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Hanni Lötscher, Marcel Naas, Markus Roos (Hrsg.)

Kompetenzorientiert beurteilen

ISBN Print: 978-3-0355-1337-0

ISBN E-Book: 978-3-0355-1897-9

Fotos (Umschlag und Titelfotos): Donat Bräm, Zürich

1. Auflage 2021

Alle Rechte vorbehalten

© 2021 hep Verlag AG, Bern

hep-verlag.com

Inhalt

Vorwort

TEIL 1: ERZIEHUNGSWISSENSCHAFTLICHE GRUNDLAGEN

1 Grundlagen kompetenzorientierter Beurteilung

Hanni Lötscher, Markus Roos

TEIL 2: FACHDIDAKTISCHE BEITRÄGE

1. Zyklus

2 Mathematik

Beurteilungsanlässe zum Plusrechnen im 1. Zyklus

Kurt Hess

3 Musik

Wie kann durch das Beurteilen von Musik das ästhetische Urteilsvermögen gefördert werden?

Daniel Hildebrand

4 Natur, Mensch, Gesellschaft

Nah dran sein im Dienst des Lernens – Kompetenzorientiertes Beurteilen am Praxisbeispiel «früher – heute»

Urs Bisang, Claudia Defila, Christian Mathis

2. Zyklus

5 Englisch

How good is my English? – «Sprechen» kompetenzorientiert beurteilen

Andrea Zeiger

6 Bewegung und Sport

Wie gelingt die Beurteilung im Seilspringen?

Sabine Conti, Lucia Ammann

7 Natur, Mensch, Gesellschaft

Die übergeordnete Fragestellung als Orientierung in einer kompetenzorientierten Beurteilung von NMG

Ueli Studhalter, Yves Karrer

3. Zyklus

8 Deutsch

Texte schreiben und beurteilen in einer literalen Gemeinschaft

Walter Rützler

9 Natur und Technik

Argumentieren im Naturwissenschaftsunterricht – Förderung und Beurteilung einer Basiskompetenz für die Erkenntnisgewinnung

Christoph Gut, Josiane Tardent

10 Medien und Informatik

Fake News auf der Spur – Didaktische Umsetzung und kompetenzorientierte Beurteilung eines facettenreichen Unterrichtsthemas

Flurin Senn

Schlussgedanken

Vorwort

In der Fachwelt herrscht breiter Konsens, dass Beurteilen und Lernen eng miteinander verknüpft sind. Beurteilen beinhaltet demnach mehr, als die Leistungen der Schülerinnen und Schüler am Ende einer Lerneinheit zu überprüfen und die erfassten Leistungen in Form einer Note auszudrücken. Diese Erkenntnisse sind in die Überlegungen zur kompetenzorientierten Beurteilung im Lehrplan 21 eingeflossen; konkrete Umsetzungen sind darin jedoch nicht beschrieben.

Deshalb legten die Bildungsverwaltungen der Deutschschweizer Kantone Leitlinien zur kompetenzorientierten Beurteilung fest und entwickelten Broschüren als Umsetzungshilfen für ihre Schulen. Für verschiedene Fächer wurden und werden Lehrmittel erarbeitet, welche die Ansprüche an einen kompetenzorientierten Unterricht und die entsprechende Beurteilung umsetzen. Außerdem beschäftigen sich zahlreiche Forschungsprojekte in verschiedenen Ländern mit Fragen des kompetenzorientierten Diagnostizierens und Beurteilens.

Bei der Durchsicht dieser unterschiedlichen Quellen fällt auf, dass je nach wissenschaftlicher Disziplin, Unterrichtsfach, Kanton oder Land unterschiedliche Begriffe für ähnliche Aufgaben oder Situationen im Berufsfeld verwendet werden.

Ziel dieses Buches ist es daher, ein kohärentes Gesamtkonzept einer kompetenzorientierten Beurteilung zur Verfügung zu stellen. Es soll Studierenden und Lehrpersonen dabei helfen, ihre Diagnose- und Beurteilungskompetenzen aufzubauen und weiterzuentwickeln, um in ihrem Beruf erfolgreich zu handeln und das Lernen und die Entwicklung ihrer Schülerinnen und Schüler optimal zu unterstützen. Das Buch richtet sich aber auch an Dozierende an Pädagogischen Hochschulen und weitere an Kompetenzorientierung und Beurteilung interessierte Fachleute.

Im ersten Teil dieses Buches werden Grundlagen der kompetenzorientierten Beurteilung erarbeitet. Anhand eines Modells wird dargelegt, wie kompetenzorientierte Beurteilung geplant und im Unterricht durchgeführt werden kann.

