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Hans Fallada
Hans Fallada: Der Trinker – Band 186e in der gelben Buchreihe – bei Jürgen Ruszkowski
Band 186e in der gelben Buchreihe
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Inhaltsverzeichnis
Titel
Vorwort des Herausgebers
Der Autor Hans Fallada
Kapitel eins
Kapitel zwei
Kapitel drei
Kapitel vier
Kapitel fünf
Kapitel sechs
Kapitel sieben
Kapitel acht
Kapitel neun
Kapitel zehn
Kapitel elf
Kapitel zwölf
Kapitel dreizehn
Kapitel vierzehn
Kapitel fünfzehn
Kapitel sechzehn
Kapitel siebzehn
Kapitel achtzehn
Kapitel neunzehn
Kapitel zwanzig
Kapitel einundzwanzig
Kapitel zweiundzwanzig
Kapitel dreiundzwanzig
Kapitel vierundzwanzig
Kapitel fünfundzwanzig
Kapitel sechsundzwanzig
Kapitel siebenundzwanzig
Kapitel achtundzwanzig
Kapitel neunundzwanzig
Kapitel dreißig
Kapitel einunddreißig
Kapitel zweiunddreißig
Kapitel dreiunddreißig
Kapitel vierunddreißig
Kapitel fünfunddreißig
Kapitel sechsunddreißig
Kapitel siebenunddreißig
Kapitel achtunddreißig
Kapitel neununddreißig
Kapitel vierzig
Kapitel einundvierzig
Kapitel zweiundvierzig
Kapitel dreiundvierzig
Kapitel vierundvierzig
Kapitel fünfundvierzig
Kapitel sechsundvierzig
Kapitel siebenundvierzig
Kapitel achtundvierzig
Kapitel neunundvierzig
Kapitel fünfzig
Kapitel einundfünfzig
Kapitel dreiundfünfzig
Kapitel vierundfünfzig
Kapitel fünfundfünfzig
Kapitel sechsundfünfzig
Kapitel siebenundfünfzig
Kapitel achtundfünfzig
Kapitel neunundfünfzig
Kapitel sechzig
Kapitel einundsechzig
Kapitel zweiundsechzig
Kapitel dreiundsechzig
Kapitel vierundsechzig
Die maritime gelbe Buchreihe
Weitere Informationen – Hans Fallada: Der Trinker
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Impressum neobooks
Vorwort des Herausgebers
Vorwort des Herausgebers
Von 1970 bis 1997 leitete ich das größte Seemannsheim in Deutschland am Krayenkamp am Fuße der Hamburger Michaeliskirche.
Dabei lernte ich Tausende Seeleute aus aller Welt kennen.
Im Februar 1992 entschloss ich mich, meine Erlebnisse mit den Seeleuten und deren Berichte aus ihrem Leben in einem Buch zusammenzutragen. Es stieß auf großes Interesse. Mehrfach wurde in Leser-Reaktionen der Wunsch laut, es mögen noch mehr solcher Bände erscheinen. Deshalb folgten dem ersten Band der „Seemannsschicksale“ weitere.
Hamburg, 2022 Jürgen Ruszkowski
Ruhestands-Arbeitsplatz
Hier entstehen die Bücher und Webseiten des Herausgebers
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Der Autor Hans Fallada
Der Autor Hans Fallada
Hans Fallada, eigentlich Rudolf Wilhelm Friedrich Ditzen, wurde am 21. Juli 1893 in Greifswald geboren und starb am 5. Februar 1947 in Berlin. Er war ein deutscher Schriftsteller. In der Literatur sind seine Werke zum überwiegenden Teil der Richtung Neue Sachlichkeit zuzurechnen.
In diesem 1559 postum veröffentlichten Roman verarbeitete Fallada seine eigenen Erfahrungen in der Landesheilanstalt Neustrelitz-Strelitz.
