Читать книгу: «Mach's dir leicht, sonst macht's dir keiner»
Die Autorin
HEIDI WAHL ist selbstständige Trainerin und Coach. Die Bergliebhaberin ist ausgebildete REVT-Beraterin, NLP-Master, Reiss Profile Master, Diplom-Sportpädagogin, Burnout-Beraterin, systemischer Coach sowie Redakteurin und Autorin von Büchern und Zeitschriftenartikeln. Seit Jahren beschäftigt sie sich intensiv mit Resilienz, Stressbewältigung und Burnout-Prophylaxe sowie mit Themen, die sich um Wörter, Sätze und Texte drehen – gedruckt oder gesprochen. In Seminaren und interaktiven Vorträgen macht sie Mut und motiviert Menschen, das zu tun, wofür ihr Herz schlägt. Gemäß ihrer Maxime: Denken und Handeln beflügeln! www.heidiwahl.de
Heidi Wahl
© 2018 EHP – Verlag Andreas Kohlhage, Gevelsberg
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Das Gedicht von Münir Sevim auf S. 5 hat der Autor selbst aus dem türkischen Original ins Deutsche übersetzt. Die Vertonung des Gedichts ist über die Internetseite des Autors zugänglich und wird 2018 als CD erscheinen. © Münir Sevim (www.munirsevim.com)
Dieses Buch ist auch als E-Book erhältlich
Umschlagentwurf: Uwe Giese
– unter Verwendung einer Zeichnung von Christian Klefke –
Abbildungen: Christian Klefke
Satz: MarktTransparenz Uwe Giese, Berlin
Gedruckt in der EU
Alle Rechte vorbehalten
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print-ISBN 978-3-89797-105-9
epub-ISBN 978-3-89797-622-1
pdf-ISBN 978-3-89797-623-8
E-Book-Herstellung und Auslieferung:
Brockhaus Commission, Kornwestheim
SCHMETTERLINGE
Im Traume stand
in seiden Gewand
Wachen im Frühling
Kündigen Zeit zur Liebe
Sie tanzen die wahren Künste
sind stolz und verletzlich
Bunt, süß und seidig
Prinz, Prinzessin der Fauna
Sie sind Schmetterlinge
im Wirklichen sind Engel
im Rausch voller Schweben
mit dem kürzesten Leben …
Münir Sevim
Inhalt
Prolog
1. Mariposa oder Faszination Schmetterling
Trecker fahren statt Party machen
Blöde Fragen gibt es nicht!
Sackgassen beschwingt verlassen
Acht Eigenschaften von Schmetterlingen
Mimese, die Kunst der Tarnung
Metamorphose, das ›fluginsektarische‹ Wunderwerk
Erst die Ruhe, dann das schillernde Leben
Kleiner Flügelschlag, großer Effekt
Sensibel, aber dennoch hart im Nehmen
[Übung: Anderer Blick, neue Erkenntnisse
Offen bleiben, Überleben sichern
Strategen mit ausgeklügelten Sinnen
Andere Länder, andere Sitten
2. Der Traum der Raupe
Clever: Raupen lassen sich von Ameisen massieren
Lust auf Neues und Abenteuer
Alles ist möglich: Profifußballer, Popstar oder Onlineshop-Besitzerin
Beispiel: Whoopie Goldberg steht auf Mayas Schals
Wissen sammeln bringt unser Gehirn auf Trab
Seminarbesuche: Strafe oder Belohnung?
Verhalten ändern? Dann heißt es durchhalten!
Aufgepasst: Normen, Regeln und Fettnäpfchen
Bonuszahlungen verflüchtigen sich schnell
Selbstbild: Statisch oder immer in Bewegung?
Pippi Langstrumpf sieht nur halbvolle Gläser
[Übung Auf die Stärken konzentrieren
3. Mein Kokon, mein Biotop
Optimales Klima im Kokon
Irgendwann kommt er: Der Auszug aus dem Kinderzimmer
Einst überlebenswichtige Einschätzung: Freund oder Feind?
