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Читать книгу: «Der Klosterjaeger», страница 3

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„Von der Donau. Dort leben die Biber zu Hunderten in ihren Wasserdörfern. Von Straubing bis weithinunter gegen Wels hat der Passauer Bischof das Jagdrecht. Mit dem letzten Salzkarren hat er uns ein Dutzend geschickt, wickelfette Kerle!“

„Von Passau? Ist das von dorther, von wo der neue Pater Fischmeister gekommen ist?“

„Warum fragst du?“

Haymo wurde rot. „Ich mein’ nur so. Ich hab ihn gesehen, heut früh am See.“

Des Fraters Augen leuchteten. „Den soll der liebe Gott unserm Kloster erhalten! So viel hat noch keiner von See und Fisch verstanden, wie der! Hast du den Ferch draußen am Spieß gesehen? Den hat er mit eigener Hand gefangen. Ich laß aber auch nichts auf ihn kommen. Ich halt es mit ihm. Da mögen sie im Kloster reden, was sie wollen.“

„Was reden sie von ihm?“ fragte Haymo, wobei er sich alle Mühe gab, seine Spannung zu verbergen.

„Ach, dummes Zeug! Bevor er hinauszog in die Seeklause, haben sie ihn in der Nacht oft schreien hören in seiner Zell, daß es jedem, der es hörte, durch Mark und Bein ging. Und wenn sie dann zu ihm hineinrannten, fanden sie ihn am Boden, mit zerrauftem Haar und blutigen Fingernägeln. Nun sagen sie, daß der Teufel Macht hätte über ihn, weil furchtbare Sünden auf seinem Gewissen liegen. Und sie sagen, der Teufel käme in der Nacht und raufe mit ihm um seine Seele.“

Haymo saß mit erblaßtem Gesicht und stammelte: „Soll das wahr sein können?“

„Glaub mir, Haymo, dem Teufel laufen die Seelen so scharenweis zu, daß er gemütlich warten kann, bis sie kommen. Der braucht sich nit zu raufen um das, was sein ist. Und bei einer Seel, die dem lieben Herrgott gehört, da hilft ihm auch das Raufen nichts.“

„So?“ Haymos Stimme klang seltsam gereizt; denn wieder sah er den Pater Fischmeister vor Gittli stehen, mit verlangend gestreckten Armen, mit brennenden Augen. „Ihr meint wohl, der Pater hätt so eine fromme Seel, die nirgends hin will, als nur hinauf in den Himmel?“

„Was weiß ich? Kein Mensch hat ein Guckloch vor dem Herzen, daß man hineinschauen könnt, wie’s aussieht drinnen. Auf jeder Pfanne liegt ein Deckel. Nun errat’s, was drinnen kocht! Mit der Nase riecht man auch nit alles. Und wer immer auf den Knien rutscht, ist noch lang kein Heiliger. Es kann auch einer in den Himmel kommen, der steife Beine hat. Und dann, was geht’s mich an? Er ist der beste Fischer. Das ist mir genug. Freilich, was Besonderes muß es schon gewesen sein, was den ins Kloster verschlagen hat. Wenn ich zurückdenke die zwanzig Jahr – “

„Ihr habt ihn gekannt?“ fiel Haymo hastig ein.

„Gekannt? Nein! Aber gesehen hab ich ihn einmal. Und hab ihn auch nimmer vergessen. Es war zu Regensburg. König Ludwig – jetzt ist er lange schon Kaiser, und Gott mag ihn erhalten, denn er ist ein guter Herr – der sollte damals zu Gast kommen bei Bischof Adalbert. Und da holten sie mich aus dem Kloster, damit ich das Mahl rüste. Ja, mein Junge, ich hab allzeit was gegolten! Ein Koch wie ich! – Lassen wir’s, denn stolz sein ist eine Sünd. Ich kam also, und ich sag dir, Wunder hab ich gewirkt, Wunder! Was ein Auerhahn für ein Vieh ist, das weißt du doch?“

„Keine schönere Jagd, Frater!“

„Jagen? Meintwegen! Aber essen? Ich dank! Was aber will ich machen? ‚Bruder Küchenmeister‘, sagte Herr Adalbert zu mir, ‚ich will dir kund und zu wissen tun, daß Herrn Ludwigs Lieblingsgericht der Auerhahn ist.‘ Auch ein Geschmack, denk ich mir! Dazu gehört ein gut bayrischer Magen. Und Zähne! Die hat er freilich. Das haben seine Feinde gespürt, mit denen er ins Beißen kam. Also, ein Auerhahn! Ja, aber wie? Ich sag dir, Haymo, die ganze Nacht hab ich kein Auge zugetan. Und der liebe Gott hat mich erleuchtet. Ich habe damals eine Beize erfunden – eine Beize! Und der Auerhahn kam auf die Tafel. Und wie! Butter, Haymo, Butter!“

„Aber der Pater Fischmeister?“ drängte Haymo.

