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Franz J. Bingenheimer
Stalag XI C 311
Dramatische Lebensgeschichte
Roman


Das Bild zeigt mein Vater Josef Altmann.
Die Handlung des Romans beruht auf wahren
Ereignissen. Namen wurden auf Rücksichtnahme
beteiligter Personen im Roman geändert. Orte wurden

zum Teil geändert.


Copyright 2022

Franz J. Bingenheimer

Alle Rechte liegen beim Autor

Verlag F. J. Bingenheimer

ISBN 978-3-9823676-4-4

Der Roman spiegelt, das grausame Geschehen

in einem deutschen Straf u. Kriegsgefangenenlager im zweiten

Weltkrieg.

Aufgrund erneuter Recherchen zum Zeitgeschehen im 2. Weltkrieg, wurde der Roman Stalag XI C 311, neu aufgelegt.

Klappentext

Der schaurige Roman Stalag XI C 311 erzählt die grausamen Erlebnisse eines

Deutschen Soldaten in einem deutschen Krieg und Strafgefangenenlager.

Anfang 1943. Angst Misshandlung Mord und Gewalt sind die Begleiter des Sträflings

Im Getto des Grauens, aus dem es für die Strafgefangenen kein Entfliehen gibt.

Stalag XI C 311 ist ein Stück Zeitgeschichte das allzeit Gegenwärtig ist, nur auf einem anderen Platz, in einer anderen Zeit.

Die dramatische Kriegsgeschichte beruht auf wahrer Begebenheit der Nacherzählung meines Vaters.

Am 17. Mai 1940 gegen 19:00 Uhr begann der planmäßig vorbereitete Sturmangriff auf die vom Feind besetzte Höhe 311, zwischen den kleinen Ortschaften Sally und Villy im Westen Frankreichs. Für mich, den Hauptgefreiten Soldaten Josef Altmann, war es der Tag, der mein Leben total veränderte.

Die qualvolle Angst vor dem Tod saß mir wie bei jedem Angriff der letzten Monate fest im Nacken und bestimmte den schrecklichen Augenblick des grausamen Geschehens.

Angespannt, abwartend auf den Befehl zum Angriff auf die Höhe 311, lag ich mit hunderten Soldaten bereit, im Kampf für das deutsche Vaterland zu sterben.

Schon am Vortag hatten wir bereits durch lebhaftes Artilleriefeuer nähere Bekanntschaft mit den Franzosen gemacht.

Langsam gingen wir jetzt beobachtend was vor uns auf der Höhe 311 geschah in Schützenkette vor. Plötzlich und unerwartet empfing uns rasendes Maschinengewehrfeuer unterstützt von feindlicher Artillerie von allen Seiten. Sofort gingen wir schutzsuchend in Stellung.

Uns gegenüber lagen Teile einer algerischen Schützendivision, welche zum größten Teil aus Negern bestand.

Nach einer Weile der Beobachtung robbten wir uns flach mit dem Körper hautnah am Boden durch das unwegsame matschige Gelände in Richtung des Feindes.

Wir hatten Glück, denn nur mit drei Mann Verlust erreichten wir einen kleinen schmalen Waldstreifen, der der Höhe 311 etwa 400 Meter vorgelagert war. Von hier aus starteten wir den Angriff auf die eigentliche Höhe.

Jetzt war wieder einmal der Augenblick gekommen, wo ich dem Tod mit Gleichgültigkeit ins Auge sah.

Während wir schweigsam mit großer Anspannung auf den bevorstehenden Sturmangriff in unserer Feldpostenstellung lagen, suchte ich nach dem Sinn des Krieges. In düsteren Gedanken fiel ich in meine schicksalhafte Kindheit zurück. Wie ein Film ging ein Teil meines Lebens noch einmal an mir vorbei.

Geboren wurde ich am 30. oder 31.12.1915 in Mainz. Meine Mutter starb bei meiner Geburt. Es gab Komplikationen bei der Entbindung, hatte die Hebamme gesagt. Woran sie starb, hatte ich nie in Erfahrung gebracht. In meiner Geburtsurkunde stand der 30. Dezember. Das sollte ein Irrtum sein, meinte meine Tante und ließ die Eintragung trotzdem nicht ändern.

Elisabeth Bingenheimer so hieß meine Tante, die mich auch großzog. Denn meinen Vater kannte ich nicht. Er hatte nach meiner Geburt meine Mutter verlassen. So bekam ich den Namen meiner Mutter. Doch dies war nur der Anfang meines schicksalhaften Lebens.

