! Das wär' beinah' schief gegangen!“ Mit betretener Miene tätschelt Yassin dem jungen Mann beschwichtigend die Schulter. „Sorry! Alles okay?“
„Alles gut, Yassin!“, erwidert der Kellner und eilt auch schon weiter.
„Der hat 'ne Freundin“, murmelt Fynn seinem Kumpel zu. „Du kannst ihn also in Ruhe lassen!“
„Die Hoffnung stirbt zuletzt!“, seufzt Yassin und wirft dem Kellner einen schmachtenden Blick hinterher.
„Und er ist halb so groß wie du, Bruder“, tadelt Fynn sein Gegenüber grinsend. „Allein deswegen würde er sofort die Flucht ergreifen!“
Yassin reißt die Augen auf. Geradezu vorwurfsvoll starrt er an sich herunter. „Na und???“ Es gibt genügend Männer, die darauf stehen. Phh!“ Mit einem ziemlich tuntigen Hüftschwung dreht sich der Hüne weg und lässt sich wenig damenhaft auf einen Stuhl plumpsen.
Fynn lacht in sich hinein. Yassins Wrestlerfigur hat ihnen schon mehr als einmal Ärger erspart. Wenn irgendjemand herummeckert, dann muss sich Yassin lediglich von seinem Platz erheben und der Maulaffe verstummt. Bei einer Körpergröße von gut 2 Metern und der entsprechenden Statur könnte er glatt den „Khal Drogo“ bei Game of Thrones geben. Gott sei Dank fallen seine Gesichtszüge dagegen feiner aus und der hauchzarte olivfarbene Teint seiner Hautfarbe reizt andere schwule Männer mächtig, ihn anzufassen. Darauf steht Yassin total. Am liebsten würde er den ganzen Tag schmusen, doch in der Liebe scheint er vom Pech verfolgt.
Ihn kennt vermutlich jeder in der Kleinstadt 'Loewenherz'; den riesigen, freundlichen Yassin. Seine gewellten schokobraunen Haare trägt er neuerdings ein klein wenig länger. „Damit ich nicht so nach Schläger aussehe“, verriet er seinem besten Freund Fynn erst kürzlich. Und er hat Recht. Die weichen Wellen seines Herrenhaarschnittes lassen ihn vertrauenswürdiger erscheinen. Yassin gilt als Inbegriff der Gutmütigkeit. Doch er meint, dass er seine herzensguten Seiten betonen muss, um einen Mann zu finden, der in ihm einen loyalen Partner und Gefährten sieht … und nicht einen gedankenlosen Riesen, der gleich alles vögelt, was ihm vor die Flinte kommt.
Während sich Fynn auf die Dartscheibe konzentriert, denkt er weiter über seinen besten schwulen Freund nach. Im vergangenen Monat feierte Yassin seinen dreißigsten Geburtstag. Erst aßen sie zusammen mit seiner Familie. Fynn genießt die Familienfeiern im Hause seines Freundes jedes mal, da er selbst nur noch seine Mutter hat und die … naja, darüber will er eigentlich nicht nachdenken. Lieber erinnert er sich an das Fest: Yassin tat genervt, freute sich jedoch über jeden Cousin, jede Cousine, jeden Onkel, Tante, Neffen, Nichte und so weiter, die ihn umarmten, herzten und ihn hochleben ließen.
Natürlich hatten seine Eltern wieder eine ganze Wagenladung hübscher Mädchen im heiratsfähigen Alter ankarren lassen … so ist das nun mal, schließlich wissen die Eltern nichts über Yassins Homosexualität. Gott bewahre. Vermutlich würde sich seine Mutter die Haare ausreißen und sein Vater würde theatralisch sein Hemd verbrennen. Sein Sohn ein Ziegenficker? Niemals! Unmöglich! Das darf nicht sein! In den Augen seines Vaters ist Yassin einfach nur ein wenig langsam. Er wird schon noch die richtige Frau finden. Dann kann er Kinder zeugen und endlich den gut florierenden Obst- und Gemüsehandel seines Vaters übernehmen. Was das eine mit dem anderen zu tun hat, weiß nur Vater Jabir allein.
