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b) „Creation Science“ und „Intelligent Design“

Die Renaissance des Kreationismus begann nach dem Ersten Weltkrieg in den USA. Seit 1921 treten dort Kreationisten militant gegen die Evolutionstheorie auf und fordern ein Verbot der Evolutionslehre in den Schulen. In einigen Staaten wurden solche Anti-Evolutionsgesetze tatsächlich erlassen (Oklahoma 1923, Tennessee 1925, Mississippi 1926, Arkansas 1928), und in der Folgezeit nahm die Zahl der offiziell genehmigten Schulbücher zu, in denen die Evolutionstheorie nicht erwähnt oder abgelehnt wurde.

Dann aber führte der Schock des Sputnik-Erfolgs der UdSSR von 1957 in der Öffentlichkeit der USA zu einer Änderung der antiwissenschaftlichen Haltung und in intellektuellen Kreisen zu gesteigerter Antipathie gegen den Kreationismus. 1968 erklärte der Supreme Court in einem Prozess gegen das Anti-Evolutionsgesetz von Arkansas (unter Bezug auf die Verfassung der USA, welche die strikte Trennung von Staat und Kirche garantiert) religiöse Lehrinhalte im schulischen Biologieunterricht für verfassungswidrig. Seitdem entwickeln die Kreationisten eine neue Strategie: Sie betonen nun das Unzureichende evolutionärer Erklärungen und beanspruchen für ihre alternative Auffassung, die sie jetzt creation science (Schöpfungswissenschaft) nennen, eine gleichberechtigte wissenschaftliche Position sowie Gleichbehandlung in Stundenplan und Lehrbüchern. Angeregt vom 1972 gegründeten einflussreichen Institute for Creation Research wurden in 27 Bundesstaaten entsprechende Gesetzesentwürfe eingebracht, in zwei Staaten (Arkansas und Louisiana) erlangten sie sogar Gesetzeskraft, wurden aber 1982 und 1987 in Gerichtsverfahren wieder wegen Unterlaufens der Trennung von Staat und Kirche für Unrecht erklärt.

Diese juristischen Niederlagen führten zu einem erneuten Strategiewechsel seitens der Kreationisten. Seit etwa 1992 vertreten sie die Lehre vom Intelligent Design (abgekürzt: ID): Man könne in der Natur mit empirisch-naturwissenschaftlichen Mitteln Signale von Design (Absicht, Plan) feststellen, welche dazu zwingen, einen Designer (Planer) anzunehmen. Wohlgemerkt: Der springende Punkt dieser Lehre ist, die Naturwissenschaft selbst müsse einen intelligenten Designer annehmen. Die Lebewesen seien bis in ihre molekularen Bestandteile hinein irreduzibel komplex und könnten nicht per Zufall entstanden sein; die Entstehung unseres Kosmos und der Vielfalt der Arten könne nicht durch einen ungerichteten Evolutionsprozess, sondern nur durch eine intelligente Ursache erklärt werden.

Der amerikanische Biochemiker und ID-Vertreter Michael Behe bringt etwa das Beispiel einer Mausefalle, bei der keiner der fünf Teile (Holzbrett, Feder, Haltebügel, Schlagbügel, Köderhalter) fehlen dürfe, damit sie ihren Zweck erfüllt, eine stufenweise Entwicklung zur funktionsfähigen Falle sei damit ausgeschlossen. Entsprechend erfülle auch die wie ein Propeller rotierende Bakteriengeißel, mit der das Bakterium sich fortbewegen kann und deren Motor – für ein so primitives Lebewesen – ganz erstaunlich komplex (und raffiniert konstruiert) ist, ihren Zweck nur in der kompletten Zusammenstellung all ihrer Teile, sie könne darum nicht stufenweise entstanden, sondern müsse das Ergebnis einer intelligenten Planung sein (Behe 1996).3

„Where there is design, there must be a designer“: So wird mit dem alten Design-Argument etwa des englischen Physikotheologen William Paley (1745 – 1805) gesagt. Paley brachte in seinem Buch Natural Theology (1802), zu Darwins Studienzeit Pflichtlektüre, das berühmte Beispiel: Wenn man am Strand eine Uhr liegen sehe, müsse man zwangsläufig auf die Existenz eines Uhrmachers schließen (eine Uhr sei zu komplex, um durch Zufall entstanden zu sein); entsprechend ließen die äußerst komplex koordinierten Strukturen von Lebewesen auf die Existenz eines planvoll vorgehenden Schöpfer-Gottes schließen.