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Hans Fallada: Der Trinker – Roman
Von Rudolf Wilhelm Friedrich Ditzen verfasst im Jahr 1944
Ungekürzte Ausgabe
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Kapitel eins
Kapitel eins
Strelitz, 6. September
Ich habe natürlich nicht immer getrunken, es ist sogar nicht sehr lange her, dass ich mit Trinken angefangen habe. Früher ekelte ich mich vor Alkohol; allenfalls trank ich mal ein Glas Bier; Wein schmeckte mir sauer, und der Geruch von Schnaps machte mich krank. Aber dann kam eine Zeit, da es mir schlecht zu gehen anfing. Meine Geschäfte liefen nicht so, wie sie sollten, und mit den Menschen hatte ich auch mancherlei Missgeschick. Ich bin immer ein weicher Mensch gewesen, ich brauchte die Sympathie und Anerkennung meiner Umwelt, wenn ich mir das auch nicht merken ließ und stets sehr selbstbewusst und sicher auftrat. Das Schlimmere war, dass ich das Gefühl bekam, auch meine Frau wende sich von mir ab. Es waren zuerst unmerkliche Zeichen, Dinge, die ein anderer ganz übersehen hätte. Zum Beispiel vergaß sie, mir bei einem Geburtstag in unserem Hause Kuchen anzubieten; ich esse zwar nie Kuchen, aber früher bot sie mir trotzdem stets welchen an. Und dann war einmal drei Tage lang ein Spinnweb in meinem Zimmer über dem Ofen. Ich ging alle Zimmer ab, aber in keinem gab es ein Spinnweb, nur in meinem. Ich wollte eigentlich abwarten, wie lange sie es so treiben würde mir zum Ärger, aber am vierten Tage hielt ich es nicht mehr aus und sagte es ihr. Darauf wurde das Spinnweb entfernt. Ich sagte es ihr natürlich ziemlich scharf. Ich wollte mir um keinen Preis merken lassen, wie sehr ich unter diesen Kränkungen und meiner Vereinsamung litt.
Aber es blieb nicht dabei. Bald kam die Sache mit dem Fußabtreter. An jenem Tage hatte ich Schwierigkeiten auf meiner Bank gehabt, zum ersten Male hatten sie mir eine Geldauszahlung verweigert; es hatte sich wohl herumgesprochen, dass ich Verluste erlitten hatte. Der Bankvorsteher, ein Herr Alf, tat sehr liebenswürdig, sprach von vorübergehenden Schwierigkeiten und erbot sich sogar, mit seiner Zentrale wegen eines Sonderkredits für mich zu telefonieren. Ich lehnte das natürlich ab, ich war lächelnd und sicher wie immer gewesen. Aber ich hatte gut gemerkt, dass er mir dieses Mal nicht wie sonst meist eine Zigarre angeboten hatte, dieser Kunde lohnte ihm das wohl nicht mehr. Sehr niedergedrückt ging ich durch einen schwer herabrauschenden Herbstregen nach Hause. Ich war noch gar nicht in eigentlichen Schwierigkeiten; es war nur eine gewisse Stagnation in meinen Geschäften eingetreten, die zu jenem Zeitpunkt mit einigem Elan sicher noch zu überwinden gewesen wäre. Aber gerade diesen Elan vermochte ich nicht aufzubringen, ich war zu niedergedrückt von all dem stummen Missfallen, dem ich begegnete.
Als ich nach Hause kam (wir wohnen etwas vor der Stadt in eigener Villa, und die Straße dorthin ist noch nicht ausgebaut), wollte ich vor der Tür meine schmutzigen Schuhe reinigen, doch gerade heute fehlte der Fußabtreter. Ärgerlich schloss ich auf und rief ins Haus nach meiner Frau. Es dunkelte schon, aber nirgends sah ich Licht, und Magda kam auch nicht. Ich rief wieder und wieder, aber nichts erfolgte. Ich befand mich in einer höchst fatalen Situation: ich stand im Regen vor der Tür meiner eigenen Villa und konnte nicht ins Haus, wollte ich nicht Vorplatz und Diele ärgerlich beschmutzen, und das alles, weil meine Frau vergessen hatte, den Fußabtreter hinauszulegen, und zu einer Zeit nicht zur Stelle war, wo ich, wie sie genau wusste, von der Arbeit heimkam. Schließlich musste ich mich überwinden: ich ging vorsichtig auf Zehenspitzen ins Haus. Als ich mich auf einen Stuhl in der Diele setzte, um die Schuhe auszuziehen, und dafür Licht machte, sah ich, dass all meine Vorsicht nichts genützt hatte: auf dem zartgrünen Dielenteppich waren die hässlichsten Flecke entstanden. Ich habe Magda immer gesagt, dass solch ein empfindliches Resedagrün nichts für die Diele sei, aber sie hatte ja gemeint, wir beide seien ja wohl alt genug, ein bisschen aufzupassen, und die Else (unser Dienstmädchen) benütze ja sowieso den Hintereingang und sei gewohnt, im Hause auf Pantoffeln zu gehen. Ich zog sehr ärgerlich meine Schuhe aus, und gerade als ich den zweiten auszog, sah ich Magda, die eben aus der Tür kam, die die Kellertreppe verdeckt. Der Schuh entglitt mir und fiel mit Poltern auf den Teppich, einen abscheulichen Fleck machend.
