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Читать книгу: «Der Hypnotist Der Hase im Cafe», страница 5

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Deshalb hatte man ihn in der Lungenheilanstalt hochdosiert mit Tuberkulostatika, also Medikamenten, die Tuberkulose heilen, behandelt. Erfolgreich! Die haben jedoch in seltenen Fällen die Nebenwirkung, daß sie Psychosen auslösen können. Das war ihm passiert.

Er hatte sich einen guten Gott konstruiert oder in seiner religiösen Erziehung übernommen, dem er dienen wollte.

In seiner Psychose jedoch hatte dieser Gott sich in einen dämonischen Teufel verwandelt, der ihn verfolgte und von ihm Dienst und Gehorsam verlangte.

Das hatte ihn völlig verstört und schwere Angstgefühle bei ihm ausgelöst, als er nach einer intensiven psychiatrischen Behandlung mit Medikamenten in der Universitätspsychiatrie seine Psychose verloren hatte.

Deshalb wurde er mir damals von dort zur Psychotherapie überwiesen.

Schauen Sie, wenn Sie dazu neigen, an Götter und Geister zu glauben, liegt es nahe, sich für einen speziellen Gott zu entscheiden.

Und wenn Sie noch zusätzlich glauben, daß dieser Gott einen mächtigen ,Teufel’ als Gegenpart hat, sind Sie entsprechend entsetzt, wenn sich in ihrer einzigen Wirklichkeit, die ihnen zur Verfügung steht, ihrem selbsterzeugten Erleben, dieser Teufel sich als mächtiger als ihr bevorzugter ,Guter Gott’ erweist.

Und wenn Sie dann auch noch erleben, daß es leicht und angenehm ist, einem solchen mächtigen, teuflischem Gott in seiner bösen Herrlichkeit zu dienen, dann ist es nicht verwunderlich, wenn Sie es mit der Angst zu tun bekommen.

Denn dann fürchten Sie die Rache des guten Gottes, der dadurch auch zu einem bösen wird.“

„Und haben Sie ihm helfen können?“

„Ja. Ich habe ihn in eine hypnotische Altersregression geführt und ihm geholfen, die kindlichen Situationen zu finden, in denen er sich entschieden hatte, das naive Gottesbild seiner Mutter zu übernehmen.

Der ,Gute Gott’ ist häufig eine Projektion von unbewusst auf den Vater gerichteten Wünschen nach Schutz, Macht und Liebe und so weiter.

Dabei konnte er überprüfen, weshalb er damals das Gottesbild seiner Mutter übernommen hatte. Was seine psychologischen und emotionalen Motive dabei gewesen waren.

Denn ich wußte, daß die Theologen ganz scharf zwischen dem ,Gott an sich’, an den sie glauben, und den Gottesbildern unterscheiden, die sie den Leuten predigen oder die sich die Menschen von sich aus vorstellen.

Indem ich ihm, als einem angehenden Theologen, half, den ,Guten Gott’ aufzugeben und er damit auch seinen Widerpart, den ,Bösen Gott’, den Teufel, verlor, wurde er frei, sich einen theologischen ,Gott-an-sich-Gott’ zu konstruieren, an den er glauben konnte.

Mit diesem Gotteskonstrukt habe ich ihn dann in Hypnose sprechen und interagieren lassen.

Den erlebte er, wie die meisten religiösen Menschen, archetypisch als eine hellgleißende Lichterscheinung. Aus der dann, ähnlich wie das bei Moses war, bei dem sein Gott aus dem brennenden Dornbusch sprach, sein persönlicher Gott zu ihm in der Hypnose aus dem Licht sprach.

Tiefenpsychologisch gesehen, sind Götter unbewusst nach außen, an den Himmel projizierte, archetypische Selbstsymbole.

Die Venus stand zum Beispiel für den weiblichen Aspekt der Psyche der Menschen.

Der Mars für den aggressiven.

Wenn es nur einen Gott gibt, steht er für die psychische Gesamtheit des Selbst und beinhaltet alle anderen Aspekte. Und wenn der, wie im Christentum, den weiblichen Aspekt ungenügend repräsentiert, dann beginnen die Gläubigen, wie im Katholizismus, eine weibliche Versinnbildlichung anzubeten, wie die Maria als Gottesmutter oder Himmelsgöttin.