„Ja, richtig! Es war ein wunderschöner Maitag, als Herr Ludwig einzog im Hof der Bischofsburg. Alles glitzerte von Sonne. Der Himmel gut bayrisch: blau mit silbernen Schäflen. Als sie kamen – ich sag dir, Haymo, das war ein Glanz und eine Pracht, von all dem funkelnden Gold und Eisen! Vom Küchenfenster sah ich’s mit an. Und ein Jubel und eine Freud! Herr Ludwig ritt auf einem schneeweißen Pferd.“

„Die Krone auf dem Haupt und das Zepter in der Hand?“

„Dummer Bub!“ lachte der Frater. „Da kennst du unsern Kaiser schlecht. Nein! Im schlichten Jägerkleid, nit ärmer wohl, aber auch nit besser als der Kittel, den du am Leib trägst. Sein Gefolg aber! Du, das schaute sich an, als wären die Schatzkammern der Untersberger Zwerge lebendig geworden. Und unter den Fürsten und Rittern war einer – “

„Der Pater Fischmeister?“

„Erraten! Freilich, damals hieß er noch nit Pater Desertus, sondern Dietwald, Burggraf zu Falkenberg.“5

„Ein Graf!“ staunte der Jäger.

„Hast du schon den heiligen Georg auf seinem Roß gesehen?“

„Ja, auf dem Bild, das im Zimmer des Vogtes hängt.“

„So sah er aus. Stolz und schön! Unter dem blitzenden Helme ringelten sich die schwarzen Locken hervor. Auf den Lippen sproß ihm der erste Flaum, ein lachendes Gesicht wie Milch und Blut, aber eine Gestalt und Glieder, und eine Kraft! Sein Roß schnaufte nur so unter ihm! Und als wär’s ein Birkenblatt, so trug er den schweren Schild, einen weißen Falk auf blauem Grund. Andern Tages beim Turney, da brauchte er nur so zu machen – “ der Frater Küchenmeister tippte den Zeigefinger auf Haymos Brust, „und die Herren Ritter purzelten in den Sand und streckten alle viere in die Luft. Und die Weibsleut! Wie verrückt waren sie. Die Augen guckten sie sich aus nach ihm. Er aber – Was gibt’s?“

Ein Laufbursch war in die Stube hereingestürmt; der Klostervogt hätte nach dem Jäger fragen lassen.

Erschrocken sprang Haymo auf; aber so rasch kam er nicht zur Tür hinaus. Der Frater Küchenmeister hatte noch allerlei Anliegen; er zählte dem Jäger an den Fingern die würzigen Wald- und Almenkräuter her, welche Haymo in die Küche liefern sollte, sobald der Frühling sie erweckt hätte zum Blühen. Auch die Bärenschinken wären aufgeknappert bis auf den letzten Knochen. Ob nicht Aussicht wäre auf neuen Vorrat? Nicht nur wegen der Schinken. „Gesulzte Bärentatzen!“ Der Frater verdrehte die Augen und schlug mit der Zunge einen Triller.

„Vergangene Woch hab ich einen Bär gespürt, hoch oben im Schnee,“ sagte Haymo, „doch die Fährt hat sich im aperen6 Wald verloren.“

„Pack ihn, Haymo, pack ihn! Und noch eines! Hat die Schneerose schon verblüht?“

Ein träumerisches Lächeln glitt über die Züge des Jägers. „Ich hoff, noch lang nit!“

„Ich aber hoffe, bald!“ Auf das behäbig freundliche Antlitz des Fraters legte sich ein wehmütiger Schatten. „Weißt du, Haymo, das viele Kosten von allen Schüsseln, das tut nit gut auf die Dauer. Manchmal in der Nacht, da spür ich’s hier, am Herzen, daß ich meine, ich muß ersticken. Dafür hilft die Wurzel der Schneerose, die Nieswurz. Aber sie muß gegraben werden, wenn das letzte Stöckl verblüht hat. Dann ist ihr Saft am stärksten. Er macht das dicke Blut wieder flüssig und das schläfrige Herz wieder lebendig.“