Später am Abend hatten sich die beiden Freunde heimlich verdrückt und eine Flasche Wodka geköpft. Rücken an Rücken saßen sie in dem kleinen Stadtpark auf dem breiten Sockel der Löwenstatue und tranken auf Yassins Wohl. Wie immer hatte Yassin irgendwann geheult wie ein Schlosshund. Und wie immer hatte Fynn es ignoriert und einfach weiter geredet … von den schönen Männern, die ihnen noch begegnen würden, von der Liebe und einem Leben zu zweit; einem Leben ohne Lügen, ohne Angst, entdeckt zu werden. Und natürlich von dem phänomenalen Sex, den Mister Wonderful ihnen bereiten würde.
Am Ende hatte er es geschafft und sein liebenswerter Freund lachte laut mit ihm über seine überdrehten Vorstellungen und überzogenen Phantasien. An die hammermäßigen Kopfschmerzen am nächsten Tag erinnert sich Fynn ebenfalls noch gut.
Innerlich sieht er die ganze Sache viel abgeklärter. In den nächsten Wochen wird er nun schon 28. Abschätzig verzieht er den Mund als er seine Pfeile erneut einsammelt und die Punkte notiert. Nein! Er wird das Schicksal vieler schwuler Männer durchleben, die eben einfach alleine bleiben. Wenn er ehrlich ist, kann er sich gar nicht vorstellen, überhaupt mit irgendeinem Menschen zusammenzuleben. Ich bin für so was einfach nicht gemacht, überlegt er traurig. Yassin schon! Der ist der totale Familienmensch. Aber ich? Ich krieg' doch schon die Krise, wenn meine Kumpels abends zu lange bleiben oder wenn mal einer bei mir übernachtet, weil er zu viel gesoffen hat. Das geht mir einfach auf den Sack. Meine kleine Ordnung darf nicht gestört werden, hat Yassin letztens richtig erkannt. Er wollte mich zwar nur auf den Arm nehmen, doch er hat mit der Bemerkung voll ins Schwarze getroffen. Im Grunde meines Herzens bin ich ein Spießer ... und was für einer!
Fynn bemerkt nicht, dass er die ganze Zeit über beobachtet wird. Ein Mann mit dunklen Augen – tiefer und abgründiger als die schwärzeste Nacht – registriert jeden seiner Schritte, jede Geste, jedes Mienenspiel. Lässig lehnt sich der Typ an die Theke, während sein hungriger Blick an Fynns Hintern hängen bleibt. Gleichzeitig entweicht ein sanfter rollender Laut der Kehle des Beobachters. Ketzerische Gedanken schleichen sich in das Hirn des Fremden.
Du meine Güte! Was haben wir denn da? Ein Lichtermeer wie er im Buche steht. Groß, blond und zum Anbeißen sexy. Und schwul ist er auch noch. Das rieche ich bis hier her. Mhmm. Niemand hat gesagt, dass ich ihn nicht kosten darf. Fynn Lichtermeer. Was für ein Leckerbissen!
Kurze Zeit später räumen die beiden Freunde den Platz an der Dartscheibe und steuern auf einen freien Tisch zu. Fynn fühlt sich eigenartig beobachtet. Immer wieder dreht er sich um und lässt seinen Blick über die feiernden Leuten gleiten, die sich um die breite Theke drängeln. Es ist Freitagabend. Da ist „Bei Resi“ – ihrer Lieblingskneipe – immer der Teufel los. Die Leute freuen sich aufs Wochenende und trinken gemeinsam darauf, dass sie für zwei Tage den Arbeitsalltag hinter sich lassen können. Die Musik dudelt im Hintergrund. Gläser klirren, das helle Gelächter der Frauen mischt sich mit dunkel dröhnenden Männerstimmen. Alles ist wie immer … eigentlich.
Komisch, denkt Fynn verwirrt, ich könnte schwören … irgendeiner beobachtet mich. Immer wenn ich der Theke den Rücken zudrehe, spüre ich ein Kribbeln im Nacken. Ich glaub, ich werd' langsam verrückt.
