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Hartmut Blum / Reinhard Wolters

Alte Geschichte studieren

3., überarbeitete und erweiterte Auflage

UVK Verlag · München

Dr. Hartmut Blum ist Akademischer Oberrat am Seminar für Alte Geschichte der Universität Tübingen.

Prof. Dr. Reinhard Wolters ist Vorstand des Instituts für Numismatik und Geldgeschichte der Universität Wien.

Einbandmotiv: Schulszene auf einem Grabstein des 2./3. Jahrhunderts nach Christus, der in Neumagen gefunden wurde und sich heute im Rheinischen Landesmuseum in Trier berfindet. © Rheinisches Landesmuseum Trier

3., überarbeitete und erweiterte Auflage 2021

2., überarbeitete Auflage 2011

1. Auflage 2006

© UVK Verlag 2021

– ein Unternehmen der Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG

Dischingerweg 5 • D-72070 Tübingen

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetztes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Internet: www.narr.de eMail: info@narr.de

Einbandgestaltung: Atelier Reichert, Stuttgart

utb-Nr. 2747

ISBN 978-3-8252-5281-6 (Print)

ISBN 978-3-8463-5281-6 (ePub)

Inhalt

  Vorwort

 1 Alte Geschichte in Vergangenheit und Gegenwart1.1 Was ist ,Geschichte‘?1.1.1 Begriffsbestimmung1.1.2 Periodisierungen1.2 Der Gegenstand des Fachs ,Alte Geschichte‘1.2.1 Zeit1.2.2 Raum1.3 Der ,Sinn‘ der Alten Geschichte1.3.1 Alte Geschichte als Teil der Geschichte1.3.2 Zunahme der Quellen1.3.3 Beantwortung neuer Fragestellungen1.3.4 Die Antike als das ,nächste Fremde‘1.3.5 Relative Einfachheit und Abgeschlossenheit1.3.6 Methodische Dichte1.3.7 Tendenz zur Universalgeschichte1.3.8 Ästhetischer Reiz1.4 Die Geschichte des Fachs1.4.1 Zwischen Philologie und Universalgeschichte1.4.2 Forschungsfelder1.4.3 Die Alte Geschichte in der Gegenwart

 2 Die Quellen der Alten Geschichte und ihre Hilfs- und Nachbardisziplinen2.1 Einleitung: Quellen und Quellengattungen2.1.1 Quellen und Sekundärliteratur2.1.2 Tradition und Überreste2.1.3 Schriftquellen und Geschichte2.1.4 Quellengattungen und Hilfswissenschaften2.2 Literarische Quellen – die Philologien2.2.1 Die Handschriftenüberlieferung2.2.2 Die wissenschaftliche Textkritik2.2.3 Die kritische Edition2.2.4 Literaturgattungen und Topik2.2.5 Die antike Geschichtsschreibung2.2.6 Formen der Geschichtsschreibung und Quellenkritik2.2.7 Quellenkritik und ‚Quellenforschung‘2.2.8 Die antike Biographie2.2.9 Andere Literaturgattungen: Fachschriften, Dichtung, Reden und Briefe2.2.10 Einzelstelle und gesamtes Werk2.3 Inschriften – die Epigraphik2.3.1 Gegenstand und Geschichte2.3.2 Die Geburtsstunde der großen Inschriftencorpora2.3.3 Die wichtigsten Inschriftenpublikationen heute2.3.4 Die Arbeit der Epigraphiker2.3.5 Aufnahme und Dokumentation2.3.6 Lesung und Textherstellung2.3.7 Diakritische Zeichen2.3.8 Datierungsmöglichkeiten2.3.9 Inschriftengattungen und Aussagemöglichkeiten2.3.10 Die Bedeutung von Neufunden2.4 Die Papyrologie2.4.1 Der Gegenstand des Faches2.4.2 Regionale und soziale Verbreitung2.4.3 Zeitrahmen und Repräsentativität2.4.4 Gliederung des Materials2.4.5 Aufgaben der Papyrologie2.4.6 Aufbewahrung und ,Archive‘2.4.7 Editionen und Zitierweise2.5 Münzen – die Numismatik2.5.1 Der Gegenstand der Numismatik2.5.2 Eigenschaften der Münzen2.5.3 Münzgeschichte2.5.4 Forschungsgebiete2.5.5 Bereitstellung des Materials: Zitierwerke2.6 Materielle Überreste – die Archäologie2.6.1 Archäologie als Grabungswissenschaft2.6.2 Archäologie als Bildwissenschaft2.6.3 New Archaelogy und Experimentelle Archäologie2.6.4 Archäologie und Alte Geschichte

