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Heidi Dahlsen

Seelenqual mit HappyEnd

Mein Kampf gegen Krebs !!!

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Seelenqual mit HappyEnd

Interview

Eine kleine Weihnachtsgeschichte

FAZIT

MARVIN

Impressum neobooks

Seelenqual mit HappyEnd

Heidi Dahlsen

Mein Kampf gegen KREBS !!!

Seelenqual mit

HappyEnd

Impressum

©Heidi Dahlsen 2014

2. Auflage

Alle Rechte vorbehalten.

Nachdruck, auch auszugsweise, verboten.

Kein Teil dieses Werkes darf ohne schriftliche

Genehmigung der Autorin in irgendeiner Form reproduziert,

vervielfältigt oder verbreitet werden.

Kontakt e-Mail: sperlingsida@yahoo.de

eBook-Erstellung: Heidi Dahlsen

Covergestaltung: Heidi Dahlsen

Coverfoto: http://www.sandralisephotography.com/

Die Sonne strahlt am Himmel, als möchte sie sich für den langen Winter entschuldigen. Ihre wärmenden Strahlen tun meiner Seele gut, ebenso das frische Grün der Bäume und Sträucher. Die Vögel zwitschern um die Wette, als würden sie im Wettstreit stehen … endlich ist der Frühling da.

An diesem wunderschönen Tag bin ich auf dem Weg zu meiner Gynäkologin … eigentlich nur zu einem ganz normalen Kontrolltermin.

Im Wartezimmer sitzen nur zwei Frauen, sodass abzusehen ist, dass ich die Praxis bald wieder verlassen werde.

So ist es dann auch.

Beim Ultraschall ist auf dem Bildschirm zu erkennen, dass sich die Zyste, die sich seit vielen Jahren an meinem rechten Eierstock befindet, in ihrer Größe und Struktur bedenklich verändert hat. Manchmal schmerzt es an dieser Stelle, aber das liegt nur daran, dass sie sich immer mal mit Flüssigkeit füllt und dann wieder entleert. Ansonsten hatte ich nie Beschwerden.

Bisher wurde mir gesagt, dass man Zysten in Ruhe lässt, solange sie klein und unauffällig bleiben. Ansonsten sollte unverzüglich gehandelt werden, weil sie schnell bösartig wuchern können. Deshalb weist mich meine Ärztin darauf hin, mich sofort operieren zu lassen.

Aufgrund meiner psychischen Probleme bin ich jedoch gar nicht fähig, umgehend eine Entscheidung zu treffen, geschweige denn in den nächsten Tagen ins Krankenhaus zur Operation zu gehen.

Also bitte ich um etwas Aufschub, den sie mir für drei Monate gewährt. Um die Dringlichkeit zu unterstreichen, drückt mir die Sprechstundenhilfe umgehend einen Zettel mit dem nächsten Termin in die Hand.

Vor vielen Jahren bekam ich die Diagnose: manisch depressiv.

Zurückzuführen ist dies auf die Gefühlsschwankungen, denen ich, solange ich denken kann, ausgesetzt bin.

Seit meiner Kindheit fühle ich mich ständig irgendwie „komisch“.

Aber … Wer weiß schon, wie sich „normal“ anfühlt?

Meine Eltern wollten kein Kind. Das weiß ich so genau, weil mir immer wieder gesagt wurde, dass ich nur entstanden bin, weil sie zu viel Langeweile hatten.

Wäre ich ein aufgeschlossenes, draufgängerisches Kind gewesen, hätte mir das sicher nicht viel ausgemacht. Aber leider war ich schon immer sehr schüchtern und ängstlich. Meine Eltern gaben mir keinen Halt. Sie waren froh, dass ich beizeiten sehr selbstständig war und nie auf die Idee kam zu widersprechen. Sie vermittelten mir mit Nachdruck, dass ich Erwachsenen Respekt entgegenbringen muss, egal wie diese sich mir gegenüber verhalten. Deshalb stellte ich niemals etwas in Frage.

Sowie ich laufen konnte, schubsten sie mich in die Welt hinaus. Und da stand ich nun … allein … ziemlich hilflos und meistens ratlos.