Im Alter von neun Jahren kam ich bei einem Motorradrennen in meiner Heimatstadt Oppenheim am Rhein, bei der Überquerung der Straße, unter die Räder eines Motorrollers. Ich erlitt einen schweren doppelten Schädelbasisbruch und lag vierzehn Tage im Koma. Danach war ich eineinhalb Jahre krank und wurde in der Schule zwei Klassen zurückgestuft. Einen Finger kann man heute noch in die vordere Stirnseite meiner rechten Schädeldecke legen, so schwerwiegend war der tragische Unfall.

Dieser dramatische Verkehrsunfall veränderte mein weiteres Leben. Wenn ich zu viel Alkohol trank, war ich nicht mehr der Josef Altmann, so wie ihn jeder kannte, sondern ein anderer Mensch.

Auch die Schule hatte mich aufgrund meiner schlechten Leistungen, die durch meine zweijährige Abwesenheit von der Schule zustande kam, nicht mehr interessiert. Dennoch erlernte ich einen Malerberuf, in einem kleinen Familienunternehmen in Oppenheim am Rhein. Arbeitslosigkeit und Gelegenheitsjobs bestimmten mein weiteres Leben, bis ich 1938 zum Arbeitsdienst eingezogen wurde.

In einem herrlich gelegenen kleinen Ort in der Nähe des Hambacher Schlosses, bei Neustadt an der Weinstraße, wurde ich in einem Familienbetrieb im Weinbau zur Arbeit eingesetzt. Dort lernte ich Katharina kennen, meine erste Frau. Sie bekam ein Kind von mir, das den Namen Becker trägt. Doch die Ehe hielt nicht lange an, denn der Alkohol brachte uns nach kurzer Zeit auseinander. Wir verstanden uns nicht mehr. So verließ mich meine Frau mit unserem Jungen nach kurzer Zeit.

Der Krieg begann und ich wurde 1939 direkt vom Arbeitsdienst zur Wehrmacht eingezogen. Nach einer harten militärischen Infanterie-Gefechtsausbildung in einer Einzelkämpfereinheit, kam ich in eine Flammwerfer - Abteilung. Danach wurde ich an vorderster Front im Frankreichfeldzug eingesetzt.

In wenigen Wochen besetzten wir das Land, bis hin zum Atlantik. Es gab sehr viele Tote. Ich bekam das schreckliche Elend des Krieges hautnah zu spüren. Das eigene Ich kam in den Vordergrund. Es gab nur noch eins. Überleben, egal wie!

Durch die laute Explosion eines Geschosses der feindlichen Flack wurden meine Gedanken unterbrochen. Und ich kehrte wieder in die Grausamkeit des Krieges zurück.

Das vor uns liegende Gelände war bis zur Höhe 311 ohne jegliche Deckung glatt wie eine Eisfläche und nur mit einer dünnen Grasnarbe bewachsen. Es bat kaum Schutz vor einem Abwehrfeuer des Feindes.

Ja, ich wusste, dass ein solcher Angriff, auf freiem Feld sehr viele menschliche Opfer forderte. War ich diesmal auch bei den toten Soldaten, die ihre Heimat niemals wiedersahen? dachte ich angespannt und wartend auf das Kommando von Unteroffizier Wiedemann.

Jetzt hob er die Hand. War es das Zeichen für den Angriff gegen den Tod, überlegte ich kurz. Dann konzentrierte ich mich voll auf meinen Auftrag.

Die schwere erdrückende Last des gefüllten Kerosinkanisters auf meinem Rücken spürte ich nicht mehr. Doch die Todesangst saß mir von nun an fest im Nacken und bestimmte den Augenblick des Geschehens.

>>Fertig machen zum Sprung! <<, kam der klare Befehl, bei dem es kein Zurück mehr gab.

Angespannt lag ich mit hunderten jungen deutschen Soldaten bereit die feindliche Höhe 311 zu stürmen.

>>Sprung auf Marsch, Marsch! Wir reißen den Bastarden den Arsch auf! <<, schrie Unteroffizier Wiedemann lauthals kämpferisch anfeuernd, sprang als erster vom Boden auf und stürmte voraus.

Kaum waren wir aus der Stellung im Wald herausgesprungen, wurden wir mit einem Hagel von feindlichen Geschossen eingedeckt.

Auf dem Boden liegend, das Gesicht in die schlammige Erde gepresst, lag ich mit dem schweren Flammenwerfer auf dem Rücken, flach wie ein Hase hinter einem kleinen Erdhügel in Deckung.