Im zweiten Teil des Buches folgen neun Beiträge, die sich auf unterschiedliche Fächer und Schulstufen (Zyklen) vom Kindergarten bis zur Sekundarschule beziehen. Diese Beiträge zeigen auf, wie die Umsetzung einer kompetenzorientierten Beurteilung in der Praxis aussehen könnte.

Die Schlussgedanken würdigen die fachdidaktischen Beiträge im Sinne eines Fazits, nehmen Bezug auf aktuelle Themen wie beispielsweise standardisierte Lern- und Testsysteme und weisen auf die Bedeutung des Aufbaus einer gemeinsamen Lern- und Beurteilungskultur hin.

Teil 1

Beitrag 1

Im Zuge der Einführung des Lehrplans 21, der auf einen kompetenzorientierten Unterricht zielt, ist auch die Beurteilung der Schülerinnen und Schüler weiterzuentwickeln.

Als Basis für die weiteren Ausführungen werden zunächst Voraussetzungen und Begriffe geklärt, die für das Verständnis einer kompetenzorientierten Beurteilung zentral sind. Dabei wird deutlich, dass das Bildungswesen zentrale Aufgaben für die Gesellschaft übernimmt: Es führt die nachwachsende Generation in die Gesellschaft ein, soll diese optimal für das zukünftige Leben qualifizieren und ist dafür zuständig, leistungsgerechte Bildungsabschlüsse zu ermöglichen. Das Erfüllen dieser Aufgaben führt Lehrpersonen im Zusammenhang mit Diagnosen und Beurteilungen aber in ein Spannungsfeld: Einerseits dienen Diagnosen und Beurteilungen dazu, das Lernen optimal zu unterstützen. Andererseits werden Diagnosen und Beurteilungen genutzt, um Schülerinnen und Schüler unterschiedlichen Bildungsgängen zuzuweisen. Der damit verbundene Anspruch, die leistungsstärksten Schülerinnen und Schüler für eine beschränkte Anzahl Plätze in höheren Bildungsgängen auszuwählen, kann dazu führen, dass sich die Wahrnehmung der unterschiedlichen Kompetenzen und Leistungen der Lernenden auf leicht erfassbare Dimensionen verengt, die für die Unterstützung des Lernens wenig bedeutsam sind. Um einer solchen Verengung entgegenzuwirken, wird in diesem Beitrag ein Lern- und Beurteilungsverständnis dargestellt, das die förderorientierte Funktion der Beurteilung akzentuiert. Dennoch wird berücksichtigt, dass die aktuellen Rahmenbedingungen der Schule auch Notenzeugnisse und Laufbahnentscheide vorsehen. Was das konkret bedeuten kann, wird über die verschiedenen Phasen des diagnostischen Prozesses hinweg ausgeführt: von der Zielsetzung, Planung und Nutzung des Lernangebots über die diagnostische Erfassung und Interpretation beziehungsweise Beurteilung der erfassten Hinweise bis hin zur Frage, wie Beurteilungen kommuniziert und genutzt werden können.

Grundlagen kompetenzorientierter Beurteilung

Hanni Lötscher, Markus Roos

1. Einleitung

Die Beurteilung von Schülerinnen und Schülern ist ein in Wissenschaft und Schulfeld zum Teil heftig diskutiertes Thema. Die Einführung des Lehrplans 21 und die zugehörige Kompetenzorientierung entfachen neue Diskussionen. Bisherige Fragen müssen vor einem veränderten Hintergrund betrachtet werden, neue Fragen stellen sich. Der vorliegende Beitrag ermöglicht die Verständigung über zentrale Begriffe und Konzepte einer kompetenzorientierten Beurteilung, um diese Fragen zu klären.