So weit gehen die heutigen Vertreter der Intelligent-Design-Theorie freilich nicht. Sie schließen nur auf einen intelligenten Designer (Planer, Entwerfer), „Gott“ wird nicht erwähnt. Auch der Bezug zur Bibel wird vordergründig aufgegeben; bibelbezogene Gedankengänge treten in den Hintergrund, ohne aber die Funktion als Leitideen zu verlieren.

Die ID-Theoretiker betonen, dass sie die Evolutionstheorie aus naturwissenschaftlichen Gründen kritisieren. Es gebe Phänomene in der Natur, die sich nicht mit Verweis auf zufällige, ungerichtete Mutationen und natürliche Selektion erklären lassen. Charles Darwin hatte ja selbst im sechsten Kapitel („Schwierigkeiten der Theorie“) seines Werkes On the Origin of Species formuliert: „Wenn gezeigt werden könnte, dass irgendein komplexes (zusammengesetztes) Organ existiert, das auf keine Weise durch zahlreiche, aufeinander folgende geringfügige Modifizierungen entstanden sein kann, dann würde meine Theorie ganz und gar zusammenbrechen. Ich vermag jedoch keinen solchen Fall aufzufinden.“ (Darwin 1859/2008, 224)

Die ID-Theoretiker wollen den empirischen Gegenbeweis antreten. So versuchen sie Schwachstellen des Darwinismus aufzuspüren und kritisieren gängige evolutionsbiologische Erklärungen komplexer organismischer Phänomene. Dabei gehen sie mit folgender Strategie vor: 1. Nachweis hoch komplexer Zweckmäßigkeit in Zellen, Organen oder Organismen (sign detecting); 2. Ausschluss aller in Frage kommenden bekannten Ursachen wie Zufall, stufenweise Entstehung usw. (argumentum ad ignorantiam); 3. Weil zweckmäßiges Design immer einen Designer/Hersteller voraussetzt, muss es einen solchen auch in der Natur geben (Analogieschluss vom Artefakt auf die Natur).

Aber ist dieser Analogieschluss zwingend? Er nimmt ja den fundamentalen Unterschied zwischen Technik und Natur nicht ernst. Kunstdinge nämlich können sich nicht selbst zweckmäßig gestalten, sie erfordern immer einen Hersteller, Naturdinge aber haben die Fähigkeit, sich selbst zweckmäßig zu gestalten. Wie das zu denken ist, wäre philosophisch weiter zu klären (s. u. V. 2. c).

c) Kreationismus im deutschen Sprachraum

Im Vergleich zu den USA hat der christliche Fundamentalismus in Deutschland nur wenige Anhänger, was sich nicht zuletzt der beinahe flächendeckenden Präsenz eines problemorientierten und reflexionsfreundlichen Religionsunterrichts verdankt, der den Schülern zu einem selbstständigen Umgang mit der eigenen religiösen Tradition sowie zur Kenntnis anderer Religionen und Weltanschauungen verhilft.

1) Kreationistisches Gedankengut gewinnt in evangelikal-biblizistischen Kreisen Einfluss, seit 1979 die Studiengemeinschaft Wort und Wissen e. V. gegründet wurde, ein durch Spenden finanziertes „Glaubenswerk“, dessen Mitglieder meist Junge-Erde-Kreationisten sind und das zahlreiche Materialien für Schüler herausgibt. Zu diesen gehört auch das als Schulbuch für die gymnasiale Oberstufe gedachte evolutionskritische Buch von Reinhard Junker (Geschäftsführer dieser Studiengemeinschaft) und Siegfried Scherer (Ernährungswissenschaftler an der TU München) „Evolution. Ein kritisches Lehrbuch“ (Gießen 1998, 62006), das ID-Argumente bietet, das jedoch in keinem Bundesland für die Verwendung an Schulen zugelassen ist.

Interessanterweise hat Scherer sich jüngst im Internet zurückhaltender geäußert: Er halte die ID-Theorie nicht für eine wissenschaftliche Theorie, sondern für eine Motivation zu weiterer naturwissenschaftlicher Forschung, da Kernprobleme der Evolutionstheorie bisher nicht gelöst seien. Da scheint sich etwas zu bewegen.