Forscherbrille aufsetzen und in fremde Kokons kriechen
Maestro-Typ: Der flexible und neugierige Macher
Kolori-Typ: Hauptsache bunt und ungewöhnlich
Lomodo-Typ: Wir machen es wie immer!
Corazon-Typ: Großes Herz mit Harmoniezentrum
[Übung Inne halten: Wie ticken Sie?
Willkommen im Club der Kokonisten
[Übung: Für Einsteiger: Beobachten und Anschauen
[Übung für Fortgeschrittene: Beobachten und beschreiben
[Übung: Die Lupentechnik: Einfach und immer anzuwenden
4. Raus aus dem Kokon, rein ins Abenteuer Leben
Nach Ruhephase beginnt Umbau zum Falter
Schubser von außen: Entscheidungsbeschleuniger
Arsch-Engel öffnen die Augen
Leben mit dem Nötigsten
Kündigung machte den Weg frei
Beispiel: Vom Formel-1-Rennwagen in den Rollstuhl
Beispiel: Wachstumsschmerz oder die Kunst des Überlebens
Ihr Lebens-EKG
[Übung: Wie sieht Ihr Lebens-EKG aus?
Freiwillig und gezielt Veränderungen anstoßen
Veränderung folgt einer typischen Kurve
Beispiel: Cynthias Angst vor dem Zahnarzt
Individuell: Tiefe und Dauer des Prozesses
Unsere inneren Antreiber geben Energie
Kleinigkeiten bringen Perfektionisten gehörig durcheinander
[Übung: Antreiber-Test
Scheitern ist menschlich
Kopf oder Zahl – Münzen helfen beim Entscheiden
Warum wir an Bewährtem festhalten
Nein, die Anderen denken nicht wie Sie!
Sprichwörter treffen den Nagel auf den Kopf
Klarheit und rosige Aussichten statt Extraschleifen
[Übung: Fünf Säulen der Identität
Das Ende der Welt oder der Anfang des Schmetterlings
5. Der Flug des Schmetterlings
Schimmernder Schmetterlingsstaub
Gehandicapt durch Sturz, aber überlebt!
Das Leben ist endlich
[Übung: Mut trainiert die Flügel
Tun Sie nur noch, was zu Ihnen passt
Beispiel: Alles ist anders!
Macken als Special Effects einsetzen
Fehlender Lebenssinn macht mürrisch und unzufrieden
[Übung: Fünf Dinge, die heute gut liefen
Lebenszufriedenheit folgt einer U-Kurve
Gutes Gefühl: Tun Sie doch, was Sie wollen!
In der Ruhe liegt die Kraft: Auszeiten für die Muße
[Übung: Selbstgemacht: Eine »Ressourcen-Dusche« für mich
Beispiel: Lomodo-Strategien: Kleine Lügen und Kontern
Menschen können sich schlechter konzentrieren als Goldfische
[Übung: »Ich mache« macht vieles leichter
Lust auf Neues und Experimente
Das hilft sicher: Mutig vorwärts gehen
Werte bringen Herzen zum Klingen
Beispiel: Steiler Aufstieg, tiefer Fall
[Übung: Was ist Ihnen wirklich wichtig?
6. Das Mariposa-Prinzip
Heute aus dem Gestern für morgen lernen
Das Mariposa-Prinzip: Eins, zwei, drei – mach dich frei!
Mut: Trauen Sie sich!
Halten Sie Ihre »Fressfeinde« auf Abstand!
Ausdauer: Dranbleiben lohnt sich!
[Übung: Durchhalten mit der fünf-Finger-Technik
Ruhe: Runterkommen und auftanken
Kraftvoll abheben
Initiative: Mehr Dopamin, mehr Glück
Perspektive: Mariposition oder Neutraler (Ein-) Blick
Hilfreich: Stellen Sie sich neben sich!
Offenheit: Bloß keine Dino-Allüren!
Sinn: Synapsenparty im Alltag
Anfangen: Es lohnt sich!