In Kapitel 2 werden Rahmenbedingungen und Begriffe zu Lehrplan 21 und kompetenzorientiertem Unterricht erläutert, die für das Verständnis einer entsprechenden Beurteilung zentral sind. Darauf aufbauend, wird das Modell einer kompetenzorientierten Beurteilung vorgestellt (siehe Kapitel 3) und in den folgenden Kapiteln entlang eines idealtypischen Verlaufs kompetenzorientierten Unterrichts vertiefend erläutert. Die Planung mit einer kompetenzorientierten Zielsetzung (siehe Kapitel 4) beginnt mit folgender Frage: Wie sollen die Lernenden am Ende der Unterrichtseinheit in einer konkreten Anwendungssituation handeln können? Das Lernangebot mit entsprechenden Aufgaben(-sets) können die Lernenden auf der Basis geklärter Ziele für den Aufbau und die Weiterentwicklung ihrer Kompetenzen nutzen (siehe Kapitel 5). Bei der Nutzung des Lernangebots werden die Schülerinnen und Schüler angeleitet, sich als Zuständige für ihr Lernen wahrzunehmen und ihr Lernen zu steuern. Ebenso werden sie unterstützt, ihre Mitschülerinnen und Mitschüler als lehrreiche Ressourcen für ihr Lernen zu nutzen. Die Begleitung der Lernprozesse gestaltet die Lehrperson so, dass sie durch das Beobachten von Lernhandlungen, das Analysieren von Dokumenten und Produkten und über das Befragen der Schülerinnen und Schüler zu wichtigen diagnostischen Informationen kommt (siehe Kapitel 6). Diese Informationen werden anschließend interpretiert – sie bilden die Basis für Diagnosen, Beurteilungen und Bewertungen (siehe Kapitel 7). Um Diagnosen, Beurteilungen beziehungsweise Bewertungen zu kommunizieren, werden auf unterschiedlichen Ebenen verschiedene Formen eingesetzt: spontane Feedbacks während des Unterrichts, geplante Feedbackgespräche, umfassende Lern- oder Coachinggespräche, Noten, Beurteilungsgespräche oder Zeugnisnoten (siehe Kapitel 8). Diese Rückmeldungen und Beurteilungen werden genutzt, um Entscheide für das weitere Lernen oder den Unterricht abzuleiten. Zudem können Beurteilungsergebnisse genutzt werden, um Laufbahnentscheide zu treffen (siehe Kapitel 9).

2. Einführung ins kompetenzorientierte Unterrichten und Beurteilen

Ausgehend vom grundsätzlichen Auftrag der Schule und den gesellschaftlichen Funktionen, die sie wahrnimmt, wird im Folgenden ein Überblick über den schriftlich ausformulierten, konkreten Auftrag an die Schule – den Lehrplan 21 – gegeben. Dabei wird mit dem aufzubauenden Wissen und Können ein besonderes Merkmal dieses Lehrplans – die Kompetenzorientierung – in den Vordergrund gerückt. Die Umsetzung des Auftrags, der mit dem Lehrplan 21 verknüpft ist, verändert die Ansprüche an die Lehrpersonen und deren diagnostische Kompetenz. Beispielsweise setzt ein kompetenzorientierter Unterricht und die damit verbundene Beurteilung einen starken Akzent auf eine förderorientierte (formative) Beurteilung, die mit einem bestimmten Lern- und Unterrichtsverständnis einhergeht. Nicht nur bei der formativen Beurteilung, sondern auch bei anderen Funktionen der Beurteilung sind hohe diagnostische Kompetenzen der Lehrperson gefragt.

2.1 Auftrag und Funktionen der Schule

In Diskussionen zu Beurteilungsfragen zeigt sich, dass die Arbeit in Schule und Unterricht immer von gesellschaftlichen Bedingungen und Zusammenhängen mitbestimmt und beeinflusst wird. Das Wissen um solche Zusammenhänge kann Lehrpersonen helfen, berufliche Situationen und erlebte Spannungsfelder nicht nur als individuelle Probleme zu interpretieren, sondern auch in einem gesamtgesellschaftlichen und pädagogischen Kontext zu verstehen. Dieses Verstehen kann dazu führen, eingespielte Praktiken kritisch zu hinterfragen und (neue) Handlungsspielräume zu nutzen. Daher werden im Folgenden einige Zusammenhänge zwischen Schule und Gesellschaft dargestellt.

Beim politischen System, dem Wirtschafts- und dem Bildungssystem handelt es sich um drei zentrale gesellschaftliche Teilsysteme, zwischen denen vielfältige Austausch- und Aushandlungsprozesse bestehen. Dem Bildungssystem kommt die Aufgabe zu, die folgende Generation so in die Funktionsweisen und die Tätigkeiten der Gesellschaft einzuführen, dass der Zusammenhalt und die Aufrechterhaltung dieser Gesellschaft ermöglicht wird (Fend 2006, 49).

2.1.1 Gesellschaftliche Funktionen der Schule im Überblick

Bei Aushandlungen um die Ausgestaltung des Bildungssystems fließen neben den Anliegen von Parteien und Verbänden ab Mitte des 20. Jahrhunderts stark auch die Interessen des Wirtschaftssystems ein. Die Wirtschaft ist darauf angewiesen, dass die nächste Generation möglichst effektiv für sich stetig wandelnde wirtschaftliche Felder qualifiziert wird. Im Gegenzug sichert ein erfolgreich agierendes Wirtschaftssystem über Steuererträge die finanziellen Ressourcen für den Staat und sein Bildungswesen (Fend 2006, 36).