Und da wir in der Hypnotherapie sehr gut im Trancezustand mit Archetypen arbeiten können, die wir als mächtige persönliche Ressourcen nutzen, war die Hypnotherapie mit dem Theologiestudenten gar nicht schwer.

Ich glaube, er benötigt nur etwa fünfundzwanzig hypnotische Sitzungen, um sich religiös zu klären.

Er hat dann normal weiter studiert.“

Sex und Tod.

Erich Bergmann schien zuversichtlicher zu sein. Er saß diesmal viel entspannter im Ledersessel.

„Es wird Sie sicher freuen, zu hören, daß ich inzwischen mit meiner Frau einmal im Theater und einmal im Kino gewesen bin.“

Er grinste.

„Auch habe ich meine leitenden Angestellten und Abteilungsleiter zusammengerufen und ihnen direkt und sehr deutlich meine Unzufriedenheit dargelegt. Ich werde in Zukunft einmal wöchentlich mit ihnen gemeinsam durch ihre Abteilungen und Bereiche gehen. Es wird aber ihnen überlassen bleiben, Missstände zu kritisieren und abzustellen.

Sind Sie zufrieden?“

„Es geht nicht darum, daß ich zufrieden bin! Es geht darum, ob Sie zufrieden sind!

Sind Sie es?“

„Ein bißchen schon“, anerkannte Bergmann die Zurechtweisung.

„Aber grundsätzlich hat sich nichts geändert.“

„Darf ich Ihnen einmal eine provokante Frage stellen?“

„Ja, bitte!“

„Was wäre das Schlimmste, was passieren könnte?“

„Das wir Pleite gehen könnten!“

„Denn dann würde was geschehen?“

„Dann würde ich mich umbringen.“

„Warum denn das? Sie wären doch nicht der erste Unternehmer, dessen Firma in die Insolvenz ginge?

Damit setzen Sie die Firma doch im Wert über den Wert, den Sie und ihr Leben haben!“

Otto Renansen war wirklich verblüfft. Alles hatte er erwartet, nur nicht diese Aussage.

„Ich habe diese Firma von meinem Vater übernommen. Wenn sie in die Pleite ginge, hätte ich versagt. Das könnte ich nicht aushalten.“

„Habe ich das richtig verstanden?“ fragte der Erfolgscoach nach, „Sie arbeiten nicht primär für sich oder Ihre Familie oder meinetwegen auch die Belegschaft, sondern für das Ansehen und die Erwartungen Ihres toten Vaters?

„Natürlich arbeite ich auch für mich und meine Familie. Aber das zu verlieren, was mein Vater mir hinterlassen hat, könnte ich nicht ertragen.“

„Nehmen wir einmal an, eine Wirtschaftskrise ließe alles zusammenkrachen“, fragte Renansen immer noch leicht verstört nach, „und im Rahmen des Geschehens ginge auch Ihre Firma mit unter, würden Sie sich dann auch entleiben wollen?“

„Ja, denn ich wäre trotzdem ein Versager, denn ich hätte dann die Wirtschaftskrise voraussehen und entsprechende Schritte einleiten müssen.“

Otto Renansen schwieg für eine Weile. Er wollte erst sein emotionales Gleichgewicht wiederfinden.

„Wenn man es genau nimmt, sind Sie mit dieser Haltung eigentlich ein latent zum Tode verurteilter Unternehmer“, äußerte er schließlich.

„So komme ich mir manchmal auch vor! Das löst auch den Stress aus, der mich belastet“, erwiderte Bergmann und schaute deprimiert.

„Bisher habe ich ja alles hingekriegt, ich habe sogar die Firma, die ich von meinem Vater übernommen habe, vervielfacht, was die Zahl der Angestellten und Arbeiter angeht.

Aber ich schaffe die Belastungen nicht mehr so wie früher. Das macht mich unruhig und lässt mich schlecht schlafen.“

„Sie müssten sich durch einen Nachfolger entlasten“, meinte der Coach.