[Übung: Aller Anfang gelingt leicht mit der A-Z-Liste
7. SchlussgeDanken
8. Literatur
9. Register
Prolog
Haben Sie manchmal das Gefühl, einen Klotz am Bein zu haben? So dicke Eisenkugeln, die schon morgens das Aufstehen erschweren und einem den ganzen Tag vermiesen? Oder vielleicht fühlen Sie sich manchmal gefangen im Hamsterrad und wissen nicht, wie Sie da jemals herauskommen sollen? Zu schnell, keine Bremse, keinen Notausstieg? Dann heiße ich Sie willkommen im Club. Im Club derer, die künftig entspannter, gelassener und leichter durchs Leben kommen wollen.
Sie fragen sich jetzt bestimmt: Wie soll denn das gehen? Ich habe doch schon so viele Dinge ausprobiert, bin in Kurse gegangen, habe den Job gewechselt und mich mit Freundinnen und Partner ausgetauscht und nichts hat etwas geholfen. Immer wieder gibt es Tiefpunkte und Stolpersteine, die einem die gute Laune verhageln. Ich kann Ihnen nur empfehlen: Bleiben Sie dran, lassen Sie sich nicht entmutigen von Ihrem Vorhaben, mehr Leichtigkeit zu haben, mehr Genuss oder vielleicht mehr Zeit für sich, Ihre Lieben und Ihre Hobbies. Freuen Sie sich auf die Hochzeiten, die da noch kommen.
Klar, manchmal gibt es einfach Phasen im Leben, in denen wir unsere Entwicklung nicht pushen können, durch keine Droge dieser Welt – auch wenn wir es gerne täten. Da ist es nötig, dass wir uns, unseren Kokon, unsere Komfortzone genauer unter die Lupe nehmen und schauen, was eigentlich los ist. Praktisch eine Reise in unser Inneres starten. Und dabei prüfen, ob wir im Leben da angekommen sind und dort stehen, wo wir hinwollen. Im Laufe der Jahre gibt es immer wieder Momente des gefühlten Stillstands: keine Reaktion auf das Dutzend Bewerbungen, die man akribisch ausgearbeitet und abgeschickt hat. In der Hoffnung, den begehrten Job an Land zu ziehen. Oder der Umzug in das neue Büro verzögert sich wegen eines Wasserschadens um Monate. Man sitzt auf gepackten Kartons, null Bock, die Ordner wieder auszupacken und es sich wieder im alten Stil gemütlich zu machen. Doch dann, endlich, kommt der ersehnte Anruf! Von einem Moment auf den anderen fühlen Sie sich voller Energie, Sie machen Freudensprünge und umarmen den nächstbesten, der Ihnen über den Weg läuft. Bedienung, Kollege, Paketdienst, egal. Es geht wieder aufwärts. Ach, wie ist das Leben schön! Ganz besonders toll und fluffig ist das Leben für frisch Verliebte. Wenn Schmetterlinge im Bauch herumtollen und die Herzen höherschlagen lassen.
Schmetterlinge fand ich schon als Kind spannend. Also, ich meine richtige Schmetterlinge, Tiere eben. Und manchmal, aber wirklich ganz selten, ließ sich einer auf meinem Arm nieder. Im Garten meiner Eltern oder auf den Streuobstwiesen meiner Großeltern. Kurze Momente seltenen Glücks. Dabei hatte ich immer die Ermahnung meiner Oma im Ohr: »Keinen Schmetterling anfassen. Sonst kann er nicht mehr fliegen!« Besonders faszinierend ist es, die unterschiedlichen und wirklich eindrucksvollen Entwicklungsschritte bei Schmetterlingen zu beobachten: Erst ist da ein kleines Ei, aus dem eine Raupe wird, die sich schließlich verpuppt und in einem Kokon regungslos verharrt, ehe ein bunter Schmetterling schlüpft und von Blüte zu Blüte gleitet. Lautlos, leicht.