„Hey!“
„Hey!“
„HEY!!“
Seinen letzten Ausruf unterstreicht Yassin mit einem leichten Klaps gegen Fynns Oberschenkel.
„Was ist los, Alter? Nach wem drehst du dich dauernd um? Zeig' mir lieber direkt, in wen du dich verguckt hast! Du weißt, dass ich es sowieso rausfinde!“
Endlich hat Yassin Fynns Aufmerksamkeit, doch dessen Blick ist immer noch verwirrt.
„Da beobachtet mich irgendwer.“
„Ja??“ Als hätte er einen Stromschlag bekommen, setzt sich Yassin auf. Wie bei einem nervösen Vögelchen – einem Riesenvögelchen – zuckt sein Kopf leicht hin und her, während er den Blick über die Menschen streichen lässt.
„Nicht so auffällig!“, zischt Fynn ihm zu.
„Warum denn nicht?“ Verständnislos verdreht Yassin die Augen, während er fragend die Hände hebt. „Manchmal hast du wirklich einen Knall. Wenn du schon meinst, das da jemand ist, der dich beobachtet, dann solltest du dich nicht wie ein Verbrecher auf der Flucht benehmen, sondern ...“
„Sondern?“, fällt ihm Fynn scharf ins Wort.
Vertraulich beugt sich Yassin zu ihm rüber.
„Benimm dich gefälligst wie eine Schlampe, die zu haben ist, du Idiot. So krieg' ich dich ja nie unter die Haube!“
Wie immer kichern beide los. Wenn sie sich gegenseitig auf den Arm nehmen, ist es schnell vorbei mit der Erwachsenen-Fassade. Für Yassin würde Fynn wirklich alles tun. Lachend wischt er sich einige Tränen aus den Augenwinkeln.
„Du kriegst langsam Falten!“, zieht sein Freund ihn auf.
„Arschloch!“, kommentiert Fynn trocken den unverschämten Kommentar. „Noch ein Bier, du unwürdiger alkoholsüchtiger Sohn eines Kameltreibers?“
Fynn steht auf und dreht sich weg, ohne Yassins Antwort abzuwarten. Es ist sowieso klar, dass sie noch ein Bier trinken. Rücksichtsvoll schiebt er sich durch die Traube der Leute Richtung Theke. Auf der rechten Seite bietet sich eine Lücke. Sofort nutzt Fynn seine Chance. Er stützt beide Unterarme auf den Tresen, während er darauf wartet, dass der Barkeeper in seine Richtung blickt.
„Na?“, raunt ihm plötzlich jemand zu. „Durstig?“
Fynns Kopf schnellt zur Seite und starrt in ein Paar unergründlicher schwarzer Augen. Das ebenmäßige Gesicht mit den hohen Wangenknochen grinst ihm frech entgegen. Einige vorwitzige Haarsträhnen fallen seinem Gegenüber sexy in die Stirn. Fynns Blick verfängt sich in dem vollen Haar. So eine Farbe hat er noch nie gesehen. Ein Rot, dunkler als ein Rubin oder wie ganz dunkles Blut, durch welches sich breite schwarze Strähnen ziehen. Fast unecht wirkende strahlend weiße Zähne blenden ihn geradezu. Immer wieder wechselt sein Blick von den seidigen Haaren zu dem verführerischen Mund. Dessen Lippen schließen sich soeben und flüchtig – ganz flüchtig – leckt der Typ mit seiner Zungenspitze darüber. Unmerklich beugt sich Fynn ihm entgegen. Am liebsten würde er seine Finger in den nackenlangen Haaren dieser Erscheinung vergraben und damit beginnen die eigenartigen Strähnen zu untersuchen. Fast hätte er sich gehen lassen, aber nur fast.
„Hast DU mich beobachtet?“, krächzt er um Fassung ringend.
Keck lehnt sich der schlanke Typ seitwärts gegen die Theke.
„Na, du bist mir ja ein ganz Schlauer“, schmeichelt er zurück. „Wen soll ich wohl sonst bewundern, wenn nicht dich?!“ Schmunzelnd verzieht sich sein Göttermund zu einer süffisanten Schnute. „Du bist was ganz Besonderes, Fynn Lichtermeer. Ein Pralinée unter den langweiligen Bonbons, wenn du verstehst, was ich meine!“
Der kennt meinen Namen?
