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Читать книгу: «Makk»

Heinrich Clauren
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1

Der alte Graf stampfte mit dem Fuße, betheuerte, daß das nun die letzten Schulden wären, die er für seinen Sohn, den Herrn Gesandtschafts-Rath in Paris, bezahle, unterzeichnete den Wechsel und händigte ihn dem Secretair zur weitern Besorgung ein; dieser aber zitterte an Händen und Beinen, denn so entrüstet hatte er seinen lieben alten Herrn lange nicht gesehen.

Die Stadt der Welt, sagte begütigend der ehrliche Lippert: hat ein theures Pflaster; die Ambassadeure der andern hohen Potentaten mögen daselbst sich wohl durch manchen luxuriösen Aufwand auszeichnen; unser junger Herr wollen nicht zurück bleiben, meinen vielleicht, daß sie der Ehre unsers Hofes dergleichen kleine Opfer schuldig —

Mein Herr Sohn ist ein Narr, brummte der Graf. Unser Allerhöchster Herr ist ein Muster von Ordnung und weiser Sparsamkeit; wollen dem der Herr Sohn Ehre machen, so nehmen Sie sich ihn zum Exempel. Wäre es des Monarchen Absicht, daß die Beamten, seine Gesandten im Auslande, viel Aufwand machen sollten, und wäre die Kunst, Geld auszugeben, sein Maßstab, ihre Brauchbarkeit zu beurtheilen, so würde er ihnen höhere Gehalte aussetzen; das Schuldenmachen in fremdem Lande entwürdiget das Gesandtschaft-Personale und die Nation, die es zu vertreten das Glück hat. Ferdinand macht seinem Hofe, seinem Vaterlande, mir und sich die meiste Ehre, wenn er ein rechtlicher, vernünftiger Mann bleibt, der nicht mehr ausgibt als er auszugeben hat, und seinen guten Namen wie ein Heiligthum bewahrt. So weit Sie auch hinauf in die Reihe unserer Altvordern zurückgehen mögen, Sie werden keinen Ulmenhorst finden, der, wie Herr Ferdinand, bei Juden und Christen sein Ehrenwort so leichtsinnig verpfändet und dann andern Leuten überlassen hätte, es mit schwerem Gelde wieder einzulösen. Also  schreiben Sie ihm, Lippert, daß dieß das Allerletztemal sey, daß ich für ihn bezahle, und schreiben Sie es ihm recht derb und verständlich; denn, weiß der Himmel, wenn ich ein halb Dutzend solcher theuren Herren Söhne hätte, ich liefe in drei Jahren zum Lande hinaus.

Nun, von unserm lieben Herrn Grafen Gotthold haben wir dergleichen nicht zu befürchten, erwiederte der alte Geheimschreiber: der hat bis jetzt doch immer kaum die Hälfte von dem gebraucht, was Ew. Erlaucht ihm ausgesetzt.

Lippert, versetzte der Graf und wendete sich seitwärts, daß der Secretair nicht das Gemeinmenschliche, die Vaterfreude, gewahren solle, die ihm in der Brust aufwallte: ich freue mich doch auf den Gotthold.

Wir alle freuen uns auf ihn, versetzte Lippert mit herzlichem Tone. Er wird neue Lust und neues Leben in das Haus bringen, und daß er in Ew. Erlaucht Wünsche, die Verwaltung sämmtlicher Güter zu übernehmen, eingegangen, gibt uns die angenehme Hoffnung, daß wir ihn hier in unserer Mitte behalten werden.

Lippert, hob der Graf vertraulich an: Sie sind ein alter treuer Diener, und Sie meinen es mit dem Gotthold gut; ich habe einen Plan, der sein Wohl bezweckt, und den Sie mit ausführen helfen sollen.

Der alte Sekretair schwieg und horchte.

Der Gotthold muß sich nun nach einer Frau umsehen, fuhr der Graf, zu Lippert gewendet, mit gedämpfter Stimme fort. Ich habe mehrere auf dem Rohre. Eine – wenn Gotthold die wählte – wenn Sie ihn dahin vermögen könnten —! Er hört auf Sie – ich kann mit ihm von so etwas nicht reden; das schickt sich nicht; aber Sie wissen, welche ich meine.

Lippert wußte es nicht; er sann auf verschiedene ebenbürtige heirathfähige Schönen der Umgegend, aber er wagte nicht, sie zu nennen.