„Ja, Frater, Ihr sollt eine Wurz haben, an die noch kein Wurm gerührt hat. Aber seid vorsichtig! Ihr wißt:

 
Zwei Tröpflen machen rot,
Zehn Tropfen machen tot.“
 

„Sei ohne Sorg!“ lächelte der Frater und klopfte dem Jäger herzlich auf die Schulter. „Bist ein guter Bursch! Schick mir die Wurzel durch den Walti! Und komm nur wieder einmal! Für dich hab ich immer ein gutes Bröckl im Kasten. Aber jetzt mach weiter, sonst brummt der Vogt. Gelobt sei Jesus Christus!“

„Amen!“

5

Durch lange Korridore, in denen die weißen Chorherren an dem Jäger vorüberwanderten, lautlos seinem Gruße dankend, und über eine steile Wendeltreppe gelangte Haymo in die Wartestube des Vogtes. Die Stube hatte noch ein zweites Treppenhaus und Tor gegen den Marktplatz, damit die Bauern, die Weiber und Hörigen, die Kaufleute und Kriegsknechte, die dem Vogt ein Anliegen vorzutragen hatten, die klösterliche Schwelle nicht überschreiten mußten.

Der einzige Schmuck des großen Raumes war ein mächtiges Kreuz aus Untersberger Marmor und ein rohes, grellbemaltes Schnitzwerk, den heiligen Augustinus darstellend. Auf den Steinbänken, die sich rings um die Wände zogen, saß ein halbes Dutzend Leute, zumeist Salzkäufer aus der Fremde. Durch die geschlossene Tür der Vogtstube klang eine zankende Stimme. Herr Anselmus Schluttemann, der Klostervogt, war wieder in übler Laune. Das heißt, in solcher Laune war Herr Schluttemann jahraus, jahrein. Das machten aber nicht die Geschäfte des Klosters. Gott bewahre! Herr Schluttemann brachte diese Laune von Hause mit herein in die Amtsstube. Wer mit Frau Cäcilia, die der Vogt seine ‚gestrenge Hausehre‘ zu nennen pflegte, nur einmal in seinem Leben zu schaffen hatte, der begriff, daß Herr Schluttemann zum mindesten fünf geschlagene Stunden im kühlen Kellerstübl des Klosters sitzen mußte, um sein Hauskreuz zu vergessen. Das geschah nur, wenn er nach der zehnten Bitsche in eine Stimmung geriet, die ihn alles vergessen ließ, überhaupt alles, und ganz besonders das Nachhausegehen. Pünktlich mit sinkender Nacht schickte Frau Cäcilia die Knechte. Mit dem Herrn Vogt war um diese späte Stunde nicht mehr zu reden. Das heißt, Frau Cäcilia redete wohl. Anselmus aber hörte nicht. Doch was der folgende Morgen brachte, das war so Tag um Tag die Ursache zu Herrn Schluttemanns übler Laune. Zwischen dem Erwachen und der Morgensuppe war Frau Cäcilia unbesiegbar. Und so mußten es die Klosterbauern und Salzkäufer in der Amtsstube büßen, daß des Herrn Vogtes ‚gestrenge Hausehre‘ von Haaren einen ganzen Urwald, nicht auf dem edlen Haupte, wohl aber auf den Zähnen trug.

Kaum eine Stunde war vergangen, seit Herr Schluttemann im Sturmschritt – er selbst nannte diese Eile ‚lobesamen Diensteifer‘ – seinem häuslichen Herd entflohen war, um sich in die Amtsstube zu retten. Da war in seiner Laune noch die erste Ofenwärme. Die Tür zitterte vom Hall seiner Stimme wie der Resonanzboden einer Brummgeige.

Haymo lauschte diesem Stubengewitter, und ihm wurde unbehaglich zu Mut. Er hatte wohl ein reines Gewissen. Aber zwei gestohlene Steinböcke, und dazu die Laune des Herrn Vogts! Das konnte eine böse Viertelstunde absetzen. Er legte die Kappe auf die Bank und ließ sich nieder. Doch gleich wieder sprang er auf, freudig betroffen. Ihm gegenüber, schüchtern eingedrückt in einen Winkel, saß Gittli, das Körbchen mit den Schneerosen auf ihrem Schoß. Und wie schmuck sie sich aufgeputzt hatte! Das war wohl ihr Feiertagsgewand? Ein blauer Rock mit grüner Borte, ein schwarzes Mieder, ohne Silberschmuck, aber knapp und kleidsam. Wie frischgefallener Schnee war das Linnen, das die Arme und den Hals umschloß. Das schwarze Haar war in zwei dicke Zöpfe geflochten und gleich einer Krone um die Stirn gelegt. Dazu noch der im Mieder steckende Primelnstrauß, der sie mit seinen goldgelben Blüten lieblicher schmückte, als es irgend ein blitzendes Geschmeide vermocht hätte.