„Eigentlich schon, aber das ist ein weiteres Problem, das mich belastet.“

„Wieso das?“

„Ich habe, wie ich Ihnen erzählte, zwei Söhne, die mir nachfolgen könnten.

Mein ältester Sohn hat Ingenieurswesen studiert und ist Diplomingenieur. Er arbeitet schon im Betrieb. Ihn könnte ich mir als Nachfolger vorstellen.

Mein jüngerer Sohn hat nach dem Abitur Betriebswirtschaft studiert und macht jetzt in Duisburg bei einer befreundeten Firma ein zweijähriges Praktikum in Betriebsführung.

Um ihn mache ich mir Sorgen. Ich kann mir nicht vorstellen, daß er erfolgreich unsere Firma führen könnte. Außerdem verstehen sich die beiden Brüder nicht.“

„Und was ist das Problem mit Ihrem jüngeren Sohn?“ fragte Renansen.

„Er lebt über seine Verhältnisse. Er fährt einen Sportwagen nach dem anderen zu Schrott.

Zudem ist er dick und hat eine riesige Bierwamme. Und das in seinem Alter! Er macht seine Arbeit, hat aber nur sein Hobby, die Autos, im Kopf.“

„Und wie finanziert er diesen aufwendigen Lebensstil?“

„Das ist ja das Problem!“

Erich Bergmann war jetzt ärgerlich und entrüstet zugleich.

„Meine Frau steckt ihm immer wieder Geld zu. Er ist ein richtiges Mamasöhnchen! Zigmal habe ich ihr schon gesagt, sie solle das lassen! Sie verwöhnt ihn und macht ihn unselbständig. Aber sie hört nicht auf mich!

Sie will unbedingt, daß er in die Leitung der Firma einsteigt.

Aber der kann das nicht! Der würde die Firma ruinieren.

Und wenn sie sein Bleiben erzwingen würde, würde mein anderer Sohn kündigen und seine eigenen Weg gehen.

Das wäre das Ende unserer Firma und auch mein Ende!“

„Aha!“ dachte Renansen, „eine sogenannte gespaltene Familie. Der Ehekonflikt wird über die Kinder ausgetragen. Jeder hat einen Sohn auf seine Seite gezogen. Der ursprüngliche Ehekonflikt wird direkt vermieden und jetzt indirekt über die Söhne ausgetragen.

Vordergründig geht es um die Führung und die Existenz der Firma, in Wirklichkeit wahrscheinlich um die Existenz der Ehe und damit der Familie.“

Auch die Sexualrituale mit der symbolischen Registrierung und Sichtbarmachung jeden Geschlechtsverkehrs in dem Glas im Schlafzimmer bekam in seiner Hypothese plötzlich einen Sinn.

Das schien eine unbewusste Beschwörung der Ehe und des ehelichen Zusammenhalts zu sein. Das magische Gegenmittel gegen heimliche oder verdrängte Trennungswünsche oder Trennungsgefahren.

„Da war es wieder!“ dachte er.

Die meisten Menschen glaubten, daß ,Leben und Tod’ das zentrale existenzielle Gegensatzpaar sei. Aber die Arbeit in der Hypnotherapie, die es ja erlaubte, viel tiefer in die Psyche der Menschen zu blicken, als es bei anderen Psychotherapieverfahren möglich war, hatte ihn etwas anderes gelehrt.

Das wirkliche Gegensatzpaar hieß ,Sex und Tod’.

Beide waren die beiden unverzichtbaren Diener des Lebens. Beide waren in der Evolution des Lebens zusammen entstanden und genetisch kodiert worden.

Zusammen ermöglichten Sex und Tod das siegreiche Überleben im ewigen Kampf mit den Parasiten, Bakterien und Viren.

Die Sexualität führte immerwährend zur neuen Mischungen der Gene und sicherte so den Vorsprung vor den Parasiten. Der genetisch verankerte Tod säuberte die Lebensplatte, damit Raum für das neue und besser geschützte Leben entstand.

Natürlich gab es auch den Unfalltod oder den gewaltsamen Tod, aber die waren insgesamt in Zahl und Auswirkung unbedeutend gegenüber dem genetisch codierten Tod.