 3 Arbeitstechniken und Darstellungsformen3.1 Einleitung: die historische Untersuchung3.1.1 Wie es eigentlich gewesen3.1.2 Fakten und (Be)deutung3.1.3 Material und Interpretation3.1.4 Die Zeitgebundenheit von Fragestellungen3.1.5 Interpretation und Wissenschaftlichkeit3.1.6 Die wissenschaftliche Methode3.2 Quellenrecherche3.2.1 Digitale Quellenrecherche3.2.2 Handbücher und Quellensammlungen3.2.3 Spezialliteratur und Lexikonartikel3.2.4 Vom Quellenbeleg zur Quelle: die Abkürzungen3.2.5 Das Auffinden von Quellenpublikationen3.3 Literaturrecherche3.3.1 Unterschiedliche Literatur …3.3.2 … und unterschiedliche Recherche3.3.3 Unsystematisches Bibliographieren: das ‚Schneeballsystem‘3.3.4 Systematisches Bibliographieren3.3.5 Digitale Literatursuche3.3.6 Rezensionen und Recherche3.4 Die Materialbewältigung3.4.1 Quellenbearbeitung3.4.2 Literaturbearbeitung3.5 Darstellungsformen3.5.1 Der mündliche Vortrag: das Referat3.5.2 Protokolle und Rezensionen3.5.3 Die schriftliche Darstellung: die wissenschaftliche Arbeit3.5.4 Bibliographische Angaben und ZitierweisenLiteratur

 4 Spezielle Zugangsweisen4.1 Die Chronologie4.1.1 Jahreszählungen4.1.2 Der Kalender4.1.3 Synchronismen und Symbole, Rundzahlen und Berechnungsformen4.1.4 Naturwissenschaftliche Methoden4.2 Die Historische Geographie4.2.1 Geographie und Historische Geographie4.2.2 Die Geographie in der Antike4.2.3 Arbeitsweise der Historischen Geographie4.3 Die Prosopographie4.3.1 Die prosopographische Arbeitsweise4.3.2 Geschichte der Prosopographie4.3.3 Prosopographische Werke4.3.4 Grenzen und Chancen der Prosopographie4.4 Die Historische Anthropologie4.4.1 Anthropologie vs. Strukturgeschichte4.4.2 Anthropologie vs. Geschichte4.4.3 Ausblick

 5 Studium und Beruf5.1 Das Studium5.1.1 Sprachliche Voraussetzungen5.1.2 Fächerkombinationen5.1.3 Struktur des Studiums und Veranstaltungsformen5.1.4 Der Stundenplan5.1.5 Das Selbststudium5.1.6 Bibliotheken und ihre Benutzung5.1.7 Prüfungen5.2 Berufsperspektiven5.2.1 Die Wissenschaft5.2.2 Das Lehramt5.2.3 Andere Berufsfelder5.2.4 Das Praktikum

  Literaturverzeichnis a) Gesamtdarstellungen b) Griechische Geschichte c) Römische Geschichte: Republik und Kaiserzeit d) Geschichte der Spätantike e) Geschichte des Alten Orients und der Rand- und Nachbarkulturen der Antiken Welt a) Allgemein b) Wirtschaft c) Gesellschaft d) Geschlechtergeschichte a) Allgemein b) Griechenland c) Rom a) Allgemein b) Griechische Religion c) Römische Religion d) Kirchengeschichte a) Philosophie b) Naturwissenschaft c) Technik a) Nachschlagewerke b) Atlanten c) Fachzeitschriften

  Glossar

  Literaturnachweise 1. Alte Geschichte in Vergangenheit und Gegenwart 2. Die Quellen der Alten Geschichte und ihre Hilfs- und Nachbardisziplinen 3. Arbeitstechniken und Darstellungsformen

  Personenregister

  Geographisches und ethnisches Register

  Sachregister

  Bildnachweis

Vorwort

Die vorliegende Einführung in das Fach Alte Geschichte ist erstmals 2006 erschienen und 2011 leicht überarbeitet neu aufgelegt worden.