Jetzt hebt der Fremde seine Hand und streichelt Fynns Wange. „Köstlich! Einfach köstlich!“, murmelt er dabei und sein Blick fährt zufrieden über den Oberkörper seines Gegenübers. Fynn erstarrt unter der zärtlichen Berührung. Das ist einfach … unglaublich. So ein Gefühl von sexueller Spannung hat er noch nie erlebt. Er muss mehr über diesen Kerl wissen. Wie heißt er überhaupt? Noch immer hält ihn die sanfte Berührung in ihrem Bann. Fynn schließt die Augen.
„Wie heißt du?“, murmelt er voller Hingabe.
„WAS DU TRINKEN WILLST, HAB' ICH DICH GEFRAGT!“, brüllt der genervte Barkeeper.
Fynn fährt zusammen, reißt die Augen auf und sieht sich hektisch um.
„Wo … wo ...“, stottert er verwirrt. Dabei legt er seine Hand auf die immer noch kribbelnde Wange.
„Was?!!“, ranzt der Typ hinter der Theke.
„Zwei … zwei Pils, bitte.“ Fynn hat sich halbwegs wieder im Griff. Doch sein Puls jagt wie ein D-Zug durch die Blutbahnen. Er atmet einige Male durch die Nase ein und durch den Mund wieder aus, um seine Aufregung in den Griff zu kriegen. Zusätzlich taxiert er verstohlen die Leute um sich herum. Keiner scheint sich irgendwie anders zu benehmen. Niemand ist etwas aufgefallen. Wo zum Geier ist dieser Typ hin? Das kann ich mir doch nicht eingebildet haben. Vielleicht hat Yassin was gesehen.
Er hält es kaum aus, bis er endlich die beiden Getränke in den Händen hält. Zitternd stellt er sie auf dem kleinen Tisch vor Yassin ab.
„Was ist?“ Sein Kumpel starrt ihn erstaunt an. „Hast du einen Geist gesehen?“
„So was ähnliches ...“, seufzt Fynn und lässt sich auf seinen Stuhl fallen. „Hast du den Typen neben mir an der Bar gesehen?“, haspelt er schnell weiter. „Der mit den dunkelroten Haaren? Der MUSS dir aufgefallen sein. Er war …“ bezaubernd … Beinahe hätte er seinen Gedanken laut ausgesprochen. Doch bester Freund hin oder her, das Wort „bezaubernd“ als Beschreibung für einen anderen Mann zu verwenden, ist einfach indiskutabel!
„Er … er … sah geil aus, mega sexy, wie ein amerikanischer Schauspieler oder so was, verstehst du? Er hat mich angesprochen und dann … war er einfach weg.“
„Wie? Einfach weg?!“
„Ja“, erwidert Fynn ein wenig gereizt. „In einem Moment hab' ich noch ...“ meinen Kopf gegen seine Hand gerieben wie ein rolliger Kater „... mit ihm geredet und dann war er weg!“
Yassin – der loyale Yassin – glaubt jedes Wort seines Freundes. Seine Miene verzieht sich entsetzt. „Mann, Alter! Weißt du, was das war? Ein Dschinn!“, gibt er nahtlos die Antwort auf seine Frage. „Die gibt es tatsächlich, kein Scheiß!“
„Hast du ihn gesehen?“, wiederholt Fynn seine ursprüngliche Frage. Dabei dreht er sich immer wieder Richtung Theke. Doch wo vorher noch die Verheißung des Paradieses stand, drängeln sich bloß die üblichen Leute.
„Nein!“ Schuldbewusst senkt Yassin den Blick. „Ich hab' den niedlichen Kellner beobachtet. Entschuldige!“, fügt er kleinlaut hinzu. Fynn winkt ab.
„Du kannst ja ...“ Als hätte ihn der Schlag getroffen, hält er inne und atmet laut auf. Erschrocken schlägt er eine Hand vor den Mund.