Ein weiterer Angriff war unmöglich. Artillerie und MG-Feuer hielten uns zwingend am Boden.

>>Wir ziehen uns zurück in den Wald! <<, vernahm ich den lauten Befehl von Unteroffizier Wiedemann.

Plötzlich hatte das Sperrfeuer etwas nachgelassen. Vereinzeltes gezieltes MG-Feuer hielt uns weiterhin am Boden.

Langsam und vorsichtig hob ich meinen mit Schlamm verschmutzten Kopf zur Seite, um zu sehen, was geschehen war.

Was ich sah, drehte mir den Magen um. Links und rechts von mir lagen die Leichen meiner Kameraden auf die übelste Weise zu Tode gerichtet. Klaus Planinger, unser MG-Schütze, lag noch fest mit dem Gesicht an den Boden gepresst, zwei Meter seitlich auf meiner Höhe.

>>Auf komm! Wir müssen zurück! Den Rest erledigen die Sanitäter! <<, rief ich ihm zu.

Dann drehte ich mich flach auf dem Boden liegend um, um zurück zukriechen, in die angrenzende Waldlichtung.

Jetzt erst bemerkte ich, dass etwas nicht stimmte mit ihm. Vorsichtig, unter vereinzeltem feindlichem Gewehrfeuer robbte ich zu ihm hinüber, um zu sehen was geschehen war.

>>Der Sensenmann hat verloren<<, sagte ich wie immer makaber vor mich hin, wenn wir dem Tod von der Schippe sprangen.

Ja, es war meine Kampfansage gegen den Tod. Unerbittlicher Hass gegen die Unmenschlichkeit lag in den Worten, die den Zustand meiner zerstörten Seele wiedergaben.

Doch diesmal war es anders. Langsam drehte ich meinen Kameraden vorsichtig auf den Rücken. Was ich sah gab mir einen wehmütigen Stich ins Herz. Klaus Planinger hatte es voll erwischt. Wo das linke Auge einmal war, klaffte jetzt ein großes blutiges fleischzerfetztes tiefes Loch. Eine gezielte MG-Garbe hatte ihn tödlich am Kopf getroffen.

Plötzlich lag Unteroffizier Wiedemann neben mir.

Jetzt ging das MG-Feuer wieder heftiger los. Wiedemann knöpfte hastig mit sorgevoller Mine den Kragen der Uniformjacke von Klaus Planinger auf und brach seine Erkennungsmarke ab.

>>Los auf Josef! Wir müssen hier raus aus dieser verdammten Scheiße! <<, befahl er.

Dann drückte er unserem toten Kameraden das eine noch verbliebene weit aufgerissene Auge langsam zu.

Nach allen Richtungen beobachtend, noch unter heftigem Beschuss des Feindes, robbten wir nach einem Augenblick des Wartens in die Waldlichtung zurück. Jetzt erst wurde mir bewusst, dass die kleine Erderhebung vor wenigen Minuten mein Leben gerettet hatte. Auch Wiedemann hatte gesehen, dass eine MG-Salve voll vor meinem Kopf ins Erdreich ging.

Total mit der Psyche am Ende lagen wir jetzt in unseren Ausgangsstellungen und warteten auf erneute Befehle.

Eines stand fest! Das Massensterben auf der Höhe 311 hatte soeben erst begonnen.

Mittlerweile war es kurz vor 22:00 Uhr. Leichter nasskalter Regen rieselte hernieder. Sehr viele Soldaten unserer Kompanie waren bei dem Angriff auf offenem Angriffsfeld gefallen, andere verwundet. Die Sanitäter hatten viel zu tun, um die verwundeten Soldaten aus dem immer wieder aufkommenden Feuerhagel zu holen. Nicht immer konnten sie gleich zur Stelle sein. So lag auch neben mir ein Soldat mit einem Schultersteckschuss. Flehend mit schmerzverzerrtem Gesicht rief er bettelnd um Hilfe. Da weit und breit kein Sanitäter zu sehen war, ging ich auf Befehl von Unteroffizier Wiedemann los, um auf dem Verbandsplatz Hilfe zu holen. Kaum war ich seitwärts einhundert Meter in Richtung auf den Verwundeten-Sammelplatz zugegangen, wurde ich ohne jegliche Vorahnung heftig beschossen.

Sofort ging ich in Deckung hinter einem dicken kräftigen Baum, um das vom Feind besetzte Gelände zu erkunden.