Haymo ging auf das Mädchen zu. „Grüß dich Gott, Gittli!“

Sie nickte nur und sah lächelnd zu ihm auf.

„So gib mir doch deine Hand! Wir haben uns ewig lang nit gesehen.“

„Ewig lang? Ich weiß nimmer, war’s heuer oder voriges Jahr, oder gar erst heut in der Früh.“ Sie legte ihre schmale Hand in seine braune Jägerfaust.

„Wie hast du denn geschlafen heut nacht?“

„Wie ein Mankerl!7 Aber beim Aufwachen, du, da war’s kalt! Ich hab mich schier kaum zusammenklauben können aus dem Heu. Und dann bin ich gelaufen wie ein Härml,8 nur daß ich wieder warm geworden bin. Ja, drunten erst, am See – “ Sie stockte. Ein halb ängstlicher, halb sinnender Ausdruck war in ihren Zügen. „Gelt, du hast ihn auch gesehen?“ Sie blickte scheu um sich, und ihre Stimme dämpfte sich zum Flüstern. „Den mit den Feueraugen? Ich bin völlig erschrocken. Nein, ich fürcht mich nit so leicht. Aber der! Ich glaub, der kommt mir im Traum! Hast du ihn angeschaut? Gelt, ein Gesicht wie ein Gestorbener!“ Ein Gruseln flog über Gittlis Schultern.

„Dirn,“ sagte Haymo ernst, „wenn du von mir einen Rat hören willst, dann geh ihm aus dem Weg! Aber sorgen brauchst du dich nit! Da sei du ganz ruhig! Ich laß dir nichts geschehen.“

Sie sah zu ihm auf. „Das weiß ich.“ Doch als sie den raschen Druck verspürte, mit dem er ihre Finger umschloß, befreite sie fast erschrocken ihre Hand.

Haymo wurde rot bis über die Stirn. Nach einer Weile fragte er: „Weswegen bist du denn da hergekommen?“

Sie saß verlegen, mit gesenkten Augen, und erwiderte leis: „Die Schneerosen will ich dem Kloster bringen. Und mit dem Vogt soll ich reden von meines Bruders wegen. Aber ich werd wohl noch lang verweilen müssen.“ Sie überflog mit einem Blick die Reihe der Wartenden. „Und ich sollt schon wieder daheim sein. Weißt, ich hab ein krankes Bäsl, und meine Schwährin ist siech und kann nit schaffen.“

„Nein, Gittli, du darfst nimmer warten! Komm nur!“ Er nahm sie bei der Hand, und obwohl sie sich unter stammelnden Worten sträubte, zog er sie gegen die Tür der Vogtstube. „Leut!“ rief er die Wartenden an. „Die Dirn da hat zwei Kranke daheim und kann nimmer warten. Gelt, ja? Sie darf zuerst hinein?“

Eine Antwort bekam er nicht. Aber nur deshalb, weil im gleichen Augenblick die Tür von innen aufgerissen wurde. Drinnen sah man einen Bauer stehen, der seinen Filzhut zwischen den Fingern drehte; und vor ihm, mit weitgespreizten Beinen, stand Herr Schluttemann, der Vogt, eine derb gedrungene Gestalt in einem Koller aus braunem Hirschleder, eine steife Krause um den Hals. Wie zwei Dolche stachen die Schnauzbartspitzen aus seinem dunkelroten Gesicht, und die borstigen Haupthaare starrten wirr durcheinander wie die Stoppeln eines Ährenfeldes, auf dem eine Herde geweidet hat. War das die Frisur, mit welcher Frau Cäcilia Herrn Schluttemann aus ihren Händen entlassen hatte?