„Er kannte meinen Namen, Yassin!“ Mit weit aufgerissenen Augen starrt er seinen Freund an. „Das war alles kein Zufall! Der Typ kannte meinen Namen!“
Yassins olivgrüne Haut nimmt eine hellere Färbung an. „Ey, hör' auf!“, haucht er besorgt. „Das hört sich voll nach Verfolgung an. Willst du lieber bei mir pennen?“
Jetzt muss Fynn doch grinsen. „Sind wir hier bei 'Fünf Freunde auf dem Ponyhof?'“, frotzelt er, obwohl ihm immer noch mulmig zumute ist. „Du spinnst wohl! Das hättest du wohl gerne, dass du deinen Ständer gegen meine Kniekehlen drücken kannst. Vergiss es!“
Sie retten sich in Albernheiten, trinken ihr Bier und vergessen den komischen Zwischenfall an der Theke. Vorerst!
Eine Stunde später beschließen die beiden Freunde ihren gemeinsamen Dart-Abend zu beenden. Der ominöse Fremde wurde nur noch ein-zweimal erwähnt. Doch je weiter der Abend fortschritt, desto einleuchtendere Argumente fielen Fynn für die Sache mit der Begegnung und dem plötzlichen Verschwinden ein. Vielleicht war er einfach kurz eingenickt oder – noch wahrscheinlicher – ein heißer Tagtraum hatte ihn übermannt. Wäre nicht das erste Mal, wie er sich selbst eingestehen muss. Wie dem auch sei. Mit Yassin herumzualbern war schon immer eine super Methode, um sich von anderen Dingen abzulenken.
Schon ein wenig angeschlagen, torkeln die Freunde leicht gegeneinander als sie sich durch die Eingangstüre der Kneipe nach draußen schieben. Die herrlich frische Nachtluft umschmeichelt ihre Körper und klärt ihre Köpfe ein wenig.
Wie immer verabschieden sie sich mit einer innigen Umarmung, bevor ihre Wege sich trennen.
Fynn schließt den Reißverschluss seiner Jacke und schlägt den Kragen hoch. Er stemmt die Hände in die Jackentaschen und trottet los. Wenn er sich auf seine Beine konzentriert, läuft es trotz der genossenen Bierchen ganz gut mit seinem Gleichgewichtssinn. Sein Weg ist nicht weit. Bei seinem flotten Tempo sollte er in 10 Minuten zu Hause sein. Ab und an fallen ihm die Augen zu. Fynn lächelt. Er freut sich auf sein Bett und die weichen Kissen. Mann, ist er müde. In seiner Fantasie lässt er sich bereits hineinfallen und … WAAS??
Wie vom Blitz getroffen bleibt er stehen. Selbst in Gedanken stottert er. W..W..Was ist d..das … wie … wie bin ich …
Jemand, der ihn nicht kennt, könnte denken, er sei nicht ganz richtig im Kopf. Da steht er mitten auf dem Bürgersteig und zerrauft sich ratlos seine schon ziemlich struppigen Haare. Nicht, dass er nicht wüsste, wo er ist. Er weiß es ganz genau. METROPOL steht da in großen Lettern über dem Gebäude. Das neue Kino der Stadt. Es handelt sich nicht um einen riesigen Filmpalast, sondern passt von der Größe her wunderbar in eine Kleinstadt. Die Aufmachung wurde den alten Kinos der 60er Jahre nachempfunden. Man denkt wirklich, man hätte einen Zeitsprung gemacht. Eine große Leuchttafel über dem Eingang bewirbt die aktuellen Filme und man bezahlt an einem Aquarium-Kassenhäuschen. Alles wirkt sehr authentisch. Um die Nachtschwärmer anzulocken, haben sich die Kinobesitzer für die Wochenenden etwas Besonderes ausgedacht. Rund um die Uhr laufen verschiedene Klassiker. Eine wunderbare Idee! Fynn und Yassin hatten dieses Angebot auch schon wahrgenommen. Heute wird „Endstation Sehnsucht“ gezeigt. Hab' ich noch nie geseh'n, denkt er beiläufig, während er immer noch versucht, durch das Reiben der Augen seine wirren Gedanken zu ordnen.