Nach beinahe einem Jahrzehnt ist eine grundlegende Neubearbeitung erforderlich geworden, die ein kompaktes und gestrafftes Format erhalten hat.

Wir danken dem UVK Verlag und unserer Lektorin Uta C. Preimesser für diese Möglichkeit und hoffen, erneut ein hilfreiches Werkzeug zur Unterstützung des Studienalltags vorgelegt zu haben.

Tübingen und Wien, im Frühjahr 2021 Hartmut Blum

Reinhard Wolters

1 Alte Geschichte in Vergangenheit und Gegenwart

Überblick

Eine Wissenschaft definiert sich gemeinhin über ihren Gegenstand, über die spezifischen Fragestellungen und über ihre Methoden. Thema dieses Kapitels ist die Alte Geschichte als Wissenschaft. Als Erstes gilt es also zu fragen, mit welchem Gegenstand sich die Alte Geschichte beschäftigt. Doch macht allein schon der Versuch einer Umschreibung ihres Zuständigkeitsbereichs in Zeit und Raum schnell deutlich, dass eine derartige Umgrenzung weder eindeutig vorgenommen werden kann, noch das Ergebnis von allen geteilt würde: Der Gegenstand der Alten Geschichte ist selbst ein Produkt historischer Entwicklungen, und er wird auch in Zukunft Wandlungen unterworfen sein. Warum ist das so? AristotelesAristoteles sagt hierzu: Wer eine Sache verstehen will, muss ihren Anfang kennen. Was für viele der Ausgangspunkt für eine Beschäftigung mit der antiken Geschichte und Kultur ist, soll hier einleitend auf das Fach selbst angewandt werden: Ein selbstvergewissernder Rückblick auf die Anfänge des Fachs und seine Geschichte. Auch die Frage, warum man sich überhaupt mit der Alten Geschichte beschäftigen sollte, wurde im Laufe der Jahrhunderte unterschiedlich beantwortet.

1.1 Was ist ,Geschichte‘?
1.1.1 Begriffsbestimmung

In einem fachbezogenen Sinne kann der Begriff ,Geschichte‘ im Deutschen zum Ersten die Gesamtheit des vergangenen Geschehens, zum Zweiten die Darstellung des Geschehenen, drittens aber die wissenschaftliche Beschäftigung mit dieser Vergangenheit bezeichnen. Das vergangene Geschehen ist allumfassend, unumkehrbar und stets zunehmend: Was kurz Gegenwart ist, zählt schon im nächsten Moment zur Vergangenheit. Angesichts der schier überwältigenden Menge von globalen, regionalen, lokalen und individuellen Ereignissen im selben Moment, von Sprache und Handlungen, Bildern und Gedanken, kann sich die Darstellung des Vergangenen zwangsläufig immer nur auf einen sehr kleinen Ausschnitt beschränken. Die Auswahl wird so zum unterscheidenden Kriterium von der ersten zur zweiten Bedeutungsebene. Abhängig ist diese Auswahl vom Erkenntnisinteresse des sich der Geschichte zuwendenden Forschenden, doch ebenso von den Quellen, die als Informationsträger über diese Vergangenheit zur Verfügung stehen. Das Unterscheidungsmerkmal zwischen der zweiten und der dritten Bedeutungsebene ist schließlich die METHODEMethode. Es ist vor allem dies, was ein Studium des Fachs Geschichte an der Universität vermitteln soll: die überprüfbare, festgelegten Regeln und Standards folgende kritische Herangehensweise zur Wiedergewinnung bestimmter Aspekte des vergangenen Geschehens (Was dieses für eine historische Untersuchung bedeutet, wird eingehender in → Kap.3.1 entwickelt).