Rathen Sie, sagte der Graf lächelnd. Wen würden Sie für Gotthold wählen?

Fräulein Sara von Agolfingen, rückte Lippert schüchtern heraus.

Ein altes, ursprünglich Baiersches Geschlecht, erwiederte der Graf mit tiefer Achtung: schon im sechsten Jahrhunderte wird seines Namens  erwähnt, doch hieß es damals Agilolfingen; wenigstens behauptete der alte Feldzeugmeister, Sara’s Großvater, aus jenem berühmten Hause, aus dem die Fürsten der damaligen Bajoaren ausschließlich gewählt wurden, das doppelt höher stand, als alle übrige edlen Geschlechter, und dessen Sprößlinge doppelt so viel werth waren, als ein jeder andere freie Bajoar, in grader Linie abzustammen. Aber Fräulein Sara hat, fehlender Mittel wegen, sich vor wenig Tagen entschließen müssen, eine Gouvernantenstelle anzunehmen, darum möchte es sich wohl nicht schicken, wenn mein Sohn einer dienenden Person seine Hand böte.

Baronesse Goldstein? fragte, von dem Seitenhieb auf die sogenannte dienende Klasse heimlich verletzt, Lippert halb laut.

Ein wahrer Goldstein, entgegnete lächelnd der Graf: denn das Mädchen wiegt drei Tonnen Goldes; aber was war die Mama? die Tochter eines Wollhändlers; und der Großpapa? ein alttestamentarischer Großwürdenträger, ein Erblandoberhofbarbier; denn bei der Münze und bei dem Tabak-Monopol, und bei der Schlacht- und Tranksteuer, kurz bei allen seinen, mit  dem Staate abgeschlossenen Pachtunternehmungen hat er unsern allerhöchstseligen Herrn, und das gesammte Land, ganz unchristlich barbirt. Ein solches Reis mit einem Schößling unsers reinblütigen Stammbaums zu kopuliren, möchte wohl nicht recht paßlich seyn.

Gräfinn von Waiblingen doch nicht etwa? preßte sich Lippert ab, und erschrak, als der alte Herr freundlich blintzelnd nickte; Getroffen, sagte dieser triumphirend. Sehn Sie, Lippert, das wäre ein Pärchen; die einzige Tochter; die große Stammherrschaft Waiblingen Kunkellehn; der Vater ein Allgewaltiger bei Hofe, und das Mädchen schön wie ein Engel.

Lippert schwieg, denn, wie er Gotthold kannte, war, wenn dieser während seiner vierjährigen Abwesenheit sich nicht um und um geändert hatte, Gräfinn Aurora keine Frau für ihn.

Nun, Sie sagen ja gar nichts, hob der alte Herr etwas befremdet an. Sie gefällt Ihnen wohl nicht, meine künftige Schwiegertochter? Aengstigen Sie sich nicht, setzte er spöttelnd hinzu: Sie sollen sie auch nicht heirathen, sondern Gotthold. Ich weiß, Sie  meinen das kleine Verhältniß mit dem Erbprinzen! – nicht wahr, das ist der Stein des Anstoßes?

Lippert schlug die Augen nieder und wollte mit den Achseln zucken, aber er getraute sich, das nicht, denn in dem jovialen Tone, in dem die Erlaucht des kleinen Verhältnisses erwähnt, lag die Ansicht, daß etwas der Art eigentlich gar nichts zu bedeuten habe, daß man sich über derlei Bagatellen wegsetzen müsse, und daß Herr Secretair Lippert, wenn ihm an dem fernern Wohlwollen seines Prinzipals gelegen, wohl thun werde, in solchen Kindereien kein Obstakel zu finden, sondern vielmehr, so viel in seinen Kräften stehe, den jungen Grafen mit bearbeiten zu helfen, daß dieser in die Pläne des Vaters ohne Weigerung eingehe.

2

Drei Tage darauf bogen vier Extrapostpferde, lang gespannt, um die kleine Dorfkirche in den Schloßhof; Graf Gotthold flog aus der leichten Reisechaise in die Arme seines Vaters, und die Einsamkeit und das Stillleben, welche jahrelang in dem alterthümlichen Gemäuer des  ehrwürdigen Stammschlosses geherrscht hatten, flohen mit diesem Augenblicke in die Tiefen des fernen Schwarzwaldes, wohin sie gehörten.