Denn da gibt es ein Problem: das Kino liegt in einer völlig anderen Richtung als Fynns Wohnung. Und er hatte den gleichen Weg wie immer genommen. Er kennt doch seinen Nachhauseweg, verdammt. Selbst mit einer Promille mehr im Blut ist er diesen Weg schon auf allen Vieren zurück gekrochen! Und jetzt … jetzt steht er hier wie angewurzelt und weiß nicht was er davon halten soll.
„Na, das nenn' ich mal einen Zufall“, schnurrt ihm eine bekannte Stimme ins Ohr. Noch nie zog Fynn so schnell eine Gänsehaut über den Rücken. Langsam – wie ein Zombie – wendet er seinen Kopf nach rechts. Tatsächlich steht der Typ aus der Kneipe neben ihm. Breit grinsend zuckt er schelmisch mit einer Augenbraue.
Ein Dschinn, schießt Yassins Stimme durch Fynns Kopf. Die gibt es tatsächlich, kein Scheiß.
„Was meinst du?“, fragt der Dschinn lockend. „Sollen wir uns den Film gemeinsam ansehen? Hm? Ich lade dich ein. Die Vorstellung beginnt in fünf Minuten. Wenn du schon mal hier bist ...“
Fynn starrt einfach wortlos zurück.
„Ach, komm schon!“ Der göttliche Mund verzieht sich zu einem sensationellen Schmollen. Der Typ dreht sich um und steuert auf die Kasse zu. Nach drei Schritten bleibt er stehen, hält ihm eine Hand entgegen und deutet einmal mit dem Kopf in Richtung Eingang. Wie ein Schlafwandler bewegt sich Fynn auf ihn zu. Und wie ein schlafwandelnder Erstklässler ergreift er die ihm dargebotene Hand und lässt sich führen. Ihm fehlen die Worte. Er ist nicht in der Lage, sich zu bedanken, geschweige denn zu protestieren. Willenlos tut er, was von ihm verlangt wird.
„Geh' schon mal vor, Schatz, ja?“, wird er durch die Glastüre in den Vorraum des Kinos geschickt.
Auch hier befolgt er den als Frage getarnten Befehl.
Der – in seinen Augen – attraktivste Kerl, den er je gesehen hat, bezahlt für sie beide. Vom Vorraum aus kann er den Fremden nun kurz betrachten. Erst jetzt fällt ihm auf, dass der Typ ganz in Schwarz gekleidet ist. Schwarze Jeans und ein schwarzes Hemd mit Verzierungen an der Knopfleiste. Dazu trägt er eine Art Sacko aus einem ziemlich ausgefallenen Stoff. Seide mit Brokat? Damit kennt sich Fynn wirklich nicht aus. Und wieder fallen ihm diese dunkelroten Haare mit den noch dunkleren Strähnen auf. Wie ein exotisches Tier wirkt der hochgewachsene schlanke Mann, der sich jetzt zum Verkaufsschalter beugt und einige Worte mit der Kartenverkäuferin wechselt. Zufrieden lächelt er schließlich und dreht sich weg. Mit dem gleichen breiten Lächeln schreitet er in Fynns Richtung. Die Frau führt ein kurzes Telefonat, verlässt danach das Kassenhäuschen, schließt ab und … geht. Fynn runzelt die Stirn. Komisch.
„Sie hat Feierabend“, erklärt der Dschinn als er die schwere Glastüre aufzieht und ebenfalls eintritt. „Ist doch gut! Dann stört uns niemand.“ Gemeinsam schlendern sie Richtung „Kino 1“.
„Hach! Endstation Sehnsucht!“, seufzt der Fremde. „Bin gespannt, welche Handlung sie sich hier ausgedacht haben!“ Er runzelt leicht die Stirn, als er zu Fynn hinüber schielt. Vor dem Eingang zum großen Saal bleibt er stehen.
„Sieh' mich an“, raunt er und sein sexy Timbre lässt Fynn leicht erzittern. „Es wird dir gefallen, mein Hübscher!“, flüstert der Dschinn eindringlich. „Das versprech' ich dir!“
Erneut streichelt er zärtlich mit seinem Daumen über Fynns Wange.
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