Deshalb fühle ich mich heute noch, sowie ich das Haus verlasse, als würde ich mich im luftleeren Raum befinden. Alles dreht sich um mich, ich nehme die Umgebung etwas verzerrt wahr. Natürlich nagt dieser Zustand an meinem Unterbewusstsein. Ich bin traurig, weil ich es einfach nicht schaffe normal zu sein. Das kann doch eigentlich gar nicht so schwer sein, denn alle anderen Menschen wirken doch sooo normal.

„Reiß dich zusammen und hab dich nicht so!“, war die Devise meiner Mutter und das tat ich dann auch.

Täglich ging ich mit diesem Vorsatz zur Schule, zur Berufsausbildung, zum Studium und danach zur Arbeit, denn ich wollte Bestleistungen bringen und war davon überzeugt, wenn ich mich nur genug anstrenge, würde ich viel mehr schaffen. Mein größtes Ziel war es, meine Eltern endlich mal stolz auf mich sehen zu können.

In meinen guten Phasen könnte ich die Welt verändern, bin voller Energie, sehe meine Zukunft positiv. Dann mache ich am liebsten alles auf einmal und schaffe sogar etwas, worüber ich mich freuen kann. Aber wann, wenn nicht in einer positiven Phase, sollte ich überhaupt etwas schaffen. Leider verausgabe ich mich meistens und bekomme umgehend die Quittung, sodass ich total erschöpft bin.

Während meiner langjährigen Therapien habe ich erfahren, dass ich meine Kräfte einteilen muss. Da ich ständig unter nervlicher Anspannung stand, lernte ich erst einmal mich zu entspannen und ruhig durchzuatmen.

Noch heute wechselt meine Stimmung mehrmals täglich von himmelhoch-jauchzend bis zu Tode betrübt.

Ich kämpfe dagegen an, das kostet jedoch sehr viel Kraft und ist auf Dauer kaum auszuhalten. Einen Mittelweg zu finden ist unglaublich schwer. Auch mein Leben hält viel Abwechslung bereit, sodass ich eben nicht einfach im Bett bleiben kann, wenn ich mich nicht wohlfühle. Dann sind meine Nerven bald so sehr strapaziert, dass ich Katzen huschen sehe, wo keine Katzen sind oder ich habe ständig das Gefühl, dass gleich etwas Schreckliches passiert. Außerdem drückt sich dies auch in Schmerzen in den unterschiedlichsten Körperteilen aus.

Unterdessen traue ich mich schon gar nicht mehr zum Arzt, denn jedes Mal, wenn ich lang anhaltende starke Rückenschmerzen oder Kopfschmerzen habe oder mir so übel ist, dass ich nichts essen kann und mein Magen ständig rebelliert, wurde mir nach gründlicher Untersuchung gesagt, dass wirklich alles in Ordnung sei. Das ist mir auf Dauer ziemlich peinlich.

Von dem jahrelangen psychosomatischen Durchfall, sowie ich irgendeinen Termin wahrnehmen musste, will ich gar nicht erst reden.

Es war und ist zum Verrücktwerden.

Bachblüten helfen mir dabei, mich etwas besser zu fühlen, sodass ich je nach meiner negativen Stimmungslage die entsprechenden Tropfen zu mir nehme. Bevor ich das Haus verlassen muss, darf ich die Notfalltropfen auf keinen Fall vergessen, denn die unterstützen mich dabei, wichtige Termine wie Arztbesuche, Amtsgänge oder bloß mal schnell einen Friseurtermin durchzustehen, ohne die Flucht ergreifen zu wollen. Oft begleitet mich mein Mann, denn seine Anwesenheit gibt mir Sicherheit.

Meine Freizeitaktivitäten beschränken sich auf alles, was man zu Hause erledigen kann. Ich lese viel, spiele mit meiner kleinen Enkelin und schreibe seit ein paar Jahren Bücher. Einzig und allein mit dem Hund und meinem Mann durch den Wald stromern, das gibt mir Kraft. Da wir dies seit Jahren tun, fühle ich mich im Wald unterdessen schon fast wie zu Hause.

Nachdem ich meinem Mann am Abend endlich von der veränderten Zyste erzählt habe, reagiert er beunruhigt, akzeptiert jedoch meine Entscheidung, noch drei Monate abzuwarten … es bleibt ihm ja nichts weiter übrig … und unser Leben nimmt den gewohnten Lauf.

Ein paar Wochen zuvor haben wir unsere alte Hündin verloren und vermissen sie seitdem sehr. Unabhängig voneinander schauten mein Mann und ich immer mal in das Internet, welcher der vorgestellten Hündchen wohl zu uns passen würde.