„Pass doch ein bisschen auf, Erwin!“ rief Magda sehr ärgerlich. „Wie der schöne Teppich wieder aussieht. Kannst du dir nicht angewöhnen, die Füße ordentlich abzutreten?!“
Die offene Ungerechtigkeit in diesem Vorwurf empörte mich, aber noch hielt ich an mich.
„Wo in aller Welt hast du bloß gesteckt?“ fragte ich, sie noch immer anstarrend. „Ich habe mindestens zehnmal nach dir gerufen!“
„Ich war bei der Zentralheizung im Keller“, sagte Magda kühl. „Aber was hat das mit meinem Teppich zu tun?“
„Es ist ebenso gut mein Teppich wie der deine“, antwortete ich erregt. „Ich habe ihn wirklich nicht gerne beschmutzt. Aber wenn kein Abtreter vor der Tür liegt –!“
„Es liegt kein Abtreter vor der Tür? Natürlich liegt er vor der Tür!“
„Es liegt keiner davor!“ rief ich mit Nachdruck. „Bitte, überzeuge dich selbst!“
Aber sie dachte gar nicht daran, vor die Tür zu gehen.
„Wenn Else eben vergessen hat, ihn hinzulegen, so hättest du die Schuhe gut auf dem Vorplatz ausziehen können! Jedenfalls hättest du nicht den einen Schuh hier mit solchem Plumps auf den Teppich zu werfen brauchen!“
Ich sah sie, stumm vor Ärger, nur empört an.
„Ja“, sagte sie, „da schweigst du. Wenn man dir Vorwürfe macht, schweigst du. Aber mir machst du ständig Vorwürfe ...“
Ich fand keinen rechten Sinn in diesen Worten, aber ich sagte doch: „Wann habe ich dir Vorwürfe gemacht?“
„Eben erst“, antwortete sie rasch, „einmal, weil ich auf dein Rufen nicht gekommen bin, und ich musste doch nach der Heizung sehen, weil Else heute ihren freien Nachmittag hat. Und dann, weil der Abtreter nicht vor der Tür liegt. Aber ich kann doch unmöglich bei all meiner Arbeit auch noch jede Kleinigkeit, die Else zu tun hat, kontrollieren.“
Ich nahm mich zusammen. Ich fand im stillen, Magda hatte in allen Punkten unrecht. Aber laut sagte ich: „Wir wollen uns nicht streiten, Magda. Ich bitte dich, mir zu glauben, dass ich die Flecke nicht mit Absicht gemacht habe.“
„Und du glaube mir“, antwortete sie, noch immer ziemlich scharf, „dass ich dich weder mit Absicht habe rufen noch mit Absicht habe warten lassen.“
Ich schwieg dazu. Bis zum Abendessen hatten wir uns beide wieder ziemlich in der Gewalt, eine ganz vernünftige Unterhaltung kam sogar zustande, und plötzlich hatte ich den Einfall, eine Flasche Rotwein, die mir irgendjemand mal geschenkt hatte, und die seit Jahren im Keller stand, heraufzuholen. Ich weiß wirklich nicht, wieso ich auf diese Idee kam. Vielleicht löste das Gefühl unserer Aussöhnung bei mir den Gedanken an etwas Festliches, wie Trauung oder Taufe aus. Magda war auch ganz überrascht, lächelte aber beifällig. Ich trank nur anderthalb Glas, obgleich mir an diesem Abend der Wein nicht sauer schmeckte. Ich kam sogar in eine heitere Stimmung und brachte es fertig, Magda allerlei vom Geschäft, das mir so viel Sorgen machte, zu erzählen. Natürlich sprach ich kein Wort von diesen Sorgen, sondern ich log im Gegenteil meine Misserfolge in Erfolge um. Magda hörte mir so interessiert wie schon lange nicht zu. Ich hatte das Gefühl, dass die Entfremdung zwischen uns völlig geschwunden war, und in der Freude darüber schenkte ich Magda hundert Mark, damit sie sich etwas recht Hübsches kaufen könnte: ein Kleid oder einen Ring oder wonach sonst ihr Herz stand.