„Wir sind fertig, Eggebauer, fertig miteinander!“ schrie der Vogt und schüttelte den Kopf wie ein Roß, das nimmer ziehen will. „Du siehst, da warten die Leut. Ich habe noch mehr zu tun, als mit dir zu hecheln. Weiter! Weiter! Die Tür steht offen und ich kann den Zug nicht leiden.“

„Herr Vogt,“ stotterte der Bauer, „wenn ich den Acker schon nimmer haben soll, dann habt doch Erbarmen mit meinem armen Weib und – “

„Dein Weib hat die Krapfenkrankheit!“ donnerte Herr Schluttemann. „Mit drei Ellen um den Bauch herum hab ich kein Erbarmen. Dein Weib soll die Schmalznudeln und den Met lassen, soll Schlappermilch essen und Schwarzbrot, dann braucht sie kein Bibergeil und kein Herzkreuzl vom Steinbock. Das sind medicamenta für andere Leute. Punktum!“

Der Eggebauer stand vor der Tür, er wußte nicht wie; es war ihm nur einen Augenblick so vorgekommen, als hätte ihn Herr Schluttemann beim Kragen gefaßt. Und während der Bauer wie ein begossener Pudel dem Ausgang zutrollte, hatte der Vogt schon ein neues Opfer seiner Laune gefunden: den Jäger.

„Soooo?“ grölte Herr Schluttemann und machte, denn er wollte höhnisch sein, eine tiefe Reverenz. „Belieben schon da zu sein?“

„Ja, Herr Vogt,“ sagte Haymo und schob das Mädchen, das an allen Gliedern zitterte und mit jedem Atemzug die Farbe wechselte, vor sich hin. „Aber da ist eine Dirn – “

„Natürlich!“ Herr Schluttemann machte mit ausgebreiteten Armen eine noch tiefere Reverenz. „Seine fürstlich Gnaden von der Wildschur belieben sich in der Klosterküche festzupflanzen. Der Vogt kann warten. Natürlich! Da muß man erst Pastetlen speisen, Saibling und Forellen!“

„Nein, Herr Vogt,“ sagte Haymo, „es war Hecht und Biberschwanz. Aber da ist eine Dirn – “

Herr Schluttemann stutzte und richtete sich straff in die Höhe. „Biberschwanz?“ wiederholte er, und sein ganzes Wesen war auf einen Streich verwandelt; im freundlichsten Ton der Neugier fragte er: „Heute gibt’s Biberschwanz?“

„Ja, Herr Vogt! Aber da ist eine Dirn – “

„Dirn! Dirn!“ Herr Schluttemann hatte sich wiedergefunden. Er schnaubte und zeigte das Weiße im Aug. Gittlis lieblicher Anblick rührte ihn nicht; er hatte in ihr ein Teilchen von jener Hälfte des menschlichen Geschlechtes vor sich, zu welcher Frau Cäcilia gehörte. Und das war Ursache genug für den Ton, in dem er Gittli anschnauzte: „Was will das Weibsbild?“

Gittli bewegte die Lippen, aber sie brachte keinen Laut aus der Kehle.

„Also? Wird’s bald? Was will man?“

„So rede doch, Gittli!“ mahnte Haymo. „Mußt dich nit fürchten! Der Herr Vogt ist ein lieber und guter Mann. Rede nur frisch weg!“

„Ich will – was – bringen – “ stotterte das Mädchen.

„Bringen? Dem Kloster? Herein damit!“ Ein Griff des Herrn Schluttemann, und Gittli stand im Zimmer des Vogtes. Sie wollte noch einen hilfesuchenden Blick zu Haymo zurückwerfen, aber hinter ihr war schon die Tür geschlossen. Scheu blickte sie um sich her. Ein großer Raum mit hohen Schränken an den Wänden. Zwischen den beiden Fenstern ein Bild: der heilige Georg, der den Drachen ersticht. In der Mitte ein Tisch mit Lehnstühlen.

In solch einen Stuhl hatte Herr Schluttemann sich geworfen und hielt nun die Hände verschlungen und die Beine gestreckt.

„Also! Was bringt man?“

Gittli näherte sich zögernd, nahm den Deckel von ihrem Körbchen und hielt es dem Klostervogte hin.

Herr Schluttemann guckte hinein und rollte die Augen, daß man zweimal das Weiße sah. Er hatte in dem Korb zum mindesten ein Dutzend frischer Eier vermutet oder einen Ballen Butter. „Dummes Zeug!“ schnauzte er Gittli an, daß sie erschrocken zusammenfuhr und das Körbchen schier fallen ließ. „Was soll denn das? Soll ich mir das Gras vielleicht auf den Hut stecken?“

Gittlis Augen wurden feucht, und mit leiser, kaum noch vernehmlicher Stimme sagte sie: „Morgen ist Karfreitag!“

„Das weiß ich. Oder glaubt man, ich kenne den Kalender nicht?“

„Und das sind Schneerosen. Ich selber hab sie heruntergeholt von den Schneehalden in der Röt. Und sie gehören für das heilige Grab unseres lieben Herrn.“

Herr Schluttemann dämpfte seine Entrüstung. „So? So? Das ist christlich!“ brummte er. „Stell das Körbl nur auf den Tisch! Ich will es dem Bruder Mesner schicken. So! Und jetzt Gottes Dank! Und Gott befohlen!“

Er machte einen bezeichnenden Wink nach der Tür; Gittli aber rührte sich nicht; ihr Gesicht war kreideweiß vor Angst, und mit flehendem Blick suchte sie Herrn Schluttemanns Augen.