Jetzt sah ich ihn, den feindlichen Bunker, der nur dreißig Meter entfernt von mir seitlich zu erkennen war. Ich hatte mich in dem unwegsamen Gelände in feindliches Gebiet verlaufen, war mein erster Gedanke. Schnell ging ich zu Boden und bewegte mich seitlich in Richtung der feindlichen Stellung. Dann blieb ich ruhig regungslos eine Viertel Stunde lang liegen, um abzuwarten was um mich geschah. Nichts außer ein paar Granateinschlägen von feindlichem Artilleriefeuer war zu hören. Vorsichtig hob ich den Kopf hoch und beobachtete genau das vor mir liegende Gelände. Durch die starke Lichteinwirkung des Mondes, der direkt über mir am wolkenlosen Himmel stand, erkannte ich die große Schießscharte des Bunkers, aus der eine Mündung eines 10,5-cm-Geschützes, getarnt durch kleine Zweige und verschmutztes Erdreich, herausragte.

Wenn ich diese aussichtslose Situation, in die ich hineingeraten war, überleben wollte, musste ich angreifen, dachte ich in Todesangst und entschloss mich für das Unmögliche.

Mich umschauend ging ich blitzschnell vom Boden hoch und lief schnell in gebückter Haltung, den schweren noch vollen Kerosinkanister des Flammwerfers auf dem Rücken, von der Seite an den Bunker heran. Dass der Feind mich im toten Sichtwinkel des Kampfstandes nur sehr schwer ausmachen konnte war mir bewusst. Jetzt sah ich die zwei Belüftungsluken auf dem mit hohen Sträuchern und Gras bewachsenen gut getarnten Erdhügel.

Sie hatten ihren Kampfstand in einen stark ansteigenden Berghang hineingebaut. Unbemerkt konnte ich in gebückter Haltung auf die Anhöhe des Bunkers gelangen. Wiederum blieb ich stehen und lauschte angespannt in die Nacht. Vorsichtig sah ich jetzt durch die Öffnung, die zur Belüftung des Gefechtsstandes diente, in das Innere des Bunkers. Ich erkannte sofort, dass sie die Bunkertüre vom Eingang von innen verschlossen hatten. Mehrere Offiziere mit hohem Dienstgrad standen in saubererem Kampfanzug an einem großen Lageplan und diskutierten in französischer Sprache die feindliche Lage. Einige französische Soldaten liefen im Bunker umher. Andere lagen auf ihren notdürftig gebauten Feldbetten und starten apathisch an die Decke. Fünfzehn bis zwanzig französische Soldaten mussten im Inneren des Bunkers sein, schätzte ich flüchtig, während ich meinen Flammwerfer zum Kampf-Einsatz vorbereitete. Mir war sofort bewusst, dass sie ihr eigenes Massengrab von innen verschlossen hatten. Ja, sie saßen in der Falle des Todes, aus der es kein Entrinnen gab. Nur in wenigen Sekunden spürten sie am eigenen Leib die Macht des Bösen, das immer wieder neue Todesopfer forderte, in diesem grausamen menschenunwürdigen Krieg, der alles Leben zu verschlingen drohte.

Als ich für Sekunden an meinen Kampfauftrag dachte, denn ich mir soeben selbst gegeben hatte, und dass es jetzt so weit war ihn auszuführen, überkam mich ein Gefühl der Übelkeit.

Mir lief es eiskalt den Rücken herunter. Doch es gab kein Zurück mehr. Wollte ich selbst am Leben bleiben, musste ich sofort handeln. Jetzt begann, das Inferno des Todes, für das es im Krieg eine Legitimierung gab. Denn ich hatte den Eid meinem Vaterland treu zu dienen bis zum Tode, nach der Grundausbildung bei einem Gelöbnis abgelegt.

Langsam und vorsichtig, so dass mich niemand im Inneren des feindlichen Bunkers bemerkte, schob ich meine Flammwerferlanze von oben in die kleine Luke des Kampfstandes und zog gnadenlos den Hebel an der Lanze des Flammwerfers durch.

Das Szenario des grausamen Sterbens für die Soldaten im Inneren des Kompaniegefechtsstandes hatte begonnen.

Zwanzig bis dreißig Meter lange gewaltige Feuerstöße gingen in Millisekunden durch die Luke in das Innere des Bunkers.

Der grausame Flammentod kam fast lautlos. Kein Schuss fiel. Menschen und Geräte verschmolzen in Millisekunden ineinander. Plötzlich stank es bestialisch nach verbranntem Menschenfleisch. Qualvolle Schreie und schmerzhaftes Wimmern der Opfer, die mich mein ganzes Leben lang verfolgen sollten, bekam ich zu hören. Ein Anblick von erbärmlicher menschlicher Grausamkeit schlug mir durch die Luke entgegen. Die Brutalität des Tötens bekam ich Hautnah zu spüren, wie ich sie noch nie im Laufe des Krieges erlebt hatte. Nur wenige Minuten später war alles vorbei. Ich hatte jegliches menschliche Leben im Bunker ausgelöscht. Mein Flammwerfer war restlos ausgebrannt.