2) Im katholischen Raum konnten kreationistische Gedanken bislang kaum Fuß fassen. Doch haben Äußerungen des Wiener Kardinals Christoph Schönborn in einem Zeitungsartikel „Finding Design in Nature“ in der New York Times vom 7. Juli 2005 (sowie in anschließenden Interviews) großes Aufsehen erregt und zugleich erheblich irritiert, weil er sich dabei auf die Seite der ID-Vertreter begab und dabei auch noch so tat, als spreche er für „die katholische Kirche“. Auch wenn Schönborn in weiten Kreisen der katholischen Kirche Protest und Ablehnung erfuhr, war die Wirkung dieses Artikels für das Ansehen der katholischen Kirche in den Augen vieler Naturwissenschaftler verheerend. Anstoß erregen und Widerspruch erfahren muss zumal die folgende Behauptung Schönborns:

„Die Evolution im Sinn einer gemeinsamen Abstammung (aller Lebewesen) kann wahr sein, aber die Evolution im neodarwinistischen Sinn – ein zielloser, ungeplanter Vorgang zufälliger Veränderung und natürlicher Selektion – ist es nicht. Jedes Denksystem, das die überwältigende Evidenz für einen Plan in der Biologie leugnet oder wegzuerklären versucht, ist Ideologie, nicht Wissenschaft.“

Hier muss man zurückfragen: Wie kann die Kirche bzw. irgendein hoher Kirchenbeamter darüber befinden, ob eine naturwissenschaftliche Theorie „wahr“ (besser: richtig) oder falsch ist? Die Frage der Richtigkeit und Geltung der Evolutionstheorie kann doch nur im rationalen Diskurs mit Argumenten der Vernunft entschieden werden, nicht aber autoritativ durch einen kirchlichen Würdenträger. Und ob es „in der Biologie eine überwältigende Evidenz für einen Plan“ geben kann, ist in höchstem Maße fraglich.

Mittlerweile hat Kardinal Schönborn seine Vorstellungen über „Ziel oder Zufall?“ ausführlicher dargelegt (Schönborn 2007; Schönborn 2008). Dabei zeigt er sich nicht nur über den Stand der evolutionsbiologischen Erkenntnisse schlecht informiert, sondern erliegt auch Kurzschlüssen wie dem, die Evolutionstheorie sei eine besonders angreifbare und zweifelhafte Theorie. Darauf werden wir (in I. 3 und in V. 2. c) zurückkommen. Eine wichtige Frage wird sein, ob ungerichteter Zufall und Zielgerichtetheit sich ausschließende Alternativen sein müssen („Ziel oder Zufall“) oder ob sie auch ineinander liegen und zusammenspielen können (Zielgerichtetheit in Zufallsereignissen).

Anders als Schönborn (in seinem Zeitungsartikel) hat übrigens dessen Lehrer Joseph Ratzinger schon 1969 das ureigene Recht der Naturwissenschaft und ihres methodischen Naturalismus anerkannt. Er hat geschrieben, „dass die Fragestellung des Evolutionsgedankens enger ist als diejenige des Schöpfungsglaubens. Keinesfalls kann also die Evolutionslehre den Schöpfungsglauben in sich einbauen. In diesem Sinn kann sie mit Recht die Idee der Schöpfung als für sich unbrauchbar bezeichnen: innerhalb des positiven Materials, auf dessen Bearbeitung sie von ihrer Methode her festgelegt ist, kann er (gemeint ist: der Schöpfungsgedanke) nicht vorkommen. Gleichzeitig muss sie die Frage offen lassen, ob nicht die weitere Problemstellung des Glaubens an sich berechtigt und möglich sei. Sie kann diese von einem bestimmten Wissenschaftsbegriff her allenfalls als außerwissenschaftlich ansehen, darf aber kein grundsätzliches Frageverbot erlassen, dass etwa der Mensch sich nicht der Frage des Seins als solchem zuwenden dürfe. Im Gegenteil: Solche Letztfragen werden für den Menschen, der selbst im Angesicht des Letzten existiert und nicht auf das wissenschaftlich Belegbare reduziert werden kann, immer unerlässlich sein.“ Und Ratzinger hat dann hinzugefügt, dass „der Schöpfungsgedanke als das Weitere seinerseits in seinem Raum den Evolutionsgedanken annehmen“ kann (Ratzinger 1969, 235 f).