Eines Abends lande ich einen Volltreffer und weiß sofort, dieser Welpe muss es sein.

„Dieser Berner Sennenwelpe sieht ja aus, als hätte er gerade getobt. Wenn wir den bekommen, wird er Toby genannt“, lege ich einfach fest.

Ich schicke dem Züchter eine e-Mail und hoffe, dass dieser Welpe noch kein liebevolles Zuhause gefunden hat, denn das wartet ja bereits bei uns auf ihn.

Am nächsten Tag erhalte ich einen Anruf, dass wir den Kleinen kennenlernen können. Total aufgeregt fahren wir zu dem Reiterhof, auf dem er geboren wurde und sind vom ersten Augenblick an begeistert. So ganz nebenbei erzählt uns der Züchter, dass auch für diesen kleinen Welpen Interessenten da waren. Sie ihn jedoch nicht wollten, weil er keine rassetypische weiße Schwanzspitze aufweist und auch nur wenig weiße Abzeichen auf dem Kopf hat. Wir können gar nicht glauben, was wir da zu hören bekommen.

Ja, leider urteilen Menschen so über ein anderes Lebewesen. Ich nehme mal an, dass die nicht dem Rassestandard eines Homo sapiens entsprachen, denn dann würden die auf die inneren Werte achten und sich nicht von Äußerlichkeiten blenden lassen.

Deren Arroganz ist unser Glück. Wir nehmen Toby mit offenen Armen in unserer Familie auf.

Zum Trost sage ich zum Züchter: „Bei uns zu Hause ist niemand perfekt, deshalb passt er zu uns. Packen Sie ihn ein, wir nehmen ihn mit.“

Das haben wir nicht bereut, denn der Kleine ist ein besonders liebenswerter Kerl.

Ab und zu kommen mir warnende Gedanken in den Sinn, die mir gar nicht gefallen: „Warte doch erst mal ab, wie sich die Zyste entwickelt. Lass dich lieber noch nicht auf einen neuen Hund ein. Was ist, wenn du doch zu geduldig bist und ein Tumor bereits wuchert? Was soll dann aus dem Welpen werden?“

Nein, das will ich nicht hören und schon gar nicht darüber nachdenken. Ich bin davon überzeugt, dass sich in den nächsten drei Monaten die Zyste ganz bestimmt in Luft auflösen und beim nächsten Ultraschall nicht mehr zu sehen sein wird.

Augen zu und durch.

Toby erfreut uns sehr. Endlich haben wir wieder einen Grund, ausgiebige Runden im Wald zu drehen. Na ja, begeistert ist er davon gar nicht.

Die hochsommerlichen Temperaturen sind für ihn fast unerträglich, sodass er den lieben langen Tag auf den Fliesen in der Küche rumliegt.

Als die Verwandtschaft voller Erwartung zu Besuch kommt und unser neues Familienmitglied bestaunen und in Action erleben will, werden sie enttäuscht. Toby verlässt seinen Platz nur zum Fressen und geht danach ein kleines Stück auf die Wiese um zu pullern. Danach gähnt er herzhaft, lässt sich auf die kühlen Fliesen fallen und schläft weiter.

Eigentlich wollte ich das Zusammensein mit diesem knuddligen Welpen genießen, aber die Hitze macht mir einen dicken Strich durch die Rechnung. Mit nichts kann ich Toby dazu bringen, sich mehr als nötig zu bewegen. Außer beim Rascheln des Futtersackes. Da gibt es für ihn kein Halten mehr. Mit leuchtenden Augen kommt er angehopst, putzt seine Schüssel leer, flitzt schnell zur Wiese, um sich zu entleeren und dann wieder … ab in die Küche.

So hatte ich mir das nicht vorgestellt. Um ihm wenigstens etwas die Umgebung seines neuen Zuhauses zu zeigen, versuchen wir ihn mit Leckerlies oder mit sanftem Ziehen an der Leine davon zu überzeugen, wenigstens in den späten Abendstunden das Grundstück zu verlassen. Meistens müssen wir ihn tragen. Sowie ein anderer Hund auftaucht, lebt er kurz auf, freut sich jedoch tierisch darauf, wenn es wieder zurück nach Hause geht.

Der Sommer vergeht und mit ihm verstreicht meine Galgenfrist. Mit einem Blick zum Kalender kann ich den dringenden Kontrolltermin bei meiner Gynäkologin einfach nicht mehr ignorieren.