In Abgrenzung zur Naturgeschichte konzentriert sich das Fach Geschichte auf all das, was sich auf den Menschen bezieht. Die Entwicklung des Weltalls oder der Erdformationen, Veränderungen des Klimas oder die Evolution von Pflanzen- und Tierwelt sind nicht ihr Thema. Wenn solche Umwelt- oder Klimaentwicklungen aber den Menschen betreffen, von ihm verursacht wurden oder reflektiert werden, so sind sie selbstverständlich Bestandteil des Fachs Geschichte.

1.1.2 Periodisierungen

Die Alte Geschichte ist innerhalb des Fachs Geschichte ein Teilbereich, der sich mit einer definierten Epoche beschäftigt. Deren Abgrenzung innerhalb eines Kontinuums von Ereignissen ist ebenfalls ein Teil des historischen Geschehens. Sie lässt sich bis Francesco PetrarcaPetrarca, Francesco (1304–1374) zurückverfolgen und hat ihre Grundlagen in der RENAISSANCERenaissance und ihrer nordeuropäischen Variante, dem HUMANISMUSHumanismus. Damals kam bei den europäischen Gelehrten eine intensive Zuwendung zur Antike auf, die man als dem eigenen Lebensgefühl und der eigenen Gegenwart sehr nahe empfand. Zwischen dem Ende der Antike und eigener Gegenwart schien hingegen eine sehr fremde Zeit zu stehen, für die man bald die Bezeichnung media aetas oder medium aevium (= MittelalterMittelalter) nutzte. Die damit vorgenommene PeriodisierungPeriodisierung half, ein ,düsteres‘ Mittelalter aus dem Geschehensablauf zu isolieren. Spätestens im 17.Jahrhundert hatte sich die Differenzierung von Altertum – Mittelalter – NeuzeitNeuzeit gefestigt.

Abb. 1

Periodenschema der Alten Geschichte

Obwohl es sich also letztlich um eine Idee, nicht um eine Tatsache handelt, hat sich diese Dreiteilung bis heute durchgesetzt. An den meisten Universitäten liegt sie den Studienplänen zugrunde. Innerhalb des Schemas entwickelten sich Binnendifferenzierungen wie Früh-, Hoch- und Spätmittelalter; die ‚NeuzeitNeuzeit‘ wurde mit fortlaufenden Unterteilungen in eine Frühe Neuzeit, in Neuere und Neueste Geschichte bzw. Zeitgeschichte ausdifferenziert und fortgeschrieben. In der Alten Geschichte sind die grundlegenden Unterteilungen die ‚Griechische‘, die ‚Hellenistische‘ und die ‚Römische Periode‘. Aus der Kunstgeschichte entlehnt sind für die Griechische Geschichte die weitere Unterteilung in eine ARCHAISCHE und eine KLASSISCHE Zeit. Die Binnenperiodisierung der Römischen Geschichte orientiert sich hingegen am Verfassungswandel und unterscheidet die Jahrhunderte der ‚Römischen Republik‘ von der ‚Kaiserzeit‘. Mit dem Begriff ‚SpätantikeSpätantike‘ wird dann die Zeit ab dem Ende des 3. Jahrhunderts noch einmal separat angesprochen. Die Epocheneinteilung hilft bei der gegenseitigen Verständigung und zieht sich als Orientierungsrahmen durch die gesamte Fachliteratur.

Außerhalb des Dreierschemas, als noch vor der Antike liegender Teil jener auf den Menschen Bezug nehmenden Geschichte, steht die PrähistoriePrähistorie: Da die Wiederentdeckung der Geschichte des Altertums vor allem durch das Medium der klassischen Texte erfolgte, wurde die Zeit ohne eigene schriftliche Überlieferung konsequent zur ‚Vorgeschichte‘ (→ Kap. 2.1.3).