Der Vogt wurde stutzig; er drehte den Kopf auf die Seite und kam auf das Mädchen zugegangen, mit so drohenden Augen, daß Gittli scheu ein paar Schritte zurückwich. „Man will vielleicht noch etwas? Hoho! Ich merke schon! Das also ist die christliche Frömmigkeit? Heeh? Das Kraut da war nur ein Vorwand, um hereinzukommen?“

„Nein, nein, Herr Vogt!“ stammelte Gittli mit versagender Stimme.

„Keine Widerred!“ kam es wie ein Donnerkeil unter dem gesträubten Schnauzbart herausgefahren. „Was will man? Also? Wird’s bald oder nicht?“

Gittli sah mit angstvollen Augen auf. Sie wollte sprechen, aber ehe sie noch das erste Wort herausbrachte, kamen ihr die Tränen, und schluchzend bedeckte sie mit den Händen das Gesicht.

„Natürlich! Natürlich! Jetzt wird geheult!“ Herr Schluttemann durchmaß mit langen Schritten die Stube und hob die Arme gegen den Himmel. „Herr du mein Gott, du hast die Weibsleut auch in deinem Zorn erschaffen! Heulen! Gleich heulen! So machen sie’s alle. Alle! Alle!“ Ob er wohl im stillen hinzufügte: nur Frau Cäcilia nicht? Breitspurig blieb er vor Gittli stehen und stemmte die Fäuste in die Hüften. „Also? Hat man bald ausgeheult? Soll ich bald hören, was man will?“

„Ach, Herr Vogt,“ kam es unter Tränen und Schluchzen heraus, „mein Bruder kann das Lehent9 nit zahlen.“

„Da haben wir’s!“ Schmetternd fiel die Faust des Herrn Schluttemann auf die Tischplatte. „Der saubere Bruder will nicht zahlen, und das feine Schwesterlein stolziert herum, aufgeputzt wie ein Burgfräulein.“

Gittli warf einen erschrockenen Blick über ihre Gestalt, mit zitternden Händen zerdrückte sie den Primelnstrauß vor dem Mieder und stammelte in Tränen: „Nein, nein, Herr Vogt! Ich bin doch ein blutarmes Ding. Seht doch die Schuh an, die hab ich mir selber genäht! Und das Röckl trag ich vier Jahr schon, und die Borte da, die ist ja nur angestückelt, und das Mieder hat mir die Eggebäuerin geschenkt, weil ihre Zenza drausgewachsen ist. Und das Leinen hab ich mir selber gewaschen.“

Die Augen des Herrn Schluttemann begannen verdächtig zu zwinkern. Das tat aber der Gewalt seiner Stimme keinen Eintrag: „Natürlich! Und da hat man wieder ein Pfund Seife verschmiert.“

„Nein, nein, Herr Vogt, ich hab’s bleichen lassen in der Sonn.“

„Sooo? Natürlich! Die liebe, gute Sonne muß auch schon herhalten für die Eitelkeit der Weibsleut. Und ich, der Vogt, muß mich abgeben mit solchen dummen Geschichten. Warum ist dein Bruder nicht selber gekommen? Warum will er nicht zahlen?“

„Ach, Herr Vogt, mein Bruder muß ja von früh bis in die sinkende Nacht im Sudhaus stehen. Und er möcht doch zahlen, wenn er nur könnt. Aber er hat ein krankes Kind daheim, und sein Weib ist siech geworden, wie der Winter kam. Dreimal in der Woch muß die Schwährin Fleisch essen, und neulich haben wir Wein kaufen müssen, weil sie gar so schwach und elend ist.“

„So? So?“ knurrte Herr Schluttemann. „Und warum kommt man nicht zu mir und holt sich einen Armenzettel? Und warum geht man nicht zum Armenvater und holt sich Fleisch und Wein und kräftige Süpplen? Das Kloster hat’s doch, und das Kloster gibt. Donnerwetter noch einmal! Warum nicht?“