2. Zur Antwort von Evolutionsbiologen und zur Offensive atheistischer Fanatiker

Der erwähnte Territorial-Anspruch der Kreationisten auf eine alternative und die allein richtige naturwissenschaftliche Naturerklärung empört und provoziert Naturwissenschaftler mit Recht. Zumal unter Biologen hat sich erheblicher, zum Teil erregter Widerstand formiert.

a) Sachliche Klarstellungen durch Evolutionsbiologen

Sachliche Klarstellungen zur Unwissenschaftlichkeit des Kreationismus stammen von bekannten Altmeistern der Evolutionstheorie: von Ernst Mayr († 2008), der übrigens sein Leben lang mit einem strahlenden Lächeln und in völliger Zufriedenheit seinen Zuhörern verkündete, dass sie nichts als ein Zufall seien; von Stephen Jay Gould († 2002), der, obwohl selbst Atheist, das darwinistische Evolutionsmodell so verstand, dass es sowohl mit Atheismus als auch mit religiösen Überzeugungen vereinbar ist (Gould 1992; Gould 2002). Und der dritte große Altmeister, mit Ernst Mayr zusammen Begründer der Synthese von Evolutionstheorie und Genetik, Theodosius Dobzhansky, hat schon 1973 in seinem bemerkenswerten Beitrag „Nothing in Biology Makes Sense Except in the Light of Evolution“ geschrieben: „Es ist falsch, wenn man Schöpfung und Evolution als sich gegenseitig ausschließende Alternativen versteht.“ Dobzhansky hat den Kreationisten ihre Selbstbezeichnung streitig gemacht und erklärt: „Ich bin Kreationist und Evolutionist. Die Evolution ist die Methode Gottes, oder der Natur, zur Schöpfung. Kreation ist kein Ereignis, das sich 4004 v. Chr. abgespielt hat. Es ist ein Prozess, der vor gut 10 Milliarden Jahren begann und immer noch fortdauert.“ (Dobzhansky 1973, 127)

In Deutschland tut sich in der Aufklärungsarbeit besonders die 2002 gegründete „Arbeitsgemeinschaft Evolutionsbiologie im Verband Biologie, Biowissenschaften & Biomedizin“ hervor. Ihrer Homepage zufolge will sie in Veröffentlichungen und Informationsmaterial „klar gegen evolutionskritische Lehren Position beziehen“ und Argumentationshilfen anbieten, „weshalb Schöpfungslehren keine wissenschaftlichen Alternativen zur Evolutionstheorie sein können“. Dagegen ist aus der Sicht eines vernünftigen christlichen Schöpfungsglaubens nichts einzuwenden.

b) Die Offensive szientistisch-naturalistischer Fundamentalisten

Vereinzelte lautstarke Biologen, die in der Öffentlichkeit wahrgenommen werden, wie Richard Dawkins oder Ulrich Kutschera, gehen indes so weit, dass sie einem (letztlich wissenschaftsfeindlichen) religiösen Fundamentalismus einen (religionsfeindlichen) szientistischnaturalistischen Fundamentalismus entgegensetzen, der selbst Züge eines dogmatisch fixierten und unreflektierten Glaubens hat. Sie treten aggressiv auf mit dem Anspruch, man müsse Atheist sein, wenn man die Evolution und die Biologie ernst nehme (wobei nachzufragen ist, wie sie sich den Gott denken, den sie ablehnen; in der Karikatur, die sie zeichnen, würde kein einigermaßen gebildeter Christ Gott und den Schöpfungsglauben erkennen).