Die Einteilung der Epochen legitimiert sich durch politisch-kulturelle Gemeinsamkeiten in ihnen, sie ist aber auch von den jeweils zur Verfügung stehenden Quellengruppen und den je spezifischen Voraussetzungen und Methoden zu ihrer Auswertung bestimmt. Nur exemplarisch sei auf sprachliche Voraussetzungen, die unterschiedliche Beschaffenheit und Relevanz der materiellen Quellen oder auf kultur- und zeitgebundene Bildtraditionen verwiesen. Die Ausbildung von Spezialisten für die Erforschung der Alten, Mittelalterlichen und Neueren Geschichte ist grundlegend akzeptiert und in gewissem Rahmen von der Sache geboten. Die Kehrseite einer solchen Konzentration auf einen bestimmten Zeitabschnitt ist allerdings, dass epochenübergreifende Kontinuitäten weniger leicht in den Blick fallen. Gleiches gilt im Hinblick auf die bevorzugte Beschäftigung mit der Geschichte eines bestimmten Raumes, etwa des OKZIDENTS oder des ORIENTS, bzw. eines hauptsächlichen Studiums der Geschichte der alten oder der neuen Welt: Gegen alle arbeitsökonomisch sinnvollen Differenzierungen ist jeder aufgefordert, seinen Themenkreis immer wieder in die übergreifenden Zusammenhänge zurückzuführen und ihn inhaltlich und methodisch als Teil der einen Geschichte zu bewahren.

1.2 Der Gegenstand des Fachs ,Alte Geschichte‘

Gegenstand des Fachs Alte Geschichte, wie es an Universitäten des deutschen Sprachraums in der Regel vermittelt wird, ist die griechisch-römische Zivilisation der Mittelmeerwelt. Erscheint der Inhalt des Fachs somit zeitlich und räumlich klar umrissen, so treten bei einer Betrachtung der Ränder Kontinuitäten und Verbindungslinien hervor: Sie verdeutlichen abermals, dass die Abgrenzung einer Alten Geschichte ein Akt der Konvention ist, der sich wissenschaftsgeschichtlich begründet und heutzutage vorrangig pragmatischen Gesichtspunkten folgt.

1.2.1 ZeitZeit

Die zeitlichen Grenzen werden einerseits gezogen mit dem Beginn der ‚historischen ZeitZeit‘, also dem Einsetzen schriftlicher Quellen, andererseits durch den Übergang zum MittelalterMittelalter. Nach der Adaption des phönikischen Alphabets durch die Griechen im 8.Jahrhundert v. Chr. verbreitete sich die griechische Schrift äußerst schnell. Es war dies die Phase eines allgemeinen Erwachens, mit denen die auf das Ende der Bronzezeit folgenden DUNKLEN JAHRHUNDERTE von ca. 1200–800v. Chr. ihr Ende fanden: Im östlichen Mittelmeerraum entstanden an verschiedenen Orten wieder größere Siedlungen, und es entwickelten sich übergeordnete politische Organisationsformen. Architektur und Kunst, DichtungDichtung und Philosophie oder bald auch die Geschichtsschreibung veränderten Umwelt, Gesellschaft und Lebensweise. Eine besondere Wirksamkeit entfalteten die Innovationen nicht zuletzt dadurch, dass sie im Zuge der Großen Griechischen KolonisationKolonisation auch in den westlichen Mittelmeerraum und bis ins Schwarzmeergebiet verbreitet wurden.

Info: Probleme der PeriodisierungPeriodisierung

Die Beschränkung auf die griechisch-römische Kultur hat wichtige Konsequenzen, sie klammert nämlich die altorientalische und auch die altägyptische Geschichte (ab etwa 3000 v. Chr.) aus. Früher hielt man dies für sachlich gerechtfertigt, da man zwischen der orientalischen Welt und der Wiege abendländischer Kultur fundamentale Unterschiede zu erkennen glaubte. Doch diese für sicher gehaltene Abgrenzung ist im Verlauf intensiver Forschungen mehr und mehr ins Rutschen gekommen: Heute erkennen wir immer deutlicher, wie viel vor allem die frühe griechische Welt ihren ostmediterranen Nachbarn verdankte; dementsprechend ist verschiedentlich gefordert worden, den Alten OrientOrient in die Alte Geschichte mit einzubeziehen.