„Ach, Herr Vogt!“ Träne um Träne kollerte über Gittlis zuckende Wangen. „Ich hätt es ja gern getan. Tät ich doch alles für die Schwährin und das liebe Bäslein. Aber der Bruder will’s nit leiden. Er sagt immer, daß er ein Mensch ist, der schaffen und verdienen kann. Und ein Kriegsmann ist er doch auch einmal gewesen. Und er will’s nit leiden, daß ich mich unter die Bettelleut stell. Und er könnt’s nit hören, wenn man uns Hungerleider schimpft oder Schnappsäck.“

„So? So? Natürlich! Not und Elend hint und vorn! Aber stolz! Nur stolz! Und die Nase hinauf in den Wind! Das wär mir das Richtige! Warte nur, warte, ich will deinem Bruder den Hochmut austreiben! Sag deinem Bruder: wenn er nicht zahlt am Ostermontag, dann setzt es ein Donnerwetter. Das Lehen laß ich ihm wegnehmen und geb’s einem andern. Ja, das tu ich! Gott soll mich strafen!“

Gittli erblaßte, und ihre Knie drohten zu brechen.

Herr Schluttemann wetterte weiter: „Das wär mir das Wahre! Nicht zahlen wollen! Natürlich! Da käm dann einer um den andern, zuerst die Lehensleut, und dann die Zinsbauern, und dann die Salzkäufer. Und die frommen Patres und Fratres, die auch leben müssen, könnten sich den Hals an den Bindfaden hängen und Luft schnappen. Oho!“ Herr Schluttemann wollte der Tischplatte eins versetzen mit der Faust, aber mitten im Schwung hielt er inne; auch Gittli erschrak und fuhr mit der Hand an die Kehle, als ginge ihr der Atem aus. Die beiden hatten zu gleicher Zeit bemerkt, daß sie nicht mehr zu zweien in der Stube waren.

Vor ihnen stand die hohe Gestalt eines Priesters; über dem weißen Talar, dessen Skapulier mit violetter Stickerei umsäumt war, hing an goldener Kette ein funkelndes Kreuz, halb verschleiert durch die dünnen Strähnen des grauen Bartes; ein violettes Käpplein deckte den Scheitel; unter der knöchernen, hart modellierten Stirne ragten die buschigen Brauen hervor wie kleine Dächer über den Augen; aber das Gesicht hatte keinen finsteren Zug; es war männlich ernst und dennoch milde.

Herr Schluttemann verbeugte sich; denn dieser Priester vor ihm, das war Herr Heinrich von Inzing, der Propst zu Berchtesgaden.

„Reverendissime!“ sagte Herr Schluttemann und verbeugte sich abermals. „Kein Ende, Reverendissime, kein Ende mit Zorn und Ärger! Die Luft könnte einem ausgehen vor Gift und Galle! Da ist wieder so eine Dirn – “

„Ich habe selbst gehört!“ fiel Herr Heinrich ein, winkte den Vogt zu sich in die Fensternische und sagte in fließendem Latein: „Mich dünkt, Ihr seid zu rauh mit den Leuten, Herr Vogt. Seht das arme Ding nur an, es gibt keinen Tropfen Blut und zittert am ganzen Leibe.“

Das rote Gesicht des Herrn Schluttemann schwoll wie der Kamm eines gereizten Gockels. „Bitte in aller Weisheit zu bedenken, Reverendissime,“ sagte er in einem Latein, bei dessen bedenklichem Klang Herr Heinrich nur mit Mühe ein Lächeln unterdrückte, „bitte zu bedenken, daß man den Leuten die Fuchtel zeigen muß. Sonst ist man verloren und betrogen alle Stund.“

„Auch ich liebe die falsche Milde nicht. Aber auch Strenge muß geübt werden mit Maß und Ziel.“ Herr Heinrich musterte Gittli mit ruhigem Blick. Sie erbebte vor dem Glanz dieser Augen wie Espenlaub, duckte sich und zog den Kopf zwischen die Schultern, als möchte sie sich so klein machen wie ein Mäuschen. Herr Schluttemann wollte sprechen, der Propst aber winkte ihm zu schweigen und sagte, immer noch in lateinischer Sprache: „Der Bruder dieses Mädchens ist der Sudmann Wolfratus? Ich kenne den Mann, er hat ein furchtloses, mutiges Herz. Als wir das letzte Mal unter den Wänden des Wazmann jagten, holte er einen weidwunden Steinbock aus der schwindelnden Wand herunter, die kein anderer zu betreten wagte. Forschet nach, Herr Vogt, ob das Mädchen die Wahrheit gesprochen hat! Trifft den Mann kein Verschulden, dann soll ihm das Lehent erlassen sein für dieses Jahr. Höret Ihr aber, daß dieser Wolfratus ein Säufer ist, oder ein Würfelspieler, dann büßet ihn mit aller Strenge! Und jetzt schicket das Mädchen heim und lasset den Jäger kommen.“ Herr Heinrich wandte sich zum Fenster, von dem aus man einen herrlichen Blick genoß über Tal und Berge.