Auf dem Ultraschallbild erkenne sogar ich als Laie, dass sich die Zyste weiter vergrößert hat und mit weißen Flecken überzogen ist.

Mist! Nicht einfach geplatzt und weg“, denke ich entsetzt. „Das wäre ja zu einfach gewesen. Das Ding wuchert wirklich in meinem Bauch.“

Meine Ärztin schaut mich noch eindringlicher als im Mai an und meint, dass ich auf keinen Fall mehr warten und mich umgehend operieren lassen soll. Sie füllt die Überweisung und einen Krankenschein aus und wünscht mir viel Glück.

In meinem Kopf überschlagen sich die Gedanken.

Ich rufe gleich morgen im Krankenhaus an und vereinbare einen Termin“, gebe ich mir die Marschrichtung vor und spreche mir Mut zu. „Eine Zyste wird doch unterdessen ambulant entfernt. So schlimm wird es schon nicht werden. Da muss ich eben durch. Warum habe ich so lange gewartet? Ich bin selbst schuld. Ich hätte alles schon hinter mir haben können, wenn ich gleich im Mai …“

Ach, was soll´s? Jammern hilft nichts. Deshalb nehme ich mir ganz fest vor, nun schnell zu handeln.

Am nächsten Tag schleiche ich ums Telefon, auch am darauffolgenden und an dem darauffolgenden, denn ich habe ja noch so viele wichtigere Dinge zu erledigen.

Nach zwei Wochen ist es mir selbst zu blöd und ich greife beherzt zum Hörer.

Die Stationsschwester ist nett und nennt mir einen Termin … erst mal nur zur Untersuchung.

Alle Freunde und Verwandten, denen ich davon erzähle, sagen: „Es wird schon alles gut werden. Nimm es nicht so schwer.“

Oh, wie gerne würde ich das zu jemand anderem sagen …

Okay … Schluss … es ist eben so … jetzt habe ich wirklich genug gejammert.

In der Nacht vor meinem ersten Untersuchungstermin im Krankenhaus schlafe ich wieder mal kaum und wälze mich im Bett hin und her. Als der Wecker klingelt, bekomme ich einen Schlag, als hätte mich ein wütendes Nashorn gerammt. Wahrscheinlich war ich kurz zuvor doch eingenickt.

Das Frühstück schmeckt mir nicht. Ich betäube mich mit Notfalltropfen und überstehe die Autofahrt wie in Trance.

Im Krankenhaus melde ich mich an und gehe zur Station. Dort übergebe ich einer Schwester meine Unterlagen.

Im Wartebereich ist nur noch ein Stuhl frei. Ich grüße kurz und setze mich zwischen zwei ältere Frauen. Die eine, die rechts neben mir sitzt, lächelt mich freundlich an. Als ich sie genauer betrachte, bemerke ich, dass sie eine Perücke trägt.

Kurze Zeit später wird sie von einer Schwester begrüßt und plaudert auch gleich munter drauflos: „Hoffentlich vergisst der Doktor heute nicht wieder die Spritze. Ich habe nach der letzten Chemo drei Tage gebrochen.“

Oh je“, denke ich und schnaufe durch.

Leider kann ich mich mit der Dame nicht unterhalten, weil ich in ein Sprechzimmer gebeten werde.

Eine Assistenzärztin untersucht mich und ist erstaunt, dass die Zyste bereits so groß wie eine Nektarine ist. Da ich bisher keine übermäßigen Beschwerden hatte, war mir das gar nicht bewusst. Sie holt den Chefarzt, der nun in und an mir herumtastet. Unangenehme Schmerzen verspüre ich erst bei dieser Untersuchung, weiß jedoch, dass ich kurz davor stehe, die Zyste endgültig loszuwerden, denn ich bin ja im Krankenhaus und habe auch nicht vor, den Termin abzusagen.

Der Chefarzt klärt mich auch gleich über die Operation und alle damit verbundenen Risiken auf. Der rechte Eierstock wird wohl dran glauben müssen, aber das soll erst während der OP entschieden werden. Es käme auch in Betracht, dass gleich eine Totaloperation gemacht werden muss. Ich soll mich also schon mal mit diesem Gedanken vertraut machen. Außerdem soll ich darüber nachdenken, ob bei mir eventuell noch ein Kinderwunsch besteht, denn dann müsste ich mir diesen schnell erfüllen und würde erst danach operiert werden. Das kommt jedoch überhaupt nicht in Frage. Im Alter von fünfzig Jahren ziehe ich dies gar nicht mehr in Erwägung.