Es ist noch ganz der Alte! rief die treue Dienerschaft, die sich am herzlichen Wiedersehn zwischen Vater und Sohn theilnehmend ergötzt hatte, erfreut einander zu, nur fand man ihn stärker und größer und kräftiger und frischer; den ehrlichen Lippert schloß der liebenswürdige Gotthold, wie einen väterlichen Freund, an die stürmisch bewegte Brust; den Silberkopf, den Kammerdiener, die alte Bettfrau, und seine Jugendgespielinn, die niedliche Lisbeth, die unterdessen als Silberwäscherinn angestellt, und seinen ehemaligen treuen Jagdgefährten Lebrecht, der während der Zeit zum Büchsenspanner aufgerückt war, herzte und küßte er ab, und den Andern Allen reichte er die Hände, und jedem sagte er Freundliches und Liebes, wie es ihm aus dem Herzen kam, und Alle gingen von dannen gerührt, entzückt und geschmeichelt, und waren seines lauten Lobes voll.

Die folgenden Tage schon fuhr der glückliche Vater mit dem Ankömmling in der Runde umher, und stellte ihn der Nachbarschaft vor,  und überall, vornehmlich aber in den Häusern, wo heirathbare Töchter, Nichten oder Cousinen zu finden, empfing man den jungen Grafen mit zuvorkommender Artigkeit, und wünschte dem Alten zur Rückkehr dieses liebenswürdigen Jünglings aufrichtig Glück.

3

Auf allen Rittersitzen der ganzen Runde ward seit dem Besuche des jungen Ulmenhorst in den weiblichen Kreisen die lebhafteste Regsamkeit sichtbar. Frau v. Stetefisch hatte mit unbeschreiblichem Wohlgefallen bemerkt, daß er die ganze Zeit seines Besuchs von ihrer Gundel kein Auge verwendet. Du hast ihn weg, sagte sie, als er fortgefahren war, zum Töchterlein scherzend: der Mensch brennt wie eine Scheune; und Kunigunde ward vor Schreck, daß die Mutter das auch bemerkt, kirschroth im ganzen Gesichte, schlug den Blick nieder und lächelte verschämt. So nicht, Gundel, so nicht, sagte mißbilligend die Mutter, so zimperlich gebehrdet sich jetzt kaum eine Bürgerdirne noch; den Kopf in die Höhe! die Augen gerade aus! ihm keck und lustig in das Gesicht geschaut!  Der junge Mensch hat etwas Blödes, wenn Du auch so seyn wolltest, kämt ihr Euch im Leben nicht näher; junge Männer der Art müssen in unserm Entgegenkommen, in unserm fröhlichen Scherz die aufmunternde Versicherung finden, daß sie uns nicht unangenehm sind. Auf den Sonntag sind wir bei Ulmenhorsts zum Souper und Ball eingeladen. Nimm Dich zusammen, Gundelchen; Du bist nicht häßlich und weißt Dich zu produziren; mache mir Ehre, und denke, daß der junge Ulmenhorst mit die reichste Parthie im Lande ist.

Aber den Tod möchte man über Dich doch gleich auf der Stelle haben, hob die Baronesse von Pfortenrode, als die Grafen Ulmenhorst sie verlassen, zur Tochter gewendet, mit leidenschaftlicher Heftigkeit an: kommst du doch wahrhaftig zur Stube hereingefahren, wie eine lebendige Windbraut; ich mag recht gern, daß ein junges Mädchen rasch und lebhaft sey, aber so wild und jäh! – meiner Treu, ein Rehbock, ein Kalb springt nicht so mit beiden Beinen zugleich in das Zimmer, wenn sie sehen, daß bei den Eltern Gesellschaft ist; und dann, Renzchen, fuhr sie mit mütterlichem Ernste  fort und steckte das Busentuch fest, das überall zu schmal war, und zog die losen Schnüre des Leibchens fester zusammen: ich bitte Dich um Gotteswillen, wie hängt und fliegt und flattert alles um Dich herum! Du mußt durchaus mehr Aufmerksamkeit auf Dein Aeusseres wenden; Du bist kein Kind mehr, und Ulmenhorsts Gotthold sucht, ich weiß es von sicherer Hand, eine Frau; umsonst kam er nicht zuerst zu uns; umsonst erkundigte er sich nicht nach Dir; umsonst sprach er nicht ausschließlich mit Dir, und immer nur mit Dir! und Du – wie standst Du da! Ich hätte vor Scham und Aerger in die Erde sinken mögen; die Hände auf dem Rücken, lehnst Du Dich mit den Schultern an die Wand, stehst auf einem Fuße, schlenkerst mit dem andern hin und her, klotzest ihn unaufhörlich an, als wolltest Du ihn mit den Augen durchbohren, und lachest in einem fort in die Welt hinein, wie eine junge Gans.