Otto Renansen entschloss sich zu einer Hypothesenbildung.

Er würde von jetzt an davon ausgehen, daß primär ein archetypischer Konflikt in dieser Familie vorlag.

Ein Konflikt, in der Sex und die Nachfolgefrage ebenso wie die Existenz der Firma symbolisch das Thema des Lebens und des Lebenwollens symbolisierte.

Auch der Zusammenhalt der Ehe und der Familie gehörte zu diesem Thema.

Die Insolvenz der Firma und der tote Vater und sein Vermächtnis, wie die drohende Scheidung, würden dann die Themen des Todes symbolisierten.

Auch das Verhalten des jüngsten Sohnes, gekennzeichnet durch die sich dem realen Leben als Erwachsenem entziehende Rolle des Muttersöhnchens gehörte zum Todesthema.

Ja, man konnte sogar sagen, dem Muttersöhnchen-Sohn kam eine Schlüsselrolle zu.

Wenn der älteste Sohn durch die erfolgreiche Führung der Firma das Leben des Vaters erhalten könnte, hatte der jüngere Sohn es theoretisch in der Hand, durch ein Versagen und das Ruinieren der Firma den Vater in den Selbstmord zu treiben.

Und wie es aussah, spielte auch die Ehefrau zumindest unbewusst nicht nur mit dem Gedanken an eine Trennung.

Sie bedrohte Herrn Bergmann und drängte über den Sohn ihren Mann in Richtung Selbstmord und Tod.

Mit anderen Worten, in dieser Familie tobte unbewusst ein mörderischer Machtkonflikt.

„Nur um was konnte es dabei bloß gehen? Was steht dahinter?“ fragte sich der Hypnotist.

Da es in diesem Fall aber in jedem Fall um Leben und Tod ging, beschloss er vorsichtig und umsichtig vorzugehen.

„Wenn Sie Pleite gehen, sind sie tot. Wenn Ihr zweiter Sohn in die Firma kommt, geht Ihr ältester Sohn und die Firma geht Pleite, dann sind Sie auch tot. Wenn Ihre Frau die Ehe oder die Firma verlässt, gehen Sie dann auch in die Pleite und sind sie dann auch tot?“

„Ja!“ sagte Bergmann ruhig.

„Wissen Sie, das erinnert mich an einen neunzehnjährigen Abiturienten, den ich mal als junger Arzt behandelt habe.

Der war mir zugewiesen worden.

Er saß nur noch auf einem Stuhl und sagte unaufhörlich „Ja!“ und „Nein!“ und wandte dabei seinen Kopf immer hin und her.

Zuerst dachte ich, der sei verrückt geworden.

Schließlich bekam ich ihn doch zum Reden.

Dabei kam heraus, das „Ja!“ hieß, ich mache das Abitur und lebe weiter.

„Nein!“ hieß dabei, ich falle durch das Abitur durch und bringe mich um.

Er stand zwischen der Entscheidung zwischen Leben und Tod.

Er hatte sein Abitur zum Gottesurteil gemacht. Das Abitur sollte über Leben und Tod entscheiden.

Ich fürchte, Sie haben das Wohlergehen Ihrer Firma zum Gottesurteil gemacht, wie er das Abitur.“

„Und wie ist das ausgegangen?“ fragte der Unternehmer.

„Gut!“ antwortete sein Coach. „Aber es war schwierig und hart für ihn, aus seinem Dilemma herauszukommen!“

Und er schilderte Bergmann, wie er herausbekommen hatte, wieso denn das Abitur so gefährdet gewesen sei, daß ein Scheitern drohte.

„Eigentlich war er intelligent genug, das Abitur zu schaffen. Ja, er hatte es herbeigesehnt, denn er wollte Kunst studieren.

Aber seine Mutter hatte ihm ein Studium verboten und von ihm gefordert, daß er in eine Lehre gehen sollte, um in ihrer Nähe zu bleiben.

So wie Ihr Sohn, hatte er Schwierigkeiten, ein Mann zu werden und seinen Weg im Leben zu finden.