Den Kampfauftrag mit totaler Vernichtung des Feindes, den ich mir selbst gegeben hatte, war erfolgreich ausgeführt und durch den Eid für das deutsche Vaterland treu zu dienen, gerechtfertigt.

Doch in mir war in diesem schrecklichen Augenblick ein Stück heile Seele gestorben, das nie mehr zur Lebensfreude erwachen konnte. Ohne weiter abzuwarten was geschah, flüchtete ich von der Angst getrieben weg von dem grausamen Tatort, in den nahe liegenden Wald.

Kaum hatte ich die ersten Bäume am Waldrand erreicht geriet ich in ein Sperrfeuer mehrerer feindlicher Heckenschützen.

Ohne dass ich es wollte, stürzte ich in der Dunkelheit über einen Baumstumpf und landete in einer kleinen Erdmulde.

In diesem Augenblick dachte ich daran dem bevorstehenden Tod nicht mehr entrinnen zu können. Abwartend was geschah, blieb ich keuchend nach Luft ringend regungslos am Boden liegen. Plötzlich vernahm ich fremdsprachige Laute.

Sie mussten ganz in meiner Nähe sein, dachte ich und drehte mich langsam auf die Seite. Nichts war zu sehen. Das Gelände um mich war ohne jegliches Leben. So beschloss ich noch etwas abzuwarten und legte mich angespannt lauschend auf jedes Geräusch auf den Rücken.

Plötzlich sah ich sie durch das fahle Licht des Mondes, hoch oben in den Baumkronen nicht weit von mir gut getarnt, mit grünen Zweigen, sitzen. Es waren feindliche Baumschützen, die hier in Massen ihr Unwesen trieben. Ja, was konnte ich tun. Sie hatten mich ausgemacht und warteten nur darauf, dass ich aus meinem Versteck herauskam. Eines war mir klar, ich musste schnellstens meine Stellung wechseln. Aber wie? Meinen Flammwerfer konnte ich nicht mehr zum Einsatz bringen, denn der Kerosintank war leer. Er war jetzt nur noch Ballast. Also legte ich ihn vorsichtig, kaum hörbar, neben mir ab.

Nur ein Sturmgewehr mit zwanzig Patronen Munition, das war alles was ich dem Feind gegen einen Angriff zu bieten hatte. Fast hilflos war ich der Meute meiner Verfolger ausgeliefert.

Angespannt erkundete ich kurz noch einmal die Lage. Dann legte ich meinen Fluchtplan fest.

Jetzt oder nie, dachte ich, sprang schnell aus meiner Stellung und rannte ziellos durch den fast dunklen Wald.

Die Dunkelheit, die Sträucher und die Bäume waren zu meinem Vorteil geworden, um dem nahenden Tod, zu entfliehen.

Die Sekunden der Angst vor dem Tod wurden durch das Feuern vereinzelter Gewehrschüsse verdrängt. Unbeeindruckt von den Kugeln, die ganz in meiner Nähe einschlugen, stürmte ich weiter dem ungewissen Ziel entgegen.

Da die Breite des Wäldchens nur knapp 100 Meter betrug, wurde ich durch weitere Schüsse, denen ich nur durchlaufenden Stellungswechsel entkam, von meiner Flucht abgehalten.

Nach mehrmaligem unkontrolliertem verteidigendem Abwehrfeuer wurde ich unbewusst von meiner Einheit abgedrängt.

Wie ein Hase trieben sie mich jetzt in ihrem Gewehrfeuer durch den angrenzenden Wald, auf die vor mir auftauchende Lichtung zu. Ja, sie saßen siegessicher hoch oben gut getarnt in den Bäumen und warteten auf den zielsicheren Schuss, der mir den Tod bringen sollte. Auch hatten sie zwischenzeitlich bemerkt, dass ich keine Munition mehr besaß. Hilflos der mordsüchtigen feindlichen Meute ausgeliefert rannte ich um mein nacktes Leben.

Völlig ausgepumpt nach Luft ringend kam ich am Waldrand an. Vor mir befand sich plötzlich ein freies Feld, das noch mit überwachsenen Granattrichtern aus dem ersten Weltkrieg überzogen war. In einem dieser Erdlöcher suchte ich vorerst Deckung und sprang kurz darauf von Trichter zu Trichter weiter, um so die gefahrvolle Stelle zu umgehen.