* * *
Kapitel zwei
Kapitel zwei
Ich habe mich später oft gefragt, ob ich an diesem Abend wohl völlig betrunken gewesen bin. Natürlich bin ich das nicht gewesen, davon hätten sowohl Magda als auch ich etwas gemerkt. Dennoch habe ich an diesem Abend den ersten Rausch meines Lebens gehabt. Ich schwankte nicht, ich lallte nicht. Das hatten diese anderthalb Glas muffigen Rotweins selbst bei einem so nüchternen Menschen wie mir nicht bewirken können, aber doch hatte mir der Alkohol die ganze Welt verwandelt. Er spiegelte mir vor, dass es keine Entfremdung und keinen Streit zwischen Magda und mir gegeben hätte, er verwandelte meine geschäftlichen Sorgen in Erfolge, in solche Erfolge, dass ich sogar hundert Mark zu verschenken hatte, keine beträchtliche Summe gewiss, aber in meiner Lage war schließlich keine Summe ganz unbeträchtlich. Als ich am nächsten Morgen erwacht war und alle Geschehnisse von dem vergessenen Fußabtreter bis zum verschenkten Hundertmarkschein an meinem geistigen Auge vorüberziehen ließ, da wurde mir erst klar, wie schmählich ich an Magda gehandelt hatte. Ich hatte sie nicht nur über meine geschäftliche Lage getäuscht, nein, ich hatte diese Täuschung auch noch durch ein Geldgeschenk untermauert, um sie noch glaubhafter zu machen, etwas, das juristisch wohl ‚Betrug‘ genannt werden würde. Aber das Juristische war ganz gleichgültig, das Menschliche allein war wichtig, und das Menschliche an dieser Sache war einfach furchtbar. Ich hatte zum ersten Mal in unserer Ehe Magda wissentlich betrogen – und warum? Warum in aller Welt?! Für gar nichts – ich hätte ja von all diesen Dingen wunderbar schweigen können, wie ich bisher von ihnen geschwiegen hatte. Niemand zwang mich zum Sprechen. Niemand? Doch ja, der Alkohol hatte mich dazu gebracht. Als ich das erst einmal erkannt hatte, als ich in vollem Umfange erfasst hatte, welch Lügner der Alkohol ist und wie er dazu aus ehrlichen Menschen Lügner macht, schwor ich mir zu, nie wieder einen Tropfen Alkohol zu trinken und auch auf das ab und zu bisher genossene Glas Bier zu verzichten.
Aber was sind Vorsätze, was sind Entwürfe –? Ich hatte mir ja auch an diesem Morgen der Ernüchterung zugeschworen, wenigstens die gestern Abend zwischen Magda und mir aufgekommene wärmere Stimmung zu nützen und es nicht wieder zu einer Entfremdung oder gar zu einem Streit kommen zu lassen. Und doch vergingen nicht viele Tage, und wir stritten uns schon wieder. Es war eigentlich völlig unbegreiflich: vierzehn Jahre unserer Ehe waren praktisch ohne jeden Streit vergangen, und jetzt im fünfzehnten war es, dass wir nicht mehr ohne Streiten leben konnten. Manchmal schien es mir geradezu lächerlich, über was für Dinge alles wir miteinander in Streit gerieten. Es schien, als müssten wir uns zu bestimmten Zeiten streiten, ganz gleich warum. Auch das Streiten scheint wie ein Gift zu sein, an das man sich rasch gewöhnt und ohne das man bald nicht mehr leben kann. Zuerst bewahrten wir natürlich ängstlich die Form, wir suchten möglichst sachlich beim Streitgegenstand zu bleiben und alles persönlich Kränkende zu vermeiden.
* * *
Auch legte uns die Anwesenheit unseres kleinen Hausmädchens Else Hemmungen auf. Wir wussten, sie war neugierig und trug alles weiter, was sie erfuhr. Damals wäre es mir noch unaussprechbar schrecklich gewesen, wenn irgendjemand in der Stadt von meinen Sorgen und unseren Streitereien erfahren hätte. Nicht sehr viel später freilich war es mir vollkommen gleichgültig geworden, was die Menschen von mir dachten und sprachen, und, was das Schlimmere war, ich hatte auch alle Scham vor mir selbst verloren.