Entweder, weil ihn Ihre Frau nicht loslässt und ihn durch Verwöhnung an sich bindet oder weil er sich ängstlich an Ihre Frau klammert, die ihn dann aus falsch verstandener Mutterliebe vor dem Leben zu schützen versucht.

Ich habe dann den Vater jenes Abiturienten einbestellt und ihn gefragt, warum er seinem Sohn keine Hilfestellung gebe, von der Mutter loszukommen. Da sagte dieser, er sei seiner Frau nicht gewachsen.

Dieser junge Mann hatte nicht nur eine klammernde Mutter, sondern auch einen Vater, der ihm nicht zeigen konnte, wie man als Mann mit den Weibern fertig wird und der ihn nicht ausreichend in seinem Mannwerdungsprozess unterstützt hatte.

Er sah sich ohne Vorbild und die natürliche Unterstützung durch den Vater im Ablösungsprozess von seiner Mutter nicht nur alleingelassen, sondern auch noch gefesselt und entmutigt.“

„Meinen Sie, mein Sohn braucht von mir mehr Unterstützung?“

„Ich könnte mir das gut denken“, entgegnete Renansen vorsichtig.

„Er kauft sich sexuelle Männlichkeitssymbole in Form von Autos. Mit denen gibt er dann an, wie sie sagten.

Sportautos sollen doch ihre Fahrer als flotte und erfolgreiche Rennfahrerhelden, die den Tod herausfordern und zum Sieg fahren aufwerten.

Wenn er in sich ruhen würde und sich seiner Männlichkeit sicher wäre, bräuchte er das alles nicht!

Außerdem, wenn Sie beklagen, daß Ihr Sohn zu stark unter dem Einfluss seiner Mutter steht, könnte ihm mehr Kontakt und Anerkennung durch den Vater vielleicht helfen, sich stärker freizuschwimmen.“

Erich Bergmann schwieg nachdenklich.

„Und andererseits, wenn Sie mehr Zeit für Ihre Frau erübrigen könnten, würde der Sohn als Beziehungsersatz für den abwesenden Ehemann auch weniger wichtig werden.“

„Sie haben mir noch nicht erzählt, wie Ihr junger Patient die Kurve gekriegt hat“, unterbrach ihn der Unternehmer.

„Nun, ich nahm ihn damals in eine Psychotherapiegruppe, da er außerhalb der Schule immer von seiner Mutter besetzt war und kaum gesellschaftlichen Kontakt hatte.

Wenn ich, was zweimal in der Woche geschah, die Gruppentherapiesitzung eröffnete, grüßte ich den jungen Mann immer als erstes, indem ich wie ein römischer Soldat die rechte Hand zum Gruß erhob und ihn wie einen Gladiator grüßte: „Gegrüßt seist Du, Totgeweihter!“

Das machte ich wochenlang so, bis er eingesehen hatte, wie einfältig sein Wunsch war, zu sterben. Nur weil er durch das Abitur gefallen wäre.

Als er diese Absicht nicht mehr äußerte, habe ich ihm gesagt, ein Mann sei dann ein Mann, wenn er sich ermanne und nicht kneife und vor dem Leben weglaufen wolle. Deshalb sei es wichtig, daß er sich dem Abitur stelle und der Möglichkeit einer Niederlage.

Das tat er dann auch, sorgte jedoch dafür, vermutlich um seine Mutter nicht zu beunruhigen, daß er mit zwei Punkten zu wenig durch das Abitur fiel.

Mit diesem Kompromiss kam er dennoch ein Stück weiter.

Denn er war zwar weiterhin seiner Mutter ein gehorsamer, sich selbst hemmender, wenn Sie wollen ein sich selbst kastrierender Sohn.

Andererseits hatte er sich dem Risiko und der Niederlage gestellt und diese mannhaft ertragen.

Dadurch hatte er eine wichtigen Schritt nach vorne gemacht und es weiter geschafft als sein Vater.

Die Gruppenmitglieder standen alle auf seiner Seite und machten ihm immer deutlicher klar, wie unakzeptabel die Forderungen seiner Mutter waren, sein Leben für sie zu leben und zu erwarten, daß er sein eigenes Leben für sie opfern sollte.