Das Unmögliche war mir gelungen. Ich war den schwarzen Bastarden entkommen, dachte ich.

Schwer atmend ruhte ich mich, ringend nach Luft, am Boden liegend, ein wenig aus.

Mittlerweile war es Mitternacht geworden und der Mond schien spärlich durch die dunkel verhangenen Regenwolken.

Wie ein übergroßer Trauerfloh hing der Schleier des Nebels über dem Schlachtfeld des vergangenen Tages, dachte ich, stand ohne jeglichen Überlebenswillen auf und lief orientierungslos weiter.

Meine Tränen die mir über die Wangen liefen, spürte ich nicht mehr. Sollen sie doch kommen und mich endlich töten, damit das Elend, das die Menschheit herbeigeführt hatte vorbei ist, sagte ich Lebensmüde vor mich hin, denn ich wollte den grausamen Krieg nicht mehr ertragen.

In dem mir jetzt völlig unbekannten Gelände kam ich plötzlich an einen großen mit Sträuchern und Gras bewachsenen französischen Bunker. Die Bunkertür stand weit offen. Total überrascht von dem was ich sah, blieb ich wie angewurzelt stehen.

Langsam in gebückter Haltung, das umliegende Gelände immer im Auge, schlich ich vorsichtig an die Bunkertür heran. Dann horchte ich hinein. Drinnen war es dunkel und totenstill.

Da die französische Artillerie die ganz Gegend erneut durch ein Granatfeuer ab streute, lief ich ohne lange zu überlegen in den Bunker hinein. Denn er bot mir in meiner aussichtslosen Lage immerhin gegen das immer stärker wertende Artilleriefeuer sichere Deckung. Schnell schloss ich die Eisentür vom Bunker hinter mir ab und schob die zwei eisernen Riegel vor.

Das Glück war wieder mal auf meiner Seite, dachte ich erleichtert und holte eine Schachtel Streichhölzer aus meiner durchnässten Uniformjacke hervor. Nach mehreren fehlgeschlagenen Versuchen ein Streichholz zu zünden, gelang es mir ein noch funktionsfähiges anzuzünden. Auch fand ich gleich eine Kerze, worauf ich mir den ganzen Bunker näher ansehen konnte.

Sofort erkannte ich, dass der Kampfstand bis vor kurzem noch durch den Feind besetzt gewesen sein musste.

Geöffnete Einmachgläser mit Kirschen, Pflaumen und Birnen standen zahlreich umher. Auch Kekse und Schokolade fand ich in größeren Mengen vor.

Ein freudiges Schmunzeln zog jetzt über mein vom Schmutz gezeichnetes Gesicht. Selbstverständlich begann ich sofort ohne zu überlegen, nach den Tagen der Entbehrung, in meinen Magen hineinzustopfen was das Zeug hielt.

Bei näherer Kontrolle der einzelnen Räume entdeckte ich auch eine Kiste mit 14 Faschen Rotwein und drei Flaschen Sekt. Meine Freude über die vorgefundenen Lebensmittel war in meiner aussichtslosen Situation natürlich groß. Ich kam mir vor wie im Schlaraffenland. War es die Henkersmahlzeit vor dem Tod, dachte ich für einen Augenblick.

Jetzt hatte ich nur noch eines im Sinn! Mich mit Alkohol zu betäuben, um all das Schreckliche, das ich in wenigen Stunden erlebte zu vergessen. Voller Freude suchend in meinen Gedanken nach dem Lebensglück nahm ich gierig eine Flasche Rotwein und trank sie in kurzen Abständen aus.

Kurz darauf ging es mir wesentlich besser. Nachdem ich von vielen Lebensmittel tüchtig genascht hatte, wechselte ich aus den französischen Kleidungsbeständen meine Unterwäsche, denn sie war tropf Nass. Es fror mich am ganzen Körper. Ein vorgefundener Pullover mit Jacke tat mir in dem kühlen Bunker ganz besonders gute Dienste. Dies wurde mir zum Verhängnis.

Da es aussichtslos war in der Dunkelheit den richtigen Weg zurück zu meiner Einheit zu finden, legte ich mich auf eines der Feldbetten, die reichlich zur Verfügung standen.

Völlig erschöpft nach den Strapazen der letzten Tage auf dem Schlachtfeld, schlief ich nach wenigen Minuten fest ein. Es war kein Wunder, nachdem ich den Rotwein zu schnell und zu gierig in meinen leeren Magen hineingetrunken hatte.