1) Der als Biologe und Genetiker anerkannte Richard Dawkins hatte sich schon in seinem Buch Das egoistische Gen bei seiner soziobiologischen Erklärung von Moral in Widersprüche verwickelt, indem er den Menschen als genetisch vollständig determiniert ausgab, ihn dann aber aufforderte, er solle die erkannten Pläne seiner egoistischen Gene „durchkreuzen“ oder „transzendieren“ (Dawkins 1978, 3), was ja doch ein gewisses Maß an Entscheidungsfreiheit und Wertmaßstäbe voraussetzt; das Gute (wenn sich etwa ein Mensch für fremde Menschen oder für andere Lebewesen einsetzt und dabei eigenen Schaden oder gar sein Leben riskiert, obwohl er oder seine „egoistischen Gene“ davon nichts haben und er auch kein Masochist ist) lässt sich rein soziobiologisch oder sonstwie naturalistisch nicht erklären (Knapp 1989; Heinrich 2001; Heinrich 2007). Sein weiteres bekanntes Buch Der blinde Uhrmacher (= die Evolution) (1987), in dem er mit Recht den Uhrmacher- und Lückenbüßergott demontierte, hatte Dawkins dann mit der reichlich naiven Bemerkung begonnen: „Dieses Buch ist in der Überzeugung geschrieben, dass unsere eigene Existenz früher einmal das größte aller Rätsel war, heute aber kein Geheimnis mehr darstellt, da das Rätsel gelöst ist.“ Dawkins erliegt hier schlicht dem genetic error, d. h. dem Irrtum, dass etwas in seinem Wesen (oder Geheimnis oder „Rätsel“, wie Dawkins sagt) erklärt und verstanden ist, wenn seine Genese, sein Entstehungszusammenhang erkannt wäre. Aber weiß man denn wirklich, was etwas ist, wenn man weiß, wie es zustande gekommen ist? Ist es nicht eher so, dass, je mehr und je gründlicher man von möglichst vielen Seiten über Leben, Mensch, Wirklichkeit nachdenkt, sie umso rätselhafter werden?

Dawkins’ jüngstes Buch Der Gotteswahn (2007) dokumentiert nun vollends, dass sein Autor „eine Verwandlung durchgemacht“ hat von einem leidenschaftlich um Objektivität bemühten Wissenschaftler zu einem „antireligiösen Propagandisten, der die Fakten außer Acht lässt“: So schreibt sein Oxforder Kollege, der Molekularbiologe und Theologe, Alister McGrath (der selbst überzeugter Atheist war, ehe er Christ und Theologe wurde) in seinem Buch Der Atheismuswahn (2007; 32008, 62), das eine kompetente, ruhig und sachlich argumentierende Antwort auf Dawkins bietet.

Der Gotteswahn ist eine eifernde Generalattacke gegen alle Religion, speziell gegen Bibel und christlichen Glauben, die, wie McGrath nachweist, geschickt mit Tatsachenverdrehungen und z. T. aberwitzigen Falschdarstellungen arbeitet, was bei einem Zielpublikum, das wenig über Religion weiß, durchaus funktioniert. Dawkins geht es nur darum, Konvertiten für den Atheismus zu gewinnen. Für dieses Ziel ist er bereit, die Standards wissenschaftlicher Sorgfalt über Bord zu werfen.4 Statt Quellen oder kompetente Darstellungen zu befragen, setzt er alles daran, die Religion im schlechtest-möglichen Licht erscheinen zu lassen: nämlich als kindisch, dumm, gewalttätig, kriminell (als ob es, wenn Religion verschwinde, keine Gewalttätigkeit mehr gäbe, oder als ob es sie im Atheismus unter Stalin, Hitler, Pol Pot nie gegeben habe). Er versteigt sich gar dazu, in drastischen Worten die staatliche Autorität aufzurufen, religiöse Erziehung ebenso als Straftat zu behandeln wie körperliche Kindesmisshandlung (in einer Dawkins-Gesellschaft fänden sich viele religiöse Menschen im Gefängnis wieder); religionsfeindliche Erziehung hingegen soll offenbar kein Kindesmissbrauch sein. Dawkins vertritt einen totalitären Atheismus, der in der Welt nur das duldet, was er erlaubt hat. Wahre Naturwissenschaftler müssten grundsätzlich Atheisten sein; wenn sie hingegen religiöse Überzeugungen bekennen (oder solche – wie der Atheist Gould – für mit Naturwissenschaft gleichermaßen vereinbar erklären), könnten sie das nicht ernst meinen. Wenn andererseits der Papst oder irgendein Christ die Evolution anerkenne, sei er „ein Heuchler, der es mit der Wissenschaft nicht ehrlich meine“ (so Dawkins, zit. nach McGrath 40 und 62).