Gemäß Fend (2006) trägt die Schule zur gesellschaftlichen Reproduktion bei, indem sie verschiedene Funktionen für die Gesellschaft übernimmt:

1. Enkulturation: Einführung in Sprache, Schrift, Werteorientierung

2. Integration: Schaffung einer kulturellen und sozialen Identität, die den gesellschaftlichen Zusammenhalt und Frieden sichert

3. Qualifikation: Vermittlung von Fertigkeiten und Kenntnissen für die Arbeitswelt

4. Allokation: Zuweisung der Schülerinnen und Schüler zu verschiedenen Laufbahnen

Mit der Enkulturations-, Integrations- und der Qualifikationsfunktion hat das Bildungssystem die Aufgabe, die nachwachsende Generation in grundlegende kulturelle Techniken, Werte und Normen einzuführen. Die kommende Generation soll an der Gesellschaft teilhaben und integriert werden. Ziel des Bildungswesens einer Gesellschaft ist es demnach, die zukünftige Generation für ein möglichst erfolgreiches gesellschaftliches und berufliches Leben zu qualifizieren. Um diesen Funktionen nachzukommen, muss das Bildungswesen neben den fachlichen und methodischen Kompetenzen auch personale und soziale Kompetenzen gezielt fördern.

2.1.2 Allokationsfunktion

Der Allokationsfunktion der Schule kommt eine besondere Bedeutung zu, denn mit dieser Funktion übernimmt das Bildungswesen einen gesellschaftlichen Zuweisungsauftrag.[1] Im Rahmen des Bildungswesens werden Abschlüsse erworben, die den Zugang zu angestrebten beruflichen und gesellschaftlichen Positionen ermöglichen. Somit erhalten Bildungsabschlüsse gesellschaftlich und individuell einen großen Stellenwert. Dieser große Stellenwert verlangt, dass die Art und Weise, wie Zuweisungen erfolgen und Bildungsabschlüsse vergeben werden, gesellschaftlich akzeptiert wird. Vor diesem Hintergrund leistet die Schule einen wichtigen gesellschaftlichen Beitrag, wenn es ihr gelingt, Laufbahnentscheide im Bewusstsein der Beteiligten als gerecht zu verankern (Fend 2006, 46). Dies ist von besonderer Bedeutung, weil sich mit Zuweisungen aus nachvollziehbaren Verfahren spätere gesellschaftliche Unterschiede (z. B. Positionen oder Lohn) rechtfertigen lassen. Das Bildungswesen übernimmt somit eine Legitimationsfunktion für die hierarchische Organisation der Gesellschaft. Zudem verinnerlicht die nachwachsende Generation wichtige gesellschaftliche Prinzipien, indem sie die schulischen Zuweisungsprozesse selbst erlebt.

2.1.3 Leistungs-, Gleichheits- und Bedürfnisprinzip

Zu diesen wichtigen Prinzipien gesellschaftlicher Legitimation zählen vorab das Leistungsprinzip sowie die Chancengleichheit, zumal sich die Spielregeln der Zuweisung in gesellschaftliche Positionen wesentlich auf diese beiden Prinzipien stützen (Leemann 2015). Neben dem Leistungs- und Gleichheitsprinzip kommt gerade in der Schule aber auch dem Bedürfnisprinzip eine besondere Bedeutung zu: Mit der Meritokratie oder dem Leistungsprinzip wird betont, dass die Zuteilung zukünftiger Positionen allein von den erbrachten Leistungen des Individuums und nicht mehr wie früher von (Adels-)Herkunft oder Geschlecht abhängig sein soll. Das meritokratische Prinzip ist als grundlegendes Selbstverständnis in westeuropäischen Gesellschaften tief verankert: «Wer mehr leistet, darf und soll besser leben» (Schimank 2018, 20). In der Überzeugung, das Schicksal mit dem eigenen Tun beeinflussen zu können, ist es vor diesem Hintergrund für das Individuum erstrebenswert, Leistungen zu erbringen und sich auf der Basis des Leistungsprinzips Zielperspektiven zu eröffnen. Ein solches Streben nach Leistung kann überdies auch Lebenssinn stiften, zumal Anstrengung und «besser werden» an sich schon als befriedigend erlebt werden können, insbesondere dann, wenn Leistungsstreben im Rahmen der Enkulturation als eigentlicher Wert vermittelt wird.