Ich habe gesagt, dass Magda und ich uns an fast täglichen Streit gewöhnten. Freilich waren das eigentlich nur Quengelei, kleine Sticheleien um ein Garnichts, etwas, das die zwischen uns immer wieder auftauchenden Spannungen ein wenig erleichterte. Auch das war eigentlich ein Wunder, aber kein schönes: viele Jahre hatten Magda und ich eine ausgesprochen gute Ehe geführt. Wir hatten uns aus Liebe geheiratet, damals waren wir alle beide sehr kleine Angestellte gewesen, jeder mit einem Handköfferchen, so waren wir zusammengelaufen. Ach, die herrliche entbehrungsreiche Zeit unserer ersten Ehejahre – wenn ich heute daran zurückdenke! Magda war eine wahre Haushaltskünstlerin, manche Woche kamen wir mit zehn Mark aus, und es kam uns vor, als lebten wir dabei wie die Fürsten. Dann kam die wagemutige, von immerwährender Anspannung erfüllte Zeit, da ich mich selbständig machte, da ich mit Magdas Hilfe mein eigenes Geschäft aufbaute. Es glückte – o du lieber Himmel, wie uns damals alles glückte! Wir brauchten nur etwas anzufassen, unseren Fleiß und unseren Eifer einer Sache zuzuwenden, und schon gelang sie, blühte auf wie eine gutgepflegte Blume, trug uns Früchte ... Kinder blieben uns versagt, so sehr wir uns nach ihnen auch sehnten. Magda hatte einmal eine Fehlgeburt, von da an war es mit allen Aussichten auf Kinder vorbei. Aber wir liebten uns darum nicht weniger. Viele Jahre unserer Ehe waren wir immer wieder frisch verliebt ineinander. Ich habe nie eine andere Frau als Magda begehrt. Sie machte mich vollkommen glücklich, und mit mir ist es ihr wohl auch nicht anders gegangen.
Als dann das Geschäft lief, als es jenen Umfang erreicht hatte, der ihm durch die Größe unserer Stadt und unseres Landkreises gegeben war, einen Umfang, über den hinaus eine Erweiterung nur durch völlige Änderung all unserer Lebensumstände und durch Wegzug von unserer Vaterstadt möglich war, als also das brennende Interesse etwas zu erlahmen begann, kam als Ersatz der Erwerb des eigenen Grundstücks vor der Stadt, der Bau unserer Villa, die Anlage unseres Gartens, die Einrichtung, die uns nun für den Rest unseres Lebens begleiten sollte – alles Dinge, die uns wieder eng aneinanderbanden und uns die Abkühlung, die in unseren Ehebeziehungen eingetreten war, nicht merklich werden ließen. Wenn wir uns nicht mehr so wie früher liebten, wenn wir nicht mehr so oft und heiß nacheinander begehrten, so empfanden wir das nicht als einen Verlust, sondern als etwas Selbstverständliches: wir waren eben allgemach alte Eheleute geworden, was uns geschah, geschah allen, war etwas Natürliches. Und, wie gesagt, die Kameradschaft beim Planen, Bauen, Einrichten ersetzte uns das Verlorene vollkommen, aus Liebesleuten waren wir Kameraden geworden, wir entbehrten nichts.
Zu jener Zeit hatte sich Magda schon ganz von der tätigen Mithilfe in meinem Geschäft freigemacht, ein Schritt, den wir beide damals als selbstverständlich ansahen. Sie hatte jetzt eine größere eigene Haushaltung; der Garten und ein bisschen Federvieh erforderten auch Pflege, und der Umfang des Geschäftes gestattete ohne Weiteres die Einstellung einer neuen Hilfskraft. Später sollte sich zeigen, wie verhängnisvoll sich das Ausscheiden Magdas aus meinem Betrieb auswirken sollte. Nicht nur, dass wir dadurch wiederum ein gut Teil unserer gemeinsamen Interessen verloren, auch stellte sich heraus, dass ihre Mithilfe eigentlich unersetzlich war. Sie war bei weitem aktiver als ich, unternehmungslustiger, auch war sie viel geschickter als ich im Umgang mit den Menschen und vermochte sie auf eine leichte, scherzhafte Weise gerade dahin zu bekommen, wo sie die Leute haben wollte. Ich war das vorsichtige Element in unserer Gemeinschaft gewesen, die Bremse gewissermaßen, die eine zu gewagte Fahrt hemmte und sicherte. Im Geschäftsverkehr selbst hatte ich die Neigung, mich möglichst zurückzuhalten, mich niemandem aufzudrängen und nie um etwas zu bitten. Es war demnach unvermeidlich, dass nach Magdas Ausscheiden die Geschäfte erst einmal im alten Gleise weitergingen, dass wenig Neues dazukam und dass dann allmählich, ganz langsam, Jahr um Jahr, ihr Umfang zurückging. Über alle diese Dinge bin ich mir freilich erst viel später klar geworden, zu spät, als es schon nichts mehr zu retten gab. Damals, als Magda ausschied, war ich eher etwas erleichtert: ein Mann, der seine Firma allein vertritt, genießt bei den Menschen ein größeres Ansehen als der, dem die Frau in alles hineinreden kann.
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