Da er noch Jungmann war und keinerlei sexuelle Erfahrung hatte, ja nicht einmal ein Mädchen geküsst hatte, schlug ich ihm vor, an einer altersentsprechenden sexuellen Entwicklung zu arbeiten.

Mein Hintergedanke dabei war, daß die meisten Jugendlichen ja durch die Beziehung zu dem anderen Geschlecht von den Eltern entfremdet werden und die Trennung von den Eltern den meisten jungen Menschen erst durch eine Heirat gelingt.

Also begann ich ihn regelrecht sexuell aufzuklären und sexuelle Aufklärungsbücher lesen zu lassen, die ich als Sexualtherapeut reichlich besaß und ihm auslieh.

Auch sorgte ich dafür, daß er auf Partys und in Diskos ging und so Mädchen kennen lernte.

Schließlich kam er mit dem ersten Kuss in die Einzeltherapiesitzung, denn die erwähnten Themen waren nichts für die Gruppentherapie.

Dann verliebte er sich, hatte mit seiner Freundin ersten Geschlechtsverkehr und verbrachte immer mehr Zeit mit ihr, fern der Mutter.

Er stellte sich zum zweiten Mal dem Abitur, was aber sechs Wochen vor der ersten Prüfung eine massive Krise auslöste.

Zwar erlaubte ihm die Mutter das Abitur, nicht jedoch ein Studium, von dem sie fürchtete, es könne ihn ihr entfremden.

Anderseits wußte er nur zu gut, daß nach bestandenem Abitur der Konflikt mit der Mutter offen aufbrechen würde und entschieden werden mußte. So reagierte er ambivalent und entwickelte hinsichtlich seiner Prüfung Vermeidungstendenzen.

Ich arbeitete mit Hypnose mit ihm und übergab seinem Unbewussten, das natürlich das Bestehen des Abiturs befürwortete, die Verantwortung für das Bestehen des Abiturs.

Während er sich durch bewusste Sabotage in seinen guten Fächern bemühte, durch die Prüfung zu fallen, ließ ihn sein Unbewusstes in seinen schwachen Fächern Bestnoten schreiben, so-dass er am Ende mit zwei Punkten über der Minimalanzahl sein Abitur bestand und ganz unglücklich vor mir saß.

Dann hetzte seine Mutter den Vater auf. Der überredete ihn, der Kunst studieren wollte, eine Anstreicherlehre bei einem befreundeten Malermeister anzutreten.

Er gehorchte und brach auch die Psychotherapie bei mir ab.

Ich wusste, daß das nicht gut gehen konnte.

Ein halbes Jahr später erhielt ich dann einen Anruf aus der Universitätspsychiatrie, bei dem mich der behandelnde Arzt bat, den Patienten nach einem ernsten Suizidversuch weiter zu behandeln. Was ich dann auch tat.

Wie ich erfuhr, hatte er an dem Tag durchgedreht, als er sich auf dem Gerüst am elterlichen Haus wiederfand.

Der Vater hatte aus Dankbarkeit gegenüber dem Malermeister, der seinen Sohn übernommen hatte, von diesem sein Haus streichen lassen.

Viele Patienten verwenden einen ernsten Suizidversuch wie ein Gottesurteil. So auch mein junger Patient.

Wenn er gestorben wäre, hätte sein Gott den Suizid für rechtens befunden und ihn gnädiger Weise von seinem verpfuschten Leben errettet.

Sollte er aber wieder allen Erwartens überleben, war er frei für sein eigenes Leben. Denn sein Gott hätte ihm dann ein neues Leben zur Verfügung gestellt und ihn von dem Gehorsam, den er den Eltern im alten Leben schuldete, freigesprochen.

Als er nach dem Gottesurteil in der Freiheit war, war es dann ganz leicht für ihn, sich abzunabeln.

Er ging nach Mainz, um Kunst und Kunstgeschichte zu studieren. Und zog bei seiner Freundin ein, die in Mainz wohnte.“

„Ich muß über die Dinge nachdenken“, sagte Erich Bergmann und drängte plötzlich auf den Abschied.

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