Nachdem alles geklärt ist, erfahre ich, dass ich bereits am nächsten Tag operiert werden könnte, wenn ich dazu bereit bin. Ich nicke zaghaft und verdränge die tausend Angstgefühle, die mich in diesem Moment durchströmen.

Nun muss ich bloß noch auf den Anästhesisten warten, danach darf ich gehen, aber nur, wenn ich verspreche, nach 17 Uhr nichts mehr zu essen. Das tue ich nur zu gern, denn das verschafft mir ein paar Stunden in Freiheit … eine ausgiebige Runde im Wald mit meinem Mann und Toby … durchatmen und Kraft tanken.

Im Aufenthaltsraum sitzen unterdessen mehrere Frauen, einige von denen sozusagen auf gepackten Koffern.

Eine Schwester zapft mir Blut ab und übergibt mir mehrere Formulare. Um gar nicht erst Fluchtgedanken aufkommen zu lassen, konzentriere ich mich auf die Beantwortung der Fragen und lese die Infos zu den OP-Methoden. Ablenkung hat schon so manche Panikattacke abschwächen lassen.

Wahrheitsgemäß schreibe ich unter sonstige Krankheiten, dass ich manisch depressiv bin, unter Wahrnehmungs- und Angststörungen sowie Panikattacken leide. Damit will ich den Ärzten die Chance geben, meine Behandlung doch noch abzulehnen.

Ein junger Mann in weißem Kittel betritt den Raum und fragt, wer von uns nur ambulant operiert wird. Drei Frauen melden sich und er beginnt bei denen mit der Belehrung. Gelangweilt leiert der Anästhesist seinen Text herunter. Danach sind die Frauen dran, die bereits alles ausgefüllt haben. Auch bei denen bekomme ich die nochmals vorgebrachte Aufklärung, was man vor einer OP alles beachten muss, mit. Immer wieder betont er, dass man sagen soll, wenn man Schmerzen hat. Das beruhigt mich sehr. Schmerzlos lässt sich dieser Albtraum sicher gut überstehen.

Ich bin die Letzte, zu der er sich an den Tisch setzt. Sein Tonfall hat sich nicht geändert, also höre ich mir zum dritten Mal an was er zu sagen hat. Er schaut sich meine Unterlagen an und stutzt, als er bei den sonstigen Krankheiten fündig wird. Er scheint darüber erstaunt zu sein, womit er es mit mir zu tun bekommen könnte und reißt seine Augen auf.

„Was ist denn das???“, fragt er entsetzt. „Nicht, dass Sie mir morgen von der Pritsche springen und abhauen!“

Ich schaue ihn traurig an, denn auf etwas mehr Einfühlungsvermögen hatte ich gehofft und antworte: „Und wenn, dann ganz bestimmt nicht mit Absicht.“

Er zieht die Luft scharf ein und springt auf, sodass der Stuhl mit lautem Gepolter nach hinten wegfliegt.

Fluchtartig verlässt er den Raum.

„Wow“, entfährt es mir. „Hoffentlich beruhigt der sich wieder und lässt seinen Frust morgen nicht an mir aus.“

Ich schnappe meine Handtasche und mache, dass ich wegkomme.

Toby begrüßt mich, als hätte er mich mehrere Wochen nicht gesehen. Etwas wehmütig denke ich daran, dass ich ja nur bis zum Abend Aufschub bekommen habe.

Also … schnell weg mit aller Trübsal.

Ich nehme mir die Leine, verfrachte Toby und meinen Mann ins Auto und versuche, Vorfreude auf den Spaziergang aufkommen zu lassen.

Bewusst konzentriere ich mich auf die Natur, atme tief durch und werfe Stöckchen bis mir der Arm weh tut. Der Spaziergang könnte von mir aus nie enden. Ich wünsche mir so sehr, gar nicht erst am Parkplatz anzukommen. Jedoch ist mir klar, selbst wenn ich noch viel langsamer gehen würde … irgendwann bin ich leider doch am Ziel.

Ich ignoriere alle Gedanken, die mir Angst machen und Panik heraufziehen lassen wollen … so gut es eben geht.