Die muthwillige Emerentia erglühte bei dieser Strafpredigt vor heimlichem Aerger über die Mama, denn ihr ehemaliger Jugendgespiele, der allerliebste Gotthold, hatte in ihr bestimmt  weder ein Kalb, noch eine Gans gefunden; er war freundlich und lustig gewesen, wie sonst, sie hatten von den tollen Streichen ihrer Kindheit gesprochen, und dabei hatten sie natürlich ein bischen gelacht; das war Alles gewesen; und wenn Gotthold wirklich eine Frau brauche, so, meinte Emerentia, würde sie sich als Gräfin Ulmenhorst recht gut ausnehmen.

Einen reitenden Boten nach Gimpelstädt! rief die Landräthin, die Grafen Ulmenhorst waren noch nicht die Treppe hinunter, ihrem Kammermädchen mit einer Hast zu, als hinge von der Versäumniß jeder Minute das Wohl eines Welttheils ab; sie hatte deren, wie die Geographen vor Australiens Entdeckung, viere. Papchen, Pipchen, Popchen und Pupchen, das war ihre Welt; vier frische Mädchen, eins derber und runder als das andere; sie standen zwischen 17 und 24 Jahren, galten für die reichsten im Umkreise, legten in der Wirthschaft selbst Hand an, und wären alle viere, längst unter der Haube gewesen, hätte Mama sie nicht in gar zu hohem Preise gehalten; mancher Freier war schon mit tüchtigem Korbe davon gegangen, und darum hatte in der letzten  Zeit keiner sich wieder melden wollen; doch Mama Landräthin, die sich auf den in der Umgegend errungenen Beinamen einer resoluten Frau etwas zu Gute that, ließ sich dadurch nicht bange machen. Etwas Rechts, oder gar Nichts, war ihr erster Wahlspruch, und lieber als Jungfrau gestorben, als in schlechter Ehe verdorben, ihr zweiter. Gotthold, das sagte sie sich im Stillen, denn mit ihrem Eheherrn sprach sie über derlei Dinge nicht, der war im Hause, wie im ganzen Kreise, eine reine Null – Gotthold war ein Mann für eine ihrer Töchter, mit dem legte sie Ehre ein, und wenn, wie sie sich ausdrückte, nur einmal ein Loch gemacht wäre, würden die andern nach und nach wohl auch abgehen; Papchen, des Papa’s Liebling, und darum also genannt, denn eigentlich hieß die Susanne, war für Gotthold schon zu alt; Peppy, Josephe, die zweite, hatte schon als Kind das Zeitliche gesegnet; Pipchen, Philippine, war an den Major v. Schnüren bereits halb und halb verthan, wie es die Mutter nannte; Popchen, Pauline, aber stand, wegen einer kürzlich erst entdeckten kleinen Liebschaft mit einem jungen Bürgerlichen, bei der  Mama nicht recht gut angeschrieben; Pupchen ward daher dem glücklichen Gotthold bestimmt; das Kind hieß eigentlich Polykarpe; ihrem Pathen, einem Pupillenrath, zu Ehren aber, und um das fünffache Vokal-Kleeblatt voll zu machen, ward ihr Name korrumpirt, und nur, wenn Papa es recht gut mit ihr meinte, nannte er sie witziger Weise, in Bezug auf die Endsylben ihres wahren Namens, sein Karpfenpupchen.

Die Mutter las den Kindern, während der Eilbote seinen Gaul sattelte, nachstehendes, an den Gimpelstädter Perückenmacher Zäusler gerichtetes, in aller Geschwindigkeit hingeworfenes Billet vor. Zu dessen Erklärung ist die Notiz nöthig, daß Herr Zäusler vordem in der Residenz bei der Oper als Theaterfriseur angestellt gewesen war, und beim täglichen Zusehen in der Tanzkunst so erfolgreiche Fortschritte gemacht hatte, daß er, den immer mehr in das Weite gehenden Ansprüchen der eigenwilligen Solotänzerinnen zu genügen, aus Alterschwäche nicht mehr gnügend, sich vor zwanzig Jahren in seinen Geburtort Gimpelstädt zurückgezogen hatte, wo er des Vormittags die hohe  Noblesse als Friseur bediente, in den Feierstunden der Abendmuße aber den Tanzgelehrigen für ein Billiges Unterricht ertheilte.