Stimmt das denn? Können Schmetterlinge tatsächlich nicht mehr fliegen, wenn man ihre Flügel betatscht? Ich habe das überprüft und Experten befragt: Nein, Schmetterlinge können dann immer noch fliegen, aber es ist viel mühsamer für die kleinen Insekten. Denn durch die Berührung verlieren sie Flügelschuppen, was sich beim Fliegen ungünstig auf die Strömungsverhältnisse auswirkt. Sie haben dann praktisch kleine Eisenkügelchen an ihren Beinen. Je mehr ich mich mit den Eigenschaften und Fähigkeiten von Schmetterlingen beschäftigte und je tiefer ich in die Lepidoptera-Materie einstieg, umso mehr beeindruckten sie mich und ich dachte: Wow, von denen kann man ja noch einiges lernen! Sie sind beispielsweise äußerst kreativ und offen für neue Lösungen, wenn sich die Umgebungsbedingungen ändern. Fällt kein Regen und sind alle Pfützen vertrocknet, dann löschen einige Spezialisten ihren Durst eben mit Tränenflüssigkeit anderer Tiere. Auch in Sachen Tarnung, Täuschung und Abwehr sind Schmetterlinge Ausnahmekönner. Alles nur um zu überleben.
Menschen, die gerne mal »Ja« sagen, aber »Nein« denken, ärgern sich hinterher oft grün und blau. Wenn sie es mal wieder nicht geschafft haben, die zuvor akribisch ausformulierten und zurechtgelegten Sätze wie »Nein, ich kann dieses Mal keinen Kuchen backen« oder »Heute kann ich die Präsentation nicht mehr ändern, ich muss meinen Sohn zum Fußballtraining fahren« über die Lippen zu bringen. Und dann ganz bedröppelt dastehen, mit hängenden Schultern, niedergeschlagen und sich fest vornehmen: »Beim nächsten Mal mache ich das anders! Ganz sicher!«
In den folgenden Kapiteln beantworte ich Fragen, die Sie wahrscheinlich auch brennend interessieren: Was machen Menschen, die ihr Ding machen und daher mit Leichtigkeit durchs Leben schweben, eigentlich anders? Wie kommt es, dass einige meiner Freunde gerne zur Arbeit gehen, während andere die Tage bis zur Rente zählen? Oder eine Abteilungsleiterin mir auf dem Weg zur Kantine erklärt: »Ich warte eigentlich nur darauf, dass ich Oma werde.« Es ist ihr zu anstrengend, einen anderen Job zu suchen. »In meinem Alter finde ich ja sowie nichts mehr.« Stattdessen verlässt sich Gisela darauf, dass das ersehnte Enkelkind künftig ihrem Leben wieder einen Sinn gibt und sie als Oma beim Kinderwagen-Schieben aufblüht. Diese Haltung konnte ich nicht nachvollziehen. Ich fragte Gisela irritiert: »Und was machen Sie, bis Sie Oma werden? Das kann ja noch dauern, Ihre Tochter ist doch gerade erst 22 geworden.« »Nichts. Ich mache so weiter wie jetzt.«
Dieses kurze Gespräch beschäftigte mich so sehr, dass ich mich auf die Suche machte. Nach Mechanismen und Mustern, die solche Denkweisen fördern. Aber auch nach Voraussetzungen und Faktoren, die Leichtigkeit, Spaß und Freude ins Leben bringen. Theoretisch und praktisch. Als Trainerin und Coach habe ich dazu jede Menge Gelegenheiten. Auch in meinem Leben gab es Situationen (Trennung, Jobverlust, Krankheit, Unfall), die mich ganz schön gebeutelt haben. In der akuten Phase zählt nur das Durchkommen, das Überstehen der aussichtslosen Lage. Wenn sich das Chaos etwas gelichtet hat, geht es um die Frage: Wie gewinne ich wieder die Leichtigkeit, mit der ich vorher durchs Leben gegangen bin? Und wie gestalte ich meinen weiteren Lebensweg, so dass ich jeden Tag zufrieden bin und mich abends im Bett an die kleinen angenehmen Momente erinnern kann?