Kurz nach Mitternacht wurde ich durch einen ohrenbetäubenden Knall plötzlich aus meinem festen Schlaf gerissen.

Ein Treffer von einem 21-cm-Kalieber-Geschütz landete direkt auf dem Bunker. Ich flog förmlich etwas hoch von meinem Feldbett. Kaum war dies vorüber, schlug unmittelbar neben der Schießscharte des außer Gefechts gesetzten 10,5 cm- Geschütztes, noch eine schwere Granate ein. Die Granatsplitter flogen nur so im Bunker umher. Doch ich selbst war gut geschützt, denn die Schießscharten in dem Raum, indem ich lag, hatte ich sofort, nachdem ich den Bunker inspiziert hatte, sicherheitshalber verschlossen. So fühlte ich mich ziemlich sicher und legte mich vom Alkohol immer noch beruhigt auf die andere Seite. Kurz darauf schlief ich psychisch total gestört, wieder fest ein.

Erst morgens gegen 9:00 Uhr wurde ich wach. Ja, es war kein Wunder nach dem Schlafentzug der letzten Tage.

Sofort sprang ich auf, ging eilig an eine der kleinen Schießscharten, öffnete sie und beobachtete genau das vor mir liegende Gelände.

Nichts! Totenstille war es vor dem Bunker. Der Regen hatte zwischenzeitlich nachgelassen und starker Nebel versperrte mir die klare Sicht. So entschloss ich mich vorerst noch im Bunker zu bleiben. Ja, gewaschen hätte ich mich gerne. Doch leider war kein Tropfen Wasser im Bunker aufzufinden.

Nach weiterer Suche im feindlichen Kampfstand entdeckte ich in einer Ecke drei volle Literflaschen, deren Inhalt sich bei näherer Betrachtung als französisches Parfüm herausstellte. Mit diesem Blütenduft konnte ich mich notfalls auch waschen und rasieren, kam mir plötzlich in den Sinn. Als ich dann noch Rasierzeug vorfand, begann ich mit meiner Morgentoilette.

Kurz danach fühlte ich mich wie ein junger Gott. Ich duftete förmlich aus allen Knopflöchern.

Zwischenzeitlich sah ich öfter durch die Schießscharten, um mich zu vergewissern, was draußen vor dem Bunker geschah. Das Artilleriefeuer hatte sich endlich gelegt. Nur mit meiner Orientierung sah es schlecht aus. Vorsichtig schloss ich die Bunkertür auf und ging ein paar Schritte hinaus, um meinen Standort zu definieren. Obwohl ich an der Sonne, die jetzt leicht durch den Frühnebel brach, meinen ungefähren Standort feststellen konnte, war mir doch nicht klar, wo sich meine Einheit befand.

Doch die Zeit drängte, denn ich wollte auf dem schnellsten Wege zu meiner Kompanie zurück. Also beschloss ich vorerst wieder in den Bunker zu gehen, um abzuwarten, was in der nächsten Stunde geschah.

Angespannt beobachtete ich durch die Schießscharte, dass immer mehr vom Nebel befreite vor mir liegende Gelände.

Plötzlich sah ich gut in 200 Metern Entfernung auf einem schmalen Feldweg zwei französische Soldaten in Richtung Westen gehen. Einer von ihnen schien verwundet zu sein. Hinkend mit dem rechten Bein wurde er von seinem Kameraden beim Laufen gestützt. Nun wusste ich, dass ich mich ganz in der Nähe des Feindes befand. Also musste ich doppelt wachsam sein. Abwarten war meine neue Entscheidung, damit ich dem Feind nicht in die Hände fiel.

Inzwischen war es Mittag geworden. Meine Mahlzeit nahm ich aus den Bunkerbeständen. Auf meiner Speisekarte standen Ölsardinen, Kekse und französischer Rotwein, der wiederum mir die Sinne benebelte. So ließ sich die Angst vor der Ungewissheit besser ertragen, dachte ich entschuldigend.

Gegen 14:00 Uhr setzte wieder schweres Artilleriefeuer ein. Trotzdem fasste ich endgültig den Entschluss, mich in einer Feuerpause zu meiner Einheit durchzuschlagen.

Doch von einer Feuerpause war keine Rede. Im Gegenteil, es wurde immer schlimmer. Die Granateinschläge lagen jetzt in nächster Nähe des Bunkers.

Makaber lachend mit einer vollen Flasche Rotwein in der Hand ging ich an eine Schießscharte, redete kampfansagend vor mich hin und sah hinaus was geschah.