Bester Herr Zäusler!

Und sollte Sie’s auch nicht recht gelegen seyn, so muß ich Ihnen doch tringend bitten, schleinichst mit dem Menschen zu Pfärde raus zu kommen, und den Bäuerschen Kalobb-Walzer mit zu pringen, denn gizt will alles auf Bäuersch Kalobbiren, der erste wie der lätzte. richten Sie Sich Ein, bis zum Sontag Frih hier pleiben, und pringen Sie meune neie Duhr mit den langen Lokken kleich mit. Sie kennen doch den Hoppswalzer, der gizt Mothe ist? ich meine den, der sich so anfänkt: Rumm rumm, rumm rumm, Diideya, Diideya, und bin

Ihre

wohl afekzionirte
Lina v. Zwickel,
Königl. Landräthin des
Roggenfelder Kreises.

N. S.

Sie kriegen däglich 1 Rthlr. 12 gr.  und aller frei, dafür missen Sie aber so lange hoppsen, bis sie’s können. Hätte Sie fülleicht jemand Andersch schon auf das Bäuersche für seine Döchter bestellt; so gebe ich auch mehr, wenn Sie es anterwärts ausschlagen und zu uns kommen.

In Eil.

Zäusler war in der peinlichsten Verlegenheit; eine ganze Woche bei Landraths in Floribus zu leben, und obenein noch täglich ein so stattliches Honorar zu bekommen, war eine Aussicht, wie sie ihm, seit er seinen Abtritt aus der Residenzwelt genommen, noch nicht geboten worden war; aber der Walzer, der Walzer! Er hatte von dem Baierschen Gallopp in seinem Leben noch kein Wort gehört, und der war, das las er sich wohl aus dem kauderwälschen Brief heraus, die Hauptsache. – Ohne den – durfte er nicht kommen. Er brummte das Rumm, Rumm, zehn- und zwanzigmal vor sich hin, aber da wollte kein Walzer herauskommen. Wie eine Sternschnuppe aus finsterm Himmel, fiel ihm in der Angst seines Herzens bei, daß bei seinem Nachbar, dem Schneider, ein Baierscher Gesell arbeite. Dem  heiterte sich das ganze Gesicht auf, als Zäusler mit der höchsten Spannung, der man es anhörte, daß Ehre und Leben auf der Antwort standen, ihn fragte: ob er den Baierschen Gallopp kenne. Mit beiden Beinen war der flinke Gesell vom Tische; im grünen Dachse zu Ingolstadt hatte er ihn zum letztenmale getanzt, daß sich ihm die Gaststube um und um gedreht hatte; er galloppirte dem gelehrigen Zäusler sein Kunstwerk vor; der eiligst herbeigeholte Stadtpfeifer setzte die Musik, wie sie ihm der Schneider vorfistulirte, für das Klavier, und also wohl versehen schwang sich der frisirende Tanzlehrer hinter den landräthlichen Reitknecht auf den Stallklepper, und kam, einen kleinen Sturz abgerechnet, bei dem alle drei, der Gaul, der Pferdebändiger und Zäusler, in eine haushohe Brennnessel-Plantage fielen, wohlbehalten im Kreise der galloppsüchtigen Fräuleins an.