Zitternd und bangend war Gittli die ganze Zeit gestanden; der Klang der fremden Sprache hatte sie noch mehr verwirrt, noch ängstlicher gemacht; ihr furchtsam lauschendes Ohr hatte unter den ihr unverständlichen Lauten zweimal den Namen ihres Bruders aufgefangen, und nach den bärbeißigen Drohungen, die Herr Schluttemann ausgestoßen, glaubte nun das arme Ding nicht anders, als daß mit der lateinischen Zwiesprach ihres Bruders Schicksal und Strafe beredet worden und beschlossen wäre: zahlen, oder das Lehen verlieren und verjagt werden von Haus und Hof. Ihre Augen wurden heiß, aber sie konnte nicht mehr weinen; an ihrer Kehle würgte die Angst, und ihr war, als stünde sie versteinert am ganzen Leib und vermöchte keinen Finger mehr zu rühren. Sie wich auch keinen Schritt zurück, als Herr Schluttemann blasend, mit dunkelrotem Gesicht und rollenden Augen auf sie zugeschossen kam; nur ihre tränenfeuchten Lider öffneten sich noch weiter, und ihre Lippen zuckten.

„Marsch jetzt, fort mit dir!“ knurrte der Vogt, der sich trotz der Vermahnung, die ihm geworden, von seiner Würde nichts vergeben wollte. „Und sage deinem Bruder, wenn er nicht kommt am Ostermontag, dann schick ich die Knechte!“ Da sich Gittli noch immer nicht rührte, versetzte ihr Herr Schluttemann einen gelinden, durchaus nicht ernst gemeinten Puff; sie zuckte aber doch zusammen, als wäre das Richtschwert über ihrem Scheitel geschwungen worden. Wortlos wandte sie sich und schlich zur Türe, Schritt um Schritt. Dieser Abschied währte Herrn Schluttemann zu lang, er faßte Gittli am Arm, schob sie hurtig vor sich her, und da die lateinische Lektion, die er empfangen, sein Wohlwollen für den Sudmann Wolfratus gerade nicht gemehrt hatte, so konnte er sich nicht enthalten, dem Mädchen noch ins Ohr zu brummen: „Und sag ihm nur, daß ich einstweilen meinen Stecken in Salzwasser legen will, damit er besser pfeift. Huitt!“ Das war nun freilich wieder nicht gar so schreckhaft gemeint; denn in Wahrheit hatte Herr Schluttemann bis zur Stunde noch kein lebendiges Wesen geprügelt, nur Tote: nämlich die ‚Schwarzreiter‘, die geräucherten Saiblinge, die geklopft werden mußten, bevor man ihnen die rauchgeschwärzte Haut vom rosigen Fleische zog.

Aber Gittli sah und hörte mit den Augen und Ohren eines Kindes, und was sie sah, war trostlose Finsternis. Noch ein Puff, und sie stand vor der Tür.

Haymo, der draußen gelauert hatte, wie der Teckel vor dem Dachsbau, trat ihr hastig entgegen. „Bist du schon fertig, Gittli? Und hast du – “ Da sah er ihr verstörtes, tränennasses Gesicht und ihre kummervollen Augen. Das ging ihm ins Herz wie ein Messerstich. „Gittli? Was ist dir?“

Sie schüttelte traurig den Kopf und entwand sich seinen Händen.

„Gittli!“ stammelte er und wollte ihr nacheilen; aber da klang aus der Amtsstube die Stimme des Vogtes: „Haymo! Wo steckst du denn? Herr Heinrich wartet.“

5.Falkenberg in Niederbayern an einem Nebenbach der Vils.
6.Schneefrei.
7.Murmeltier.
8.Wiesel.
9.Pachtschilling für das Hauslehen.
Возрастное ограничение:
12+
Дата выхода на Литрес:
27 сентября 2017
Объем:
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Правообладатель:
Public Domain

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