Plötzlich sah ich mehrere französische Soldaten, wie sie in heftigem Granathagel in Angst um Ihr Leben, auf den Bunker zu rannten. Mein Atem stockte jetzt, und mein Puls raste.

Kurz darauf klopfte es heftig an die Bunkertür.

Blitzschnell überlegte ich ob ich ihnen aufmachen sollte oder nicht. Da ich zwar mein Gewehr, aber keine Munition mehr besaß, stand mein Entschluss fest.

Eilig ging ich zum Bunkereingang und öffnete kaltblütig, auf alles gefasst, die Tür.

Mir gegenüber standen jetzt elf französische Soldaten. Dass ich durch das Öffnen der Tür ihnen vollkommen ausgeliefert war, war mir vorher bewusst.

Mit dicken Schweißperlen auf der Stirn und total Nass mit Schlamm beschmutzt, kamen sie auf mich zu und umarmten mich, da ich ihnen geöffnet hatte. Die französischen Soldaten, waren alle im Alter von 20 bis 35 Jahren, schätzte ich.

Jetzt kamen noch drei weitere französische Soldaten völlig erschöpft in den Kampfunterstand gestürmt.

Nun saß ich in der Falle des Feindes. Denn ich wollte ja heraus aus dem Bunker, während die Franzosen dagegen froh waren, einen sicheren Platz vor dem Granatfeuer meiner Landsleute gefunden zu haben. Die vierzehn Franzosen sahen mich musternd misstrauisch an nachdem Sie bemerkten, dass ich eine völlig falsch zusammengestellte französische Uniform trug.

Sofort war ihnen klar, dass ich keiner ihrer Landsleute war. So versuchten sie sich mit mir zu verständigen. Nur konnte keiner dem anderen helfen, eine klärende Verständigung herbeizuführen. Sie sprachen dem Inhalt nach, über Krieg und Nächstenliebe, vermutete ich. Um nun weiterhin mit ihnen im guten Kontakt zu bleiben, tischte ich ihnen, selbst schon angetrunken, listig den vorhandenen Rotwein und den Sekt auf. Draußen vor dem Bunker hagelte es jetzt unaufhörlich mit Granaten, denn die deutsche Artillerie streute die feindlichen Kampflinien ab.

Ihnen ging es genauso wie mir, dachte ich. Besaufen wollten sie sich, um die Grausamkeiten des furchtbaren Krieges zu vergessen. Durch den reichlich konsumierten Wein angeregt kamen wir uns wenig später näher. Doch nach wie vor blieb ich das bestaunte Objekt. Da ich wusste worauf es jetzt ankam, ließ ich mir meine verdammte Angst nicht anmerken und war kalt wie eine Hundeschnauze. Auch hielt ich mich mit dem Genuss des Weines zurück.

Gegen 17:00 Uhr hatten wir unser Saufgelage beendet. Die Artillerie hatte aufgehört zu schießen. Unbekümmert ging ich mit einigen Franzosen vor den Bunker, um zusehen wie weit das vor uns liegende Gelände feindfrei war.

Wir waren jedoch kaum draußen, als uns die ersten Gewehrkugeln um die Ohren flogen. Schleunigst zogen wir uns zurück in den Bunker und schlugen die Eingangstür hinter uns zu.

Jetzt waren die Franzosen unruhig geworden. Ich selber war gespannt wie ein Lux, in Erwartung der kommenden Ereignisse.

Im Bunker tauchte nun die Frage auf, wer hatte vor wenigen Minuten auf uns geschossen? War es Freund oder Feind. Denn für eine Partei der Bunkerinsassen konnte es jetzt unangenehm werden. Sofort ging unter den französischen Soldaten ein Getuschel los. So viel ich aus dem Mienenspiel meiner ungewollten Mitbewohner erkennen konnte, wurde darüber beraten, wie man wohl auf dem schnellsten Wege wieder aus dieser eigenartigen Gaststätte herauskam. Bei diesem erregten Gespräch hatte ich mich absichtlich etwas abseits gestellt und beobachtete jeden einzelnen Mann sehr eingehend. Einer von ihnen kam auf mich zu und gab mir zu verstehen, dass sie jetzt zu ihren Stellungen zurückmussten und ich als Gefangener deutscher Soldat mitkommen müsste. Doch ich stellte mich dumm, zuckte die Schultern, als könnte ich kein Wort verstehen. Denn in diesem Augenblick war dies meine einzige Waffe gegen ihr Vorhaben.

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9783754186169
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