In aller Eile wurden der leberkranke Kreissecretair, das Trampelthier von Kornschreiber, und, als Stellvertreter der vierten fehlenden Mannsperson, die Kammerjungfer als Chapeaux requirirt; der Organist mußte klavieren, und nun wurde gehoppst von früh bis Abends,  bis keins mehr ein Glied rühren konnte. Die Goldkinder übertrafen der zärtlichen Mutter kühnste Erwartungen; vorzüglichen Preis errang aber ihr Liebling, das Nesthäkchen, Karpfenpupchen genannt, nur daß Herr Zäusler, seines Eifers nicht immer Meister, ihr zuweilen zuschreien mußte, nicht so schrecklich einwärts zu tanzen; der Kornschreiber trat ihr darum, ohne seine Schuld, mehr als zehnmal auf die Füße, daß Pupchen in der Verzweiflung ihres Schmerzes oft laut auf wimmerte und ihr die hellen Thränen aus den Augen sprangen, doch die Mutter rief, wenn sie dergleichen kleine Unfälle bemerkte, tröstend: Hoffart will Zwang haben! und schalt das Kornthier einen ungeschickten Esel; dieses aber kam, als ihm solcher Sticheleien am Ende zu viel wurden, am letzten Tage am Sonnabende dieser galloppirenden Marterwoche, aus dem Gleichgewichte, und schlug mit Pupchen der Länge nach in den Saal, und sie trug eine tüchtige Brausche auf der Stirn davon, und nur den Brantwein-Bäuschchen, welche die ganze Nacht hindurch, bis zum hellen Sonntag-Morgen, und selbst noch auf der Fahrt nach Ulmenhorst, unausgesetzt aufgelegt wurden, war das Verschwinden des Makels bis auf einen kleinen rothen Fleck zu verdanken, der gerade über der Nase sitzen blieb, ohne jedoch das hübsche Zwickelchen sehr zu verunstalten; dafür verbreitete aber die ganze Familie bei ihrem Eintritt in die Ulmenhorstischen Prunkgemächer einen Fuselduft, daß jedermänniglich vermeinte, sie käme aus dem Schnappshause.

4

Das war ein Ball!

Lange schon hatte der alte Graf die Schönen der Umgegend auf Gottholds Rückkunft von dessen Reisen vertröstet, die er mit einem Tanzfeste verherrlichen wolle, wie weit und breit seit Menschengedenken keins gefeiert worden, und der alte Herr hielt Wort. Mit breiter Beredsamkeit hatte er ihnen die fünf Hauptstücke auseinandergesetzt, aus denen ein ordentlicher Ball bestehen müsse; nämlich geräumiger Platz, sonnenhelle Beleuchtung, die beßtmögliche Musik, ein erquickendes Glas Wein, und die schönsten Mädchen und Frauen des Landes; und in dem prächtigen Ahnensaale,  mit dem spiegelglatten Fußboden, strahlte das blendend freundliche Licht von tausend Wachskerzen, und das, aus der Residenz weither verschriebene, funfzig Mann starke Gardemusik-Corps steigerte bald das Entzücken der wunderholden Tänzerinnen, die sich beim schäumenden Champagner, den der Graf gleich nach der ersten Polonaise, statt des ihm verhaßten Thees, herumgeben ließ, einmüthig gestanden, daß der liebenswürdige Wirth auch das sechste, von ihm mit Stillschweigen übergangene Hauptstück, die flinksten Tänzer, nicht vergessen habe, denn von nah und fern, aus allen umliegenden Rittersitzen und Garnisonen, war hier die Blüthe der männlichen Jugend beisammen; alles blanke, rüstige Springinsfeld, die mit Lust und Liebe auf dem Platze waren, und ihren Schönen unter den sinnigsten Huldigungen betheuerten, heute auch auf dem Plane bleiben zu wollen. Doch, so unwiderstehlich sie auch zu seyn sich einbildeten, dem jungen Grafen Gotthold erkannte man doch einstimmig den Preis zu. Eins lobte seine äußere Anmuth, seine Gewandtheit, das Andere seine kräftige Jugend; die ältern Damen waren von der feinen  Artigkeit entzückt, mit der er sie unterhielt; die jüngern, von der frohen Laune, von dem gutmüthigen Scherz, von dem fröhlichen Witz, der seiner muntern Rede Leben und anziehendes Interesse gab, und die Männer von der Bescheidenheit und dem Ernste, die den weiten Umfang seines gediegenen Wissens in ein eigenes Licht setzten. Er schien die Pflicht der Stelle zu fühlen, die ihm der heutige Tag angewiesen; die ihm zu Ehren geladenen Gäste waren ihm alle gleich lieb und werth, er zeichnete Keinen aus, er war gegen Alle gleich freundlich und herzlich, und gewann so das Wohlwollen Aller.

Da rissen die reichgallonirten Diener des gräflichen Wirthes die Flügelthüren des Saales auf, und es trat ein die Hofmarschallinn Excellenz, an ihrer Linken ihre Eingeborene, die bleiche Brunehild, und an ihrer Rechten ihre blühende Nichte, die Gräfinn Aurora von Waiblingen.