Das ist natürlich Wasser auf die Mühlen der Kreationisten, die sich in ihrer Behauptung der Unvereinbarkeit von Evolutionstheorie und religiösem Glauben bestätigt sehen. In einem veröffentlichten Brief an Dawkins bedankt sich denn auch der amerikanische Kreationist William Demski: Dawkins sei eines der größten Geschenke Gottes an die Intelligent-Design-Bewegung. Viele Darwinisten distanzieren sich. McGrath bemerkt: „Einer der größten Schäden, die Dawkins den Naturwissenschaften zugefügt hat, besteht darin, sie als schonungslos und unerbittlich atheistisch hinzustellen. Das ist völlig falsch. Dennoch hat Dawkins’ Kreuzzug dazu geführt, dass ein großer Teil des konservativen Protestantismus Nordamerikas diese verfremdete Auffassung übernimmt“ und der Wissenschaft feindlich gesonnen ist (59). McGrath fügt hinzu: „Vielleicht ist es an der Zeit, dass die gesamte Fachwelt gegen den Missbrauch ihrer Ideen im Dienste eines atheistischen Fundamentalismus protestiert.“ (63)

2) In Deutschland betreibt der Kasseler Evolutionsbiologe Ulrich Kutschera, von dem eine weit verbreitete Einführung in die Evolutionsbiologie stammt (Kutschera 2001), in seinem Buch Streitpunkt Evolution. Darwinismus und Intelligentes Design (2004) seine persönliche Abrechnung mit dem Kreationismus. Aber zugleich macht er daraus eine vehemente Kampagne gegen den christlichen Glauben überhaupt, dessen Inhalte er (aus evangelikalen Kinderbibeln und kreationistischen Elaboraten entnimmt und) durchweg verzerrt darstellt. Für ihn „ist offensichtlich, dass der biblische Schöpfungsglaube nur eine Form des Kreationismus darstellt“ (Kutschera 2004, 115; vgl. 110 f; 116 f; 192 u. ö.). Mit Recht erwartet Kutschera, dass man sich über die Erkenntnisse der Evolutionsbiologie bei seriösen Naturwissenschaftlern informiert; er selbst aber macht sich nicht die geringste Mühe, auch nur einen seriösen Bibelwissenschaftler oder einen anerkannten heutigen Theologen zu befragen, wie denn die biblischen Aussagen und der Schöpfungsglaube zu verstehen seien. Dabei hätte ihm ein Wort von Carl Friedrich von Weizsäcker, das er (256 f) zitiert, zu denken geben können: „Die Bibel kann man entweder Ernst nehmen oder wörtlich.“ Wiederum mit Recht besteht Kutschera gegen die Kreationisten darauf, dass die Wissensebene und die Glaubensebene zu unterscheiden sind und nicht vermischt werden dürfen (51; 165, 180, 200 f; 294); er selbst aber unterlässt es nicht, Naturwissenschaft und Glaube zu vermischen. So kritisiert er z. B. an der Bibel: „Beschreibungen molekularer Prozesse und Strukturen sind in den niedergeschriebenen ,Worten des christlichen Gottes‘ nicht zu finden“ (286); und er bemängelt, dass die Anerkennung der Evolution durch die katholische Kirche „keineswegs eine Übernahme der nüchtern-rationalen Denkweise des Naturwissenschaftlers mit sich gebracht hat“ (294), sie vielmehr immer noch „einen von Gott initiierten und begleiteten Evolutionsprozess postuliert“ (117).5 Hier wird der naturwissenschaftliche Erklärungsanspruch in völlig unberechtigter Weise zur alleinigen und Totaldeutung der Wirklichkeit ausgeweitet.6

Kutscheras Streit-Buch gipfelt in folgendem Schlussabschnitt (297): „Diese Betrachtungen zeigen, dass der konsequent verfolgte (fundamentalistische) christliche Glaube mit dem evolutionären (naturalistischen) Denken unvereinbar ist. Obwohl manche Evolutionsbiologen, wie z. B. der große Theoretiker T. Dobzhansky, liberale Christen waren, ist die Mehrheit der Naturforscher ungläubig: Nahezu 95 % der bedeutenden Biowissenschaftler der USA sind reine Verstandesmenschen (Atheisten), für die eine mystisch-magische supranaturalistische ,Glaubenswelt‘ entbehrlich ist.“

Nun, abgesehen von manchem, was hier zu korrigieren wäre: Wer „Wissenschaft“ und „Verstand“ derart kurzschlüssig gleichsetzt mit seiner eigenen Weltsicht „Atheismus“, begeht den gleichen methodischen Fehler, den er den Kreationisten und ID-Vertretern vorwirft. Neodarwinisten wie Dawkins und Kutschera behaupten mit einer überheblichen Sicherheit einen Atheismus, der sich aus empirisch-naturwissenschaftlicher Forschung ebenso wenig ergibt wie die spiegelbildlich umgekehrte Sicherheit der ID-Vertreter.