Vor meiner Abfahrt ins Krankenhaus nehme ich noch ein Entspannungsbad und danach bleibt mir wirklich nichts anderes mehr übrig, als mich von meinem Mann hinbringen zu lassen.

Er kommt noch bis zur Station mit.

Mir wird ein Zweibettzimmer zugewiesen. Da beide Betten frei sind, darf ich mir eins aussuchen.

In der Nacht werfe ich mich im Bett hin und her, fahre mal das Kopf- und mal das Fußende nach oben und dann wieder runter, um eine bequemere Lage zu bekommen … leider erfolglos.

Die Nachtschwester schaut öfter nach mir … sicher hat der Anästhesist sie dazu beauftragt?! Sie darf mir keine Schlaftablette geben. Das wäre mir sehr recht gewesen … aber leider.

Damit ich mich nicht selbst verrückt mache, atme ich tief durch und schicke meine Gedanken nach Hause.

Mein leerer Magen macht unterdessen einen Höllenlärm, was auch nicht gerade zu einer Atmosphäre des Wohlfühlens beiträgt.

Mein größter Wunsch ist …

DURCHSCHLAFEN …

bis ich entlassen werde.

Aber nein, das Leben ist wirklich kein Wunschkonzert, denn ich darf meine Angst voll ausleben.

Irgendwann schlafe ich ein.

Der Traum ist wunderschön: Ich bin zu Hause. All meine Lieben sind bei mir. Am Abend lasse ich Wasser in die Badewanne, um meine kleine Enkelin zu baden … mit extra viel Schaum, denn den mag sie.

Sie nimmt sich reichlich davon und sagt begeistert: „Omi, das is Snee.“

Dabei lacht sie überglücklich und bläst ihn weg oder klatscht kräftig in die Hände, sodass es nur so spritzt.

Was gibt es Schöneres, als einer Anderthalbjährigen beim Baden zuzuschauen?

Bevor sie jedoch aufweicht, beschließe ich, ihrem Spaß ein Ende zu setzen. Ihre Haare sind wieder einmal nass geworden. Also hole ich den Fön … lasse die Kleine noch einen Moment in der Wanne spielen und beginne unterdessen mit der Haartrocknung. Meine Hände sind feucht und voller Seifenschaum und plötzlich rutscht mir der Fön aus der Hand … Ich versuche, ihn mit der anderen Hand aufzufangen, er bekommt jedoch nur einen Schubs und … ich sehe es kommen … er wird ins Wasser fallen.

Oh, nein!!!

Wie kam ich nur auf diese dämliche Idee?

Schweratmend und schweißgebadet erwache ich.

Meine Befürchtungen, dass meine Familie ohne mich nicht zurechtkommen wird, werden doch nicht wahr werden?!?

Mehrmals atme ich tief durch und beruhige mich etwas. Fluchtgedanken kommen auf. Ich muss aber im Krankenhaus bleiben, das ist mir klar. Denn nur wenn ich gesund bin, kann ich auch in Zukunft für meine Lieben sorgen.

Ich bete, dass die Nacht in Windeseile vorüber geht und ich die Operation endlich hinter mir habe, um mit der Genesung beginnen zu können.

Einschlafen will ich nicht noch einmal, also träume ich mich auf eine Blumenwiese. Das hat mir bisher besonders gut beim Zahnarzt geholfen und die nervliche Anspannung etwas gelöst.

Erschöpft muss ich dann doch kurz eingenickt sein, denn als sich die Tür öffnet und die Schwester nach mir schaut, schrecke ich hoch und rufe: „Geht es endlich los? Ich bin bereit!“

Sie lacht und sagt: „Nein, es ist erst vier Uhr.“

Seufzend lasse ich mich ins Kissen zurücksinken und fahre das Bett wieder hoch und runter und warte … und warte … und warte … denn es bleibt mir ja nichts anderes übrig.

Als es endlich sieben Uhr ist gehe ich duschen und werde danach für die Operation vorbereitet. Beim Anziehen der Kompressionsstrümpfe hilft mir eine Schwester, das luftige OP-Hemd kann ich allein überwerfen.

Bei der Frühvisite bitte ich den Arzt darum, meinen linken Eierstock abzuklemmen, wenn schon mal der Bauch offen ist. Denn dann müsste ich mir um Verhütung nie wieder Gedanken machen und könnte entspannter in die Wechseljahre gehen.