Die Excellenz entschuldigte beim gastlichen Wirth ihr spätes Erscheinen und die Freiheit, die sie sich genommen, die aus der Residenz heute Nachmittag zufällig bei ihr eingetroffene  Nichte uneingeladen mitgebracht zu haben; wenn man aber dieser überschlauen Frau hätte bis auf den Grund ihrer Seele sehen können, so wäre aus diesem Folgendes zu lesen gewesen: Unserer Verabredung gemäß, lieber alter Graf, hat mir Aurorens Vater das Kind heute zugeschickt; hier ist es; seine späte Ankunft verzögerte meine Abfahrt von unserm Gute, daher sind wir die Letzten. Aurora weiß von unserm Plane nichts; wir wollen erst sehen, ob sich die jungen Leute von selbst finden; sollte dieß wider Hoffen nicht der Fall seyn, so müssen wir überlegen, wie wir auf eine feine Weise nachhelfen können. Der Hof, überzeugt, daß, so lange das kleine Verhältniß zwischen dem Erbprinzen und Auroren obwaltet, ersterer an eine, seines Hauses würdige, standesmäßige Vermählung nie denken werde, wünscht um jeden Preis Aurorens Verheirathung, und wird unserm lieben Gotthold alle Wünsche erfüllen, die er zur Bedingung dieser Verbindung macht. Dem Erbprinzen, der von unserem gemeinschaftlichen Plane ebenfalls nichts weiß, wird es ein schmerzliches Opfer seyn, Auroren aufzugeben. Er wird alles in Bewegung setzen, um die  Verbindung zu hintertreiben; wir müssen daher, um ihn uns für die Zukunft nicht zum Feinde zu machen, unsere Maßregeln, dem Hofe gefällig zu seyn, an einem höchst delikaten Wege treffen. Für heute mögen sich Gotthold und Aurora bloß kennen lernen. Was weiter zu thun, wollen wir, nach Maßgabe der Umstände, sodann unter uns im Stillen berathen.

War es Aurorens Tannenwuchs, war es die ungezwungene Grazie ihrer schönen Haltung, war es das Geistvolle ihres sprechenden Auges, war es die himmlische Gutmüthigkeit, die in den Zügen dieses Engelköpfchens lag, war es die Strahlenpracht ihres reichen Brillant-Schmuckes, war es die frische Fülle des jugendlichen Körpers, die blendende Weiße der Lilienhaut, das blühende Roth der Gesundheit und engelreinen Unschuld, das, wie vom Morgenkusse ihrer frühen Namenschwester ihr auf die Wangen gehaucht, dem ganzen Gesichtchen einen namenlosen Liebreiz gab, – Gotthold stand versteinert, als er das Mädchen erblickte. Der Vater stellte ihn der Excellenz und deren jungen Begleiterinnen vor, und Gotthold hätte sich, so oft er späterhin an diese verwünschte  Vorstellung dachte, die Finger abbeißen mögen, denn er meinte, sich dabei so links und lächerlich benommen, und soviel Albernheiten bei der Gelegenheit gesagt zu haben, daß ihn Aurora für einen Menschen ohne alle Erziehung gehalten haben müsse; und gerade diese Verlegenheit, diese Verwirrung hatten dem feinfühlenden Mädchen wohlgethan; sie waren ihr die sprechendsten Beweise von dem Eindruck gewesen, den ihr Liebreiz auf den schönen jungen Mann gemacht hatte, der von jetzt an nur Augen für sie allein zu haben schien und die übrigen Damen alle vernachlässigte.

Noch vor zehn Minuten hatte Frau von Stetefisch ihrer Kunigunde in das Ohr geraunt: der Gotthold ist ein lebendiger Engel, Du gefällst ihm; er hat dein Tanzen über alle Maßen gelobt. Die Baronesse von Pfortenrode hatte ihn, als sie ihn mit ihrem Renzchen beim lustigen Länderer so fröhlich tändeln und tosen gesehen, im Stillen schon als ihren leibhaften Schwiegersohn betrachtet, und ihn laut den ersten jungen Mann im ganzen Lande genannt; und die Landräthin war mit huldreicher Glorie in den enggeschlossenen Kreis von Papchen, Pipchen, Popchen und Pupchen getreten, und hatte ihnen vertraut, daß sie nach den schmeichelhaften Aeusserungen, die Gotthold über das vierblättrige Kleeblatt habe fallen lassen, über seine ernsten Absichten jetzt keinen Zweifel mehr hege, Gotthold sey ein kompleter Halbgott; es drücke ihr fast das Herz ab, ihm das in das Gesicht zu sagen.