Ein wenig allerdings scheint Kutschera sich neuerdings zu bewegen, wenn er (2007b, 362) schreibt: „... wir Evolutionsforscher (können) lediglich die wissenschaftlichen Fakten präsentieren. Wo moderne Christen dann ihre ,Glaubenswelt‘ unterbringen, ist ... nicht unser Problem.“7

Gewiss, Naturwissenschaftler sind nicht auf eine Auseinandersetzung mit umfassenden (philosophischen und religiösen) Deutungsmodellen angewiesen, solange sie bei ihrer eigentümlichen Aufgabe bleiben: der empirischen Forschung. Wenn sie sich aber in kulturelle Debatten hineinbegeben, bei denen es – über die naturwissenschaftliche Arbeits- und Erkenntnisebene hinaus – um ein umfassendes Verstehen der Welt, des Lebens, des Menschen geht, dann muss man von ihnen schon erwarten, dass sie sich mit den vorhandenen großen und respektablen Wirklichkeitsdeutungen ernsthaft auseinandersetzen. Hier aber demonstrieren manche von ihnen eine bodenlose Desinformiertheit und eine durch nichts begründete Arroganz.

Kurz muss hier auch die Giordano-Bruno-Stiftung zur „Förderung des evolutionären Humanismus“ erwähnt werden, in deren Beirat namhafte Atheisten wie Hans Albert, Norbert Hoerster, Bernulf Kanitscheider, Wolf Singer, Eckart Volandt, Ulrich Kutschera oder Franz Wuketits sitzen. Vorstandssprecher ist der Journalist Michael Schmidt-Salomon. Die von ihm verfasste Homepage der Vereinigung („Manifest des Evolutionären Humanismus. Plädoyer für eine zeitgemäße Leitkultur“) erklärt: „Ziel der Stiftung ist es, die Grundzüge eines naturalistischen Weltbildes sowie einer säkularen, evolutionär-humanistischen Ethik/Politik zu entwickeln“ und in der Öffentlichkeit, in einem „Werte-Unterricht für alle Schüler“, bei der „Besetzung von Rundfunk-, Ethikräten etc.“ zur Geltung zu bringen. Der Stiftung geht es nicht nur um Verteidigung von Evolutionsdenken, sondern um die Durchsetzung eines bestimmten partikularen Weltbildes, nämlich des atheistischen Naturalismus, der ausdrücklich dem biblisch-christlichen Weltbild den Platz in unserer Kultur streitig machen will. Das wird überdeutlich in den kulturkämpferischen Entgleisungen gegen religiösen Glauben, die sich Schmidt-Salomon auf der Homepage leistet. Rücksichtnahme auf religiöse Gefühle hält er für falsch: „Wer auf ,religiöse Gefühle‘ Rücksicht nimmt, der stellt damit weltanschauliche Borniertheit unter ,Denkmal-Schutz‘.“ Wer hier wohl borniert ist? – Von Schmidt-Salomon stammt übrigens auch ein Bilderbuch „Wo bitte geht’s zu Gott? fragte das kleine Ferkel“, das bereits Sechsjährige in „amüsanter Weise über den Gotteswahn“ aufklären will, indem es die drei monotheistischen Religionen allesamt als bedrohlich und Angst einflößend darstellt und lächerlich macht.

Im Sinne der allgemeinen Stoßrichtung der Stiftung schreibt ihr Beiratsmitglied Thomas Junker, Mitstreiter von Kutschera: „Als wissenschaftliche Theorie gewährt sie [die Evolutionstheorie] der religiösen Wundergläubigkeit und damit [!] dem christlichen Gott keinen Raum. Er ist schlichtweg überflüssig, ein phantastischer Fremdkörper ohne Relevanz.“ (T. Junker 2007, 81) Für Junker ist offenbar Darwinismus unvereinbar mit Glauben an Gott, weil er Gott nur als den begrenzten Lückenbüßer zu denken vermag, der noch vorhandene Lücken in evolutionstheoretischer Erklärung schließen soll und mit deren Verschwinden natürlich überflüssig wird.

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