In diesem Buch will ich Ihnen Zusammenhänge aufzeigen, die Sie so vielleicht noch nicht gesehen haben: Die Entwicklung der Leichtigkeit ähnelt der Metamorphose bei Schmetterlingen. Das hat die Natur ganz schön raffiniert eingefädelt, Respekt! Bei meinen Erkundigungen habe ich zudem erstaunt festgestellt, welche entscheidende Rolle unser Gehirn und die darin ablaufenden neurobiologischen Vorgänge spielen. Sie werden sich wundern, was unsere grauen Zellen so treiben, wenn wir ihnen freien Lauf lassen: Was sie einmal gelernt haben, wollen sie auf Teufel-komm-raus beibehalten. Ganz schön fiese Nummer. Die gute Nachricht: Mit Beharrlichkeit und einigen Tricks lässt sich selbst das eingefahrenste Hirn umprogrammieren. Sofern der Besitzer sich dazu entscheidet und sich nicht durch Versprechungen wie »auf dem Sofa ist es viel schöner als im Fitnessstudio« beeinflussen lässt. Das kommt Ihnen bekannt vor? Prima, dann freuen Sie sich auf die Episoden von Bekannten, Seminarteilnehmern oder Coaching-Klienten (alle Namen geändert). Wahrscheinlich stellen Sie fest: Oh, so was Ähnliches habe ich auch schon mal gedacht oder erlebt. Und vielleicht entdecken Sie wertvolle Hinweise oder Tipps für Ihre eigene Weiter-Entwicklung.
Ich gebe Ihnen mit dem MARIPOSA-Prinzip acht Schlüssel an die Hand, mit denen Sie an den verschiedenen Rädchen drehen können und mit denen Sie geschmeidiger durch Hochs und Tiefs gleiten. Einfache Methoden und alltagstaugliche Techniken helfen Ihnen, Ihre Wahrnehmung zu trainieren, damit Sie eingerostete Bremsklötze und Schrauben rasch erkennen und lösen können. Denn Sie wollen doch Ihre Energie und Ihr Know-how zielgerichtet in den Bereichen einsetzen, die Sie für sinnvoll halten, oder? Und sich öfter trauen, das zu sagen und das zu tun, was Sie für sich als richtig ansehen. Also Ihre PS auf die Straße bekommen, selbst wenn der Partner oder die Freundin eingefleischte Fahrradfahrer sind. Und aktiv Situationen angehen, vor denen Sie sich bislang gedrückt haben. Ja, genau, ich meine das zerrüttete Verhältnis mit XY, das Ihnen schon seit Wochen den Schlaf raubt und Ihnen schwer im Magen liegt. Ich kann das Gespräch nicht für Sie führen, doch ich zeige Ihnen, wie Sie sich darauf mental vorbereiten können und dann selbstbewusst zum Telefonhörer greifen und die Angelegenheit elegant aus der Welt schaffen.
Nach der Übung »Lebens-EKG« werden Sie mit anderen Augen auf die einschneidenden Erlebnisse in den vergangenen Jahren schauen und staunen, wie gut Sie vieles gemeistert haben und weiterhin meistern werden. Sie erkennen, welche Kompetenzen und Stärken in Ihnen schlummern, die manchmal, ruckzuck, von Verhaltensmustern und Denkweisen aus der Kindheit in die hinterste Ecke gedrängt werden. Sie bekommen aber auch Ideen und Vorschläge, wie Sie sich aus dieser ungünstigen Position befreien können. Ganz besonders viel Spaß beim Lesen werden Sie auf den Seiten haben, wo wir gemeinsam pädagogische Leitsprüche wie »Das macht man nicht!« oder »Nur die Harten kommen in den Garten« auseinanderpflücken. Dieses Wissen wird Ihnen helfen, souveräner und gelassener auf die Kapriolen des Lebens zu reagieren.