Und jetzt, da Gotthold mit keiner Ballschöne mehr sprach, da der Strahl seines Auges nur auf Auroren fiel, da er für die Musik und für den Scherz der Gäste kein Ohr hatte, sondern wie eingewurzelt stand, und die schöne Waiblingen vom mächtigen Solitair, der in der Mitte des, von den Ringellocken des seidenen Haupthaares leicht umrankten Diadems funkelnd blitzte, bis zur Spitze des niedlichen Füßchens in stummem Entzücken betrachtete, als wolle er das Götterkind mit den Augen verschlingen, und die Quadrille, auf die er mit Pupchen engagirt gewesen war, in den Tod vergessen, und dafür bei dem Quarré unter den Zuschauern, in süße Träumereien versunken, gestanden hatte, in dem Aurora mit der bezauberndsten Anmuth tanzte, da meinten  seine eben erwähnten drei Lobpreiserinnen und manche andere Mutter im Saale, daß der Gotthold, bei näherer Bekanntschaft, doch ein sehr gewöhnlicher junger Mensch sey, der die Regeln der guten Lebensart so weit vergesse, daß er über das hübsche Lärvchen einer Erz-Kokette die Pflicht der Aufmerksamkeit, die er der übrigen Gesellschaft schuldig sey, augenfällig verletze.

Das von Gotthold böslicher Weise verlassene Quarré warb sich, nachdem es ihn lange vergeblich gesucht, am Ende ein anderweites viertes Paar, und Pupchen blieb sitzen.

Die Landräthin kochte vor Wuth. Die fürstliche Buhlerin hat ihm den Kopf verdreht, sagte sie zu der Sitzengebliebenen: aber ich will ihm denselben wieder zurecht setzen lassen. Ungebetene Gäste gehören nach altem Sprichwort hinter den Ofen. Was will die Person hier? kein Mensch hat sie eingeladen; sie kann gehen, wohin sie gehört. Aber wir kennen die feine Frau Hofmarschallin, wahrscheinlich ist der Erbprinz des Mädchens, das sich ihm an den Hals geworfen haben mag, nun überdrüssig; Ihre Excellenz hat von ihm den heimlichen  Auftrag, die Lästige auf gute Manier unter die Haube zu bringen, und dazu kömmt Graf Gotthold der spekulirenden Hofmarschallin recht gelegen. Ich wette, dieser weiß von dem saubern Verhältniß, in dem Aurora zum Erbprinzen steht, kein Wort; der Mensch ist ja seit vier, fünf Jahren außer Landes gewesen; aber ich will ihm den Staar stechen lassen; rennt er dann mit sehenden Augen in sein Unglück, nun so hat er es bei sich selbst zu verantworten. Aber warnen müssen wir ihn, denn fängt ihn die höfische Kreuzspinne in ihren Netzen, so ist er auf ewig verloren. Sey ruhig, Pupchen, und laß Dir deinen Verdruß nicht merken; er muß Dir Abbitte thun, das ist seine Schuldigkeit, und wenn er kommt, so maule ein bischen, doch nicht zu lange; sey bald wiederfreundlich und gib Dir Mühe, beim Schmollen recht interessant zu seyn. Machst Du deine Sachen gut, so kann Dir die verpaßte Quadrille mehr einbringen, als wenn Du sie getanzt hättest.

Mutter! knirschte Pupchen heimlich, und krampfte die kleine Rechte zusammen, daß in den Glanz-Handschuhen zwischen zwei Fingern alles Nächte platzten: die Aurora – schon  als Kind ist sie mir unausstehlich gewesen, könnte ich sie unterkriegen, mit beiden Füßen wollte ich die Schlange zertreten.

Ruhig, ruhig, flüsterte ihr Mama in das, vor Groll und Grimm bis zum dunkelsten Purpur geröthete Ohr, winkte ihren künftigen Eidam, den Major v. Schnüren, zu sich, und sandte ihn mit mündlichen Aufträgen auf seinen Posten.

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Дата выхода на Литрес:
06 декабря 2019
Объем:
160 стр. 1 иллюстрация
Правообладатель:
Public Domain

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