Die Oberärztin meint zu meiner Freude, dass sie das gleich mit erledigen würde, denn das wären nur fünf Minuten mehr Arbeit.

Nun muss ich weiter geduldig warten.

Gegen elf Uhr soll ich eigentlich dran sein, das verzögert sich jedoch wegen eines Notfalles, sodass ich erst gegen zwölf Uhr eine kleine Tablette zur Beruhigung bekomme.

Kurze Zeit später holen mich der Chefarzt und die Oberärztin persönlich ab. Dass die beiden das nicht oft tun, wird mir klar, als sie vergessen den Stecker aus der Dose zu ziehen, sodass uns die Wandverkleidung beinahe mit in den OP-Saal begleitet hätte.

Der Anästhesist hatte scheinbar seine Befürchtungen auf der Station rumerzählt und somit wurde ich ganz besonders überwacht. Das ist mir in diesem Moment jedoch egal, denn die kleine Pille tut ihre Wirkung. Leider werde ich nicht schläfrig, sondern muss kichern. So leicht, entspannt und hemmungslos habe ich mich noch nie gefühlt.

Partystimmung.

Bis zum OP-Saal würde ich am liebsten tanzen. Eins … zwei … Cha-Cha-Cha … eins … zwei … Cha-Cha-Cha … eins …

Jetzt würde ich ganz bestimmt nicht mehr abhauen, denn dieses `Ereignis´ will ich in meinem aufgeputschten Zustand nicht mehr verpassen.

„Rutschen Sie mal rüber auf den Tisch“, fordert mich die Schwester auf.

Nur verschwommen nehme ich alles um mich herum wahr und suche nun etwas beängstigt nach dem Anästhesisten. Weil alle Anwesenden vermummt sind, kann ich ihn nicht genau ausmachen, deshalb bin ich beruhigt, als eine weibliche Stimme mir ins Ohr flüstert, dass ich ganz tief einatmen soll. Sie hält mir eine Maske vor das Gesicht und ich tue, worum sie mich gebeten hat. Endlich verliere ich das Bewusstsein.

Nach ungefähr zwei Stunden komme ich wieder zu mir und spüre umgehend einen stechenden Schmerz im Bauch, der mir fast den Verstand raubt. Mein erster Gedanke ist, dass ich während der Operation erwacht bin. Sofort erfasst mich Panik und ich stöhne auf, worauf die Schwester mich fragt, was los ist.

„Ich habe höllische Schmerzen im Bauch, so als würde noch jemand darin rumschneiden.“

„Das kann nicht sein“, antwortet sie.

Da mein Gesichtsausdruck ihr jedoch etwas anderes zu vermitteln scheint, läuft sie aus dem Zimmer.

Nach ein paar Minuten ist sie wieder da und sagt: „Sie bekommen jetzt einen Tropf, in dem genug Schmerzmittel ist. Deshalb müssen Sie warten bis das wirkt. Mehr darf ich Ihnen nicht geben.“

Prima“, denke ich und Verzweiflung ergreift mich. „So viel zu der Äußerung, dass man sagen soll, wenn man Schmerzen hat. Ich wusste doch, dass ich dem Anästhesisten nicht trauen kann.“

Geduldig versuche ich alles zu ertragen, atme ruhig durch und warte auf die Wirkung des Schmerzstillers. Ich versuche mich auf meine geliebte Blumenwiese zu träumen, das gelingt mir leider nicht. Eher habe ich das Gefühl, als würde jemand mit einer Sense die herrliche Blütenpracht zerstören.

Unendliche dreißig Minuten muss ich aushalten, dann lässt der Schmerz langsam nach.

Erleichtert stellt die Schwester fest, dass ich nun schon anders gucken würde. Ich erspare mir die Vorstellung, wie sie sich wohl verhalten würde, wenn sie aus der Narkose aufwacht und der Überzeugung wäre, dass die Ärzte noch mit einem Skalpell voll in ihr beschäftigt sind.

Den Krankenhausaufenthalt durchzustehen war nicht leicht für mich, aber ich habe es geschafft.

Zwei Wochen später wird mir von meiner Frauenärztin der Befund mitgeteilt. In der Zyste wurden bösartige Zellen gefunden und eine zweite Operation ist sofort erforderlich. Bereits das Wort SOFORT lässt wieder Panik in mir aufkommen.

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ISBN:
9783742764898
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