Vielleicht sind Sie nach der Lektüre des Buches so motiviert, dass Sie sich mutig auf die Suche nach einem passenderen Job oder nach einem befriedigenden Hobby machen. Vielleicht buchen Sie wild entschlossen die lang ersehnte Reise nach Bali? Es kann auch sein, dass Sie ganz kleine Schritte gehen und damit starten, Ihr Augenmerk auf die positiven Dinge zu lenken, auf das, was Ihnen täglich gelingt. Abends, im Bett. Ziel ist, das Denkorgan aus seiner Wohlfühlzone zu bugsieren. Ihre eigene Situation etwas besser zu verstehen und Ihnen einen Ansporn zu geben, sich von Altlasten zu befreien und Ihr Leben dadurch wieder leichter werden zu lassen. Mit Hilfe der acht Gebote des MARIPOSA-Prinzips schaffen Sie das! Das Gute daran: Sie müssen nicht bei M, beim ersten Punkt beginnen. Sie können auch beim S starten. Hauptsache, Sie fangen an!
1. Mariposa oder Faszination Schmetterling
Wer Schmetterlinge lachen hört, der weiß, wie Wolken schmecken …
(Carlo Karges)
Blut rühren war mein erster Ferienjob. Eine verantwortungsvolle Aufgabe für eine Siebenjährige. Das rotbraune Schweineblut mit beiger Schaumkrone im weißen Plastikeimer musste immer in Bewegung bleiben, damit es nicht gerann. Also rührte ich immerzu. Einmal linksherum, einmal rechtsherum. Immer abwechselnd. Meine Mutter fand das alles sehr eklig. Das Blut, der Geruch, die Borsten, die vollen Schweinedärme. Für mich war es einfach nur aufregend, ein Highlight in den Herbstferien, auf das ich mich schon wochenlang vorher gefreut habe. Mich faszinierte der ganze Ablauf der Schlachtung, die einzelnen Schritte, die fette Speckschicht unter der Haut und besonders das Innenleben der Schweine. Ich bekam große Augen beim Anblick von Herz, Hirn, Nieren, Darmschlingen und Leber. Wie unterschiedlich doch die einzelnen Organe waren! Hinsichtlich Form, Farbe, Aufbau und Struktur. Und natürlich durfte ich die Innereien auch anfassen. Natürlich erst nachdem ich Stein und Bein geschworen hatte, meine Hände vorher gründlich gewaschen zu haben. Während sich die Leber eher labberig anfühlte, war das Herz kompakt, der Darm glitschig und zart zugleich. Und niemand hat es gestört, dass ich ’zig Fragen stellte und alles genau wissen wollte. Hauptsache, ich stand nicht im Weg herum und behinderte die Erwachsenen.
Wir haben früher zuhause auf der Schwäbischen Alb bei uns im Haus, besser gesagt, in der Garage geschlachtet. Die Schweine züchteten meine Großeltern, Metzgermeister Gerhard tötete, zerlegte und verarbeitete die Tiere und danach hatten wir in der Gefriertruhe Unmengen Schnitzel, Braten und Rouladen. Leber- und Blutwürste wurden in Därme oder Dosen gefüllt. Klassische Selbstversorgung, alles biodynamisch und wahnsinnig lecker.
Als Kind war ich nicht nur beim Schlachten dabei, sondern ständig im Stall von Oma und Opa. Ich fütterte Schweine und Hühner, streichelte Katzen, Kälber und Kühe. Sie kennen das Gefühl einer rauen Kuhzunge auf der Hand? Herrlich. Wahnsinnig traurig war ich jedoch, als ich eines Morgens das sehnsüchtig erwartete, in der Nacht zuvor geborene Kalb sehen wollte: es war tot. Der Kadaver lag zugedeckt unter einer Decke in der Scheune, auf dem kalten Steinboden. Abholbereit für den Tierverwertungs-Laster. »Warum musste das Kälbchen sterben?«, fragte ich meine Oma. »Es war einfach zu schwach. Das passiert halt manchmal. Das gehört dazu zum Leben.« Ich fand das nicht gut, nahm das aber kommentarlos hin. Denn wenn das die Oma sagt, dann ist das so. Meine Oma – ich nannte sie auf gut schwäbisch »Ahna« – kannte alle Facetten von Freud und Leid im Stall.