Die vor den ‚Dunklen Jahrhunderten‘ liegende Minoische und Mykenische KulturMykenische Kultur des 3. bis 1. Jahrtausends v. Chr. – von der Insel Kreta und dem griechischen Festland geprägte Hochkulturen – werden gelegentlich von der Alten Geschichte mitbehandelt. Kontinuitäten im Raum, aber auch die SchriftlichkeitSchriftlichkeit dieser Kulturen und selbst eine sprachliche Verwandtschaft der Textzeugnisse zum späteren Griechischen können dies legitimieren. Doch auf der anderen Seite sind die aus der mykenischen Zeit (ab ca. 1600 v. Chr.) erhaltenen so genannten Linear B-TäfelchenLinear B-Täfelchen in Bezug auf ihren Inhalt nicht mit der späteren griechischen Literatur vergleichbar; die älteren Linear A-TäfelchenLinear A-Täfelchen sind überhaupt noch nicht gelesen: Im Kern handelt es sich bei ihnen um spröde Verwaltungslisten. Entsprechend basiert das Wissen über diese Kulturen zum überwiegenden Teil auf den von den Archäologen gemachten Funden und ihren Deutungen, nicht auf Schriftquellen. An großen Universitäten mit umfassender altertumswissenschaftlicher Ausrichtung ist erkennbar, wie sich die ,Mykenologie‘ oder ,Ägäische Frühzeit‘ als eigenes Fach etabliert.

Für die zeitliche Abgrenzung der Alten Geschichte zum MittelalterMittelalter gibt es mehrere Vorschläge. Auf der Suche nach einem ,epochalen‘ Datum werden etwa das Konzil von NicaeaKonzil von Nicaea 325 n. Chr. genannt, der Sieg der WestgotenWestgoten bei AdrianopelAdrianopel 378 n. Chr., die Absetzung des Romulus Augustulus durch OdoakerOdoaker in Westrom 476 n. Chr. oder die Eroberung Italiens durch die LangobardenLangobarden 568 n. Chr. Doch auch der Einbruch der AraberAraber Mitte des 7. Jahrhunderts n. Chr. oder die Kaiserkrönung Karls des Großen Weihnachten 800 n. Chr. sind im Verlauf der Forschungsgeschichte als Epochengrenzen zum Mittelalter diskutiert worden.

Derartige Periodisierungen werden als Ordnungsvorschläge von außen an ein Geschehen herangetragen, was die Vielfalt der Antworten erklärt. Sie verdichten die Komplexität historischer Veränderungen und stellen einen als besonders relevant angesehenen Aspekt in den Vordergrund. Je nachdem, was man als wesentlich für die Antike ansieht, wird man auch ihr Ende datieren: Die oben genannten Einschnitte orientieren sich etwa am Aufstieg des Christentums, der Völkerwanderung, der DISKONTINUITÄTDiskontinuität der Herrschaftsträger, territorialen Veränderungen oder – mit stärkerem Blick auf die Aufbrechung der Einheit des Mittelmeerraums, die in der griechisch-römischen Antike dominierend war – an der Ausbreitung des IslamIslam bzw. Erneuerung des Kaisertums im kontinentalen Westen. Selbst unter der verengten Perspektive eines bestimmten Ereignisstrangs wird dabei immer nur ein Geschehen punktuell herausgegriffen, das beispielhaft für umfassende Veränderungen in Politik und Staat, Wirtschaft und Gesellschaft, Religion und Wissenschaften, in Denktraditionen und Ausdrucksformen steht. Es ist evident, dass sich trotz deutlicher qualitativer Unterschiede zwischen einem ,Davor‘ und ,Danach‘ kaum alle Veränderungen in sämtlichen Teilen des Geschehens auf einen Schlag ereignet haben können. Charakteristisch sind vielmehr unterschiedliche Wechselwirkungen und zeitliche Verschiebungen. Hermann AubinAubin, Hermann (1885–1969) sprach deshalb von einem „breiten Streifen allmählicher Veränderungen“. Im Universitätsalltag gibt man sich in Kenntnis dieser Gemengelage zumeist pragmatisch: Im Zweifelsfall zieht das Jahr ,500 n. Chr.‘ die Linie zwischen Alter und Mittelalterlicher Geschichte. Der Bezug auf eine Rundzahl verdeutlicht in sehr anschaulicher Weise, dass es sich bei dieser Fixierung einer Epochengrenze nur um eine Hilfskonstruktion handelt.

2 031,23 ₽
Возрастное ограничение:
0+
Объем:
428 стр. 47 иллюстраций
ISBN:
9783846352816
Издатель:
Правообладатель:
Bookwire
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epub, fb2, fb3, ios.epub, mobi, pdf, txt, zip

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