Das zweite gesellschaftliche Prinzip, das im Zusammenhang mit Zuweisungsprozessen verinnerlicht wird, wird als Gleichheitsprinzip oder Prinzip der Chancengleichheit bezeichnet. Dieses Prinzip betont, dass höhere Bildungsabschlüsse grundsätzlich für alle gleich zugänglich sind (bzw. sein sollten) und dass bei Zuweisungsprozessen alle gleich behandelt werden müssen. Um dies zu gewährleisten, sind bestimmte Bedingungen einzuhalten: So ist von «formaler Gleichheit» die Rede, wenn beispielsweise für Mädchen und Jungen die gleiche Stundentafel gilt, wenn also alle Kinder und Jugendlichen denselben Zugang zu Bildung haben. Eine weitere Bedingung für Chancengleichheit verlangt die «Gleichheit der Verhältnisse und Umstände.»[2] Diese Bedingung kann beispielsweise durch den Einsatz eines Schulbusses eingelöst werden, damit Kinder aus abgelegenen Gebieten den Unterricht besuchen können. Die Gleichheit der Verhältnisse und Umstände kann weiter durch bauliche Maßnahmen gefördert werden, damit der Schulbesuch für körperbehinderte Kinder ermöglicht wird, oder es wird ein spezifischer Sprachunterricht angeboten, damit Kinder mit anderer Erst- oder Familiensprache dem Unterricht folgen können. Bei all diesen Maßnahmen handelt es sich um kompensatorische Angebote. Wie weit Chancengleichheit erreicht wird, lässt sich erst mit einem Blick auf die tatsächlichen Ergebnisse der Bildungsprozesse feststellen. Dabei wird mithilfe statistischer Verfahren überprüft, ob das Erreichen von Bildungsabschlüssen durch die Leistungsfähigkeit der Einzelnen erklärt werden kann – und nicht überzufällig stark von sozialen Merkmalen wie regionaler Herkunft, Bildungshintergrund oder Migration beeinflusst wird (Leemann 2015).

Das Bedürfnisprinzip schließlich bezieht sich auf die Bedürfnisse der Lernenden und ihre Leistungsmöglichkeiten. Es orientiert sich an der Einzigartigkeit der einzelnen Lernenden und zielt auf einen Ausgleich von Defiziten (Bloch 2014, 154–158) sowie auf die Förderung von Begabung ab. Allokationsentscheide nach dem Bedürfnisprinzip fragen demnach nicht nur nach den erbrachten Leistungen, sondern berücksichtigen auch die Potenziale der einzelnen Lernenden.

Aus den drei erwähnten Prinzipien – dem Leistungs-, dem Gleichheits- und dem Bedürfnisprinzip – zeigt sich ein für die Schule immanentes Spannungsfeld, in dem Lehrpersonen Zuweisungsentscheide zu treffen haben.

2.2 Der Lehrplan als formulierter Auftrag an die Schule

In Lehrplänen verdichtet eine Gesellschaft, was sie der nächsten Generation weitergeben möchte. Dabei handelt es sich gewissermaßen um den ausformulierten Auftrag an die Schule: «Die Lehrpläne verkörpern das Bemühen, auf einen Nenner zu bringen, was eine Hochkultur für ihren Kernbestand hält» (Fend 2008, 40).

Für die Deutschschweiz wird dieser «Kernbestand» im Lehrplan 21 abgebildet. Dabei handelt es sich um ein Referenzwerk, das die Schul- und Unterrichtsentwicklung in den nächsten Jahren leiten soll. Daneben ist der Lehrplan 21 mit seinen Grundansprüchen und den auf die drei Zyklen ausgerichteten Aufträgen auch Grundlage für die Entwicklung von Beurteilungsinstrumenten (D-EDK 2015, 8).

2.2.1 Ausrichtung und Gliederung des Lehrplans 21

Der Lehrplan 21 ist kompetenzorientiert aufgebaut (D-EDK 2016, 25). Kompetenzen (siehe Abschnitt 2.3) werden darin als eine erweiterte Form von Lernzielen verstanden, die Wissen und Können einerseits und fachliche, personale, soziale und methodische Dimensionen andererseits miteinander verknüpfen (D-EDK 2016, 24).

Im Bereich der fachlichen Kompetenzen ist der Lehrplan 21 nach Fächern, Handlungs-/Themenaspekten, Kompetenzen, Kompetenzstufen, Grundansprüchen, Zyklen und Aufträgen gegliedert. Querverweise und sogenannte Orientierungspunkte helfen dabei, sich im Lehrplan zurechtzufinden (D-EDK 2016, 52). Auf diese Aspekte wird im Folgenden näher eingegangen.

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573 стр. 89 иллюстраций
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9783035518979
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